Jahrelang haben soziale Bewegungen in El Salvador erbittert dafür gekämpft: für das Verbot des umweltschädlichen Bergbaus. Bis vor kurzem hat kaum einer erwartet, dass das Parlament das Anti-Bergbaugesetz noch verabschieden würde. Dann ging aber alles sehr schnell: Vor einigen Wochen hatte die Kommission für Umwelt und Klimawandel des Parlaments einen Gesetzentwurf erarbeitet. Am 29. März verabschiedete dann das Plenum einstimmig das elf Artikel umfassende Gesetz. Einen kurzen Moment lang unterbrachen die linke Regierungsbank der FMLN und die rechte Oppositionspartei ARENA ihre Streitigkeiten, um „eine einstimmige Entscheidung für den Schutz der Wasservorkommen zu treffen“, laut dem Twitter-Account des Parlaments. Im Gesetz wird das Verbot der Erkundung und des Abbaus von Metallen im Tage- und Untertagebau sowie die Nutzung der im Goldbergbau verwendeten Chemikalien Zyanid und Quecksilber unter anderem folgendermaßen begründet: “Der metallische Bergbau stellt ein Attentat gegen die Gesundheit der Einwohner El Salvadors dar und birgt ernsthafte Risiken für die Umwelt, indem er durch die Auswaschung von Schwermetallen und hochgiftigen Abfällen (…) Wälder, Böden und Wasservorkommen gefährdet.”
Es gab Freudentränen nach der Verabschiedung des Gesetzes.
Für viele Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen hat die Verabschiedung eine hohe Bedeutung. Viele von ihnen haben die Abstimmung live im Parlament verfolgt: „Als wir heute hinter den Glasscheiben des Parlaments standen, haben sich viele von uns umarmt und Tränen der Freude vergossen. Das Gesetz ehrt all jene, die unzählige schlaflose Nächte in Angst verbrachten oder aufgrund ihres Widerstandes ermordet wurden“, schreibt Pedro Cabezas, Mitarbeiter von CRIPDES, einer Partnerorganisation der Christlichen Initiative Romeros (CIR), auf seiner Facebook-Seite. Die Partner*innen von CRIPDES haben die Menschen in den betroffenen Gemeinden mobilisiert und lokale Volksbefragungen gegen Bergbau organisiert.
Die sozialen Konflikte rund um den Bergbau in El Salvador haben sich in den vergangenen Jahren verschärft. Der kanadische Konzern Pacific Rim (später OceanaGold) reichte 2009 eine Klage auf 301 Millionen US-Dollar Schadensersatz beim Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) ein. Die Regierung hatte dem Unternehmen aufgrund von Umweltbedenken und fehlender Landrechte nach einer Erkundungsphase keine Abbaulizenz erteilt. Gleichzeitig versuchte das Unternehmen, die Bevölkerung im Verwaltungsbezirk Cabañas für das Projekt zu gewinnen beziehungsweise sie zu spalten. Mit dem Versprechen, zahlreiche Arbeitsplätze und vermeintlich wohltätige Projekte zu schaffen, brachte das Unternehmen viele in den Gemeinden auf seine Seite. Die Spaltung der Gemeinden gipfelte in der Ermordung von fünf Umweltaktivist*innen, die sich für den Schutz des Gebiets vor dem hochgiftigen Goldbergbau einsetzten.
Aufwind bekam das Gesetzesprojekt erst, nachdem das ICSID im Oktober 2016 die Klage des Unternehmens ablehnte und die Rückzahlung von acht Millionen US-Dollar Prozesskosten an die Regierung El Salvadors forderte. Der Erzbischof Escobar Alas von El Salvador schloss sich der Antibergbau-Bewegung an und reichte Anfang März eine erneute Gesetzesinitiative beim Parlament ein. Es folgten zahlreiche Demonstrationen vor dem Parlament. Am 29. März stimmten dann 69 Abgeordnete (drei enthielten sich, drei waren abwesend) für die Verabschiedung und wiesen damit 16 Anträge transnationaler Konzerne auf Konzessionen zurück. Das Gesetz spiegelt die Mehrheit in der Bevölkerung wider. Laut einer Umfrage von 2015 der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador lehnen 77 Prozent der Bevölkerung den metallischen Bergbau ab.
Das Schiedsgericht der Weltbank lehnte die Klage des Unternehmens ab.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist das Thema für die Zivilgesellschaft aber noch nicht vom Tisch. Die in der Region Cabañas ansässige Stiftung El Dorado von OceanaGold hat ihre PR-Arbeit in den vergangenen Monaten intensiviert, indem sie zahlreiche vermeintlich gemeinnützige Projekte in den Gemeinden förderte oder Protestmärsche organisierte. Dabei sprach sie stets von „verantwortungsvollem Bergbau“. Kurz vor der Abstimmung veröffentlichte OceanaGold noch eine Stellungnahme und forderte die Parlamentarier*innen auf, die Modernität und Vorteile des Projekts für die Region zu bedenken. Vor einigen Tagen hat OceanaGold Arbeiter*innen nach San Salvador geschickt, um vor dem Parlament gegen das Bergbauverbot zu demonstrieren. „Wir verfolgen diese Aktivitäten mit Sorge, da es wieder zu Gewalt gegen Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen kommen könnte“, sagt Pedro Cabezas von CRIPDES. Die sozialen Bewegungen fordern nun vom Konzern, die Prozesskosten des Schiedsgerichtsverfahrens zu erstatten und sein Tochterunternehmen Minerales Torogoz sowie die Stiftung El Dorado aus dem Land abzuziehen.
Auch ein neuer Konflikt beschäftigt Organisationen wie CRIPDES. Das Gesetz sieht ein vollständiges Verbot des metallischen Bergbaus in El Salvadors vor und somit nicht nur des industriellen sondern auch des sogenannten kleinen Bergbaus. Im Verwaltungsbezirk La Unión suchen einige Hundert Kleinschürfer*innen in selbst gegrabenen Tunneln informell nach Gold. Sie befürchten nun eine Kriminalisierung und den Verlust ihrer Einkommensquelle. Es kam bereits zu ersten Streitigkeiten zwischen Aktivist*innen und Kleinschürfer*innen in der Region. Das Gesetz sieht für Kleinschüfer*innen einen Übergangszeitraum nach Inkrafttreten von zwei Jahren vor, in denen sie sich einer neuen Einkommensquelle widmen können. Der Staat will ihnen dafür Beratung sowie finanzielle und technische Unterstützung anbieten.
Das Gesetz ist nicht zuletzt ein beispielloser Erfolg internationaler Solidarität. Die “International Allies against Mining in El Salvador” mit Mitgliedsorganisationen unter anderem in Kanada, den USA, Australien und Deutschland haben die Zivilgesellschaft in El Salvador durch Delegationsreisen, Petitionen und offene Briefe an Entscheidungsträger*innen unterstützt. Die CIR hat sich aktiv an diesen Solidaritätsaktionen beteiligt.
Der „Runde Tisch gegen Bergbau“ in El Salvador hat auch immer wieder den Austausch mit betroffenen Gemeinden in anderen Ländern – auch in entlegenen Erdteilen – gesucht. Zuletzt besuchte der Gouverneur der philippinischen Provinz Nueva Vizcaya das mittelamerikanische Land. Die Regierung der Philippinen suspendierte kürzlich ein Bergbauprojekt von OceanaGold. Der Gouverneur fand bei seinem Besuch deutliche Worte: „Die Realität des sogenannten ‘verantwortungsvollen Bergbaus’ von OceanaGold auf den Philippinen ist ein Desaster. Urteilt nach dem Verhalten von OceanGold in meinem Land, nicht nach ihren Versprechen!“
Das Gesetz könnte auch den Antibergbaubewegungen in den mittelamerikanischen Nachbarländern, in Lateinamerika und weltweit Rückenwind verleihen. Auch Protestbewegungen, die sich für eine faire Handels- und Investitionspolitik weltweit einsetzen, sollten sich auf den Fall berufen: Schließlich zeigt er, dass internationale Schiedsgerichtsverfahren zu Investitionsstreitigkeiten nicht nur Konflikte anheizen, sondern auch demokratische Prozesse behindern. Das Gesetz konnte nämlich erst verabschiedet werden, nachdem eine hohe Strafzahlung wegen einer vermeintlich investitionsfeindlichen Politik El Salvadors abgewendet werden konnte.