In einer riesigen Lagerhalle verabschiedet sich eine kleine Delegation aus Cusco von ihren Kartoffeln: „Weine nicht, kleine Kartoffel, weine nicht!“, singt Brizaida Siqus mit Tränen in den Augen. Angesichts der Bedrohung der Biodiversität haben die Kleinbäuerin und ihre Kooperative sich auf den weiten Weg nach Norwegen gemacht um alte Kartoffelsorten im Saatgut-Tresor von Svalbard vor dem Aussterben zu bewahren.
Brizaida ist eine von fünf indigenen Kleinbäuerinnen aus den Gegenden um Cusco und Puno, die die Brüder Álvaro und Diego Sarmiento in ihrem Dokumentarfilm Sembradoras de vida porträtieren. Vor allem der Klimawandel ist bei den fünf Frauen ein großes Thema, denn seine Folgen sind im Hochland der Anden schon jetzt zu spüren. Techniken, mit denen seit Jahrhunderten das Wetter vorhergesagt wurde, greifen nicht mehr, wenn es gar nicht mehr regnet oder der Regen nicht mehr aufhört. Ihre Großmutter habe anhand der Frösche erkannt, wie die Ernte werde, erklärt die Anthropologin Eliana García, die nach dem Studium zur Landwirtschaft zurückgekehrt ist. Jetzt sei sie froh, wenn sie überhaupt einmal einen Frosch sehe. Doch Eliana und die anderen Frauen halten an der traditionellen Landwirtschaft fest. Der Film begleitet die harte Arbeit der Bäuerinnen in wunderschönen Bildern und verlässt selten die Quinoa-, Kartoffel- und Maisfelder. Untermalt von Gitarre und Panflöte sehen wir die fünf Frauen beim Säen und Ernten, bei Opfergaben und dabei, wie sie altes Wissen an ihre Kinder weitergeben. Ein äußerst stimmiger Film, der stets seine Protagonistinnen selbst zu Wort kommen lässt und auch nicht in verkitschende Zurück-zur-Natur-Romantik verfällt.
Dem Kurzfilm La herencia del viento von gleich drei jungen mexikanischen Regisseur*innen hätte es dagegen gut getan, sich ebenso viel Zeit zu lassen. In nur 16 Minuten möchte der Film zu viel zeigen und sagen. Reduktion auf wenige Szenen hätte hier gut getan, denn der liebevolle Umgang des Bauern Juan Zuñija mit Familie und Pflanzen ist wirklich beeindruckend. Für Juan sind Kindererziehung und Landwirtschaft kaum voneinander zu trennen. Die Erde merke, genau wie die Kinder, mit welchen Emotionen man an sie herantrete. Schon seinen kleinsten Kindern bringt der Bauer einen tiefen Respekt vor der Natur bei.
Es lässt hoffen, dass die Berlinale zwei Filmen Raum gibt, die zeigen, wie wichtig Biodiversität und ein umsichtiger Umgang mit unseren Ressourcen sind. So wird einmal mehr unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie das klimafeindliche Verhalten des globalen Nordens schon jetzt das Leben derjenigen verändert, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen.