Kolumbien | Nummer 363/364 - Sept./Okt. 2004

Hingerichtet

Die kolumbianische Armee erschießt drei führende Aktivisten

Drei führende sozial engagierte Aktivisten, deren Bewegungen in der kolumbianischen Provinz Arauca eine Agrarreform gegen den Staat durchsetzen konnten, sind von kolumbianischen Militärs festgenommen und brutal erschossen worden. Einer von ihnen, Alirio Martínez, war der Führer der kolumbianischen Kleinbauernbewegung – ein Nachruf.

Raul Zelik

Alirio Martínez, einer der historischen Führer der kolumbianischen Kleinbauernbewegung, begeg-nete mir erstmals im Juli 2003 in Bogotá, als ich u.a. für die Lateinamerika Nachrichten in dem südamerikanischen Land unterwegs war. Martínez, der die Bauernorganisation Asociación Depar-tamental de Usuarios Campesinos (ADUC) im Grenzdepartment Arauca mitaufgebaut hatte, war wegen einer Augenerkrankung in der Hauptstadt. Der Befund der Ärzte war schrecklich: Martínez hatte ein Auge bereits verloren, auf dem zweiten würde er die stark eingeschränkte Sehfähigkeit nur bewahren, wenn er täglich teure und nur in Bogotá erhältliche Tropfen zu sich nähme. Doch Martínez machte einen gelassenen Eindruck. Trotz der Hiobs-botschaft berichtete er mir aus seiner Heimatregion und lud mich ein, gemeinsam mit einer schwei-zerisch-deutsch-brasilianischen Gewerkschafterde-legation nach Arauca zu kommen, um die dortige Agrarkooperativenbewegung kennen zu lernen.

150 AktivistInnen festgenommen

Im September 2003 konnte Martínez uns bereits nicht mehr am Flughafen Saravenas in Empfang nehmen. Im Rahmen einer Kriminalisierungswelle gegen die sozialen Bewegungen war gegen ihn sowie gegen weitere 150 AktivistInnen Araucas ein Haftbefehl verhängt worden. Unsere Delegation verbrachte einige Tage in dem gespenstisch wir-kenden Sitz der sozialen Organisationen, in dem alle Büros – mit einer einzigen Ausnahme – wegen der Verhaftungen und Morde geschlossen worden waren.
Die Situation in Arauca war schon zu diesem Zeitpunkt überaus dramatisch. Die Genossen-schaftsläden und gemeinschaftlich betriebenen Stadt-werke ECAAS arbeiteten zwar noch und beein-druckten uns Delegationsteilnehmer sehr, doch die Angst war allgegenwärtig (siehe auch die Reportage in den Lateinamerika Nachrichten Nr. 355).
Nach einigen Tagen in der Kleinstadt Saravena traf ich Alirio Martínez dann zu einem Interview in dem etwa 50 Kilometer entfernt gelegenen Dorf Caño Seco. Dort, außerhalb des Aktionsradius der Polizei, erzählten mir er und 40 weitere Bäue-rinnen und Bauern die Geschichte der Bewegungen Araucas, die in ihrem Department eine Agrarreform gegen den Staat durchgesetzt und ein engmaschiges Netz von genossenschaftlichen Einrichtungen ge-schaffen hatten.
In eben dieser Ortschaft wurden Alirio Martínez und zwei Gewerkschaftsführer nun am 5. August von der kolumbianischen Armee erschossen. Die Version der Militärs lautet, die Aktivisten hätten eine Armeepatrouille angegriffen und seien im Gefecht gefallen. Menschenrechtsgruppen berichten hin-gegen, Alirio Martínez und seine zwei Begleiter seien festgenommen worden, hätten sich vor den Soldaten hinknien müssen und seien dann exekutiert worden. Die Operation, bei der auch der Präsident des Gewerkschaftsverbands CUT-Arauca, Samuel Mo-reno, verhaftet wurde, zielte offensichtlich darauf ab, der traditionell starken Linken im Grenzgebiet zu Venezuela dauerhaft das Genick zu brechen.
Gracias por todo y hasta siempre, compañero Alirio.

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