„VERLASSE DEINEN KÖRPER.”

© Clin d’oeil Films


Tania wächst als Mädchen bei ihrer strengen Großmutter im peruanischen Amazonasgebiet auf. „Hier wird nicht geweint”, gibt ihr die Großmutter noch auf den Weg, bevor sie stirbt. Tania hat nun das ganze Leben vor sich. Nur zu gerne lässt sie sich auf das Versprechen einer Trans*Frau ein, in einer Goldgräberstadt flussabwärts in einer Bar zu arbeiten und dort die Männer zum Trinken zu animieren. Auf der endlosen Flussfahrt über den ruhigen, schönen Amazonas nimmt ihr die Frau, deren Namen sie nie erfährt, den Pass ab und sagt: „Jetzt bis du niemand.”

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So fangen wohl hunderte oder tausende Schicksale von jungen Frauen an, die in der Zwangsprostitution landen. By the name of Tania ist ein Hybridfilm, eine Visualisierung realer Zeugenaussagen, in der Tania aus dem Off in nachgestellten Szenen von ihrem Leidensweg erzählt. Es sind wenige, ruhige und auch schöne Einstellungen, zentral ist zunächst der Fluss. Und doch ist ständig eine Anspannung spürbar, die durch unscharfe Kameraeinstellungen und hallende, an- und abschwellende Lautstärke noch verstärkt wird. Der Film bekommt etwas Traumhaftes; doch es ist kein Traum und Tania heißt auch nicht Tania: „Ich habe alles verloren. Sogar das Schamgefühl. Sogar meinen Namen.” Immer häufiger taucht nun die Stadt auf und genauso wird häppchenweise die Verschlimmerung ihrer Lage eingestreut. Das Unsagbare passiert einfach und so wird Tania es wohl auch erlebt haben. Die allgegenwärtige Straflosigkeit, Rechtlosigkeit und Hoffnungslosigkeit auch anderer Akteure finden eher beiläufig Erwähnung. Intuitiv findet Tania ihre Überlebensstrategie: „Verlasse deinen Körper.”

© Clin d’oeil Films

By the Name of Tania ist bereits die dritte Dokumentarfilm-Koproduktion (nach Sobre las Brasas 2013 und Le Chant des Hommes 2015) der Regisseurinnen Bénédicte Liénard aus Belgien und Mary Jiménez aus Peru. Mit minimalistischen Mitteln geben sie einem Schicksal, das sich sein Leben schließlich zurückholt, eine Stimme, einen Namen und ein Gesicht. Damit verfolgen sie einen anderen Zugang zu diesem schwierigen Thema als etwa Lilja 4-ever (2002), der aber auch kein Dokumentarfilm ist. Beide Filme kommen ohne voyeurhafte Brutalität aus, Lilja 4-ever ist rasant und atemlos, wonach man heulen möchte. Nach By the Name of Tania frag man sich, und jetzt? Was ist aus den Tätern geworden? Was aus den anderen Frauen? Was sollte in Zukunft passieren? Und bleibt deshalb eher ratlos zurück.

 

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