// Fonds, Fracking & Fuck Trump

Jedes Jahr produzieren wir zusammen mit dem FDCL zusätzlich zur Monatsausgabe ein thematisches Dossier, um tiefer einen Themenkomplex vorzudringen. Dieses Mal haben wir uns mit bekannten Dilemma der Ressourcenextraktion beschäftigt: Ungeachtet der schwerwiegenden Folgen für Menschen, Natur und Klima wird die „grüne Energiewende“ von Entscheidungsträger*innen im Globalen Norden als Lösung für die Umweltsünden, die fossile Energieträger mit sich bringen, vorangetrieben. Daraus ergeben sich vielfältige Probleme, die sich auf die Lebensbedingungen der betroffenen Gesellschaften in Lateinamerika auswirken, von sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen bis hin zu Landvertreibungen. Im beiliegenden Dossier thematisieren wir die internationale Politik sowie die Beteiligung nationaler und transnationaler Unternehmen und lokalen Widerstand gegen diese machtvollen Akteure.

Auf der Weltnaturkonferenz COP16 in Cali haben sich die zugrundelgienden, ungleichen Machtverhältnisse der globalen Umwelt- und Klimapolitik wieder gezeigt: Der Konferenzbeschluss, einen „Cali-Fonds“ einzurichten, in den unter anderem Pharma-, Kosmetik-, Saatgutkonzerne und Biotechnologieindustrie einen Anteil ihrer Profite einzahlen sollen, wenn sie mit der DNS von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen oder dem abgeschöpften Wissen Indigener Völker Geschäfte machen, blieb freiwillig und damit unverbindlich. Auch der Forderung, einen neuen Fonds zum Schutz der Regenwälder und Savannen einzurichten und die eingezahlten Gelder unter dem Dach der UN zu verwalten, erteilte der Globale Norden eine Absage. Entsprechend endete die COP16 chaotisch: „Wir sind nicht mehr beschlussfähig. Ich setze die Konferenz aus“, so bereitete die kolumbianische Konferenzpräsidentin Susana Muhamad der COP16 am 2. November abrupt ein Ende. Viele Delegierte hatten den Konferenzort bereits verlassen, da in wesentlichen Streitfragen keine Einigung zu erzielen war.

Den Ländern des Globalen Südens bleibt nur ein Wermutstropfen: Die Anerkennung Indigener und traditioneller lokaler Dorfgemeinschaften als Bewahrer*innen der Natur und Artenvielfalt verschafft ihnen die Möglichkeit, künftig bei der Weiterentwicklung des Weltnaturvertrags mitzureden. Damit hatte es sich aber auch schon mit den Zugeständnissen.

Der Kampf gegen klimaschädliche Kräfte geht weiter. Mit der Wiederwahl von Trump steht in den USA bald wieder ein Präsident an der Spitze, der kontinuierlich verdeutlicht, wie weit unten der Klimaschutz oder gar die Anerkennung einer Klimakrise auf der Liste seiner Prioritäten steht. Eines seiner Ziele für die kommenden vier Jahre ist es, so schnell wie möglich Fracking und den Abbau US-amerikanischer Kohle weiter zu fördern, um die USA energiepolitisch wieder unabhängig zu machen – all das auf Kosten der Umwelt. In Deutschland hat der nun ehemalige Finanzminister Christian Lindner Anfang November gefordert, die nationalen Klimaziele aufzugeben. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition kann er das vorerst nicht umsetzen. Doch bei anstehenden Neuwahlen besteht die Gefahr, dass Union und AfD an Sitzen im Parlament zugewinnen: Parteien, die Klimaschutz ebenfalls mehr als vernachlässigen.

Sowohl das gänzliche Ignorieren von Klimaschutz als auch „grüner” Kapitalismus verunmöglichen die Erhaltung funktionierender, lebenswichtiger Ökosysteme und die Garantie von Menschenrechten an den Orten des Rohstoffabbaus. An vielen Fronten leiden und kämpfen die betroffenen Menschen für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen und Lebensweisen. Hiesigen Aktivist*innen fällt die Aufgabe zu, den Blick in die eigene Sphäre zu richten, um wirksamere Strategien gegen die Rohstoffgier und die Folgen einer verfehlten „ökologischen” Transformation zu entwickeln.


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// Lateinamerika positioniert sich neu

Mit der Amtsübernahme des neoliberalen Fundamentalisten Milei erwartet Argentinien den Einsatz der „Motorsäge“. Aber auch geopolitisch wird gesägt. Zwei Tage nach dem Wahlsieg Mileis warnte die chinesische Regierung, die Beziehungen abzubrechen wäre ein „großer Fehler“. Milei hatte „keine Geschäfte mit China“ angekündigt, das sei „keine makroökonomische Tragödie“. Das chinesische Außenministerium wies nun darauf hin, dass die Volksrepublik die zweitgrößte Handelspartnerin Argentiniens sei. China hatte auch mit einem „Swap“-Abkommen ermöglicht, bilateralen Handel in Yuan und nicht in US-Dollar abzuwickeln. Das hilft, den Druck des IWF auf das in Dollar höchst verschuldete Land zu mildern.

Jetzt wurde schon vor der Regierungsübernahme ein weiterer Ast gekappt: Die künftige Außenministerin Mondino verkündete, das Land habe sich gegen eine Aufnahme in die BRICS entschieden. BRICS steht für eine Gemeinschaft wirtschaftlich aufstrebender Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die ein Gegengewicht zur G7 des globalen Nordens bilden wollen. Noch auf dem Gipfel in Johannesburg im August hatte Argentinien sich in die Warteschlange der Länder des Globalen Südens eingereiht, die Mitglieder werden wollten. Und es hatte geklappt: Zum 1. Januar 2024 sollte Argentinien zusammen mit Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten beitreten. Das ist jetzt vorbei. Die BRICS-Länder wollen ihre gegenseitige wirtschaftliche Entwicklung fördern, ihre Stimme in globalen Angelegenheiten stärken und die globale Finanzarchitektur und das Währungssystem reformieren, um es fairer zu gestalten.

Die Forderung nach einer fairen Weltwirtschaftsordnung ist nicht neu. Vor fast 50 Jahren, am 1. Mai 1974, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der sich die Völkergemeinschaft zur Errichtung einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ (NWWO) verpflichtete. Diese sollte den Ländern des Südens Souveränität über ihre Rohstoffe, faire Preise und Austauschbeziehungen, Kontrolle multinationaler Konzerne und Industrialisierung ihrer Länder ermöglichen. Die Hoffnungen haben sich weltweit nicht erfüllt. Mit der neoliberalen Globalisierung sind die globalen Abhängigkeiten größer geworden und soziale Ungleichheiten haben zugenommen. 200 Jahre nach der Unabhängigkeit und 50 Jahre nach NWWO hat sich an der Rolle Lateinamerikas als abhängiger Rohstoffproduzent wenig geändert.

Gleichwohl sind die übrigen Schwellenländer Lateinamerikas angetreten, sich geopolitisch neu zu positionieren. Allen voran Brasilien. Lula war mit einer der größten Delegationen zur COP 28 in Dubai angereist, um dort die Stimme des globalen Südens gegen den Klimawandel zu erheben. Seit dem 1. Dezember hat Brasilen den Vorsitz in der G20 inne. Brasilien bleibt engagiert in den BRICS und für deren Erweiterung um neue Mitglieder. Bei seinem Besuch in Berlin warb Lula nun auch noch für einem baldigen Abschluss des Freihandelsabkommens EU-Mercosur. Dieses war in über 20 Jahren bisher nicht zum Abschluss gekommen, gerade auch aufgrund des gewachsenen Selbstbewusstseins Lateinamerikas und der Sorge, dass es neokoloniale Abhängigkeiten reproduziert. Europa, insbesondere Deutschland, braucht Ressourcen aus Lateinamerika für die Aufrechterhaltung seiner industriellen Führungsrolle und die grüne Transformation seiner Industrie: „grüner“ Wasserstoff, Lithium für Autobatterien, Fachkräfte. Lula hingegen scheint die Erwartung zu haben, dass Beziehungen zu allen zumindest den Einfluss der ehemals einzigen Hegemonialmacht USA reduzieren. Dort wo Lula Brücken baut, will Milei nun sägen: Auch der Mercosur und Lulas Brasilien stehen auf seiner Liste.


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// DAS VERSAGEN DER COPS

Mit der am 20. November zu Ende gegangenen COP27 ist eine weitere Weltklimakonferenz Geschichte und wieder sucht man im Abschlusspapier vergeblich nach konkreten Maßnahmen oder Verpflichtungen zur CO2-Reduktion. Wo tiefgreifende Veränderungen her müssten, um den Klimawandel und seine katastrophalen Folgen zu begrenzen, bleibt es erneut bei Absichtserklärungen. Alle seit der letzten COP eingereichten nationalen Pläne zur Reduktion von Treibhausgasen führen laut UN-Umweltprogramm nur dazu, diese bis zum Jahr 2030 um ein Prozent zu verringern. Nötig wäre aber eine Reduzierung um 45 Prozent, um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten.

Zwar hat der Gipfel einen Fonds zur Bewältigung klimabedingter Schäden und künftiger humanitärer Katastrophen beschlossen, die in den verwundbarsten Ländern entstehen. Dies bleibt jedoch weit hinter den legitimen Forderungen der Debt for Climate Bewegung zurück, die die Entschuldung dieser Länder fordert, um die Umstellung auf ein nachhaltigeres Wirtschaften zu ermöglichen.

In den betroffenen Staaten gehören Indigene zu den besonders verwundbaren Gruppen. Das machte der peruanische Quechua-Bauer und mehrfache COP-Teilnehmer Saúl Luciano schon 2015 durch seine Klage gegen RWE deutlich. Im Vorfeld der COP27 berichteten viele Medien über die Umsiedlung des indigenen Dorfes Gardi Sugdub in Panama, das immer wieder Überschwemmungen ausgesetzt ist. Aber ob in den Bergen oder auf Inseln – da sie vom Klimawandel so unmittelbar bedroht sind, wurde indigenen Gemeinschaften schon auf vergangenen Konferenzen eine besondere Rolle zugeschrieben. Auch zum 27. Klimagipfel reisten indigene Delegierte aus Australien, Kanada, Kolumbien, Mexiko und weiteren Staaten an. Sie hatten für die Konferenz eine eigene Agenda ausgearbeitet, nahmen aber an den Sitzungen nur als Beobachter*innen teil. „Wir sind ebenso wichtig wie existierende Nationalstaaten. Wir haben das Recht, an der Debatte teilzunehmen, denn wir sind keine Umwelt-NGO“, kritisierte Gregorio Diaz Mirabal, Mitglied des Dachverbands der indigenen Organisationen im Amazonasbecken (COICA) dies im Gespräch mit Journalist*innen.

Viele der indigenen Gemeinschaften leben zudem in den am besten geschützten Gebieten der Erde, was sie zu wichtigen Partnerinnen für den staatlichen Umweltschutz macht. Ein wütender Delegierter von den australischen Torres-Strait-Inseln sagte gegenüber dem Guardian, er fühle sich von der COP ignoriert, dabei könne die Welt vom Wissen der Aborigines nur profitieren. Bevormundet werden Indigene auch bei den auf der letzten COP zu ihren Gunsten beschlossenen direkten Finanzhilfen in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar. Sie sollten zur Umstrukturierung der lokalen Wirtschaft und zur Projektförderung eingesetzt werden, kamen aber bisher vor Ort kaum an. „Wir haben es satt, dass Gelder an indigene Stiftungen ohne indigene Menschen gehen. Das ganze Geld geht für die Bezahlung von Beratern und die Kosten für Büros mit Klimaanlagen drauf“, erklärte Yanel Venado Giménez aus Panama gegenüber IPS. Etliche Delegierte bezweifeln, dass die Zusammenarbeit zwischen den lokalen indigenen Gemeinden und den etablierten NGO künftig noch notwendig ist. Viele indigene Gemeinschaften hätten inzwischen eigene Strukturen aufgebaut, die die Finanzhilfen selbst verwalten können.

Wenn Kolumbiens neuer Präsident Gustavo Petro zusagt, den indigenen Widerstand gegen die Bergbauindustrien zu unterstützen, oder Brasiliens zukünftiger Präsident Lula da Silva ankündigt, die Abholzung des Regenwalds stoppen zu wollen, ist dies positiv. An der strukturellen Ausgrenzung indigener Gemeinschaften ändert es jedoch nichts. Indigene Vertreter*innen müssen als Verhandlungspartner*innen endlich ernst genommen werden – bei der globalen Klimapolitik genauso wie bei ihren Rechten auf Land und Autonomie vor Ort.


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LICHT UND SCHATTEN

Hoffnungsschimmer auf der COP27 Lula da Silva stellt die neue Klimapolitik Brasiliens vor (Foto: Oliver Kornblintt/Midia Ninja via Flickr, CC BY-SA 4.0)

Angesichts der düsteren Aussichten mit Blick auf den Klimawandel, an denen auch das Zusammenkommen von 197 Staaten auf der 27. Weltklimakonferenz nichts geändert hat, war der Führungswechsel in Brasilien ein willkommener Lichtblick. Schließlich ist Brasilien die Heimat der „grünen Lunge“ der Welt – des Amazonas. Nach seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen Ende Oktober nutzte der neu gewählte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei (PT) die Gelegenheit, zu bekräftigen, dass sich seine neue Regierung der Klimapolitik verpflichtet. Sein Vorgänger, der rechtsextreme Klimawandelleugner Jair Bolsonaro, hat eine verheerende Klimabilanz hinterlassen. Für Lula war die Reise nach Ägypten kurz vor seinem Amtsantritt ein günstiger Moment. Ab Januar muss er sich auf Kompromisse der breiten Allianz seiner Regierungskoalition einlassen.

Innenpolitisch hat sich Lula auf der Klimakonferenz und in anderen Reden zu Klima- und Umweltmaßnahmen verpflichtet. Eine Wiederauf- nahme des Aktionsplans zur Verhinderung und Kontrolle der Entwaldung in den drei Biomen des sogenannten Amazônia Legal (PPCDAm) ist zu erwarten. Eingeführt 2004 während der ersten Lula-Regierung, waren in den vorangegangenen Amtszeiten Emissionsreduzierungen von historischem Ausmaß erreicht worden. Außerdem kündigte Lula die Gründung eines Ministeriums für indigene und traditionelle Völker an. Gemeinsam mit Deutschland und Norwegen wird Brasilien den Amazonienfonds wieder auflegen, den Lula als Präsident 2008 gegründet hatte und den Bolsonaro 2019 abschaffte. Dieser Fonds war eine Alternative zum Emissionshandel und ein bedeutendes Beispiel für Nord-Süd-Transfer zur Finanzierung des Waldschutzes. Im Gegensatz zu Marktmechanismen liegt die Kontrolle der finanziellen Mittel beim Empfängerland Brasilien, das damit öffentliche strukturelle Maßnahmen sowie lokale Initiativen unterstützt, ohne Emissionskredite an Geber zu gewähren.

Der außenpolitische Schwerpunkt früherer PT-Regierungen lag auf Kooperation zwischen Ländern des Globalen Südens, Frieden, Diplomatie und multilateraler Zusammenarbeit. Lulas neue Regierung hat versprochen, diesen Geist wiederzubeleben.

Auf der COP27 kritisierte der neu gewählte brasilianische Präsident die Geberländer des Globalen Nordens scharf dafür, dass sie sich weigern, die zugesagten Zahlungen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Entwicklungsländer zu leisten. Die Vereinten Nationen sowie die Mechanismen zur Finanzierung der durch den Klimawandel verursachten Verluste und Schäden müssten so reformiert werden, dass die territoriale Integrität der Länder des Globalen Südens respektiert würde. „Wir sind offen für eine internationale Zusammenarbeit zur Erhaltung unserer Biome. Aber immer unter der Führung Brasiliens, ohne jemals auf unsere Souveränität zu verzichten“, so Lula in Ägypten. Ähnlich wie zuvor die Präsidenten von Kolumbien und Venezuela schlug Lula eine Allianz für regionale Entwicklung, Integration und den Schutz des Regenwaldes vor. Er brachte außerdem die Idee ein, die COP30 im Jahr 2025 im brasilianischen Amazonas abzuhalten. Mit diesem Schritt würde die Notwendigkeit einer angemessenen Rolle der Region und seiner Bevölkerung anerkannt, denn die Entscheidungen über die Entwicklung des Amazonasgebiets werden oft aus weiter Ferne getroffen.

Lula verteidigte den Klimaaktivismus in seiner Rede auf der COP27 nicht, sondern dankte der ägyptischen Gastgeberregierung. Dennoch wird die internationale Führungsrolle Brasiliens gemeinsam mit anderen Ländern des Globalen Südens entscheidend sein, um Multilateralismus und Frieden, den Kampf gegen den Hunger, Umweltschutz und Gleichberechtigung zu fördern. Im eigenen Land sieht sich seine Regierung jedoch mit einem starken Block der Agrarwirtschaft und einer schwachen Umweltfraktion im Parlament konfrontiert.

Lula bezeichnete die Agrarwirtschaft als strategischen Verbündeten und reiste mit Helder Barbalho, dem Gouverneur des Amazonasstaates Pará, zum Gipfel. Barbalho ist ein Verfechter eines marktwirtschaftlichen Ansatzes für die Bioökonomie, der der Agrarindustrie keine Beschränkungen auferlegt. Zudem soll im Bundesstaat Pará auf dem Fluss Tocantins eine Wasserstraße für den Transport und Export von Soja und Mineralien entstehen. Der Bau würde den Fischbestand und Boden zerstören, und damit die Lebensgrundlage der indigenen und traditionellen Gemeinden der Fischerinnen und Kleinbäuerinnen. Ebenso ist die Wiederbelebung der Fernstraße BR-319 geplant, die die Bundesstaaten Amazonas und Rondônia verbindet – genau in der Region, in der es starke Entwaldung gibt. Um Lulas Versprechen einer gerechteren und menschlicheren Welt tatsächlich einzulösen, wird es also nationalen und internationalen Druck brauchen.

Die nächste brasilianische Regierung ist eine große Chance für die Integration, Reindustrialisierung und sozialökologische Transformation der Region und der Stärkung des Mercosur-Blocks. Das agrarwirtschaftliche Modell der Region wirkt sich negativ auf alle Biome aus, nicht nur in Amazonien. Es sind Konzerne wie Bayer und BASF, die mit dem Export von Pestiziden und transgenen Arten davon profitieren. Sie sind es auch, die den Abschluss des neoliberalen EU-Mercosur Freihandelsabkommens gemeinsam mit den brasilianischem Agrarkonzernen vorantreiben. Dieses steht der sozialökologischen Entwicklung der Region jedoch entgegen. Die EU-Kommission und wahrscheinlich auch eine unter Druck stehende brasilianische Regierung werden den kolonialistischen Vertrag als grün darstellen, obwohl die Auswirkungen für Brasilien verheerend wären.

Auch wenn die sozialen Bewegungen Brasiliens mit der Wahl Lulas einen Sieg gegen eine faschistische Gegenbewegung errungen haben, ist man sich sicher, dass auch weiterhin Druck ausgeübt werden muss. Dabei erwarten sie die verantwortungsbewusste Solidarität der Zivilbevölkerung besonders in Europa.

Eine längere Fassung dieses Artikels erschien am 23. November 2022 bei Jacobin


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ANTWORTEN AUF DIE KLIMAKRISE

JUDITE BALLERIO GUAJAJARA

arbeitet, nach einem Masterstudium in Staatslehre, Recht und Verfassungsrecht an der Universität von Brasília, als Rechtsanwältin. Sie ist juristische Beraterin der COAPIMA (Koordination der Organisationen und Netzwerke der indigenen Völker im Bundesstaat Maranhão) und Mitglied des Nationalen Verbandes indigener Rechtsanwälte in Brasilien. Sie gehört außerdem zum Berater*innenstab der Abgeordneten Joenia Wapichana (REDE), der ersten indigenen Frau, die in das nationale Parlament gewählt wurde, sowie die erste indigene Juristin Brasiliens. Judite Guajajara engagiert sich vor allem in der Verteidigung von indigenen Führungspersönlichkeiten, die zunehmend kriminalisiert werden.
(Foto: privat)


 

Im Jahr 2019 waren die zahlreichen Feuer in Amazonien und die illegale Entwaldung in den deutschen Medien sehr präsent. In diesem Jahr gilt alle mediale Aufmerksamkeit der Pandemie und der Koalitionsbildung nach den Bundestagswahlen. Berichterstattung über Entwaldung und Brände gibt es kaum. Wie ist die aktuelle Situation in Amazonien?
Dazu möchte ich zuerst einmal sagen, dass die Berichterstattung in Brasilien nicht viel anders ist. Wir befinden uns hier in einem Kampf um Narrative, in dem sehr viele Fake-News verbreitet werden. Und natürlich müssen die indigenen Gemeinden größere Hindernisse überwinden, um Zugang zu Massenmedien zu erhalten, auch wenn sich unser Zugang zu alternativen Medien verbessert hat. All diese Berichterstattung über die Rede von Bolsonaro vor den Vereinten Nationen maskiert nur die Realität. Die Realität ist, dass die Abholzungszahlen zwischen 2020 und 2021 die höchsten in den vergangenen zehn Jahren sind. Amazonien brennt nach wie vor, es wird immer noch entwaldet. Und die indigenen Führungspersönlichkeiten, die an vorderster Front stehen, um die kollektiven Rechte und die Territorien zu verteidigen, werden nach wie vor ermordet und mehr als jemals zuvor kriminalisiert. Brasilien steht unter den Ländern, in denen die meisten Umweltschützer ermordet werden, auf dem vierten Platz. Die meisten davon sind Indigene.

Die Situation in Amazonien hat sich also eher noch verschärft. Warum?
Der Staat schwächt die Institutionen, die für den Schutz des Waldes zuständig wären, sei es um Brände oder um Abholzung zu vermeiden. Er hat die Behörden FUNAI und IBAMA ausgehöhlt, und zwar sowohl finanziell als auch personell. Die Beamten wurden regelrecht politisch verfolgt. Und er schwächt die Institutionen nicht nur, indem er ihnen personelle und finanzielle Ressourcen entzieht. Über den Diskurs von Bolsonaro und seinem Team in den Medien wird zu den Abholzungen und illegalen und kriminellen Waldbränden auch noch ganz direkt ermutigt. Schon vor seiner Wahl hat Bolsonaro sich öffentlich gegen die Demarkierung der indigenen Territorien und für die Aneignung dieser Territorien positioniert. Daneben gibt einen indirekten Diskurs, der im Parlament über Gesetzesinitiativen verläuft. Bolsonaro fördert die Invasion indigener Territorien, sei es durch Goldschürfer oder durch andere. Auch darüber, dass sich niemand für seine illegalen Praktiken verantworten muss. All dies müsste mit viel mehr Vehemenz verfolgt werden, so dass diejenigen, die in Amazonien Verbrechen begehen, nicht straflos davonkommen.

In letzter Zeit gab es viele Berichte darüber, dass illegale Goldschürfer immer weiter in indigene Gebiete vordringen. Eskaliert die Situation?
Ja, es gibt sehr gut bestätigte Informationen darüber, was in den Territorien der Yanomani passiert. Außer der Entwaldung, die direkt durch das Goldschürfen verursacht wird, und der Kontamination der Flüsse, die auch die Bevölkerung vergiftet, gab es direkte Attacken, die nicht strafrechtlich verfolgt wurden. Erst kürzlich gab es Schießereien im Gebiet der Yanomani. Wir haben auch Informationen, dass ein illegales Versorgungsflugzeug der Goldschürfer Yanomani verletzt hat. All dies wurde von den indigenen Organisationen angezeigt, auch von der Abgeordneten Joenia Wapichana, die aus der Region stammt. Und kürzlich ertranken zwei Kinder einer Yanomani-Gemeinde, weil illegale Goldschürfer im Fluss eine Maschine benutzten, die sie unter Wasser zog. Wir stellen täglich fest, in welchem Ausmaß die Goldschürfer in die Region eindringen. Sie kommen bisher unkontaktierten indigenen Gemeinden näher als jemals zuvor und attackieren auch Menschen, die in der Region leben, direkt.

Nach Informationen von Organisationen, die den Landraub in Brasilien beobachten, hat auch die direkte, illegale Landnahme deutlich zugenommen, können Sie das bestätigen?
Ja, der Landraub hat während der Regierung Bolsonaro enorm zugenommen. Das hat natürlich damit zu tun, dass die staatliche Kontrolle so geschwächt ist. Heute haben die Konflikte um Landbesitz in den indigenen Territorien ein absurdes Ausmaß angenommen. Hinzu kommt, dass die Legislative die illegale Landnahme über Gesetzesvorlagen unterstützt, mit denen der Landraub legalisiert werden soll. Es ergibt sich ein sehr klares Szenario, wenn man die verschiedenen Gesetzesvorlagen betrachtet, die zur Lesung im Kongress ausgearbeitet wurden.

Welche Ziele verfolgen die indigenen Netzwerke und Organisationen auf der COP26?
Es wird in diesem Jahr eine sehr große indigene Präsenz und Beteiligung an der COP geben. Das Hauptziel ist es, ein weiteres Mal zu zeigen, dass die indigene Bevölkerung effektiv an der Lösung der Klimakrise beteiligt werden muss. Nicht nur, weil wir die Hüter des Territoriums mit der weltweit größten Biodiversität sind oder weil wir am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Durch unsere Lebensweise wissen wir auch am besten, wie die Menschheit dem Klimawandel begegnen muss.

Welche Vorbereitungen werden getroffen, um diese Ziele zu erreichen?
Gerade heute wurde dazu im nationalen Parlament eine Anhörung durchgeführt und letzte Woche wurden von der COIAB (Zusammenschluss der Indigenen Organisationen im Brasilianischen Amazonas, Anm. d. Red.) fachliche Diskussionen organisiert, um zu entscheiden was die Hauptthemen und Hauptforderungen der indigenen Bewegung auf der COP sein werden. Die verschie- denen Regionalstellen tragen dies gerade zusammen und präsentieren es in Kürze den Medien. Amazonien wird einer der zentralen Punkte in der Diskussion auf der COP26 sein und die indigenen Völker haben sich sehr gut, auch mit fachlicher Expertise, auf die Beteiligung vorbereitet. Denn wir wollen nicht nur, dass unsere Expertise anerkannt wird, sondern dass in die indigenen Völker investiert wird, um die Klimakrise zu bekämpfen.


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