Nummer 229/230 - Juli/August 1993 | Paraguay

Der Garten Südamerikas bald ohne Bäume

Waldbestand Paraguays geht drastisch zurück

Dramatische Meldungen gehen durch die paraguayische Presse und verhallen doch ungehört. Eine neue ökologische Katastrophe bahnt sich an in einem Land, in dem Umweltschutz und Umwelterhaltung Fremdwörter sind. Paraguay – schon im vergangenen Jahrhundert immer wieder als der Garten Südamerikas bezeichnet- besaß mit dem Ostteil seines Landes ein ungewöhnlich fruchtbares Gebiet, zwei bis drei Ernten im Jahr sind normal, der Urwald in diesem Landesteil erschien unüberwindlich. Doch der paraguayische Dschungel wird bald der Geschichte angehören. Prognosen sagen voraus, daß es bis Ende dieses Jahrhunderts kaum noch intakte Urwälder geben wird.

Peter Altekrüger

Im Jahr 1945 waren in der Ostregion Paraguays (Gebiet zwischen dem Río Paraguay und dem Río Paraná) noch über 55% der Fläche mit dichten Wäldern bedeckt. Das waren immerhin über 8,8 Millionen Hektar (die Fläche Bayerns beträgt etwa 7 Millionen Hektar). 1991 gab es noch 2,4 Millionen Hektar Waldfläche oder gerade noch 15% der Gesamtfläche dieser Region. Die Entwicklung der letzten drei Jahre hat diesen Prozeß noch weiter beschleunigt. Lag die Abholzungsrate zwischen 1945 und 1985 bei etwa 130.000 Hektar pro Jahr, stieg sie danach auf etwa 500.000 Hektar und erreichte 1990 mit einer Million Hektar ihren traurigen Höhepunkt.
Der Prozeß der Abholzung in Paraguay ging einher mit der Erschließung des Landes. Mit jeder neuen Straße die gebaut wurde – befestigt oder unbefestigt – ging die Vernichtung der Wälder weiter voran, denn mit dem Straßenbau kamen Siedler und diese benötigten landwirtschaftliche Anbaufläche. In den 60er Jahren kamen in einem zweifelhaften Siedlungsprogramm des Stroessnerregimes zehntausende landlose Bauern in das Gebiet, die schon aus reiner Subsistenznot heraus zur Rodung der Wälder gezwungen waren. Der weitaus größte Teil der Wälder fiel jedoch den Holzexporteuren zum Opfer. Holzstämme und in Sägewerken grob bearbeitete Hölzer bildeten in den 50er und 60er Jahren eines der Hauptexportgüter Paraguays. Obwohl die Bedeutung des Holzexports in der Gesamtwirtschaft geringer wurde, ging der Holzeinschlag ungehemmt weiter. Vor allem Brasilien ist ein Hauptabnehmer paraguayischer Hölzer. Es wird geschätzt, daß der Forstsektor einen jährlichen Gewinn von etwa 170 Millionen Dollar abwirft. Nur ein geringer Teil geht offizielle Exportwege, der größte Teil wird als Schmuggelgut über die 400 km lange offene Grenze nach Brasilien gebracht. Der jährliche Verlust für den paraguayischen Staat durch diese illegalen Schiebergeschäfte beläuft sich auf etwa 65 Millionen Dollar pro Jahr, dies entspricht etwa 342.000 Kubikmetern Holz. Die staatliche Dienststelle zur Unterbindung dieser Holztransporte an der brasilianischen Grenze hat gerade 30 Angestellte und drei Dienstfahrzeuge und kann, so überhaupt der Wille vorhanden ist, kaum wirksam werden.
So paradox es auch klingen mag, vor allem politische Gründe sorgten in den letzten Jahren für eine verstärkte Abholzung der Wälder. Viele Großgrundbesitzer brannten seit 1989 große Waldflächen nieder, um Landbesetzungen zu verhindern. Waldflächen werden laut Gesetz als nicht genutztes Land betrachtet und dürfen von landlosen Bauern besetzt werden. Das Perverse an der Situation ist, daß auch die wenigen großen Landbesitzer, die eine gezielte Erhaltung ihrer Wälder oder gar Aufforstung betrieben haben, zur teilweisen Vernichtung ihrer Forstflächen gezwungen waren. So erklärt sich auch die Abholzungsfläche von über einer Million Hektar im Jahr 1990. Eine Agrarreform , die für eine gerechte Landvergabe sorgt und gleichzeitig auch die vorhandenen Waldflächen schützt, ist in Paraguay nicht in Sicht und auch nur schwer zu erreichen. Damit werden die landlosen Bauern in ihrer Not gezwungen, neue Probleme – diesmal ökologischer Art – zu schaffen. Verständnis für Umweltprobleme bei Menschen, die um ihre nackte Existenz ringen, ist kaum zu erwarten und auch nur schwer möglich, wenn die politischen Entscheidungsträger des Landes nicht die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen und auch konsequent durchsetzen.
Schon heute ist absehbar, daß Paraguay in etwa zehn Jahren selbst Holz importieren muß, um den Eigenbedarf zu decken. Von den anfangs erwähnten 2,4 Millionen Hektar noch vorhandener Waldfläche besitzen nur noch ca. 45% einen industriell nutzbaren Baumbestand. Der Rest der Wälder kann kaum noch diese Baumarten produzieren. Ab dem Jahr 2000 hat Paraguay für noch ca. 55 Jahre ein Holzdefizit, das auch nur dann beseitigt werden kann, wenn sofort mit der Aufforstung begonnen wird. So lange würde der Baumbestand benötigen, um sich wieder zu erholen und auf die entsprechende Größe anzuwachsen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Aufforstung ist ausgesprochen gering, auch wenn in letzter Zeit staatliche Kredite dafür bereit gestellt werden. Doch nur durch Aufforstung und gleichzeitige Verhinderung weiterer Abholzung könnte die Katastrophe in ihrer Gesamtheit noch knapp verhindert werden. Schon jetzt zeigen sich die allgemeinen Erscheinungen nach der Vernichtung von Wäldern, Bodenerosion durch Wind und Regen. Die Fruchtbarkeit der Region geht zurück, Ernteausfälle treten ein, das Klima wird heißer, andererseits versumpfen riesige abgeholzte Waldgebiete. Noch ist der letzte paraguayische Baum nicht gefällt, aber seine letzte Stunde könnte schon geschlagen haben.

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