Jedes Jahr produzieren wir zusammen mit dem FDCL zusätzlich zur Monatsausgabe ein thematisches Dossier, um tiefer einen Themenkomplex vorzudringen. Dieses Mal haben wir uns mit bekannten Dilemma der Ressourcenextraktion beschäftigt: Ungeachtet der schwerwiegenden Folgen für Menschen, Natur und Klima wird die „grüne Energiewende“ von Entscheidungsträger*innen im Globalen Norden als Lösung für die Umweltsünden, die fossile Energieträger mit sich bringen, vorangetrieben. Daraus ergeben sich vielfältige Probleme, die sich auf die Lebensbedingungen der betroffenen Gesellschaften in Lateinamerika auswirken, von sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen bis hin zu Landvertreibungen. Im beiliegenden Dossier thematisieren wir die internationale Politik sowie die Beteiligung nationaler und transnationaler Unternehmen und lokalen Widerstand gegen diese machtvollen Akteure.
Auf der Weltnaturkonferenz COP16 in Cali haben sich die zugrundelgienden, ungleichen Machtverhältnisse der globalen Umwelt- und Klimapolitik wieder gezeigt: Der Konferenzbeschluss, einen „Cali-Fonds“ einzurichten, in den unter anderem Pharma-, Kosmetik-, Saatgutkonzerne und Biotechnologieindustrie einen Anteil ihrer Profite einzahlen sollen, wenn sie mit der DNS von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen oder dem abgeschöpften Wissen Indigener Völker Geschäfte machen, blieb freiwillig und damit unverbindlich. Auch der Forderung, einen neuen Fonds zum Schutz der Regenwälder und Savannen einzurichten und die eingezahlten Gelder unter dem Dach der UN zu verwalten, erteilte der Globale Norden eine Absage. Entsprechend endete die COP16 chaotisch: „Wir sind nicht mehr beschlussfähig. Ich setze die Konferenz aus“, so bereitete die kolumbianische Konferenzpräsidentin Susana Muhamad der COP16 am 2. November abrupt ein Ende. Viele Delegierte hatten den Konferenzort bereits verlassen, da in wesentlichen Streitfragen keine Einigung zu erzielen war.
Den Ländern des Globalen Südens bleibt nur ein Wermutstropfen: Die Anerkennung Indigener und traditioneller lokaler Dorfgemeinschaften als Bewahrer*innen der Natur und Artenvielfalt verschafft ihnen die Möglichkeit, künftig bei der Weiterentwicklung des Weltnaturvertrags mitzureden. Damit hatte es sich aber auch schon mit den Zugeständnissen.
Der Kampf gegen klimaschädliche Kräfte geht weiter. Mit der Wiederwahl von Trump steht in den USA bald wieder ein Präsident an der Spitze, der kontinuierlich verdeutlicht, wie weit unten der Klimaschutz oder gar die Anerkennung einer Klimakrise auf der Liste seiner Prioritäten steht. Eines seiner Ziele für die kommenden vier Jahre ist es, so schnell wie möglich Fracking und den Abbau US-amerikanischer Kohle weiter zu fördern, um die USA energiepolitisch wieder unabhängig zu machen – all das auf Kosten der Umwelt. In Deutschland hat der nun ehemalige Finanzminister Christian Lindner Anfang November gefordert, die nationalen Klimaziele aufzugeben. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition kann er das vorerst nicht umsetzen. Doch bei anstehenden Neuwahlen besteht die Gefahr, dass Union und AfD an Sitzen im Parlament zugewinnen: Parteien, die Klimaschutz ebenfalls mehr als vernachlässigen.
Sowohl das gänzliche Ignorieren von Klimaschutz als auch „grüner” Kapitalismus verunmöglichen die Erhaltung funktionierender, lebenswichtiger Ökosysteme und die Garantie von Menschenrechten an den Orten des Rohstoffabbaus. An vielen Fronten leiden und kämpfen die betroffenen Menschen für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen und Lebensweisen. Hiesigen Aktivist*innen fällt die Aufgabe zu, den Blick in die eigene Sphäre zu richten, um wirksamere Strategien gegen die Rohstoffgier und die Folgen einer verfehlten „ökologischen” Transformation zu entwickeln.