WENIGER IST MEHR

Foto: © Diana Garay


Ein Junge wohnt mit seinem Vater in einem einfachen Haus, umgeben von Natur. Es regnet durchs Dach und das Haus ist innen ganz leer, nur ein Feuer wärmt die beiden, wenn sie in ihrer löchrigen Kleidung auf dem harten Boden sitzen und sich ein karges Mahl teilen. Die Seele wärmt jedoch nichts, keine persönlichen Gegenstände, kein Spielzeug und auch kein Regal, in die man sie legen könnte. Eines Tages findet der Junge im Wald einen Stuhl – begeistert nimmt er ihn mit nach Hause.

© Germano Saracco

Der Vater möchte dies jedoch nicht und bittet ihn, den Stuhl zurückzubringen. Der Sohn sitzt daraufhin abends traurig in der Ecke, dann bekommt er die Erlaubnis doch. Als der Junge am nächsten Tag den Stuhl holen will, hat sich jedoch etwas Wichtiges verändert, und er muss ihn dort lassen.
In der minimalistischen Fabel El tamaño de las cosas (Die Größe der Dinge) aus Kolumbien möchte uns Regisseur Carlos Felipe Montoya in nur 12 Minuten mit elementaren Fragen konfrontieren, die unter anderem mit dem Begehren von Dingen und allgemeiner der Bedeutung zu tun haben, die wir ihnen beimessen, sowie der sich ändernden Wahrnehmung der Dinge. “Weiß das zu schätzen, was du im Leben hast”, sagt etwa der Vater in einer Szene zu seinem Sohn. Montoya, der bereits zum zweiten Mal mit einem Kurzfilm auf der Berlinale zu Gast ist, gibt den Zuschauer*innen jedoch nicht einfach eine Moral mit auf den Weg. Er möchte, wie er sagt, dass diese nach dem Kinobesuch noch eine Weile über den Film und seine Botschaft nachdenken. Das ist ihm auf jeden Fall gelungen.

© Diana Garay

Schmerzt in El tamaño de las cosas die Abwesenheit materieller Dinge, so ist es in Los ausentes (Die Abwesenden) aus Mexiko der Tod eines Menschen. Er gibt Anlass zu Überlegungen ganz anderer Art: Der siebenjährige Rafaelito und seine beiden Freunde sollen auf einer Totenwache zur Aufmunterung ein paar traditionelle Huapango-Lieder spielen, jedoch haben sie nur ein Repertoire von drei Stücken. Wie sollen sie reagieren, als die trauernde Witwe am Ende ihrer Darbietung gern noch ein weiteres Stück hören möchte? Sie müssen sich schnell entscheiden.

Der Kurzfilm von José Lomas Hervert erzählt eine einfache, aber sensible Geschichte einiger Menschen ganz unterschiedlichen Alters. Die Kamera zeigt uns auf einfühlsame Weise weinende, aber auch lächelnde Gesichter, wir sehen sowohl Trauer als auch sich entwickelnde Zuneigung. Gesprochen wird dagegen nicht viel, Gestik und Mimik sagen neben der Musik mehr aus als tausend Worte. Zur Unterstützung dieses Fokus ist der Film in Schwarzweiß gedreht. Zurück bleibt nach 17 Minuten ein Mikrokosmos der Gefühle und des Lebens.

El tamaño de las cosas und Los ausentes laufen 2019 in Berlinale Generation (Kplus).


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