Kuba | Nummer 382 - April 2006

Von Helden und Spionen

Der Prozess gegen die Miami Five wird wiederholt

Das Verfahren gegen die ,kubanischen Fünf‘ in Miami geht in eine neue Runde. Der Fall der seit acht Jahren in den USA inhaftierten Kubaner, Gerardo Hernández, Antonio Guerrero, Ramón Labañino, Fernando Gonzáles und René Gonzáles, gerät so erneut ins Blickfeld der weltweiten Öffentlichkeit. Die fünf Kubaner waren 1998 wegen mutmaßlicher Spionage verhaftet und später unter dubiosen Umständen zu teils lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden.

Johanna Abel

Ein erster Schritt zur Wiedererlangung der Freiheit für die Miami Five ist getan. 1998 hatten sie im Auftrag der kubanischen Regierung Informationen über militante exil-kubanische Terrorgruppen wie Hermanos del Rescate, CORU, Alpha 66 und Omega 7 in Florida gesammelt, die sie dann ans FBI weitergeben wollten. Die US-Behörden wollten diese Informationen allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: Für sie war damit schon der Tatbestand der Landesspionage erfüllt.
Nach langen Protesten gegen die politische Befangenheit der Laienjury, deren Unparteilichkeit im Klima des von Exil-Kubanern dominierten Miami nicht gewährleistet war, wurden im August 2005 diese Urteile zunächst vor dem Appellationsgericht in Atlanta aufgehoben und die Wiederholung des Prozesses angeordnet. Begründet wurde dieser Schritt mit der als willkürlich bewerteten Rechtssprechung und dem Verstoß gegen geltendes US-Recht und die US-Verfassung.
Am 14. Februar 2006 fand nun die erste öffentliche Anhörung im Berufungsverfahren statt. Dessen Ergebnis wird allerdings erst in einigen Monaten erwartet. Die Angeklagten bleiben währenddessen weiterhin in Haft. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen fordert daher, ebenso wie die kubanische Regierung und zahlreiche internationale Solidaritätskomitees, weiterhin die Freilassung der Miami Five.

Fünf Helden gegen das Imperium

In Kuba wird der juristische Verstoß gegen die fünf staatlichen Agenten zur Aufführung eines breit angelegten Heldenepos genutzt. In Zeiten, in denen die ideologische Aushöhlung und Sinnkrise der Gesellschaft die Unzufriedenheiten der Bevölkerung immer wieder aufbrodeln lassen, sind die „fünf Helden“, wie sie in Kuba heißen, Teil eines großen Medien-Spektakels, das gesellschaftliche Geschlossenheit schaffen soll. Über die Stärkung des äußeren Feindbilds wird versucht, die nationale Implosion zu verhindern.
Längst ist der Mehrheit der KubanerInnen bewusst, dass ihre Situation nicht nur wegen des US-Wirtschafts-Embargos stagniert. Viele innenpolitische Entscheidungen, die konkrete Auswirkungen auf den Alltag aller Einwohner haben, erscheinen absurd und repressiver als noch vor ein paar Jahren. Nur noch hinkend lassen sie sich mit der US-amerikanischen Politik als Wurzel allen Übels erklären. Überzeugungsarbeit scheint nötig.
Wie zum Trotz ist daher der Ton der offiziellen Propaganda schärfer geworden. Die Medienlandschaft, öffentliche Großmärsche und Kulturveranstaltungen haben eine einheitliche Linie bekommen und wurden seit 2004 mit dem neuen Regierungsprogramm „Batalla de Ideas“ („Kampf der Ideen“) auf einen Nenner gebracht.
War der Fall Elián, die medial hochstilisierte Auseinandersetzung um das Sorgerecht für einen neunjährigen Kubaner, noch ein politisches Familiendrama, dem Millionen Zuschauer beiwohnten wie ihrer täglichen Telenovela, sind seit Juni 2000 mehrere neue Fronten zur virtuellen Verunglimpfung des Gegners hinzugekommen. Die „fünf Helden“ waren dabei zunächst eines der größten medialen Projekte, das die USA als terroristische Nation anprangerte. Im Zusammenhang mit der Umkehrung der US-Logik der terroristischen Bedrohung gegen „Amerika“, wurden die USA als Brutkasten terroristischer Aktivitäten schlechthin gezeigt und die Miami Fünf zur Anti-Terror-Einheit im Einsatz gegen den US-amerikanischen Terrorismus gemacht.
Die „Gefangenen des Imperiums“, so der täglich erscheinenden Parteizeitung Granma zu entnehmen, befanden sich nun schon seit Jahren „in den Eingeweiden des Monsters.“ Die Rechtsbeugung der US-Justiz gegen die antiterroristischen Agenten wurde in der kubanischen Presse zur Mission der fünf Ritter im Kampf gegen den Tod des kubanischen Volkes. Generell scheute sich das Kommunikationsministerium nicht, erkennbar Metaphern der US-Filmindustrie zu nutzen.

Mediales Comeback

Bei soviel Inszenierung rückten die fünf politischen Gefangenen in Miami selbst etwas in den Hintergrund. Sie wirkten langsam müde auf ihren immer gleichen Zeitungsaufnahmen im ermattenden Kampf gegen US-amerikanische Berufungsverfahren und Untersuchungsausschüsse. Das nur langsame Funktionieren der Bürokratie machte sie auf Dauer unattraktiv. Da half auch die Beteuerung ihrer ewigen Jugend nichts. „Unsere unschuldigen Jungs“ wirkten wie zermürbte Familienväter, deren Rettungsmission immer vergeblicher erschien.
Lange war es daher zugunsten anderer Medienereignisse eher still um die Fünf. Zwischen den Mega-Kampagnen zu „Nuestra América“ mit Hugo Chávez, Evo Morales und Fidel Castro war kaum noch Platz für die „Helden“. Lediglich gab es noch sporadisch Regionalmeldungen, zum Beispiel über die Veröffentlichung einer neuen Ansteckeredition in Sternchenform mit den fünf Köpfen in Pinar del Río.
Durch das neue Verfahren in den USA rücken die Fünf nun zurück in den Fokus der internationalen wie auch der kubanischen Aufmerksamkeit der Medien. Für den Prozess selbst bedeutet dies, dass es bei ihm – auch wenn er ideologisch behaftet ist – wahrscheinlich nicht zu einer so drastischen Rechtsbeugung wie beim ersten Anlauf kommen wird. Eine baldige Rückkehr der Fünf nach Kuba ist damit nicht mehr ausgeschlossen.

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