Kolumbien | Nummer 510 – Dezember 2016

OPFERORGANISATIONEN FÜR ÜBERGANGSJUSTIZ

Die politische Rechte verbreitet verzerrte Informationen und fürchtet die Aufklärung staatlicher Verbrechen durch Sondergerichte

Die politische Rechte um Álvaro Uribe lehnt die Übergangsjustiz ab, die im Friedensabkommen zwischen Regierung und der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) enthalten war. Anwält*innen von Opferorganisationen vermuten, dass sie damit die Aufklärung staatlicher Verbrechen verhindern will.

Von Daniela Rivas

Organisationen für Menschenrechte und die Belange von Opfern des bewaffneten Konfliktes bekräftigen, dass sie die Übergangsjustiz unterstützen, die zwischen der kolumbianischen Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) vereinbart worden war. „Wir sehen, dass im Vorfeld der Volksabstimmung Informationen verzerrt und Lügen verbreitet wurden, zum Beispiel, dass das Abkommen allgemeine Straflosigkeit begünstigt hätte. Wir teilen diesen Standpunkt nicht“, sagte der Anwalt Alberto Yepes. Der Vertreter der Koordination Kolumbien, Europa und USA hatte gemeinsam mit sechs Menschenrechtsorganisationen einen offenen Brief an Präsident Juan Manuel Santos und die Führung der FARC und der ELN-Guerilla geschrieben, um seine Zustimmung zur Übergangsjustiz zu verdeutlichen.
Die Einigung über die Übergangsjustiz war einer der schwierigsten Punkte des Friedensabkommens. Es gab eine hohe Beteiligung der Opfer in Friedensforen und am Verhandlungstisch in Havanna. „Viele ihrer Bedenken, Positionen und Vorschläge wurden bereits aufgenommen“, sagte Yepes im Interview mit Contagio Radio. Seine und andere Organisationen sehen im Vertrag die „minimalen Bedingungen für den Kampf gegen Straflosigkeit“ enthalten, sowie „die Rechte der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung“ gewahrt.
Im Rahmen der Übergangsjustiz war die Gründung einer Wahrheitskommission für die historische Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts geplant. Ein Sondergericht für den Frieden sollte den Paramilitarismus, die Rolle des Staates und der Guerilla bei den registrierten Menschenrechtsverletzungen juristisch aufklären. Im Vertrag sind fünf bis acht Jahre Freiheitsentzug für geständige Täter von gravierenden Verbrechen vorgesehen.
Nach dem Scheitern des Plebiszits am 2. Oktober dieses Jahres reichte die rechte Opposition Vorschläge für Änderungen des Friedensabkommens ein. Der Ex-Präsident und heutige Senator Álvaro Uribe plädierte dafür, dass Soldaten vor Gericht rechtliche Vorzüge genießen sollten. Für den Senator der Partei Centro Democrático beinhaltete die mit den FARC vereinbarte Übergangsjustiz „exorbitante Befugnisse“ für das Sondergericht für den Frieden, was seiner Meinung nach die bestehende Gesetzgebung des Landes ausgehebelt hätte.
Damit bezieht sich Uribe auf das Gesetz „Gerechtigkeit und Frieden“, das während seiner Präsidentschaft für die Entwaffnung des paramilitärischen Dachverbandes „Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens“ (AUC) erlassen und später auf die Guerilla ausgeweitet wurde. Die Menschenrechtsorganisationen sind sich jedoch einig, dass dieses Gesetz weder den Rechten der Opfer gerecht wird noch die Straflosigkeit bekämpft.
„Zehn Jahre nach der Umsetzung des Gesetzes wurden nur 46 Urteile gefällt und die Straflosigkeit bei staatlichen Verbrechen liegt bei 98 Prozent“, schrieben die Organisationen in dem oben genannten Brief an die Delegierten beider Konfliktparteien, die zur Zeit in der kubanischen Hauptstadt das Abkommen nachverhandeln. Laut Yepes ist die Debatte der politischen Rechten Indiz dafür, dass Teile der Gesellschaft fürchten, dass die Wahrheitskommission Hintergründe aufdecken könnte, die eine Beteiligung bestimmter Personen an staatlichen Verbrechen nachweisen oder einen Bezug dieser zur Partei Centro Democrático herstellen würden.


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