Mit der Amtsübernahme des neoliberalen Fundamentalisten Milei erwartet Argentinien den Einsatz der „Motorsäge“. Aber auch geopolitisch wird gesägt. Zwei Tage nach dem Wahlsieg Mileis warnte die chinesische Regierung, die Beziehungen abzubrechen wäre ein „großer Fehler“. Milei hatte „keine Geschäfte mit China“ angekündigt, das sei „keine makroökonomische Tragödie“. Das chinesische Außenministerium wies nun darauf hin, dass die Volksrepublik die zweitgrößte Handelspartnerin Argentiniens sei. China hatte auch mit einem „Swap“-Abkommen ermöglicht, bilateralen Handel in Yuan und nicht in US-Dollar abzuwickeln. Das hilft, den Druck des IWF auf das in Dollar höchst verschuldete Land zu mildern.
Jetzt wurde schon vor der Regierungsübernahme ein weiterer Ast gekappt: Die künftige Außenministerin Mondino verkündete, das Land habe sich gegen eine Aufnahme in die BRICS entschieden. BRICS steht für eine Gemeinschaft wirtschaftlich aufstrebender Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die ein Gegengewicht zur G7 des globalen Nordens bilden wollen. Noch auf dem Gipfel in Johannesburg im August hatte Argentinien sich in die Warteschlange der Länder des Globalen Südens eingereiht, die Mitglieder werden wollten. Und es hatte geklappt: Zum 1. Januar 2024 sollte Argentinien zusammen mit Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten beitreten. Das ist jetzt vorbei. Die BRICS-Länder wollen ihre gegenseitige wirtschaftliche Entwicklung fördern, ihre Stimme in globalen Angelegenheiten stärken und die globale Finanzarchitektur und das Währungssystem reformieren, um es fairer zu gestalten.
Die Forderung nach einer fairen Weltwirtschaftsordnung ist nicht neu. Vor fast 50 Jahren, am 1. Mai 1974, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der sich die Völkergemeinschaft zur Errichtung einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ (NWWO) verpflichtete. Diese sollte den Ländern des Südens Souveränität über ihre Rohstoffe, faire Preise und Austauschbeziehungen, Kontrolle multinationaler Konzerne und Industrialisierung ihrer Länder ermöglichen. Die Hoffnungen haben sich weltweit nicht erfüllt. Mit der neoliberalen Globalisierung sind die globalen Abhängigkeiten größer geworden und soziale Ungleichheiten haben zugenommen. 200 Jahre nach der Unabhängigkeit und 50 Jahre nach NWWO hat sich an der Rolle Lateinamerikas als abhängiger Rohstoffproduzent wenig geändert.
Gleichwohl sind die übrigen Schwellenländer Lateinamerikas angetreten, sich geopolitisch neu zu positionieren. Allen voran Brasilien. Lula war mit einer der größten Delegationen zur COP 28 in Dubai angereist, um dort die Stimme des globalen Südens gegen den Klimawandel zu erheben. Seit dem 1. Dezember hat Brasilen den Vorsitz in der G20 inne. Brasilien bleibt engagiert in den BRICS und für deren Erweiterung um neue Mitglieder. Bei seinem Besuch in Berlin warb Lula nun auch noch für einem baldigen Abschluss des Freihandelsabkommens EU-Mercosur. Dieses war in über 20 Jahren bisher nicht zum Abschluss gekommen, gerade auch aufgrund des gewachsenen Selbstbewusstseins Lateinamerikas und der Sorge, dass es neokoloniale Abhängigkeiten reproduziert. Europa, insbesondere Deutschland, braucht Ressourcen aus Lateinamerika für die Aufrechterhaltung seiner industriellen Führungsrolle und die grüne Transformation seiner Industrie: „grüner“ Wasserstoff, Lithium für Autobatterien, Fachkräfte. Lula hingegen scheint die Erwartung zu haben, dass Beziehungen zu allen zumindest den Einfluss der ehemals einzigen Hegemonialmacht USA reduzieren. Dort wo Lula Brücken baut, will Milei nun sägen: Auch der Mercosur und Lulas Brasilien stehen auf seiner Liste.