Ecuador | Nummer 512 - Februar 2017 | Politik

ZUKUNFT OHNE IDEEN

Nach drei Amtszeiten tritt Rafael Correa nicht mehr als Präsidentschaftskandidat an. Die Nachfolger*innen suchen noch ihr Profil

Mit Correas Abschied endet in Ecuador auch eine Ära. Mit ihm wurde der Andenstaat teil einer linken Reformwelle in Lateinamerika. Neben sozialen Errungenschaften bleibt aber auch der Streit um ein extraktivistisches Wirtschaftsmodell. Welche Rolle die einst ambitionierte Suche nach Alternativen zum Neoliberalismus in Zukunft noch spielen wird, ist unsicher. Ebenso wie die Nachfolge im Präsidentenamt. Die Kandidat*innen haben vor allem ein Thema: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Von Marco Paladines & Katharina Schwirkus

Den Wahlslogans nach zu urteilen, hat die Bevölkerung Ecuadors bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen keine Wahl. „Die Vergangenheit kommt nicht zurück“, heißt es etwa auf einem Wahlplakat von Lenín Moreno, Präsidentschaftskandidat der amtierenden Regierungspartei Ecuadors, Alianza País – Aufrechtes und Souveränes Vaterland (AP). Sein Rivale Guillermo Lasso, Bankier und Parteivorsitzender der demokratisch-liberalen Partei Creando Oportunidades (CREO), wirbt mit dem Spruch „Auf zur Veränderung“. Nach zehn Jahren an der Macht muss AP diesmal hart für die Wiederwahl kämpfen. Wenngleich es der Partei unter dem Präsidenten Rafael Correa gelang, den Anteil der armen Bevölkerung von 31,8 auf zwölf Prozent zu senken und erhebliche Investitionen im Bereich der Infrastruktur vorzunehmen, veränderte sie nicht Ecuadors strukturelle wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ressourcenabbau. Seit seiner Unabhängigkeit ist Ecuador vom Export von Kakao und Bananen abhängig, Mitte der 1970er Jahre kam das Erdöl hinzu.

Paco Moncayo ist der einzige Kandidat, der sich gegen weitere Rohstoffausbeutung ausspricht.

Rafael Correa trat bei den Wahlen 2006 noch mit dem Versprechen an, diese wirtschaftliche Abhängigkeit einzuschränken, doch schon bald war von diesem Vorhaben nichts mehr zu hören. Während AP die junge Demokratie Ecuadors (seit 1979) zunächst stärkte, machte sie seit 2013 vermehrt durch Menschenrechtsverletzungen und einem autokratischen Regierungsstil auf sich aufmerksam. Die progressiv-technokratische Regierung steht für einen Bruch mit den neoliberalen Vorgängerregierungen. Gleichzeitig sind alle Regierungen Ecuadors in ihrem Handeln durch die wirtschaftlichen Bedingungen eingeschränkt. Seit 1999 besitzt Ecuador keine eigene Währung mehr und ist mehr denn je vom US-amerikanischen Dollar abhängig. Hierdurch hat das Land keine eigene Währungspolitik mehr. Rafael Correa hat dies stets kritisiert, ändern konnte er es jedoch nicht. Er reiht sich ein in die Liste der progressiven Regierungen Lateinamerikas, die mit der Präsidentschaft Hugo Chávez’ in Venezuela 1999 eingeläutet wurden. Diese Zeit wurde geprägt durch die Gründung des UNASUR-Verbundes, welcher anstrebte, die Idee der Europäischen Union auf Südamerika zu übertragen. Außerdem versuchten sich die südamerikanischen Länder aus der Vormundschaft der USA zu befreien und die wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Ländern, wie China, auszubauen.

Die Trendwende hat längst begonnen: In Argentinien wurden die Linksperonisten von einer rechtskonservativen Partei unter Mauricio Macri abgelöst; in Venezuela regiert seit zwei Jahren politisch und wirtschaftlich das Chaos; Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wurde durch ein Amtsenthebungsverfahren entmachtet.

In Ecuador sorgte die Regierung von Rafael Correa für die Verabschiedung einer neuen Verfassung im Jahr 2008, in welcher das Konzept des Buen Vivir (Gutes Leben) zum übergeordneten Staatsziel und die Natur zu einem eigenen Rechtssubjekt erklärt wurde. Dennoch entfernte sich Correa von der anfänglich revolutionären Umweltpolitik als er im Jahr 2013 bekannt gab, die Erdölquellen im ecuadorianischen Naturschutzgebiet Yasuní-ITT fördern zu wollen, nachdem der UN-Treuhandfonds zur Kompensation für die Nichtförderung nicht ausreichend Mittelzuflusss bekam. Im Umgang mit Protesten gegen die Ressourcenausbeutung zeigte die ecuadorianische Regierung ein vermehrt autokratisches Vorgehen. Das jüngste Beispiel hierfür war die angestrebte Schließung der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisation Acción Ecológica im Dezember 2016. Die Regierung warf der Organisation vor, die gewalttätigen Proteste des indigenen Shuar-Volkes gegen ein Bergbauprojekt in der Region Cordillera del Condor unterstützt zu haben. Bei den Demonstrationen sind bereits drei Aktivisten zu Tode gekommen, zuletzt starb zudem ein Polizist.

Der Versuch, die NGO zu schließen, scheiterte jedoch im Januar 2017, weil die ecuadorianische Regierung nicht genug Beweise für den Vorwurf verfassungswidriger Handlungen seitens der Acción Ecológica vorlegen konnte und die zuständigen Behörden beschlossen, das Verbotsverfahren einzustellen. Wenngleich das Vorgehen gegen Acción Ecológica Medienaufmerksamkeit erzeugte, ist die Rohstoffausbeutung in diesem Wahlkampf ein Randthema.

Der einzige Kandidat, der sich zum Thema Ressourcenausbeutung kritisch positioniert, ist Paco Moncayo. Der 73-jährige ehemalige Militärbefehlshaber wird von drei linken Parteien unterstützt. Von 2000 bis 2009 war er Bürgermeister Quitos unter der Partei Demokratische Linke. Danach wurde er als Abgeordneter in das Parlament gewählt. Unter seine Zeit als oberster Militärsbefehlshaber fiel der Cenepa-Krieg, der bis datot letzte bewaffnete Konflikt zwischen Peru und Ecuador 1995.

Außerdem entschied er 1997, dass sich das Militär nicht in die vom ecuadorianischen Kongress entschiedene Abberufung des damaligen Präsidenten Abdalá Bucaram einmischen würde. Heute spricht er sich für die Beendigung der Erdölförderung im Yasuní-ITT aus. Außerdem möchte er die nationale und internationale Verschuldung Ecuadors auf den Prüfstand stellen und die Abtreibung entkriminalisieren.

Bei den Wahlen am 19. Februar tritt er gegen den bereits erwähnten Kandidaten der Regierungspartei AP, Lenín Moreno, an. Der amtierende Vizepräsident Jorge Glas unterstützt diese Kandidatur und kandidiert selbst für die Fortführung seines Amtes. Themen, die sich AP auf die Fahnen geschrieben hat, ist die Intensivierung der Erdölförderung und Investitionen in einheimische Raffinerien. Auch die geplanten Projekte des offenen Tagebaus im Amazonas und in den Anden sollen verwirklicht werden, um die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Zudem will der 63-jährige Moreno Steuerparadiese kontrollieren und bekämpfen.

Als einzige Kandidatin präsentiert sich Cynthia Viteri von der rechtskonservativen Sozialchristlichen Partei. Die Partei hat besonders an der Küste Unterstützer*innen, in urbanen Sektoren sowie bei der ländlichen Bevölkerung. Sie steht der Agrarwirtschaft nahe. Die 51-Jährige möchte die Steuern senken, um private Investitionen attraktiver zu machen. Außerdem wirbt sie für den Austritt aus den Verbünden UNASUR und der Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA), um den Handel mit den USA auszubauen.

Eine noch radikalere neoliberale Politik will auch der anfangs genannte Guillermo Lasso einführen. Der Ex-Bankier gründete seine ebenfalls rechtskonservative Partei CREO erst 2013 und war unter der Regierung von Jamil Mahuad Wirtschaftsminister und mitverantwortlich für die Einführung des Dollars in Ecuador 1999. Jetzt will er die Austeritätspolitik Ecuadors ausweiten, Privatinvestitionen ausbauen, Freihandelsabkommen im pazifischen Raum abschließen und den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Dieses neoliberale Turboprogramm soll den Wiederaufbau der durch das Erdbeben zerstörten Gebiete ermöglichen.

Das Thema, das die Diskussionen anregt und zu dem es die meisten Vorschläge gibt, ist die Arbeitslosigkeit. Seit dem Verfall des Erdölpreises im November 2008, befindet sich die vom Erdöl abhängige ecuadorianische Wirtschaft in einem rezessiven Zyklus, was sich in prekären Arbeitsverhältnissen widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund macht der Kandidat Lasso ein Angebot an die Wähler*innen: „Wir schlagen etwas Einfaches vor: Wir schaffen eine Million Arbeitsplätze in den nächsten vier Jahren.“ Doch wie das gehen soll, bleibt sein Geheimnis. Weiterhin spricht er die Themen an, um welche sich die Menschen in Ecuador am meisten sorgen. „Unsere Feinde sind die Armut, die Ungerechtigkeit und die Arbeitslosigkeit.“

Der progressive Kandidat Moncayo zielt in seiner Kampagne auch auf die Arbeitslosigkeit ab: „Wir werden Arbeitsplätze schaffen, indem wir Trinkwasserversorgung, Kanalisationsnetze und Wohnungen für 3,5 Millionen Ecuadorianer bauen.“ Die Trinkwasserversorgung und das Kanalisationsnetz für die armen Viertel im Süden der Hauptstadt Quito waren in seiner Amtszeit als Bürgermeister eine seiner Hauptsorgen. Der Kandidat der amtierenden Regierung, Moreno, schlägt seinerseits vor, einen Teil der Gelder, die durch die Einkommenssteuer vom Staat eingenommen werden, in Kredite für junge Unternehmer zu verwandeln: „Die Nutzung der Einkommenssteuer wird teilweise die Einstellung von jungen Leuten in Firmen erlauben, was ungefähr 140.000 Arbeitsplätze schaffen wird.“

Nicht nur beim Thema Arbeitslosigkeit zeigt sich: Große Unterschiede gibt es zwischen den Kandidat*innen nicht. Lediglich Moncayo hebt sich in puncto Umweltpolitik etwas von den anderen Bewerber*innen ab. Eine richtige Wahl haben die Ecuadorianer*innen bei dieser Präsidentschaftswahl allerdings nicht.

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