
Kannst du uns etwas von deiner Organisation Asociación TransMujer erzählen?
Mir kam die Idee damals, als ich begann als Sexarbeiterin zu arbeiten und zum ersten Mal die Probleme und Bedürfnisse der vielen trans Frauen auf der Straße sah. Die meisten hatten keine andere Wahl; die Gesellschaft hatte sie quasi zur Sexarbeit verdonnert. Ich sah wie so viele ins Krankenhaus kamen und dort von Ärzten und Pflegepersonal einfach abgelehnt wurden. Da kam mir die Idee, eine Organisation zu gründen, um ihnen zu helfen. Heute ist TransMujer aber offen für alle. Ich arbeite mit vielen cis Frauen, weil sie genauso viel gesundheitliche Unterstützung brauchen – wenn nicht mehr. Viele sind Mütter, unsichtbare Sexarbeiterinnen, die das Stigma und die Scham besonders trifft. Ich unterstütze sie bei Untersuchungen zur sexuellen Gesundheit und organisiere Bildungs- und Präventionsprogramme. Zum Glück habe ich Zugang zu allen Etablissements in Cali, vom edelsten Bordell bis zur kleinsten Absteige. Ich werde dort sehr geschätzt. Ich habe Verbindungen zu verschiedenen Organisationen, die mir bis zu 15.000 Kondome für diese Frauen stellen: das wichtigste Arbeitsmittel der Sexarbeiter*innen.
Was ist deine Erfahrung mit der wachsenden TERF-Bewegung (eng.: trans-exlusionary radical feminists, dt.: trans-ausschließende Radikalfeministinnen), die sich offen transfeindlich zeigt?
Sie behaupten, dass trans Frauen cis Frauen parodieren würden, aber das ist Unsinn. Schon vor 20 Jahren habe ich damit Erfahrung gemacht. Damals wollte ich dem Frauentisch in Santiago de Cali beitreten, um dort Sexarbeiterinnen zu vertreten. Angeblich sollte das der beste sein. Aber es ist ein schrecklicher Verein. Sie haben mir das Leben schwer gemacht. „Wie soll eine trans Frau bitte eine cis Frau vertreten?“, haben sie mir gesagt. Ich habe trans und cis Frauen zusammengedacht, weil ich mich für beide einsetze. Wir haben die gleichen Bedürfnisse bezüglich Gesundheit und Sexarbeit. Ich glaube, viele Leute verstehen Feminismus einfach falsch.
Warum glaubst du, dass so viele trans Frauen in der Sexarbeit tätig sind?
Ich glaube, das es aus der Notwendigkeit heraus passiert. Ich bin große Befürworterin der Sexarbeit, weil kein anderer Job mehr Geld einbringt. Die Nachfrage nach trans Sexarbeiterinnen ist groß. Sexarbeit garantiert uns trans Frauen ein Einkommen. Wir geben so viel Geld aus: die Implantate und die Operationen sind teuer. Und je mehr man macht, desto mehr verdient man als Sexarbeiterin. Viele von uns sind außerdem zu der Überzeugung gelangt, dass Geld das Wichtigste ist: So viele von uns wurden von unseren Familien verstoßen. Und einige gehen dann nach Europa, verdienen eine Menge Geld und plötzlich akzeptiert ihre Familie sie wieder.
Was würdest du jungen trans Personen sagen, die mit ihrer Geschlechtsangleichung beginnen wollen?
Naja, das Hauptproblem ist die Familie, die Eltern. In meiner Jugend hatten wir keine familiäre Unterstützung, weil einfach die Bildung zum Thema fehlte. Meine Familie hat mich nie akzeptiert, weshalb ich mit 13 Jahren weggelaufen bin. Zum Glück hat mich dann eine sehr offene, gebildete Frau mit ihren zwei Kindern aufgenommen. Bei ihnen konnte ich mich frei entfalten. Das Wichtigste ist diese Unterstützung, dieser „Familienkern”, der einem die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln, wie man möchte, zu einem Menschen mit eigenen Werten, mit einem richtigen Job. Viele trans Frauen haben ein Leben lang mit dem Trauma der Ablehnung durch ihre Familie zu kämpfen. Man trägt das für immer tief in seiner Seele, dass die eigene Familie einen nicht akzeptiert hat. Und deshalb glaube ich, dass es Mut erfordert, trans zu sein. Nicht jeder hat das Zeug dazu. Ein Mann hätte ironischerweise nicht die Eier, sich ein Kleid anzuziehen, auf die Straße zu gehen und sich der Gesellschaft zu stellen.
Wie kam es damals zu der Klage für deine Namensänderung?
Es war mir sehr unangenehm, einen männlichen Namen im Ausweis zu haben. Immer wenn ich ihn vorzeigen musste, haben Leute das gesehen. Deshalb bin ich irgendwann zum Dritten Notariat in Cali gegangen, um das zu ändern. Und erst hat der Notar mich ganz nett empfangen, aber als er gemerkt hat, dass ich keine cis Frau war, hat er sich schrecklich aufgeregt und meinte nur: „Wie kommen Sie auf die Idee? Sie sind ein Mann!“ Diese Ungerechtigkeit wollte ich nicht akzeptieren. Zu dieser Zeit hat Kolumbien seine Verfassung erneuert und es war grade die Tutela-Klage herausgekommen (Anm. d. Autorin: Ein Rechtsweg, um Menschenrechtsverletzungen anzuklagen). Erst wurde ich von einem Gericht zum anderen geschoben. Außerdem haben mich alle möglichen Anwälte abgewiesen. Gratis war das alles auch nicht. Aber zum Glück hatte ich die finanzielle Unterstützung meines damaligen Partners. Und irgendwann fand ich dann auch eine Anwältin, die vorschlug, eine Tutela-Klage einzureichen. Und das hat tatsächlich funktioniert. Ich habe die erste Tutela-Klage in Kolumbien gewonnen. Aber es war hart für mich. Und als die Medien davon berichtet haben, nannten sie mich auch noch „den ersten Mann, der seinen Namen ändern durfte“. Trotzdem, die Klage hat als Präzedenzfall vielen meiner Schwestern geholfen. Und es war der Grundstein für viele weitere Fortschritte in der LGBTIQ+-Gemeinschaft. Inzwischen haben wir sogar die gleichgeschlechtliche Ehe. Ich fühle mich stolz als Aktivistin, meinen Beitrag dazu geleistet zu haben.