Honduras | Nummer 442 - April 2011

Kämpferische Frauen

Die honduranische Frauenbewegung hat nach dem Putsch an Stärke gewonnen und neue Themen erschlossen

Die Feministas en Resistencia sind ein breites Bündnis von Frauenorganisationen, das sich nach dem Putsch in Honduras formierte. Gemeinsames Ziel ist der Kampf gegen die durch den Putsch bedingte steigende Gewalt an Frauen. Die eng vernetzte Bewegung wendet sich gegen Haushaltskürzungen beim staatlichen Gleichstellungsplan und mobilisiert gegen arbeitsrechtliche Diskriminierung von Frauen.

Kathrin Pelzer

Im Zentrum für Frauenrechte (CDM) in San Pedro Sula im Norden Honduras‘ wird der Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November 2010 groß begangen. Die Juristin Maria Elena Sabillón und ihre Mitarbeiterinnen sehen diesen Tag als Möglichkeit, ihren Widerstand gegen die aktuelle Regierung zum Ausdruck zu bringen. Das CDM ist eine der zahlreichen Frauenorganisationen, die sich zu den Feministas en Resistencia (Feministinnen im Widerstand) zusammen geschlossen haben und eine gut vernetzte und aktive Opposition gegenüber der illegitimen Regierung darstellen. Mit Hilfe lokaler Radioprogramme, die kurzzeitig von der Regierung Lobos verboten wurden, und mit regelmäßig stattfindenden Demonstrationen streiten sie für vormals bestehende Errungenschaften wie den Zugang zur „Pille danach“. Auch sind sie gegen die von der Regierung Lobos geplante Beschneidung des Budgets, das für die Umsetzung dringend notwendiger Schritte im Rahmen des nationalen Geschlechter- und Gleichstellungsplans benötigt wird.
Alle Frauenorganisationen, die sich innerhalb der Feministas en Resistencia organisieren, eint das Anliegen, die seit dem Putsch dramatisch ansteigende Gewalt an Frauen national wie auch international publik zu machen. Ziel ist es, (inter)nationale Unterstützung gegen diese Menschenrechtsverletzung einzufordern.
Bereits in den ersten Tagen nach dem Putsch war ein drastischer Anstieg von Gewalt gegen Frauen zu verzeichnen. Die Anzahl der Frauenmorde stieg dabei um 60 Prozent. Honduras wird bereits mit Ciudad Juárez in Mexiko verglichen, das die weltweit höchste Anzahl an Frauenmorden verzeichnet. Die permanente Vernachlässigung dieser dramatischen Entwicklung durch die Regierung veranlasst Frauen vermehrt, internationale Allianzen zu schmieden und Organisationen zu aktivieren, um auf diesem Wege nationale Maßnahmen zu erzwingen.
Feministas en Resistencia bekämpfen ebenso nationale wirtschaftliche Deregulierungs- und Flexibilisierungsprozesse, welche von der neuen Regierung in Gang gesetzt wurden. „Seit dem Putsch haben die Unternehmen viel an Macht gewonnen. Der Putsch war von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Der ehemalige Präsident Zelaya wollte die Arbeitsbedingungen verbessern, indem er beispielsweise den Mindestlohn erheblich anhob, das haben die UnternehmerInnen mit dem Putsch verhindert“ erklärt Yadira Minero. Sie arbeitet für EMIH (Equipo Monitoreo Independiente de Honduras), eine Organisation, die ArbeitnehmerInnen in Zulieferbetrieben transnationaler Konzerne in ihrem Kampf für ihre Rechte unterstützt. Mit großer Sorge beobachten die unterschiedlichsten Frauenorganisationen das neue Gesetz zur Flexibilisierung der Arbeit. Die „Neuerungen“ enthalten den ArbeiterInnen den Anspruch auf Sozialleistungen, Mutterschutz und Urlaubsansprüche vor. Gewerkschaftliche Selbstorganisation wird durch temporäre Arbeitsverhältnisse nahezu verunmöglicht. Bereits jetzt ist ein Anstieg an prekären Arbeitsplätzen zu beobachten, dennoch sind in den offiziellen Statistiken nur wenige Anzeigen gegen die Unterwanderung des geltenden Arbeitsrechts zu finden. Yadira Minero führt das auf die Verunsicherung der Bevölkerung zurück, die aufgrund der instabilen politischen Situation zusehends Schwierigkeiten hat, ihre Rechte in diesem politischen System geltend zu machen. Für die unterschiedlichen Frauenorganisationen innerhalb der Feministas en Resistencia ist diese Entwicklung aus zwei Gründen alarmierend. Zum einen wird die Regierung die Armutsgefährdung und das Abgleiten von Frauen in die Armut durch instabile, prekäre und temporäre Arbeitsplätze weiter vorantreiben. Bereits jetzt sind Frauen in Honduras vielfachen Diskriminierungen innerhalb der Arbeitswelt ausgesetzt. Exemplarisch können hierfür die Maquilas angeführt werden, Niedriglohn-Fertigungsbetriebe, in denen überwiegend Frauen tätig sind, um Produkte der Textil-, Spielzeug- und Elektroindustrie für den Weltmarkt herzustellen. Geprägt sind diese Arbeitsplätze durch die Unterwanderung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, die Verletzung einer Vielzahl an Frauenrechten und sexuelle Übergriffe. Die Löhne liegen mit 3000 Lempiras (114 Euro) monatlich trotz immenser Überstunden, die gefordert werden, weit unter dem existenzsichernden Mindesteinkommen von 226 Euro. Die Maquilaindustrie zeigt exemplarisch, wie Frauen bereits in der Vergangenheit durch Handels- und Marktliberalisierung in Verbindung mit der Schaffung von Freihandelszonen in schlecht bezahlte Arbeitsplätze mit geringen Aufstiegschancen gedrängt wurden. Die Regierung Lobo verschreibt sich in ihrer Politik neoliberalen Wirtschaftsinteressen. Die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union, in dem der Ausbau von Freihandelszonen sowie das Gesetz zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes vorgesehen sind, macht dies deutlich. Die Diskriminierung von Frauen wird somit strukturell langfristig im Land verankert.
Die geplanten budgetären Einschnitte im nationalen Gleichstellungsplan verhindern die Umsetzung wesentlicher Maßnahmen im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Die Weiterführung neoliberaler Wirtschaft verhindert eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und negiert die Leistung, welche Frauen durch ihre reproduktive Arbeit erbringen. Die Feministas en Resistencia fordern unter anderem Geschlechtergerechtigkeit, Respekt für die kulturelle Diversität des Landes, die Schaffung einer gewaltlosen Kultur und die Einhaltung der Menschenrechte. Diese Forderungen bringen sie in nationalen und internationalen Organisationen ein und artikulieren sie in mannigfaltigen Arten des Protests.
In Anbetracht des gewaltvoll herbeigeführten Machtwechsels und der Missachtung von Menschenrechten seitens der aktuellen Regierung beteiligen sich die Feministas en Resistencia an dem Projekt, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Wesentlich für ihren Erfolg ist es, für ihre Forderungen außerhalb Honduras Verbündete zu finden, die sich aktiv solidarisch erklären, wie Yadira Minero es treffend formuliert: „Der Putsch ist vorbei, aber wir geben nicht auf und benötigen internationale Unterstützung, weil unser Staat versagt.“
Mehr Informationen unter: www.frauensolidaritaet.org

INFO-KASTEN:
Jeden Tag ein Frauenmord
In Honduras ist in den letzten Jahren die Zahl der Frauenmorde stetig angestiegen, was das zentralamerikanische Land zu einem der gefährlichsten der Region macht. Etwa 1.750 Frauen sind durch gewaltsame Umstände in den letzten 74 Monaten gestorben, so Ramón Custodio López, der nationale Beauftragte für Menschenrechte. Ein im März 2011 erschienener Bericht der nationalen Menschenrechtskommission CONADEH (Comisionado Nacional de Derechos Humanos) zeigt den jährlichen Anstieg der Frauenmorde. Während es sich im Jahr 2005 um 175 Morde handelte, waren es 2006 schon 202, im darauffolgenden Jahr sogar 295 Morde. 2008 stieg die Anzahl auf 312 Tote, 2009 auf 363. Im Jahr 2010 verharrte sie auf hohem Niveau bei 343 Femiziden. Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres sind schon über 60 Frauenmorde gemeldet. Inzwischen wird in Honduras somit umgerechnet jeden Tag eine Frau umgebracht.
Laut CONADEH sind die Opfer der Gewalt Frauen aller Altersstufen. Es handelt sich dabei ebenso um kriminelle Aktionen wie auch um häusliche Gewalt in der Ehe. Todesursachen sind vielfach Schussverletzungen, jedoch auch Enthauptungen, Erstickung, heftige Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen und Folter. Es wird geschätzt, dass über 80 Prozent der Frauenmorde aufgrund fehlender Ermittlungen unbestraft bleiben. Den starken Anstieg der Gewalt gegen Frauen stellen Frauenrechtsorganisationen wie CDM (Centro de Derechos de la Mujer) und feministische Bündnisse in Honduras auch in Zusammenhang mit dem Putsch im Juni 2009 fest. Seitdem ist insgesamt die Gewalt, auch von Seiten des Militärs und der Polizei, stark angestiegen. Der nationale Menschenrechts-Ombudsmann Ramón Custodio wird von der Widerstandsbewegung und zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsorganisationen aufgrund dessen unkritischer Haltung gegenüber den Menschenrechtsverletzungen, die auf den Staatsstreich folgten, abgelehnt.
// Magdalena Heuwieser

Mehr Informationen unter: http://www.conadeh.hn/Joomla/index.php/component/content/article/217-femicidios

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