Bauern machen mobil
Protestaktionen und Großdemonstration für eine Agrarreform
Von einem “vollen Erfolg” der Demonstration sprechen die Bauernorganisationen. An diesem Tag haben sich rund 25.000 Menschen in der Hauptstadt Asunción versammelt. Fünf Stunden dauerte die Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude, auf der die Bauern eine Agrarreform, bessere soziale Versorgung und vor allem höhere Baumwollpreise forderten. Baumwolle ist, neben Soja, das Hauptexportprodukt des Landes. Ein direkter Verkauf ihrer Ernte, etwa an brasilianische Zwischenhändler, ist den Kleinbauern und -bäuerinnen nicht erlaubt, die Preise werden von nationalen ExporteurInnen und der Regierung diktiert. Derzeit erhalten sie etwa 67 Pfennige (700 Guarani) pro Kilo. Um ihre Existenz zu sichern, verlangen die Bauern jedoch mindestens 95 Pfennige (1000 Guarani) für ein Kilo. Weiterhin setzen sie sich für die Freilassung jener Gefangenen ein, die bei Protesten gegen die Agrarpolitik festgenommen wurden.
Begonnen hatten die Aktionen der Bauern am 11. und 12. Februar, als sie den Großgrundbesitz des früheren Vorsitzenden der Colorado-Partei, Blas Riquelme, im Department San Pedro besetzt hatten. Nachdem die Polizei mit Tränengas und Schrotflinten gegen die Campesinos vorgegangen war und etwa hundert Besetzer festgenommen hatte, begann eine Reihe von Demonstrationen und Straßenblockaden. Bei blutigen Auseinandersetzungen wurde ein Mensch getötet und 200 weitere wurden verletzt. “Unsere Geduld ist erschöpft”, sagt Bauernführer Rafael Ruiz Diaz. Diese Geduld hat lange gewährt. Seit 1958, als die Diktatur mit Militär gegen Demonstranten vorgegangen war, hat es keinen Protestmarsch gegeben, der mit der Demonstration im März vergleichbar wäre. StudentInnen- und SchülerInnenvertretungen, die drei Gewerkschaftszentralen und auch die katholische Kirche schlossen sich den Bauern und Bäuerinnen in der Hauptstadt an.
Noch im Februar hatte der Bischof von Coronel Oviedo, Claudio Silvero, die fehlende Selbstorganisation der Bauern beklagt – heute warnen die Medien vor “Unruhen” wie in Chiapas. Sollte der Funken übergesprungen sein?
Regierung in Zugzwang
Die Regierung signalisiert Gesprächsbereitschaft. Schon mußte der Chef des Landreforminstituts, Cancio Urbieta seinen Hut nehmen. Präsident Juan Carlos Wasmosy hat angekündigt, eine Agrarreform durchführen und die landwirtschaftliche Produktion wieder ankurbeln zu wollen. Auf einem Treffen mit BauernvertreterInnen im Department Caaguazu jedoch versuchte er wieder einmal, sich mit fehlenden finanziellen Mitteln herauszureden. Mit seinem Kabinett wird Wasmosy, der, wie auch Ex-Diktator Stroessner, der Colorado-Partei angehört, die geforderte Landreform kaum durchführen können. Dort sind die Interessen der Militärs und der GroßgrundbesitzerInnen, zu denen auch der Präsident selbst zählt, zu stark vertreten. Aus dem Abgeordnetenhaus, in dem die Opposition die Mehrheit stellt, sind ganz andere Töne zu hören. Der Parlamentspräsident, Francisco de Vargas, versprach die Enteignung der GroßgrundbesitzerInnen und ein neues Agrargesetz. Ebenso wolle er sich für Straffreiheit für die demonstrierenden Kleinbauern und -bäuerinnen einsetzen. Inwieweit er sich damit durchsetzen kann, ist jedoch fraglich. Die Regierung war jedenfalls bisher nicht zimperlich und tat alles, um ein Gelingen der Aktion vom 15. März zu verhindern: Das Verkehrsministerium, das “Institut zum Wohl des ländlichen Sektors” (Instituto de Bienestar Rural) und die “Paraguayische Baumwollkammer” (Cámara Algodonera del Paraguay) drohten mit Sanktionen, falls die Bauern und Bäuerinnen an den Protesten teilnähmen. Mit einer Planierraupe, einem Lastwagen, Eisenstangen und “miguelitos” (“Krähenfüßen”, die Autoreifen durchlöchern) versuchte das Verkehrsministerium außerdem, die Zufahrtsstraßen zur Hauptstadt zu blockieren. Unter dem anhaltenden Druck der Bauern und Bäuerinnen erbat sich Wasmosy 90 Tage Zeit, um die Probleme zu lösen. Wenn er es wirklich ernst meint, wird er viel zu tun haben: 76 Prozent der paraguayischen Familien mit Agrarbesitz leben in Armut, während nur ein Prozent der Bevölkerung mehr als 70 Prozent des Bodens besitzt. Die Zahl der Landlosen wird von Bauernorganisationen gar auf 200.000 geschätzt. Dem Präsidenten bleibt nicht viel Zeit, die Bauern und Bäuerinnen jedenfalls scheinen nicht bereit, so bald wieder in Passivität zu verfallen.
Kasten:
Aufruf zur Unterstützung
In der deutschen Medienlandschaft taucht Paraguay praktisch nicht auf. Die Wasmosy-Regierung soll jedoch wissen, daß es auch hier Menschen gibt, die die Forderungen der Campesinos unterstützen und das repressive Vorgehen von Seiten des Staates verurteilen. Schreibt also massenhaft Protestbriefe und schickt sie an folgende Stellen:
Presidente de la República del Paraguay,
Ing. Juan Carlos Wasmosy, Fax: 00595-21-498809
Ministro de Agricultura y Ganadería,
Ing. Raúl Torres, Fax: 00595-21-419951
Ministro del Interior,
Carlos Podesta, Fax: 00595-21-44004
Presidente del Instituto de Bienestar Rural,
Ing. Hugo Halley Merin, Fax: 00595-21-44633
Cámara de Diputados,
Francisco de Vargas, Fax: 00595-21-49887
Cámara de Senadores,
Evelio Fernández Arevalo, Fax: 00595-21-448100