Eine schmierige Angelegenheit
Proteste gegen die Ausweitung der Erdölförderung in Ecuador
In den vergangenen dreißig Jahren führte die Erdölförderung in Ecuador zu großen ökologischen, sozialen und ökonomischen Schäden. Nun wird eine neue Ölpipeline gebaut – ein neunhundert Millionen Dollar-Kredit der West LB macht es möglich. Die Westdeutsche Landesbank bewilligte bereits im Juni 2001 den umstrittenen Kredit. Doch je näher der Baubeginn rückt, desto militanter werden die Proteste der ecuadorianischen Widerstandsgruppen und der ihrer Verbündeten im In- und Ausland.
Der erbitterte Widerstand, auf den der Bau der neuen Pipeline stößt, erklärt sich aus den historischen Bedingungen der Erdölförderung und der heutigen Situation des Landes.
Öl vom Amazonas
Ecuador unterzeichnete 1972 mit der multinationalen Firma TEXACO einen ersten Vertrag zur Erdölförderung, der zunächst Konzessionen für die kommenden zwanzig Jahre erhielt. Die größten Erdölvorkommen liegen östlich der Anden in der Provinz Oriente. In diesem Teil des Amazonasbeckens mit seiner enormen Biodiversität lebten relativ abgeschieden acht indigene Völker.
Mit dem Baubeginn der Erdölplattformen in diesen Waldgebieten wurde deren Lebensumfeld empfindlich gestört und vielerorts gänzlich vernichtet. Sprengungen, Abholzungen und neue Siedlungen fraßen sich durch den Wald, der Straßenbau brachte landlose Siedler in die kaum besiedelten Gebiete, die dort Boden beanspruchten, um Felder zu bewirtschaften. Nach Angaben der Fundación Natura, einer Umweltorganisation in Ecuador, gibt es bereits jetzt im nördlichen Oriente, dem Hauptförderungsgebiet des Erdöls, etwa 600.000 Quadratkilometer abgeholzte und degradierte Flächen – das entspricht etwa der Größe Frankreichs.
Um das Rohöl an die Küste in die Hafenstädte zu transportieren, begann TEXACO im Jahr der Vertragsunterzeichnung mit dem Bau einer Pipeline, dem Sistema del Oleoducto Transecuatoriano (SOTE). Diese Leitung belastet durch die schlechte Wartung der Anlagen, durch undichte Ventile, ungereinigte Abwässer und immer wieder auftretende Lecks in den Leitungssystemen seit ihrem Bau die natürliche Umwelt in hohem Maße. Allein in den vergangenen drei Jahren gab es vierzehn große Leckagen in der Pipeline.
Einer der größten Unfälle ereignete sich im Mai 1989, als 800.000 Liter Öl in den Río Napo flossen. Neben der Vernichtung von Flora und Fauna litten auch die stromabwärts liegenden Siedlungen unter der Verseuchung. 560 Familien aus 31 Gemeinden verloren ihre Ernte. Es wird geschätzt, dass bei den dreißig größten Unfällen insgesamt 74 Millionen Liter Rohöl ausgelaufen sind. Das Tankschiff Exxon Valdez hatte – zum Vergleich – bei der größten Umweltkatastrophe vor der Küste Alaskas etwa vierzig Millionen Liter Öl verloren.
Häufige Unfälle
Die Häufigkeit der Unfälle begründet sich unter anderem daraus, dass die Pipeline durch tektonisch und seismisch aktive Gebiete führt – ähnlich ist das bei der neuen Pipeline. Die Überquerung der Anden ist bereits durch aktive Vulkane ein hohes Risiko. Hinzu kommt, dass die gesamte Westküste Südamerikas stark erdbebengefährdet ist. Auf dem Transportweg liegen diverse Schutzgebiete, die einst eingerichtet wurden, um die ursprüngliche und einzigartige Natur dort zu bewahren. Ecuador hat ein Schutzsystem, das zwischen Nationalparks und Reservaten (Reservas faunísticas, biológicas und ecológicas) unterscheidet. Doch die alte und die geplante Pipelinetrassen führen unterschiedslos durch diese Gebiete. Umweltschutz spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.
Das neue Projekt wurde zunächst ohne eine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bewilligt, obwohl diese zwingend vorgeschrieben wird, insbesondere, wenn es sich um Kredite der öffentlichen Hand handelt. Als dies publik wurde, lieferten die ecuadorianischen Behörden in nur zwei Monaten nachträglich eine UVP für die 500 km lange Strecke. Die Versäumnisse und Mängel dieser Prüfung sind offensichtlich. Da sie sich auf veraltetes Kartenmaterial stützt, die Maßstäbe nicht den gültigen Vorschriften entsprechen und keine Anhörung der Betroffenen stattfand, fordern nun viele Gruppen eine neue UVP durch unabhängige Gutachter.
Öl im Biosphärenreservat
Der Bau der neuen Pipeline gefährdet vor allem den Yasuni-Nationalpark, der 1979 eingerichtet wurde, um neben der Natur auch den Völkern der Huaorani, Tagaeri und Taromename ein Rückzugsgebiet zu gewähren. Der Nationalpark wurde von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt. Doch der größte Teil des Öls, der durch die neue Pipeline fließen wird, soll genau in diesem Gebiet gefördert werden. Die traditionellen Lebensweisen der indigenen Bevölkerung würden damit stark verändert werden. Die betroffenen Gemeinschaften wurden bei der Entwicklung des Pipeline-Pro-jekts gar nicht erst konsultiert, obwohl Ecuador die entsprechende Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert hat und dazu verpflichtet wäre. Der Ökotourismus, der als alternative Einnahmequelle der Zukunft gepriesen wird, wird auch nicht mehr möglich sein.
Obwohl man den indigenen Gemeinden teilweise das Land, auf dem sie leben, bereits übereignet hatte, werden sie nun erneut entrechtet: Alle Bodenschätze, die in mehr als 30 Zentimeter Tiefe gefunden werden, gehören dem Staat, der sie fördern oder dazu Konzessionen vergeben kann. Konzessionen für den Erdölabbau existieren inzwischen für über 13 Millionen Hektar Land, das ist fast die Hälfte des gesamten Staatsgebietes. Summiert man die bisher bekannten Erdölvorkommen und die für die neue Pipeline angestrebte Förderungsmenge, werden sich die Vorräte bereits innerhalb von 20 Jahren erschöpft haben. Die natürlichen Ressourcen des Landes werden also schnell verbraucht sein und höchstwahrscheinlich immense Umwelt- und Gesundheitsschäden zurücklassen – und weiterhin hohe Auslandsschulden, denn das Geschäft mit dem Öl machen vor allem multinationale Konzerne. Von den Rohölerlösen von 2,4 Milliarden US-Dollar sind im Jahr 2000 lediglich etwa 100 Millionen US-Dollar im Land geblieben. Durch die gestiegene Kreditwürdigkeit des Landes auf Grund seiner Erdölvorkommen flossen seit dem Beginn der Förderung riesige Darlehen in das Land. Doch statt zum Aufschwung beizutragen, bedingen sie die Verschuldung. Ecuador hat heute die höchste Pro-Kopf-Auslandsverschuldung in ganz Lateinamerika. Der größte Teil der Deviseneinnahmen geht direkt in den Schuldendienst. So sind auch die Einnahmen aus der erhöhten Förderungsmenge bereits verplant, eine Tatsache, die von den Gegnern des Projekts stark kritisiert wird. Auch die deutsche Beteiligung sieht gern über die katastrophalen Folgen des Vorhabens hinweg, da sich hier gutes und sicheres Geld verdienen läßt. Die Proteste im In- und Ausland zielen darauf ab, das Projekt sofort zu stoppen. Der Kredit aus Düsseldorf, der das Vorhaben erst möglich macht, müßte so hohe politische Kosten verursachen, dass sich der Gewinn nicht mehr lohnt.