Nummer 313/314 - Juli/August 2000 | Paraguay

Naht das Ende von General Oviedo?

Paraguay verlangt die Auslieferung des Putschisten

Mit der Verhaftung von Ex-General Lino Oviedo in einem Apartmenthaus in Foz de Iguaçu in Brasilien scheinen sich die Machtverhältnisse in Paraguay erneut zu verschieben. Es gilt als sicher, dass der Drahtzieher Oviedo aus dem Verkehr gezogen wird. Neben mehrfachen Putschversuchen drohen ihm lange Haftstrafen wegen Drogenschmuggel und Waffenhandel.

Peter Altekrüger

Mit dem gescheiterten neuerlichen Putschversuch vom 18. Mai wurden zwei Dinge deutlich. Zum einen ist die Position des Präsidenten Luis González Macchi noch immer sehr schwach, besonders angesichts der Bedrohung, die ein freier Oviedo vom Ausland aus noch immer ausüben kann. Andererseits wurde an dem sehr schnell zusammengebrochenen Putschversuch deutlich, dass der Einfluss von Oviedo lange nicht so stark ist, wie er selbst immer wieder gern behauptet hat. In seinen berühmten Telefon-Interviews hat Oviedo immer wieder betont, dass die Regierung noch in diesem Jahr stürzen werde. Dabei nutzte er auch die stark gewachsenen sozialen und wirtschaftlichen Unruhen und Proteste insbesondere der Bauern aus und spielte sich als deren Führer auf. Fast alle Bauernorganisationen haben sich inzwischen klar von ihm losgesagt beziehungsweise negierten jegliche Verbindungen zu Oviedo.

Ein letztes Aufbäumen der Oviedo-Fraktion

Der Putschversuch im Mai ging von verschiedenen ehemaligen Militärs und Zivilisten der politischen Bewegung Oviedos UNACE (Unión Nacional de Colorados Éticos – eine Fraktion der regierenden Coloradopartei) aus. Dieser Personenkreis besetzte das Hauptquartier der 1. Kavalleriedivision, der stärksten Militäreinheit Paraguays, sowie das Polizeihauptquartier. Eigentlich war es weniger eine Besetzung, sondern eher ein freudiges Willkommen seitens verschiedener aktiver Offiziere. Mehrere Panzer feuerten auch auf den Regierungspalast, aber letztlich blieben doch fast alle Truppen loyal zur Regierung, insbesondere Luftwaffe und Marine sowie die entlegenen Teile des Heeres.

Säuberungsaktion des Präsidenten

Der Präsident González Macchi nutzte die Gunst der Stunde zum letzten Großreinemachen. Obwohl die prominentesten Oviedo-Anhänger im Militär bereits nach dessen Flucht im März vergangenen Jahres aus dem aktiven Dienst entlassen wurden, haben sich jetzt dessen letzte Sympathisanten offenbart. Durch die Verhängung des Ausnahmezustandes für 30 Tage und als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ließ der Präsident 17 aktive und drei ehemalige Offiziere wie auch 18 Polizeioffiziere noch in der Putschnacht festnehmen. Dutzende weitere Verhaftungen folgten, darunter viele Mitglieder der UNACE-Fraktion der Colorados. Doch diesmal ging González Macchi noch weiter. Nachdem bereits der Putsch gegen Stroessner 1989 sowie die Putschversuche von 1996 und auch der vom Mai von der erwähnten und nahe der Hauptstadt stationierten 1. Kavalleriedivision (eigentlich einer Panzerbrigade) ausging, ordnete der Präsident deren Verlegung in einen 700 Kilometer entfernten Außenposten im Chaco an.
Es scheint sich die Idee durchzusetzen, dass nahe des Regierungszentrums stationierte Militäreinheiten nicht unbedingt ein Stabilitätsfaktor sind. Die verlegte Einheit wurde zudem noch dem absolut loyalen General José Key Kanasawa des dritten Armeekorps unterstellt. Auch das am Putschversuch beteiligte zweite Kavallerieregiment wurde von Cerrito nahe Asunción nach San Juan Bautista in Misiones verlegt, 200 Kilometer südlich von Asunción. Das Pikante ist, dass beide Militäreinheiten ihre Panzer zurücklassen mussten. Auch die jeweiligen Hauptquartiere der Armeekorps zogen um. Verschiedene Offiziere murrten zwar über diese „Demütigungen“, trugen sie letztlich jedoch mit Fassung.

General Oviedo verhaftet

Ein erneuter Putschversuch durch das Heer dürfte damit in Paraguay wesentlich schwieriger und die Karte „Militär“ wohl aus dem Spiel sein.
Augenscheinlich hielt sich General Oviedo bereits seit Monaten im brasilianischen Grenzort Foz de Iguaçu, wo er nun verhaftet wurde, auf, und reiste des Öfteren über die mehr oder weniger grüne Grenze in sein Heimatland. Mit einem beträchtlichen Arsenal an Mobiltelefonen versuchte der Ex-General, an den Strippen der Macht zu ziehen. Mit Sicherheit war den brasilianischen Behörden der Aufenthalt Oviedos seit längerem bekannt. Aber erst der gescheiterte Putschversuch dürfte die Brasilianer überzeugt haben, dass ein festgesetzter Oviedo besser zu kontrollieren ist.
Verschiedene Gerüchte besagen, Oviedo hätte seine Verhaftung selbst inszeniert, um danach politisches Asyl in Brasilien zu beantragen. Schließlich ist das größte lateinamerikanische Land damit bisher immer recht großzügig gewesen. Ganze Heerscharen von Juristen sollen angeblich bereits an einem Asylantrag Oviedos arbeiten. Aber diesmal könnte er sich verrechnet haben. Dass die Brasilianer es ernst meinen, zeigt auch, dass er von 120 Mann bewacht wird. Um ganz sicher zu gehen, arbeiten die besten Juristen Paraguays an einem juristisch einwandfreien Auslieferungsantrag, der sich auf den vom 18. Mai formulierten internationalen Haftbefehl stützt. Formfehler sollen auf jeden Fall vermieden werden. Sicher erschien die Auslieferung anfangs nicht, jetzt tauchen jedoch Anschuldigungen auf, die ein politisches Asyl unmöglich machen.
Die brasilianischen Kongressabgeordneten Magno Malta und Moroni Torgan beschuldigten den General des Drogenhandels, der Geldwäsche und des Waffenhandels. Am 15. August soll ein 500-seitiger Bericht vorgelegt werden, aber täglich kommt mehr ans Licht. Oviedo wird beschuldigt, durch die Organisation eines Drogenverteilerrings auf beiden Seiten der Grenze seit Beginn der 90er Jahre, als er bereits Oberkommandierender des Heeres war, über eine Milliarde US Dollar verdient zu haben.
Damit soll er zum sechstreichsten Mann Paraguays geworden sein. Teile der Erkenntnisse des Berichts sollen aus Quellen des CIA und der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA stammen. Es heißt, dass Oviedo eine Organisation aufbaute, die das Vakuum nach dem Zusammenbruch des kolumbianischen Cali- bzw. Medellínkartelle ausfüllte.

Ein General und die Drogen

Seit 1993 soll Oviedo für brasilianische Banden, insbesondere im Raum Rio de Janeiro, der Hauptversorger mit Marihuana, Kokain und Waffen gewesen sein. Seine Verbindung zum Drogenboss Luiz Fernando da Costa alias Fernandinho Beira Mar gilt als erwiesen. Außerdem soll er ein Netzwerk für die Verschiffung von bolivianischem und kolumbianischem Kokain in die USA und nach Europa organisiert haben. Mit diesen Vorwürfen wird die Gewährung eines politischen Asyls unmöglich. Diese Beschuldigungen würden auch schlüssig erklären, woher Oviedo während seines Wahlkampfes in den Vorjahren die ungeheuren Geldmengen nahm.
Der paraguayische Auslieferungsantrag für Oviedo könnte damit allerdings ein neues Problem bekommen. Es ist gut möglich, dass die Brasilianer Oviedo für diese Verbrechen selbst verurteilen wollen. Paraguay würde damit für lange Zeit leer ausgehen. Für Präsident González Macchi wäre dies jedoch ein weiterer Gesichtsverlust. Allerdings dürfte die mögliche politische Einflussnahme Oviedos einem brasilianischen Gefängnis wesentlich geringer sein als aus einem paraguayischen.

Vizepräsidentschaftswahlen im August

Innenpolitisch wird sich in den nächsten Wochen das Geschehen auf die bevorstehenden Vizepräsidentschaftswahlen am 13. August konzentrieren. Nachdem die „Regierung der nationalen Einheit“ zusammengebrochen ist, weil die mehrheitlich regierenden Colorados ihr Versprechen, den Vizepräsidentenposten den Liberalen zu überlassen, zurückgezogen haben, steht eine interessante Auseinandersetzung bevor. Die jeweiligen internen Vorwahlen haben der Colorado Félix Argaña, der Sohn des im vergangenen Jahr ermordeten Vizepräsidenten Luis María Argaña, und der Liberale Julio César „Yoyito“ Franco sehr klar gewonnen. Erste Umfragen sehen überraschenderweise den Liberalen Franco vorn. Argaña, der für die konservativsten Kreise der Colorados steht – zu denen auch die erstarkenden Stroessneranhänger zählen – sollte aber auf keinen Fall unterschätzt werden.

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