Kuba | Nummer 282 - Dezember 1997

Der Fotograf an Castros Seite

Alberto Korda: das Auge der kubanischen Revolution

Nahezu jeder und jede kennt es – sein Foto von Ernesto ‘Che’ Guevara, das um die Welt ging und zu einem der meist veröffentlichten Porträts auf dem Globus wurde. Den Schöpfer dieses Fotos, Alberto Díaz Guitiérrez, kennt hingegen kaum jemand. Das stört den heute 69jährigen allerdings genausowenig wie die Tatsache, daß er nie Tantiemen für den millionenfachen Abdruck dieses Fotos sah.

Knut Henkel

Reich hätte er mit diesem einem Foto werden können, das weiß Alberto Korda – so sein Künstlername – selbst. Doch darüber schmunzelt er heute nur, während er die zahlreichen Poster, Bildbände und Fotos aus seinem Werk signiert, die ihm in der Hochschule für bildenden Künste in Hamburg gereicht werden. Hier, so hat er sich entschieden, wollte er den dreißigsten Todestag des ‘Che’ verbringen, obwohl er in aller Welt sein Werk hätte präsentieren können. „Ich habe die Einladung der chilenischen Jugend und der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba angenommen, weil ihre Arbeit ein Beispiel für die Solidarität, die Freundschaft mit der kubanischen Revolution ist und ich ihnen diesen Tag, den 9.Oktober 1997 und meine armselige fotografische Arbeit widmen möchte.“ Ein wenig pathetisch klingt das schon, aber vielleicht besser als die einfache Tatsache, daß er schon immer mal gerne nach Deutschland wollte, sich aber nie die Gelegenheit bot, wie es im August in Havanna von ihm zu hören war. Wahrscheinlich ist es denn auch eher die Mischung, die den Mann, der zehn Jahre lang Fidel Castro im In- und Ausland als dessen persönlicher Fotograf begleitete, nach Deutschland führte. Zehn Jahre, in denen er die kubanische Revolution und ihre wichtigsten Repräsentanten dokumentierte. Allein von Fidel Castro hat er mindestens 10.000 Fotos gemacht, von denen viele unveröffentlich blieben und die er größtenteils dem historischen Studienzentrum der Revolution überantwortet hat.

Die Karriere Castros

Begonnen hat Korda seine Fotografenkarriere allerdings mit der Modefotografie. Mitte der fünfziger Jahre gehörte sein Atelier zu den angesehensten in Kuba, und einige Arbeiten aus dieser Zeit sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Für renommierte Häuser wie Magnum hat er damals gearbeitet, kubanische Models in Designerroben abgelichtet – „meine Liebe gehörte damals den Frauen, bevor ich die Liebe zur Revolution entdeckte und das aus ganzem Herzen,“ erklärt er. Er spendete Geld und Medikamente für den Kampf in der Sierra Maestra und als die „Bärtigen“, so wurden die Revolutionäre damals genannt, am 8.1.1959 in Havanna einzogen nahm er seine Kamera und hielt die historischen Momente fest. Korda begann unentgeltlich für die Revolucíon, Vorläuferin der Granma, der heutigen Parteizeitung, zu arbeiten und wurde vom Chefredakteur beauftragt, bei Fidels erstem Staatsbesuch in Venezuela zu fotografieren. Weitere Aufträge folgten – bis Korda seine Anwesiungen direkt von der Sicherheitsabteilung Fidel Castros bekam und die folgenden Jahre bei keinem Auslandsaufenthalt und bei keinem wichtigen Ereignis in Kuba fehlte. Er wurde zum persönlichen Fotografen des „comandante en jefe“ – von Fidel Castro. In den zehn Jahren hatte Korda alle Freiheiten. „Nie hat er zu mir gesagt, schieße nicht dieses Foto. Er ließ mir alle Freiheiten und ich habe ihn oft sehr menschlich fotografiert, mit offenem Hemd, auf dem Boden sitzend, im Gespräch mit Leuten aus der Bevölkerung und fast nie mit dem Blitz.“
Sein bekanntestes Bild schoß Korda am 6. März 1960. Als Reporter für die kubanische Zeitschrift Revolucíon, hatte er den Auftrag, Fotos bei einer Rede Fidel Castros zu machen. Es war ein trauriger Anlaß. Am Vortage war die „La Coubre“, ein französischer Munitionsfrachter im Hafen von Habana eingelaufen. Beim Löschen der explosiven Fracht detonierte, so Korda, eine Bombe mit Zeitzünder, die 136 Menschen den Tod bescherte. Für die Beerdigungszeremonie auf der 23. Straße, der legendären Rampa, war eine Tribüne aufgebaut worden, vor der Korda stand und Fidel und die Ehrengäste, wie Jean-Paul Sartre, ablichtete. „Dann tauchte Che auf, und ich hatte gerade genug Zeit, um zweimal auf den Auslöser zu drücken,“ erinnert sich Korda, der die Bilder damals seinem Redakteur anbot, welcher sich jedoch für ein Bild von Fidel entschied. Erst acht Jahre später sollte das Bild mit dem verträumt heroischen Konterfei Che’s veröffentlicht werden – von einem italienischen Verleger, dem Korda 1966 nichtsahnend zwei Abzüge geschenkt hatte. Ein Jahr später, nach dem Tode des argentinisch-kubanischen Revolutionärs in Bolivien, vermarktete der Italiener Kordas Foto eiskalt als Poster und verdiente Millionen, während Korda leer ausging.
Zwar ist auch für Korda dieses Bild, das er eher zufällig machte, ein Foto, welches die Persönlichkeit des comandante gut wiedergibt. „Aber warum die Leute auf der Welt gerade dieses Foto als Symbol, nicht nur für den Menschen, sondern für die ganze Idee, für den Charakter aussuchten, ist auch weiterhin rätselhaft für mich. Ich fühle mich angesichts der Persönlichkeit dieses Menschen, wie ein Insekt, wie ein Ameischen, aber die Anwesenheit von Ihnen hier zeigt, daß er noch weiterlebt, das sein Beispiel unsterblich ist.“ Allerdings weiß der 69jährige durchaus zu differenzieren. Denn die heutige Vermarktung des Ernesto ‘Che’ Guevara ist für ihn nicht mehr als eine intelligente Strategie des Kapitalismus, mit der eine politische Figur in eine Ware verwandelt wird. Jüngstes Beispiel, dem die kubanische Regierung einen Riegel vorschob, war die Absicht einer britischen Brauerei, ein „Che-Bier“ auf den Markt zu bringen.

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