Aktuell | Ecuador | Nummer 591/592 - September/Oktober 2023 | Umwelt & Klima

Ein historischer Sieg für den Erhalt des Yasuní

In Ecuador hat die Mehrheit der Bevölkerung für ein Ende der Ölförderung im Yasuní-Nationalpark gestimmt

Über einen Zeitraum von zehn Jahren haben indigene Gemeinden und Naturschutzorganisationen in Ecuador einen intensiven Kampf geführt, der nun in einem historischen Ergebnis mündete. Dieser Sieg markiert jedoch lediglich den Anfang eines langen Weges hin zu einem endgültigen Ende der Erdölförderung im Yasuní-Gebiet.

Von Valeria Bajaña Bilbao
Sieg für die Artenvielfalt Das Erdöl im Yasuní-Nationalpark bleibt im Boden (Foto: Vince Smith via Flickr (CC BY 2.0))

Mit der Entscheidung über die Zukunft des Yasuní, einem Nationalpark im tiefsten Regenwald des Landes, hat sich die Mehrheit der Ecuadorianer*innen für den Schutz der Natur ausgesprochen. Bei der Abstimmung am 20. August hat das „Ja” gewonnen, somit wird die Ausbeutung des Blocks 43 im Yasuní-Nationalpark gestoppt. Erwähnenswert ist außerdem, dass die Zustimmung zum Verbot des kleinen, mittleren und großen Bergbaus in der andinen Region Chocó nahe der Hauptstadt Quito bei über 68 % lag.

Trotz des klaren Ergebnisses äußerte sich Energieminister Fernando Santos Alvite skeptisch gegenüber den Auswirkungen der Abstimmung. Nur drei Tage nach dem Referendum teilte er mit, dass „die Regierung vorerst nicht an das Ergebnis des Referendums gebunden sein werde“ – eine Aussage, die im Lager derjenigen, die für das Ende der Öl-Förderung gestimmt haben, für Aufruhr sorgte. „Der Kommentar des Energieministers ist antidemokratisch. Hiermit versucht er sich gegen den Willen eines ganzen Landes zu stellen”, so Paola Ortiz Jaramillo von Yasunidos Cuenca, gegenüber LN. Alvite stützt sich bei seiner Aussage auf die Umfrageergebnisse in der Provinz, in der sich der Nationalpark befindet, in dem die Mehrheit der Menschen dafür gestimmt hat, das Öl in der Region weiter zu fördern.

Dass Alvite sich gegen die Ergebnisse der Abstimmung positioniert, ist keine Überraschung. In einem Interview mit der Zeitschrift Primicias im Juni 2023 bezeichnete er einen möglichen Erfolg der „Ja”-Kampagne als „ökonomischen Selbstmord”. Laut Ortiz spiegelt Alvites Warnung die Ansichten der Lasso-Regierung wider, die Ecuadors wirtschaftliche Stärke im Abbau von fossilen Brennstoffen und anderen Rohstoffvor- kommen sehen.

Seit 2013 ist der ITT-Block 43 Teil des Spannungsfeldes zwischen Regierung, industriellen Interessen der Erdölindustrie, indigenen Gemeinden und Umweltorganisationen. Damals kündigte der ehemalige Präsident Rafael Correa an, Förderlizenzen an die Erdölindustrie zu vergeben, obwohl er sich verpflichtet hatte, diesen Nationalpark zu schützen. Der Regenwald des Yasuní ist nicht nur eines der artenreichsten Gebiete der Erde. Er beherbergt drei indigene Gemeinschaften, die Huaorani, die Tagaeris y Taromenanes, die von den natürlichen Ressourcen im Nationalpark leben und von saisonal überschwemmten Feuchtgebieten abhängig sind. Bereits nach dem die ersten explorativen Forschungen im Block 43 im Jahr 2014 genehmigt wurden, berichteten Anwohner*innen der Region für die LN über Umweltverschmutzungen infolge der Ölförderung.

Die Zustimmung zum Bergbauverbot lag bei über 68 Prozent

Als Reaktion auf Correas Entscheidung schlossen sich indigene Aktivist*innen, Feminist*innen und Umweltkollektive aus mehreren Provinzen Ecuadors zusammen und gründeten Yasunidos. Seit seiner Gründung hat das Kollektiv zusammen mit anderen Akteur*innen, wie dem indigenen Dachverband CONAIE, versucht, Unterschriften zu sammeln, um eine Abstimmung zu fordern, in der die Bevölkerung über die Zukunft des Yasuní entscheiden sollte.

Zehn Jahre und drei Regierungen später hat Yasunidos die Umsetzung des Volksentscheids erreicht. Doch der Kampf um den Schutz des Yasuní ist damit nicht beendet. Umweltaktivist*innen leisteten weiter wichtige Aufklärungsarbeit, vor allem durch Präsenz in sozialen Medien. „Der Nationale Wahlrat (CNE) hat die Abstimmung mit der Präsidentschaftswahl zeitlich zusammenfallen lassen, was uns Zeit gekostet hat“, erklärte Paola, von Yasunidos Cuenca, im Gespräch mit LN. Der Kampf um den Yasuní hat sich in den letzten Jahren etwas abgekühlt. Das Kollektiv musste dafür kämpfen, das Interesse der Menschen für das Thema überhaupt wieder zurückzugewinnen. Paola zufolge sei der Kampf gegen Fakenews die dringendste Arbeit. Das bestätigt Pedro Bermeo, Sprecher von Yasunidos, gegenüber dem Online-Medium GK: „Die Öl- und Bergbauindustrie, sowie die gesamte Rohstoffbranche, haben die Mainstream-Medien genutzt, um zahlreiche Falschdarstellungen zu verbreiten”. Auch lokale Medien hätten ihm zufolge vor allem die Positionen der Regierung und der Ölfirmen wiedergegeben, ohne die Sichtweise der Umweltschützer miteinzubeziehen.

Am 24. August gab es eine offizielle Stellungnahme des Generalsekretariats für Kommunikation der Präsidentschaft (Segcom), in der betont wurde, dass die Exekutive sich an die Mehrheitsentscheidung der Bevölkerung halten werde. Jedoch gibt es auch andere Amtsträger und Mitglieder aus dem Privatsektor, die dem Vorbild des Energieministers nacheifern und die Rechtmäßigkeit des Referendums in Zweifel ziehen. Augusto Tandazo, Rechtsanwalt für Erdölrecht, schließt sich der Herangehensweise von Alvites an und sucht, bei einem Interview des YouTube Kanals Ingobernables, nach einer Lücke in der Verfassung, um die Legitimität der Ergebnisse und die Abstimmung selbst, infrage zu stellen.

„Es ist wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind, was die Verfassung vorschreibt”, betont Ortiz. „Andernfalls könnten diese Personen versuchen, diese begrenzten demokratischen Spielräume zu manipulieren, um ihre Interessen auf Kosten unserer Rechte durchzusetzen”.

Die Regierung muss die ölfördernde Infrastruktur zurückzubauen

Mit dem „Ja” für den Yasuní, ist es jetzt die Aufgabe der Regierung, sich an die aus der Abstimmung resultierenden Verpflichtungen zu halten. Dazu zählt der Rückbau der gesamten ölfördernden Infrastruktur sowie die Wiederherstellung der Natur und die Entschädigung der indigenen Bevölkerung.

„Wir werden eine Kommission bilden, um die Durchsetzung dieser Forderungen zu sichern”, versichert Paola. So sollen nationale, aber auch internationale Beobachter*innen die jetzige und zukünftige Regierung zur Verantwortung ziehen.


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