Neue Partei – Alte Gesichter
Kirchners Partei gewinnt Parlamentswahl
Ende Oktober waren 26 Millionen WählerInnen aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Alle zwei Jahre werden ein Drittel der 72 SenatorInnenposten und die Hälfte der 257 Abgeordnetenmandate neu gewählt. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 70 Prozent. Die Radikale Bürgerunion (UCR) sowie die PJ (Partido Justicialista) um den ehemaligen Staatschef Eduardo Duhalde mussten enorme Verluste hinnehmen. Sie errangen nur drei beziehungsweise vier SenatorInnensitze und 19 beziehungsweise 11 Abgeordnetenmandate. Präsident Kirchners Front hingegen gewann 17 Senatorensitze und 69 Abgeordnetenmandate. Somit ist es Kirchner in wenigen Monaten gelungen, mit einer neu gegründeten Partei und ohne das Label der Peronisten seine Sympathiewerte in den Umfragen in reale Wählerstimmen zu verwandeln. Vor der Wahl hatte sich das Kirchner-Lager von der traditionellen peronistischen PJ abgespalten.
Höhepunkt des Machtkampfes war die Senatorenwahl in der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires. Hier leben gut 35 Prozent der Wahlberechtigten. Präsident und Ex-Präsident schickten ihre Ehefrauen gegeneinander ins Rennen. Cristina Fernández de Kirchner triumphierte mit 46 Prozent der Stimmen, Hilda „Chiche“ Duhalde kam lediglich auf 19 Prozent. Chiche räumte ihre Niederlage ein und kündigte den Rückzug ihren Mannes aus der Politik „aus familiären Gründen“ an.
Kirchner hatte die Parlamentswahl als eine Abstimmung über seine Regierungspolitik bezeichnet. Dafür bekam er ein gutes Ergebnis. Zudem wollte er die Macht im peronistischen Parteiapparat. Das hat seine Frau für ihn in der Provinz Buenos Aires erledigt. Sein Ziel im Parlament: eine eigene Mehrheit, unabhängig von den Duhaldisten, für den Rest seiner Amtszeit. Das hat er im Senat geschafft, Kirchner kann jetzt auf 43 Senatoren zählen.
Personelle Wechselspiele
Im Abgeordnetenhaus hat er mit 107 von 129 notwendigen Sitzen die Mehrheit verfehlt. Hier sind die Parteistrategen auf der Suche nach Verbündeten, um die Mehrheit zu schaffen. Schon beginnen die Reihen der 41 Duhaldisten zu bröckeln. Aufsehen erregte bisher vor allem der Übertritt von Eduardo Lorenzo Borocotó in das Kirchner-Lager. Borocotó war als Drittplazierter auf der Hauptstadtliste der PRO (Propuesta Republicana) von Mauricio Macri ins Abgeordnetenhaus eingezogen.
Der rechte Unternehmer Mauricio Macri errang im Hauptstadtbezirk Buenos Aires mit gut 34 Prozent die meisten Stimmen und stellt seit Borocotós Abgang fünf Abgeordnete. Macri ist Vereinspräsident des großen Fußballclubs Boca Juniors und macht sein Vermögen zum Großteil mit der städtischen Müllabfuhr. Er setzte im Wahlkampf auf das Thema Innere Sicherheit und versprach eine Politik der „harten Hand“. Macri hat sich mit seinem Ergebnis für die Wahl zum Regierungschef der Hauptstadt im Jahr 2007 erneut ins Rennen gebracht. 2003 war er schon einmal als Kandidat für dieses Amt angetreten und hatte gegen Ánibal Ibarra verloren. Ibarra selbst wurde Anfang November von diesem Amt suspendiert. Ein Untersuchungsausschuss soll nun seine Verantwortlichkeit als Regierungschef im Fall des Brandes in der Diskothek Cromagnon prüfen. Im Dezember 2004 waren dort 194 Menschen ums Leben gekommen, als bei einem Rockkonzert ein Feuer ausbrach. Ibarra galt lange als Verbündeter von Staatschef Néstor Kirchner, heute scheinen seine Tage als Politiker gezählt.
Bis der neue Kongress am zehnten Dezember zusammentritt, muss Kirchner sein Kabinett umbilden. Mit Außenminister Bielsa, Verteidigungsminister Pampuro und Sozialministerin Alicia Kirchner werden die Noch-MinisterInnen in Parlament und Senat einziehen und müssen die Regierungsbank verlassen. Bisher hat Kirchner keine Angaben zu dem Personalwechsel gemacht. SpötterInnen behaupten jedoch, es sei ohnehin nicht von belang, wer unter diesem Präsidenten MinisterIn ist.