El Salvador kehrt zum Goldschürfen zurück

Widerstand gegen Bergbau Trotz der Einschüchterungspolitik geht die Zivilgesellschaft aud die Straße (Foto: Kellys Portillo / Alharaca)

Alles wirkt wie ein Praxisbeispiel aus einem Handbuch für autoritäre Regierungspolitik. Schritt eins: Vor zwei Jahren hat die vom autoritären Präsidenten Nayib Bukele kontrollierte Staatsanwaltschaft begonnen, Bergbaugegner*innen zu kriminalisieren. Sie wirft – ohne Beweise – fünf Aktivisten der Asociación de Desarrollo Económico Social de Santa Marta (ADES) vor, während des Bürgerkriegs in den 1980ern eine Frau ermordet zu haben. Nachdem ein Gericht einen Freispruch aufgehoben hat, müssen sie sich demnächst wieder vor Gericht verteidigen.

Schritt zwei: Am 10. Dezember 2024 postet der Präsident massiv auf X und wirbt dafür, das Land wieder für den Goldbergbau zu öffnen. Er veröffentlicht Karten, die zeigen, wie durch vermeintlich göttliche Fügung sich eine vulkanische Ader mit hohem Goldgehalt ausgerechnet durch das schmale mittelamerikanische Land zieht. Er argumentiert dann auch mit Gottes Willen: „Gott hat uns einen Schatz unter unsere Füße gelegt.“ Es sei absurd, dass El Salvador als einziges Land weltweit Bergbau verbiete.

Wenige Wochen darauf folgt Schritt drei: Am 23. Dezember, als sich die Bevölkerung bereits den Weihnachtsvorbereitungen widmet, verabschiedet das Parlament ein neues Gesetz, das Bergbau in dem ökologisch fragilen Land wieder zulässt. Es ist offensichtlich, dass hier die Unterdrückung der Zivilgesellschaft, eine strategische Nutzung der Sozialen Medien und intransparente Parlamentsarbeit ineinandergreifen.

El  Salvadors Umweltbewegung war stolz auf das gesetzliche Bergbauverbot, das 2017 verabschiedet wurde. In den Jahren zuvor waren drei Bergbaugegner*innen ermordet worden. Ein australischer Bergbaukonzern hatte El Salvador auf Schadensersatz von über 300 Millionen US-Dollar verklagt, weil die damals linke Regierung dem Unternehmen nach einer Erkundungsphase keine Abbaulizenz erteilte. Eine breite Umweltbewegung, der Nationale Tisch gegen den Bergbau, antwortete mit Protestaktionen. Die Organisation CRIPDES  führte lokale Volksbefragungen über Bergbau durch und verschaffte sich so nationale und internationale Aufmerksamkeit. Die Mehrheit der Bevölkerung schätzte laut Umfragen die ökologischen Risiken des hochgiftigen Goldbergbaus für die Gewässer als zu hoch ein. Im März 2017 stimmte die linke Regierungspartei FMLN gemeinsam mit der rechtskonservativen Partei ARENA für das Bergbauverbot.

Seitdem hat sich vieles verändert. 2019 kam Präsident Bukele als Antipolitiker an die Macht. Seine Partei Nuevas Ideas hat das politische System umgekrempelt und kontrolliert das Parlament. Mit dem Versprechen, die Bandenkriminalität zu bekämpfen, hat Bukele einen dauerhaften Ausnahmezustand verhängt und um die 80.000 Menschen ins Gefängnis gesteckt. Jetzt nimmt er sich die Wirtschaft vor. Bukeles Versuch, den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel einzuführen, war ein Desaster. Die Staatsverschuldung ist hoch, das Wirtschaftswachstum niedrig.

Jetzt soll also der Goldbergbau zurückkehren. Der Rekordpreis für eine Unze Gold (1.800 US-Dollar) scheint ihm Recht zu geben. Messianisch verspricht er, dass er die Wirtschaft von heute auf morgen ändern könne. Das Kalkül des enorm populären Präsidenten ist, dass die Bevölkerung ihm die neu gewonnen Sicherheit vor Bandenkriminalität so sehr dankt, dass sie die ökologischen Folgen von Gold-Megaminen in Kauf nimmt. Eine Umfrage der Zentralamerikanischen Universität vom Dezember 2024 zeigt jedoch, dass fast 60 Prozent der Bevölkerung nach wie vor gegen Bergbau ist.

Einschüchterungs-
politik geht nicht auf

Laut Bukele könnten in El Salvador 50 Millionen Unzen Gold abgebaut werden. Belege gibt er dafür nicht. In Zukunft sollen dem Gesetzestext zufolge entweder der Staat oder Gesellschaften, an denen der Staat als Aktionär beteiligt ist, die Bergbauaktivitäten durchführen. Da die Staatsbeteiligung auch gering sein kann, werden transnationale Konzerne eine wichtige Rolle spielen.

Im Gesetzestext heißt es, es sei unbedingt nötig, dass der Staat die Reichtümer auf seinem Territorium auf rationale Weise nutze und damit die Lebensqualität der Bevölkerung verbessere und die Natur respektiere. Die betroffenen Gemeinden in El Salvador wissen jedoch aus eigener Erfahrung und dem Austausch mit Organisationen aus den Nachbarländern, dass die Funktionsweise des Extraktivismus, also die Ausbeutung der Natur zu Exportzwecken, in den seltensten Fällen dem Gemeinwohl zugutekommt und schon gar nicht die Natur schützt.

„Viele Menschen stellen sich vor, dass es hier große Goldadern wie in den Western-Filmen gibt. Aber in Wirklichkeit ist das Gold nur in winzigen Partikel vorhanden und man muss große Mengen an Wasser und Chemikalien wie Zyanid benutzen, um es zu extrahieren“, erklärt Pedro Cabezas, Koordinator von der Mittelamerikanische Allianz gegen den Bergbau. Auch Antonio Pacheco, einer der fünf kriminalisierten Aktivisten, fürchtet gravierende Umweltauswirkungen für den ohnehin schon stark kontaminierten Lempa-Fluss.

Die Einschüchterungstaktik der Regierung gegen die Zivilgesellschaft geht bisher nicht auf. Bereits am 10. Dezember 2024 demonstrierten über 300 Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher und kirchlicher Organisationen vor dem Parlamentsgebäude gegen das „Attentat gegen das Leben, die Gesundheit und die Biodiversität“. Sie zeigen auf mutige Weise, dass die Umweltbewegung bereit ist, ihre Erfolge zu verteidigen. Es ist ein lokaler Kampf gegen die globale Tendenz, mit autoritär-populistischen Mitteln Wirtschaftswachstum auf Kosten der Natur zu erzielen.


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

SIEG ÜBER BERGBAUINDUSTRIE IN EL SALVADOR

Jahrelang haben soziale Bewegungen in El Salvador erbittert dafür gekämpft: für das Verbot des umweltschädlichen Bergbaus. Bis vor kurzem hat kaum einer erwartet, dass das Parlament das Anti-Bergbaugesetz noch verabschieden würde. Dann ging aber alles sehr schnell: Vor einigen Wochen hatte die Kommission für Umwelt und Klimawandel des Parlaments einen Gesetzentwurf erarbeitet. Am 29. März verabschiedete dann das Plenum einstimmig das elf Artikel umfassende Gesetz. Einen kurzen Moment lang unterbrachen die linke Regierungsbank der FMLN und die rechte Oppositionspartei ARENA ihre Streitigkeiten, um „eine einstimmige Entscheidung für den Schutz der Wasservorkommen zu treffen“, laut dem Twitter-Account des Parlaments. Im Gesetz wird das Verbot der Erkundung und des Abbaus von Metallen im Tage- und Untertagebau sowie die Nutzung der im Goldbergbau verwendeten Chemikalien Zyanid und Quecksilber unter anderem folgendermaßen begründet: “Der metallische Bergbau stellt ein Attentat gegen die Gesundheit der Einwohner El Salvadors dar und birgt ernsthafte Risiken für die Umwelt, indem er durch die Auswaschung von Schwermetallen und hochgiftigen Abfällen (…) Wälder, Böden und Wasservorkommen gefährdet.”

Es gab Freudentränen nach der Verabschiedung des Gesetzes.

Für viele Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen hat die Verabschiedung eine hohe Bedeutung. Viele von ihnen haben die Abstimmung live im Parlament verfolgt: „Als wir heute hinter den Glasscheiben des Parlaments standen, haben sich viele von uns umarmt und Tränen der Freude vergossen. Das Gesetz ehrt all jene, die unzählige schlaflose Nächte in Angst verbrachten oder aufgrund ihres Widerstandes ermordet wurden“, schreibt Pedro Cabezas, Mitarbeiter von CRIPDES, einer Partnerorganisation der Christlichen Initiative Romeros (CIR), auf seiner Facebook-Seite. Die Partner*innen von CRIPDES haben die Menschen in den betroffenen Gemeinden mobilisiert und lokale Volksbefragungen gegen Bergbau organisiert.

Die sozialen Konflikte rund um den Bergbau in El Salvador haben sich in den vergangenen Jahren verschärft. Der kanadische Konzern Pacific Rim (später OceanaGold) reichte 2009 eine Klage auf 301 Millionen US-Dollar Schadensersatz beim Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) ein. Die Regierung hatte dem Unternehmen aufgrund von Umweltbedenken und fehlender Landrechte nach einer Erkundungsphase keine Abbaulizenz erteilt. Gleichzeitig versuchte das Unternehmen, die Bevölkerung im Verwaltungsbezirk Cabañas für das Projekt zu gewinnen beziehungsweise sie zu spalten. Mit dem Versprechen, zahlreiche Arbeitsplätze und vermeintlich wohltätige Projekte zu schaffen, brachte das Unternehmen viele in den Gemeinden auf seine Seite. Die Spaltung der Gemeinden gipfelte in der Ermordung von fünf Umweltaktivist*innen, die sich für den Schutz des Gebiets vor dem hochgiftigen Goldbergbau einsetzten.

Aufwind bekam das Gesetzesprojekt erst, nachdem das ICSID im Oktober 2016 die Klage des Unternehmens ablehnte und die Rückzahlung von acht Millionen US-Dollar Prozesskosten an die Regierung El Salvadors forderte. Der Erzbischof Escobar Alas von El Salvador schloss sich der Antibergbau-Bewegung an und reichte Anfang März eine erneute Gesetzesinitiative beim Parlament ein. Es folgten zahlreiche Demonstrationen vor dem Parlament. Am 29. März stimmten dann 69 Abgeordnete (drei enthielten sich, drei waren abwesend) für die Verabschiedung und wiesen damit 16 Anträge transnationaler Konzerne auf Konzessionen zurück. Das Gesetz spiegelt die Mehrheit in der Bevölkerung wider. Laut einer Umfrage von 2015 der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador lehnen 77 Prozent der Bevölkerung den metallischen Bergbau ab.

Das Schiedsgericht der Weltbank lehnte die Klage des Unternehmens ab.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist das Thema für die Zivilgesellschaft aber noch nicht vom Tisch. Die in der Region Cabañas ansässige Stiftung El Dorado von OceanaGold hat ihre PR-Arbeit in den vergangenen Monaten intensiviert, indem sie zahlreiche vermeintlich gemeinnützige Projekte in den Gemeinden förderte oder Protestmärsche organisierte. Dabei sprach sie stets von „verantwortungsvollem Bergbau“. Kurz vor der Abstimmung veröffentlichte OceanaGold noch eine Stellungnahme und forderte die Parlamentarier*innen auf, die Modernität und Vorteile des Projekts für die Region zu bedenken. Vor einigen Tagen hat OceanaGold Arbeiter*innen nach San Salvador geschickt, um vor dem Parlament gegen das Bergbauverbot zu demonstrieren. „Wir verfolgen diese Aktivitäten mit Sorge, da es wieder zu Gewalt gegen Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen kommen könnte“, sagt Pedro Cabezas von CRIPDES. Die sozialen Bewegungen fordern nun vom Konzern, die Prozesskosten des Schiedsgerichtsverfahrens zu erstatten und sein Tochterunternehmen Minerales Torogoz sowie die Stiftung El Dorado aus dem Land abzuziehen.

Auch ein neuer Konflikt beschäftigt Organisationen wie CRIPDES. Das Gesetz sieht ein vollständiges Verbot des metallischen Bergbaus in El Salvadors vor und somit nicht nur des industriellen sondern auch des sogenannten kleinen Bergbaus. Im Verwaltungsbezirk La Unión suchen einige Hundert Kleinschürfer*innen in selbst gegrabenen Tunneln informell nach Gold. Sie befürchten nun eine Kriminalisierung und den Verlust ihrer Einkommensquelle. Es kam bereits zu ersten Streitigkeiten zwischen Aktivist*innen und Kleinschürfer*innen in der Region. Das Gesetz sieht für Kleinschüfer*innen einen Übergangszeitraum nach Inkrafttreten von zwei Jahren vor, in denen sie sich einer neuen Einkommensquelle widmen können. Der Staat will ihnen dafür Beratung sowie finanzielle und technische Unterstützung anbieten.

Das Gesetz ist nicht zuletzt ein beispielloser Erfolg internationaler Solidarität. Die “International Allies against Mining in El Salvador” mit Mitgliedsorganisationen unter anderem in Kanada, den USA, Australien und Deutschland haben die Zivilgesellschaft in El Salvador durch Delegationsreisen, Petitionen und offene Briefe an Entscheidungsträger*innen unterstützt. Die CIR hat sich aktiv an diesen Solidaritätsaktionen beteiligt.
Der „Runde Tisch gegen Bergbau“ in El Salvador hat auch immer wieder den Austausch mit betroffenen Gemeinden in anderen Ländern – auch in entlegenen Erdteilen – gesucht. Zuletzt besuchte der Gouverneur der philippinischen Provinz Nueva Vizcaya das mittelamerikanische Land. Die Regierung der Philippinen suspendierte kürzlich ein Bergbauprojekt von OceanaGold. Der Gouverneur fand bei seinem Besuch deutliche Worte: „Die Realität des sogenannten ‘verantwortungsvollen Bergbaus’ von OceanaGold auf den Philippinen ist ein Desaster. Urteilt nach dem Verhalten von OceanGold in meinem Land, nicht nach ihren Versprechen!“

Das Gesetz könnte auch den Antibergbaubewegungen in den mittelamerikanischen Nachbarländern, in Lateinamerika und weltweit Rückenwind verleihen. Auch Protestbewegungen, die sich für eine faire Handels- und Investitionspolitik weltweit einsetzen, sollten sich auf den Fall berufen: Schließlich zeigt er, dass internationale Schiedsgerichtsverfahren zu Investitionsstreitigkeiten nicht nur Konflikte anheizen, sondern auch demokratische Prozesse behindern. Das Gesetz konnte nämlich erst verabschiedet werden, nachdem eine hohe Strafzahlung wegen einer vermeintlich investitionsfeindlichen Politik El Salvadors abgewendet werden konnte.

 


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

Newsletter abonnieren