Kurze Freude über die Haft für Alemán
Wie sich in Nicaragua Politik und Justiz die Bälle zuspielen
Wenige Wochen vor Weihnachten wurde die nicaraguanische Bevölkerung mit der Nachricht beschenkt, dass Ex-Präsident Arnoldo Alemán nach langwierigem Prozess endlich verurteilt wurde. Die Richterin Juana Méndez befand ihn in den Anklagepunkten Geldwäsche, Betrug, Diebstahl, Missbrauch öffentlicher Mittel, krimineller Verschwörung und Wahlmanipulation für schuldig und verhängte 20 Jahre Haft sowie eine Geldstrafe von 17 Millionen US-Dollar. Diese Verurteilung wurde mit dem Freispruch für Alemáns ehemaligen Finanzamtsdirektor Byron Jerez bezahlt, der sein langes Schweigen gebrochen und seinen Chef belastet hatte.
Doch schon kurz nach Neujahr begann sich für den korrupten Caudillo der Horizont wieder aufzuhellen. Denn die Sandinisten sind offensichtlich bereit, einen Freispruch vor dem Berufungsgericht zu ermöglichen, wenn ihnen die Liberalen auf anderen Gebieten entgegen kommen. Für die zaghafte Demokratisierung und das Vertrauen der NicaraguanerInnen in ihre Institutionen ist das ein verheerendes Signal.
Über die Feiertage wurde an einer Neuauflage des berühmt-berüchtigten Kuhhandels zwischen FSLN und Liberalen gefeilt, der die politische Macht zwischen den beiden Parteien aufteilt und unter dem Namen El Pacto zum Synonym für den politischen Opportunismus der Sandinisten wurde. Daniel Ortega, der sich im Jahr 2006 zum fünften Mal für die FSLN um die Präsidentschaft bewerben will, ist an einer Zusammenlegung mit den für Ende 2004 angesetzten Kommunalwahlen interessiert. Außerdem reklamiert er für seine Partei den seit Monaten vakanten Vorsitz des Obersten Gerichtshofes. Dafür ist er bereit, den Liberalen in anderen Fragen entgegenzukommen. Die Sandinisten verfügen im Parlament über eine Sperrminorität für Verfassungsänderungen und haben im Justizapparat ihre Leute in Schlüsselpositionen. Deswegen ist ihr Einfluss auch in der Opposition ungebrochen.
Anspannung im Parlamentsplenum
Anders als vor drei Jahren muss Ortega diesmal nicht mit dem Präsidenten – heute Enrique Bolaños, damals Arnoldo Alemán – allein verhandeln, sondern gleichzeitig mit dem inhaftierten Ex-Präsidenten, der nach wie vor den Großteil der liberalen Parlamentsfraktion kontrolliert. Selbst von seiner luxuriösen Zelle aus kann der schwergewichtige Sträfling sein politisches Gewicht voll einbringen. So musste Bolaños den neuen Vorsitz der Nationalversammlung mit ihm aushandeln. Die Fäden dabei zog US-Botschafterin Barbara Moore, die nicht sandinistische Politiker in ihrer Privatresidenz zusammenbrachte und wieder viel direkter in die Politik eingreift, als die Botschafter der Clinton-Jahre. Ergebnis war, dass der Parlamentsvorsitz an den Alemán-Getreuen Carlos Noguera ging. Für die Sandinisten, denen nach der Proporzregel im siebenköpfigen Gremium mindestens zwei Sitze zustünden, war nur ein Platz reserviert. Die FSLN quittierte diesen Affront mit dem Auszug ihrer Fraktion aus dem Parlamentsplenum und ist jetzt überhaupt nicht vertreten. Neben Noguera nehmen zwei weitere Abgeordnete des Alemán-Flügels, zwei Bolaños-Leute, ein Konservativer und, als einzige Frau, Delia Arellano vom Christlichen Weg Platz. Letztere gilt auch als sichere Stimme für Alemán.
Rechtsstaat für alle?
Doch auch dieses Problem wird mit Sicherheit mittels Pakt wieder bereinigt werden. Die neue Parlamentspräsidentschaft wird vorerst mit Vehemenz eine Amnestie für alle Delikte betreiben, die Arnoldo Alemán zur Last gelegt werden. Sollte das Berufungsgericht im April auf nicht schuldig übereinkommen, würde die von der Nationalversammlung zu beschließende Amnestie auf dem Fuße folgen. So könnte der liberale Ex-Politiker auch seine vollen Bürgerrechte zurückbekommen und bei den Wahlen 2006 wieder mitspielen. Daran ist niemand mehr interessiert als Daniel Ortega, der damit rechnet, dass Alemán seinen eigenen Kandidaten für die Liberal-Konstitutionalistische Partei ins Rennen schicken würde. Der Favorit von Präsident Enrique Bolaños, Vizepräsident Eduardo Montealegre, der auch auf den Segen der nationalen Unternehmerschaft und der US-Botschaft zählen kann, müsste sich dann seine eigene Partei suchen und das antisandinistische Lager spalten. Damit Ortega diesen Vorteil voll ausschöpfen und vielleicht doch noch einmal in den Präsidentenpalast einziehen kann, müsste er allerdings dafür sorgen, dass das Wahlgesetz entsprechend abgeändert wird. Denn das im letzten Pacto ausgehandelte Gesetz ist auf ein Zweiparteiensystem zugeschnitten und errichtet hohe Hürden für eine dritte Kraft. Eine entsprechende Initiative wird bereits vorbereitet.
Die Tatsache, dass Verurteilung oder Freispruch eines Angeklagten Gegenstand von politischen Verhandlungen sein können, zeigt, wie schwach die Staatsgewalten noch immer sind. Angeblich war der zweitinstanzliche Schuldspruch zumindest zur Frage der Geldwäsche bereits fertig, wurde aber auf Anordnung von Daniel Ortega wieder zurückgezogen. Wer gibt schon gerne seine Verhandlungs-Chips aus der Hand? Im 25. Jahr nach dem Sturz der Somoza-Diktatur werden die wichtigen politischen Entscheidungen noch immer in geheimen Verhandlungen von ein paar Volkstribunen gefällt, sekundiert von der US-Botschaft und dem immer noch umtriebigen Kardinal Miguel Obando y Bravo, ohne dessen Segen in Nicaragua nichts läuft.