Nummer 263 - Mai 1996 | Venezuela

Militarisierung der Gesellschaft

Die Menschenrechte zählen immer weniger

Venezuela galt neben Costa Rica lange Zeit als Musterdemokratie Lateinamerikas. Die internationale Öffentlichkeit hat die kontinuierliche Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Lage im Lande kaum registriert. Lediglich der 1989 vom Militär niedergeschlagene Aufstand gegen das Strukturanpassungsprogramm und die beiden Putschversuche 1992 fanden größere Aufmerksamkeit. Die Begleitmusik zum wirtschaftlichen Verfall verhallt indes ungehört, aber es geht um Substantielles: Die venezolanische Regierung, Hand in Hand mit den Militärs, hält von der Einhaltung der Menschenrechte nicht viel und behindert die Arbeit der Menschenrechtslobby. Diese versucht, sich dem eklatanten Verfall der demokratischen Werte zu widersetzen.

Britta Madsen, Ybelice Briceño Linares

Seit 1995, aber vor allem seit Beginn diesen Jahres hat sich die Achtung der Menschenrechte auf verschiedene Weise verschlechtert. Dreierlei läßt sich unterscheiden. Zum einen wird versucht, die politischen, ökonomischen und kulturellen Menschenrechte den sogenannten “höheren” Interessen der Nation unterzuordnen. Zweitens polemisiert die Regierungsseite gegen die unabhängige Menschenrechtsarbeit. AktivistInnen werden verleumdet und diskreditiert. Zum dritten hat sich gezeigt, daß die venezolanische Regierung mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Rhetorik, die Strukturanpassungsprogramme des IWF nur mit “menschlichem Antlitz” durchzusetzen, vor allem Schaumschlägerei betrieben hat und die soziale Abfederung der Strukturanpassung üblicherweise dem wirtschaftlichen Erfolg hintangestellt wird. Zusammen haben diese drei Tendenzen in den letzten Monaten zu einem gesellschaftlichen Klima beigetragen, indem die Verletzung von Menschenrechten auf breiter Basis geduldet wird.
Von den Menschenrechtsverletzungen, die 1995 verschiedene NGOs registriert haben, wurde ein großer Teil staatlich legitimiert, indem auf die Aufhebung konstitutioneller Rechte verwiesen wurde. Leitlinie für die Regierungspolitik bildet das Decreto No. 285 vom 22. Juli 1994, indem es heißt, daß “die Aufrechterhaltung des Friedens der Republik … essentielle Pflicht des Staates ist.” Der Erlaß diente zur Rechtfertigung der Suspendierung verfassungsmäßiger Garantien bis zum Juli 1995. In den konfliktbeladenen Grenzregionen zu Kolumbien herrscht der Ausnahmezustand jedoch weiterhin. Von staatlicher Seite wurde und wird davon ausgegangen, daß die venezolanischen BürgerInnen inzwischen an die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen gewöhnt sind. Mit einem massiven Protest gegen ein Außerkraftsetzen verfassungsmäßiger Rechte wird deshalb nicht gerechnet.

Höhere und niedere Interessen

Der Schutz der Menschenrechte ist in den vergangenen Jahren von der Regierung zu einem sekundären politischen Ziel degradiert worden. Dabei fügen die “höheren”, “nationalen” Interessen der Bevölkerung eher Schaden zu, als daß sie ihr nützen.
Eines dieser “höheren” Interessen ist die nationale Souveränität. Nach einem Zusammenstoß zwischen kolumbianischen Guerillakämpfern und venezolanischen Marine-Streitkräften im Februar 1995, bei dem acht Soldaten ums Leben kamen, wurde an der Zivilbevölkerung Vergeltung geübt. In Cararabo, einem Ort nahe der kolumbianischen Grenze, wurden dreiundzwanzig Bauern verhaftet und gefoltert – unter dem Verdacht, daß sie die kolumbianische Guerilla unterstützen. Nach Auskunft der militärischen Befehlshaber der Zone handelte es sich um die legitime Verteidigung der nationalen Souveränität. Damit hatte es jedoch nicht sein Bewenden. Die gegen KolumbianerInnen gerichtete Fremdenfeindlichkeit und das permanente Mißtrauen gegenüber den in der Grenzregion lebenden VenezolanerInnen, gipfelte darin, daß hunderte Personen ausgewiesen wurden, und dies ohne vorherige Ankündigung und ohne Rücksicht auf die venezolanische Staatsbürgerschaft vieler Betroffener. Auch hier argumentierte mensch von offizieller Seite mit der Verteidigung der nationalen Souveränität, um die Aussetzung verfassungsmäßiger Rechte, zum Beispiel auf persönliche Freiheit, auf Freizügigkeit und die Unverletzlichkeit der Wohnung, zu begründen. Diese Rechte sind in den sechzehn Verwaltungseinheiten im Grenzgebiet für unbegrenzte Zeit aufgehoben. Nicht ohne Grund erscheint diese Politik großangelegter militärischer Operationen und der Restrukturierung militärischer Gerichtsbarkeit wie eine Neuauflage diktatorischer Willkür.
Die zunehmende Militarisierung der Grenzregionen wird begleitet von zahlreichen Meldungen über Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten, die zumeist von Angehörigen irregulärer Einheiten der venezolanischen Streitkräfte begangen werden. Die militärische “Lösung” der vielfältigen Entwicklungsprobleme in den marginalisierten Grenzregionen Venezuelas ist bei deren EinwohnerInnen mehrere Male auf erbitterten Protest gestoßen. Der Bau von Militärbasen an Orten, wo nicht einmal die überlebensnotwendigen Grundbedürfnisse der Bevölkerung befriedigt werden, stößt zunehmend auf Unverständnis und Widerstand.
Die Gewährung “bürgerlicher Sicherheit” dient paradoxerweise als weiteres Argument, die Interessen der Nation den Interessen des einzelnen Bürgers vorzuziehen. Um der steigenden Gewaltkriminalität zu begegnen, wird in jüngster Zeit insbesondere das aus der Diktatur von Marcos Pérez Jiménez stammemde Gesetz von 1956 über “Landstreicher und Gauner” (Ley sobre vagos y maleantes; siehe LN 259) angewendet. Dieses Gesetz erlaubt eine willkürliche Verhaftung ohne festgelegte Haftzeit bei geringfügigen Delikten. Der Justizminister, der Innenminister und der Regierungschef des Zentraldistrikts (Caracas und Umgebung) äußerten Kritik an dem offensichtlich verfassungswidrigen Gesetz – was konsequent überhört wurde.
Natürlich begrenzt sich die platte Logik der Regierung unter dem Motto “Gewalt gegen Gewalt” nicht auf das eine Gesetz. Die Einführung der Todesstrafe, der Bau von Isolationshaftzentren und die Herabsetzung des straffähigen Alters sind in der Diskussion und besitzen für die politische Elite, aber auch für die Öffentlichkeit einige Attraktivität. In den Elendsvierteln von Caracas sind Selbstverteidigung und der Lynchmord an Kleinkriminellen durch die eigenen Nachbarn durchaus gängig. “Schnelle Justiz” wird das genannt.
Auch der Innenminister setzt im Regierungsplan über “integrierte Sicherheit” von Mitte 1995 auf die Repression als Lösung des Kriminalitätsproblems. Es ist symptomatisch, daß sich der Plan nicht mit den Wurzeln und der Vorbeugung von Gewaltkriminalität beschäftigt. Die heftige Kritik, die verschiedene Gruppen deswegen an dem Plan geäußert haben, ist ohne Einfluß geblieben.
Die Tendenz zur Militarisierung und die Anwendung massiver Gewalt hat nicht nur für die individuellen Rechte negative Folgen, sie greift auch in soziale und Arbeitskonflikte ein. Streiks, Landkonflikte und Konflikte mit kleinen Bergbauunternehmen werden immer öfter durch das Militär “befriedet”.
Die Regierung lehnte die Forderungen der venezolanischen ArbeiterInnen nach Lohnerhöhungen, Arbeitsplatzsicherheit und Gewerkschaftsfreiheit in den letzten Jahren mit dem Argument ab, daß das angesichts der komplizierten wirtschaftlichen Lage ungerechtfertigt und nicht durchsetzbar sei. Siehe oben: Grundrechte, die zur Essenz einer Demokratie gehören, werden ausgehebelt, betreffen sie nun das Individuum oder die Arbeitnehmerschaft eines Betriebes. Die Regierung entscheidet, wann die venezolanische Bevölkerung ihre in der Verfassung verankerten Rechte einfordern darf und wann nicht.

Diskreditierung von Menschenrechtsaktivisten

Die Kehrseite der unbekümmerten Repressionspolitik ist, daß die Regierung gegen alle diejenigen polemisiert, die sich dennoch für demokratische Grundrechte einsetzen. Die Tatsache, daß der Regierungschef des Zentraldistrikts, der Innenminister und der Justizminister in der Vergangenheit Posten als Richter des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes bekleideten, schien in den letzten Jahren zunächst eine positive Perspektive für die Zusammenarbeit zwischen NGOs und staatlichen Institutionen zu bieten. Dennoch schaffte es der Generalstaatsanwalt, zugleich Dekan der juristischen Fakultät der katholischen Universität, ein in Ansätzen vorhandenes Klima der Dialogbereitschaft und der Annäherung zwischen staatlichen Stellen und NGO-VertreterInnen zu zerstören. Er hat dazu beigetragen, daß sich in den Regierungsinstitutionen die Ansicht breitmachte, die VertreterInnen der Menschenrechtsorganisationen seien verantwortlich für Situationen, die den “öffentlichen Frieden” gefährden.
Manche Methoden, Menschenrechtsarbeit ins Leere laufen zu lassen, sind altbekannt, auch in Venezuela: Anzeigen werden formal nicht anerkannt – oder schlicht ignoriert. In letzter Zeit wurden nun neue Geschütze aufgefahren: Es werden Hetzkampagnen gegen VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen losgetreten. Dabei ist immer öfter die Beschuldigung zu hören, die AktivistInnen würden die kolumbianische Guerilla protegieren und überhaupt Landesverräter sein, die dem internationalen Ansehen Venezuelas schaden. Selbst die katholische Kirche blieb davon nicht verschont, als VertreterInnen des bischöflichen Menschenrechtsbüros in Puerto Ayacucho, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, die Folterung von Zivilisten durch Angehörige des Militärs anzeigten. Im Venezuela von 1996 ist es gefährlicher denn je, Soldaten oder Polizisten für Folterungen und Tötungen anzuzeigen. Wer dies wagt, muß mit Rufmord rechnen – und mit der Straffreiheit der Verantwortlichen sowieso.
Eine weitere Form der Propaganda gegen die Menschenrechtsarbeit richtet sich gegen die Beobachtung und das Recherchieren von Polizeieinsätzen. Offizielle Stellen vertreten immer wieder die Meinung, daß diese Überwachungsarbeit kontraproduktiv auf die Verbrechensbekämpfung wirke. Ein Parlamentsabgeordneter der Partei Acción Democrática wiegelte die Kritik von Menschenrechtsorganisationen an den repressiven Polizeieinsätzen mit den folgenden Worten ab: “Der Staat kann nicht rücksichtsvoll vorgehen und warten, bis ein Verbrecher aus eigenem Willen entscheidet, ob er weiterhin Verbrechen begeht oder nicht…”
Die schwerwiegendste Konsequenz dieser Auffassung der venezolanischen Regierung ist die Hierarchisierung der Menschenrechte, derzufolge das Leben eines Verbrechers in den Augen einiger RegierungsvertreterInnen nichts zählt.
Auch die Arbeit in internationalen Menschenrechtsforen bleibt von der Mißbilligung der Regierung nicht verschont. Der Juristenkommission der Anden (Comisión Andina de Juristas) beispielsweise wurde vorgeworfen, sie schade dem Ansehen Venezuelas vor den Vereinten Nationen und stelle die Regierung Rafael Calderas in eine Reihe mit blutrünstigen Despoten.
Gerne vergleichen venezolanische Diplomaten die Menschenrechtssituation im Land mit der in anderen Staaten, um zu unterstreichen, daß Venezuela ihrer Meinung nach ein Rechtsstaat ist, in dem gefahrlos die Möglichkeit bestehe, Menschenrechtsverletzungen anzuzeigen. Dabei sind sie aber der Ansicht, daß heutzutage eigentlich gar nichts mehr anzuzeigen sei, denn schließlich sei unter der Diktatur alles viel, viel schlimmer gewesen, und davon hätten die heutigen KritikerInnen keine Ahnung. Sie seien jedenfalls nicht ernst zu nehmen.

Unangenehme Kritik

Daß an dieser Theorie etwas faul ist, bestätigte zu allerletzt ein Menschenrechtsbericht des US-State Department vom März 1996. Darin wird Venezuela in die Reihe der Staaten des amerikanischen Kontinents eingeordnet, in denen die schwersten Menschenrechtsverletzungen registriert wurden. Das Kapitel über Venezuela basiert auf offiziellen wie NGO-Quellen und beruft sich besonders auf Informationen der NGO Provea (Programa Venezolano de Educación – Acción en Derechos Humanos). Die Reaktion der venezolanischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten: Provea wurde zur LandesverräterIn abgestempelt. Hinzu kam, daß Provea Erfolg mit einer Klage gegen die venezolanische Regierung vor dem Interamerikanischen Gerichtshof hatte und ein Schuldeingeständnis der Regierung am El Amparo-Massaker sowie die Entschädigung der Angehörigen der Opfer erreichte. (1988 wurden bei einem Massaker in El Amparo an der kolumbianischen Grenze durch Spezialeinheiten der Armee 14 Bauern und Fischer hingerichtet. Die Öffentlichkeit erfuhr davon nur durch den Bericht zweier Überlebender; die Red.) Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine Einigung über die Höhe der Entschädigungssumme erzielt worden war, setzten venezolanische RegierungsvertreterInnen Gerüchte in Umlauf, Organisationen wie Provea nutzten internationale Gerichtsverfahren zum Ausbau ihrer finanziellen Kontakte und zur eigenen Bereicherung. Es wurde in der venezolanischen Presse darüber spekuliert, ob ein Teil der Entschädigungssumme für die Angehörigen der Opfer in die Tasche Proveas wandern werde und ob eine mögliche andere Dollarquelle nicht vielleicht sogar der Drogenhandel mit der kolumbianischen Guerilla sei. Derartige Verleumdungskampagnen gegen VertreterInnen von Provea und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gehören heute in Venezuela zur Tagesordnung.
Die aggressive Haltung gegenüber MenschenrechtsaktivistInnen beschränkt sich nicht auf den Nichtregierungssektor. Internationale ExpertInnen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) mußten dies erfahren, als sie den Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) um die Entlassung der venezolanischen Kommissionsvorsitzenden baten, weil sie das Verantwortungsgefühl der Vorsitzenden und die Zusammenarbeit mit ihr als ausgesprochen schlecht beurteilten. Die venezolanische Regierung interpretierte dies als feindselige Strategie, ohne zu berücksichtigen, daß es in dem Fall um einen internationalen Posten ging, bei dem Kompetenz und nicht Nationalität zählt.
Die nationale Debatte über Menschenrechte wurde auch durch den Meinungsumschwung einiger Parlamentarier beeinflußt, die sich lange Zeit auf Regierungsebene als exponierte Verteidiger der Menschenrechtsidee verstanden wissen wollten. Sie sprachen sich beispielsweise dafür aus, die kolumbianische Guerilla wegen dem Tod der acht Armeeangehörigen bei dem Zusammenstoß von Cararabo beim Interamerikanischen Gerichtshof anzuzeigen. Dieser Meinungsumschwung reflektiert eine Haltung, die die Bedeutung internationaler Menschenrechtsstandards verneint und die staatliche Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen relativiert.

Strukturanpassung mit “menschlichem Antlitz”

In der venezolanischen Gesellschaft ist die Debatte um die Durchführbarkeit eines Strukturanpassungsprogrammes eng verbunden mit der Problematik ökonomischer, sozialer und kultureller Menschenrechte. Im Wahlkampf 1993 auf Stimmenfang ging, versprach der heutige Präsident Rafael Caldera ein Programm des ökonomischen Ausgleichs, jenseits der bekannten Schocktherapie des Internationalen Währungsfonds. Von der einstigen Betonung sozial verträglicher Entwicklungsprogramme ist die Regierung Calderas inzwischen dazu übergangen, es vor allem den potentiellen Investoren in der Opposition recht zu machen, ohne die Linie der sozial verträglichen Wirtschaftsreform aufgeben zu wollen.
Seit der Präsentation des ersten Reformplanes (Plan Sosa I) von 1994 über die Venezuela-Agenda von 1995 nimmt der Druck von Seiten der Unternehmer und der internationalen Finanzinstitutionen kontinuierlich zu. Aus der ursprünglichen Distanz zu den “Rezepten” des Internationalen Währungsfonds, Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank wurde eine offensichtliche Annäherung. Die internationalen Finanzinstitutionen empfehlen eine kontinuierliche Steigerung der Brennstoffpreise sowie eine Freigabe der Wechselkurse, vor allem aber eine institutionelle und strukturelle Reform derjenigen Wirtschaftsbereiche, die nicht zur Ölindustrie gehören.
Der Einfluß solcher Empfehlungen offenbarte sich zuletzt vor den Kommunalwahlen im Dezember 1995. Angekündigt und inzwischen verwirklicht wurde die Einführung einer Mehrwertsteuer, die Förderung von Privatinvestitionen, die Integration strategischer Zusammenschlüsse in der Ölindustrie, die Erhöhung der Brennstoffpreise und die zehnprozentige Kürzung der öffentlichen Ausgaben.
Maßnahmen, die sich auf eine Strukturanpassung mit “menschlichem Antlitz” beziehen und in erster Linie der Unterstützung des Agrarsektors und der mittelständischen Unternehmen dienen würden, sind bis heute nicht in Angriff genommen worden. Von der Wirtschaftsreform im Stile Calderas profitieren nur größere Unternehmer und Financiers, während es der Mehrheit der venezolanischen Bevölkerung eher schlechter als besser geht.
Nicht zuletzt ist ein großer Teil der internationalen Kredite, die für Sozialprogramme vorgesehen waren, nicht zum Tragen gekommen, weil Venezuela seinen Anteil an der Finanzierung solcher Projekte nicht erbrachte. Die Bereitstellung eigener Ressourcen ist jedoch Voraussetzung für die Auszahlung internationaler Kredite.
Unter diesen Umständen rückt die Regierung Caldera von der Verwirklichung des Anpassungsprogrammes mit “menschlichem Antlitz” jedesmal ein Stück weiter ab, wenn die internationalen Finanzinstitutionen sowie die venezolanischen Unternehmer und Finanziers ihre Forderungen erneuern oder ihren Druck erhöhen. Die wirtschaftliche Entwicklung genießt auf unabsehbare Zeit gegenüber der sozialen Gerechtigkeit Vorrang, und die Kompensationsprogramme sind weit davon entfernt, die Last der sozialen Folgekosten einer fehlgeleiteten Strukturanpassung aufzufangen. Die Masse der Menschen, die im heutigen Venezuela in Armut leben, erstreckt sich bereits auf achtzig Prozent der Gesamtbevölkerung.

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