„DAS SCHLIMMSTE DIESER REGIERUNG HABEN WIR NOCH NICHT GESEHEN“


GASTÓN CHILLIER ist seit 2006 Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation CELS, wo er zuvor als Anwalt zu Themen institutioneller Gewalt gearbeitet hat. Das CELS (Zentrum für legale und soziale Studien) wurde vor 40 Jahren während der Militärdiktatur von einer Gruppe von Anwält*innen gegründet, um die Fälle der Mütter und Großmütter der Plaza de Mayo und Folteropfer der Militärdiktatur in ihrem Prozess für Wahrheit, Erinnerung und Gerechtigkeit zu unterstützen. Seither kämpft das CELS gegen Straflosigkeit und institutionelle Gewalt und war an allen großen Menschenrechtsprozessen Argentiniens beteiligt. Neben diesen traditionellen Themenfeldern ist das CELS ein wichtiger und renommierter Akteur für aktuelle soziale Organisationen und Bewegungen. Das CELS gibt eine jährliche Studie zur Menschenrechtssituation in Argentinien heraus. (Foto: Caroline Kim)


Herr Chillier, wie steht es im Wahljahr um die argentinische Regierung?
Diese Regierung hat alle Befürchtungen übertroffen. Statt einer demokratischen modernen Rechten kam eine klassisch neoliberale Rechte, wie sie schlimmer nicht sein konnte. Die Macri-Regierung ist eine orthodoxe, neoliberale Regierung, die nach politischer Öffnung strebt, aber mit einer US-Regierung zu tun hat, die protektionistisch ist. Macri hatte das Pech, seine Politikstrategie, sich der Welt zu öffnen, umzusetzen, als die Welt gerade dabei war, sich zu schließen. Er war zu spät. Jetzt sind wir mitten in einer Wirtschaftskrise, im letzten Jahr hat die Regierung wieder Geld beim IWF geliehen. Das ist für Argentinien eine sehr sensible und negative Sache, die noch bis vor kurzem undenkbar war. Argentinien hat gute Gründe für die Ablehnung des IWF aus den Erfahrungen der großen Krise von 2001.

Was ist die Bilanz von vier Jahren Macri-Regierung hinsichtlich der Menschenrechte?
Es gibt zwei große Linien, die miteinander verbunden sind. Die soziale Situation im Kontext der Strukturanpassungen der Wirtschaftspolitik geht mit einer immer repressiveren Politik einher. Hinzu kommen Rückschritte in verschiedenen Politikbereichen wie der Migrations- oder Sicherheitspolitik: Militarisierung und Sicherheit stehen wieder ganz oben auf der Agenda in Argentinien. Wenn man die Statistiken betrachtet, ist zwar keine Zunahme von Polizeigewalt zu verzeichnen, die Rückschritte gab es jedoch vor allem im Diskurs, der den tödlichen Einsatz von Schusswaffen durch staatliche Sicherheitskräfte legitimiert. Ein viel beachteter Fall war der von Chocobar, einem Polizisten, der eine Person, die einen Touristen bestohlen hatte, mit einem Schuss in den Rücken tötete, ohne jegliche legitime Notwehr. Der Präsident hat ihn zusammen mit der Sicherheitsministerin Patricia Bullrich empfangen und gesagt: „Solche Polizisten brauchen wir.“ Das ist ein sehr harter Diskurs, auch ohne Bolsonaro zu sein. Chocobar ist heute wegen Mordes verurteilt.
Dann gab es natürlich den Fall des verschwundenen Aktivisten Maldonado und die Erschießung von Rafael Nahuel (Mapuche-Aktivist, 2017 durch einem Schuss in den Rücken ermordet, Anm. d. Red.). In allen Fällen reagierte die Regierung mit der Unterstützung der Sicherheitskräfte, die die Morde begangen haben.

Als die Massenproteste für Gerechtigkeit für Santiago Maldonado das ganze Land auf die Straße geholt haben, verschärften sich auch Repressionen gegen Demonstrant*innen und Journalist*innen. Ist die zunehmende Kriminalisierung der sozialen Proteste charakterisierend für Macris Regierungszeit?
Eine der ersten Amtshandlung nach der Amtsübernahme der Regierung war die Verhaftung der indigenen Führungsfigur Milagro Salas im Januar 2016. Das war ein Wendepunkt in der Kriminalisierung von sozialen Protesten. Die Einschüchterung von sozialen und politischen Aktivisten hat seither noch zugenommen, vor allem auch gegenüber Journalisten, die über soziale Proteste berichten. Die Regierung hat alles versucht, den Terrorismus als Bedrohung aufzubauen und somit auf die Agenda zu setzen, auch in der Vorbereitung auf den G20-Gipfel. Am besten sieht man das an der Kriminalisierung der Mapuche-Gemeinden. Die argentinische Regierung macht gemeinsame Sache mit der chilenischen Regierung und den Geheimdiensten, dazu gehört auch die illegale Überwachung von Mapuche-Aktivisten und Unterstützern. Auf chilenischer Seite gibt es Beweise für die Fälschung von Beweismitteln, um bekannte Mapuche-Autoritäten zu kriminalisieren und sie aufgrund von Terrorismus anzuklagen. Der neue Rahmen für Argentinien ist das Sicherheitsprogramm der USA, wo der Krieg gegen Terrorismus und Drogen im Zentrum steht. Auch in Argentinien ist das wieder zu einer starken politischen Strategie geworden. Die Regierung und die Sicherheitsministerin haben viel ihrer Zeit darein investiert, das Bild eines „inneren Feindes“ zu etablieren. Von da aus verwandelt sich jede Art der Demonstration, der öffentlichen Äußerung von sozialer Kritik, von Protest oder social leadership in eine Bedrohung. Das ist gefährlich für ein demokratisches System.

Wie spielt die wirtschaftliche Situation in dieses Klima mit hinein?
Das Merkmal dieser Zeit und dieser Regierung ist der bedeutende Anstieg der Ungleichheit aufgrund der Auswirkungen der Wirtschaftspolitik. Das heißt nicht, dass es in den vorherigen zwölf Jahren Kirchnerismus keine Probleme gab, aber die Fortschritte, die durch die Vorgängerregierungen hinsichtlich der Verteilung des Reichtums erzielt wurden, sind wieder rückgängig gemacht worden. Alle sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren zu Armut und Arbeitslosigkeit zeigen, wie ernst die wirtschaftliche Situation ist. Argentinien kehrt nun zu diesem fatalen Schema zurück, in dem die jährliche Inflationsrate mindestens 40 Prozent beträgt, mit einer systematischen Abwertung des Peso. Im letzten Jahr wurde der Peso um 100 Prozent abgewertet, was eine enorme Auswirkung auf die Inflation und die soziale Situation hat.
Das Modell dieser Regierung ist vergleichbar mit dem chilenischen. Ein Modell, in dem es einen sehr viel konzentrierteren Reichtum gibt und viele Teile der Gesellschaft außen vor bleiben. Das ist die Realität. Als die Regierung angetreten ist, kursierten unter den Staatsbeamten Äußerungen über die Vorgängerregierung wie: „Die haben doch tatsächlich die Armen glauben machen, dass sie in Urlaub fahren könnten. Oder dass sie ein Recht darauf hätten, wenig für Strom und Gas zu bezahlen…“ Das ist eine Message, die gegen die Substanz der argentinischen Gesellschaft geht. Obwohl es seit vielen Jahren bergab geht, hat die Idee von Gleichheit einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Auf eine bestimmte Art und Weise schätzt sie, dass sie eine egalitäre mit einer großen Mittelklasse ist – im Gegensatz zu Chile, Brasilien oder Paraguay.

Derart umgeben von rechten Regierungen wird auch Argentinien mehr nach rechts rücken?
Wenn Macri gewinnt, wird er sich weiter nach rechts ausrichten. Nicht bis in die Extreme, die wir in Brasilien sehen, aber seine Politik wird noch mehr eine der Strukturanpassungen sein. Teil der Kritik, den die Hardliner an der Regierung haben, ist, dass sie nicht genug Sparmaßnahmen durchgesetzt hat. Sie nennen das Gradualismus, weil die Regierung nicht von Anfang an eine Schock- und Sparpolitik gefahren ist. Die Sozialausgaben sind vergleichsweise sogar höher als die der Vorgängerregierung, weil ihr nichts anderes übrigblieb. Es gab keinen Spielraum dafür, dass diese Regierung so neoliberal wie die von Präsident Menem in den 90ern sein konnte.

Aber es gab doch starke Kürzungen bei den Renten, Bildung, Gesundheit und Kultur?
Es gab Kürzungen, die tatsächlichen Ausgaben sind allerdings nicht weniger geworden, die Sozialpolitiken wurden nicht beendet. Aber nicht, weil die Regierung glaubt, dass es ein Recht auf Sozialpolitik gäbe, sondern weil sie nicht anders konnte. Das war der Weg, um die Regierungsfähigkeit zu erhalten. Wenn Macri jetzt gewinnt, sehen wir das hässlichste Gesicht einer Regierung, die noch neoliberaler und autoritärer werden wird. Die nächsten Jahre werden sehr hart werden durch zusätzliche Sparmaßnahmen in einem sozialen Gefüge mit vielen Konflikten. Und die argentinische Gesellschaft charakterisiert sich darüber, auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Es waren die ständigen sozialen Proteste seit der Übernahme der Regierung, die verhindert haben, dass es noch mehr Repressionen gegeben hat. Ich glaube, wir haben das Schlimmste dieser Regierung noch gar nicht gesehen.

Und was denken Sie: Wird Macri gewinnen?
Das wäre politikwissenschaftlich eine sehr seltsame Sache, denn normalerweise werden Regierungen nicht wiedergewählt, wenn die Wirtschaft am Boden und die Regierung sehr schlecht ist. Wenn er trotz allem wieder gewinnt, kann das nur durch die hohe Polarisierung erklärt werden. Alles deutet darauf hin, dass die Leute eher danach wählen, was sie nicht wollen, als danach was sie wollen. Es gibt eine sehr starke Ablehnung der Politik der Regierung, sie wird nicht wegen ihrer Stärken gewählt. Aber trotzdem ist es nicht sicher, ob die Regierung bzw. der Präsident nicht doch wiedergewählt werden kann.

Das liegt auch an der noch zu bestimmenden Gegenkandidatur…
Wenn der Peronismus es schafft, sich zu einigen, wird er sicherlich in der ersten oder zweiten Wahlrunde gegen die aktuelle Regierung gewinnen. Wenn das nicht passiert, bleibt alles unklar. Die größte Figur, die der Peronismus heute hat, ist die Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner mit einer Unterstützung von 30 bis 35 Prozent der Wähler. Wer auch immer die Wahlen gewinnt, die nächsten Jahren werden sehr konfliktreich werden. Wenn die aktuelle Regierung gewinnt, wird es sehr viel härter, weil die Antwort brutaler sein wird. Wenn eine andere Partei gewinnt, wird es wahrscheinlich mehr Absichten geben, den sozialen Konflikt anders zu regeln.

Zuletzt: Ihr Ausblick in die Zukunft?
Ich glaube, trotz allem bleibt Lateinamerika im globalen Vergleich ein wichtiger Ort, um etwas aufzubauen, das sich an demokratischen Prinzipien und Menschenrechten orientiert, besonders Argentinien, aufgrund des Stellenwertes, den Menschenrechte bis jetzt in der Gesellschaft haben. Heute ist Macri das Rechteste, wohin wir gelangen können. Bisher sehe ich keine Möglichkeit, dass es politischen Raum für einen Antisystem-Kandidaten wie Bolsonaro gibt. Wenn es bei diesen Wahlen schlecht für die Regierung läuft, ist das eine gute Möglichkeit, aus den Erfahrungen mit einer neoliberalen Partei zu lernen. Es war das erste Mal, dass die Rechte und die Elite durch demokratische Wahlen an die Regierung gekommen sind. Davor waren es immer Putsche gewesen.
In heutigen Zeiten ist es wichtig, eine neue Form von Übereinkünften mit der Gesellschaft zu schaffen. Wenn wir nicht anfangen, die Herzen und Köpfe der Menschen zu erobern, werden diese letztlich autoritäre Optionen wählen. Wir brauchen eine Verteidigungsstrategie und gleichzeitig eine positivere, die nach vorne geht. Es existiert die Forderung nach alternativen Modellen. Ich hoffe, dass es eine überzeugende soziale Antwort gibt, die sich in der Ablehnung der neoliberalen Politik der aktuellen Regierung in den Wahlen ausdrückt.

 

SIEG ÜBER BERGBAUINDUSTRIE IN EL SALVADOR

Jahrelang haben soziale Bewegungen in El Salvador erbittert dafür gekämpft: für das Verbot des umweltschädlichen Bergbaus. Bis vor kurzem hat kaum einer erwartet, dass das Parlament das Anti-Bergbaugesetz noch verabschieden würde. Dann ging aber alles sehr schnell: Vor einigen Wochen hatte die Kommission für Umwelt und Klimawandel des Parlaments einen Gesetzentwurf erarbeitet. Am 29. März verabschiedete dann das Plenum einstimmig das elf Artikel umfassende Gesetz. Einen kurzen Moment lang unterbrachen die linke Regierungsbank der FMLN und die rechte Oppositionspartei ARENA ihre Streitigkeiten, um „eine einstimmige Entscheidung für den Schutz der Wasservorkommen zu treffen“, laut dem Twitter-Account des Parlaments. Im Gesetz wird das Verbot der Erkundung und des Abbaus von Metallen im Tage- und Untertagebau sowie die Nutzung der im Goldbergbau verwendeten Chemikalien Zyanid und Quecksilber unter anderem folgendermaßen begründet: “Der metallische Bergbau stellt ein Attentat gegen die Gesundheit der Einwohner El Salvadors dar und birgt ernsthafte Risiken für die Umwelt, indem er durch die Auswaschung von Schwermetallen und hochgiftigen Abfällen (…) Wälder, Böden und Wasservorkommen gefährdet.”

Es gab Freudentränen nach der Verabschiedung des Gesetzes.

Für viele Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen hat die Verabschiedung eine hohe Bedeutung. Viele von ihnen haben die Abstimmung live im Parlament verfolgt: „Als wir heute hinter den Glasscheiben des Parlaments standen, haben sich viele von uns umarmt und Tränen der Freude vergossen. Das Gesetz ehrt all jene, die unzählige schlaflose Nächte in Angst verbrachten oder aufgrund ihres Widerstandes ermordet wurden“, schreibt Pedro Cabezas, Mitarbeiter von CRIPDES, einer Partnerorganisation der Christlichen Initiative Romeros (CIR), auf seiner Facebook-Seite. Die Partner*innen von CRIPDES haben die Menschen in den betroffenen Gemeinden mobilisiert und lokale Volksbefragungen gegen Bergbau organisiert.

Die sozialen Konflikte rund um den Bergbau in El Salvador haben sich in den vergangenen Jahren verschärft. Der kanadische Konzern Pacific Rim (später OceanaGold) reichte 2009 eine Klage auf 301 Millionen US-Dollar Schadensersatz beim Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) ein. Die Regierung hatte dem Unternehmen aufgrund von Umweltbedenken und fehlender Landrechte nach einer Erkundungsphase keine Abbaulizenz erteilt. Gleichzeitig versuchte das Unternehmen, die Bevölkerung im Verwaltungsbezirk Cabañas für das Projekt zu gewinnen beziehungsweise sie zu spalten. Mit dem Versprechen, zahlreiche Arbeitsplätze und vermeintlich wohltätige Projekte zu schaffen, brachte das Unternehmen viele in den Gemeinden auf seine Seite. Die Spaltung der Gemeinden gipfelte in der Ermordung von fünf Umweltaktivist*innen, die sich für den Schutz des Gebiets vor dem hochgiftigen Goldbergbau einsetzten.

Aufwind bekam das Gesetzesprojekt erst, nachdem das ICSID im Oktober 2016 die Klage des Unternehmens ablehnte und die Rückzahlung von acht Millionen US-Dollar Prozesskosten an die Regierung El Salvadors forderte. Der Erzbischof Escobar Alas von El Salvador schloss sich der Antibergbau-Bewegung an und reichte Anfang März eine erneute Gesetzesinitiative beim Parlament ein. Es folgten zahlreiche Demonstrationen vor dem Parlament. Am 29. März stimmten dann 69 Abgeordnete (drei enthielten sich, drei waren abwesend) für die Verabschiedung und wiesen damit 16 Anträge transnationaler Konzerne auf Konzessionen zurück. Das Gesetz spiegelt die Mehrheit in der Bevölkerung wider. Laut einer Umfrage von 2015 der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador lehnen 77 Prozent der Bevölkerung den metallischen Bergbau ab.

Das Schiedsgericht der Weltbank lehnte die Klage des Unternehmens ab.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist das Thema für die Zivilgesellschaft aber noch nicht vom Tisch. Die in der Region Cabañas ansässige Stiftung El Dorado von OceanaGold hat ihre PR-Arbeit in den vergangenen Monaten intensiviert, indem sie zahlreiche vermeintlich gemeinnützige Projekte in den Gemeinden förderte oder Protestmärsche organisierte. Dabei sprach sie stets von „verantwortungsvollem Bergbau“. Kurz vor der Abstimmung veröffentlichte OceanaGold noch eine Stellungnahme und forderte die Parlamentarier*innen auf, die Modernität und Vorteile des Projekts für die Region zu bedenken. Vor einigen Tagen hat OceanaGold Arbeiter*innen nach San Salvador geschickt, um vor dem Parlament gegen das Bergbauverbot zu demonstrieren. „Wir verfolgen diese Aktivitäten mit Sorge, da es wieder zu Gewalt gegen Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen kommen könnte“, sagt Pedro Cabezas von CRIPDES. Die sozialen Bewegungen fordern nun vom Konzern, die Prozesskosten des Schiedsgerichtsverfahrens zu erstatten und sein Tochterunternehmen Minerales Torogoz sowie die Stiftung El Dorado aus dem Land abzuziehen.

Auch ein neuer Konflikt beschäftigt Organisationen wie CRIPDES. Das Gesetz sieht ein vollständiges Verbot des metallischen Bergbaus in El Salvadors vor und somit nicht nur des industriellen sondern auch des sogenannten kleinen Bergbaus. Im Verwaltungsbezirk La Unión suchen einige Hundert Kleinschürfer*innen in selbst gegrabenen Tunneln informell nach Gold. Sie befürchten nun eine Kriminalisierung und den Verlust ihrer Einkommensquelle. Es kam bereits zu ersten Streitigkeiten zwischen Aktivist*innen und Kleinschürfer*innen in der Region. Das Gesetz sieht für Kleinschüfer*innen einen Übergangszeitraum nach Inkrafttreten von zwei Jahren vor, in denen sie sich einer neuen Einkommensquelle widmen können. Der Staat will ihnen dafür Beratung sowie finanzielle und technische Unterstützung anbieten.

Das Gesetz ist nicht zuletzt ein beispielloser Erfolg internationaler Solidarität. Die “International Allies against Mining in El Salvador” mit Mitgliedsorganisationen unter anderem in Kanada, den USA, Australien und Deutschland haben die Zivilgesellschaft in El Salvador durch Delegationsreisen, Petitionen und offene Briefe an Entscheidungsträger*innen unterstützt. Die CIR hat sich aktiv an diesen Solidaritätsaktionen beteiligt.
Der „Runde Tisch gegen Bergbau“ in El Salvador hat auch immer wieder den Austausch mit betroffenen Gemeinden in anderen Ländern – auch in entlegenen Erdteilen – gesucht. Zuletzt besuchte der Gouverneur der philippinischen Provinz Nueva Vizcaya das mittelamerikanische Land. Die Regierung der Philippinen suspendierte kürzlich ein Bergbauprojekt von OceanaGold. Der Gouverneur fand bei seinem Besuch deutliche Worte: „Die Realität des sogenannten ‘verantwortungsvollen Bergbaus’ von OceanaGold auf den Philippinen ist ein Desaster. Urteilt nach dem Verhalten von OceanGold in meinem Land, nicht nach ihren Versprechen!“

Das Gesetz könnte auch den Antibergbaubewegungen in den mittelamerikanischen Nachbarländern, in Lateinamerika und weltweit Rückenwind verleihen. Auch Protestbewegungen, die sich für eine faire Handels- und Investitionspolitik weltweit einsetzen, sollten sich auf den Fall berufen: Schließlich zeigt er, dass internationale Schiedsgerichtsverfahren zu Investitionsstreitigkeiten nicht nur Konflikte anheizen, sondern auch demokratische Prozesse behindern. Das Gesetz konnte nämlich erst verabschiedet werden, nachdem eine hohe Strafzahlung wegen einer vermeintlich investitionsfeindlichen Politik El Salvadors abgewendet werden konnte.

 

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