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Sie kämpfen gegen illegale Landbesetzung. Wie verläuft diese konkret?
Barba: Die Agrarreformbehörde (INRA) schickt immer wieder Leute hier in die Region, angeblich um Siedlungen zu gründen. Und die beginnen, das Land zu roden, Bäume zu fällen, Holzkohle zu machen, all das zu verkaufen, und dann sind sie wieder weg. Dem müsste INRA eigentlich Einhalt gebieten. Aber sie tun nichts. Auf einer großen Versammlung haben wir deshalb jüngst drei Forderungen beschlossen: Erstens die Annullierung der Landtitel dort, wo überhaupt keine Familien leben, zweitens die Respektierung der indigenen Territorien und drittens die gerichtliche Verfolgung der Landspekulanten.
Woher kommen diese Landspekulanten?
Barba: Es gibt Leute von hier, die denen von auswärts den Weg bereiten, aber die meisten kommen direkt. Eigentlich vertrauen wir erst einmal darauf, dass sie hier Ackerbau betreiben wollen. Wir haben aber nicht die Mittel, das zu kontrollieren. Manche aus dem Hochland kommen mit der Autorisierung der Landreformbehörde, andere besetzen das Land illegal. Die sind noch aggressiver. Und deshalb wehren wir uns.
Das Cabildo von San José hat im März aber auch eine Siedlung von Mennoniten verteidigt, in die eine Gruppe aus dem Hochland unter Schutz der Polizei und des INRA eindringen wollte. Die Mennoniten kommen ja eigentlich auch nicht aus der Chiquitania, sondern aus Paraguay, Belize oder ursprünglich Friesland oder Preußen. Warum verteidigt das indigene Cabildo von San José diese Gruppe?
Barba: Sie sind aber hier in Bolivien geboren und bolivianische Staatsbürger*innen. Und es sind Kleinbauerngemeinden, die Ackerbau und Viehzucht betreiben.
Die Quechua und Aymara, die aus dem Hochland kommen, sind auch in Bolivien geboren.
Barba: Richtig, aber sie kommen meist illegal hierher. Von heute auf morgen tauchen sie irgendwo auf.
Masaí: Wie Fallschirmspringer. Manche wollen wirklich vom Ackerbau leben. Aber andere interessiert nur der Boden und die Ausbeutung der Holzbestände. Da bleibt nichts stehen. Mit der Entwaldung trocknen dann auch die Flüsse aus. Der Suto, der früher San José mit Trinkwasser versorgt hat, ist inzwischen verschwunden. Jetzt müssen wir Brunnen bohren. Auch der See von Concepción trocknet inzwischen zeitweise aus. Und wenn das Wasser verschwindet, dann vertrocknen die Pflanzen und es kommt zu Großbränden. Mit dem Wind in der Trockenzeit kann selbst der kleinste Funke überspringen.
Barba: Manche legen das Feuer auch absichtlich.
Was könnem Sie gegen die Waldrodung tun?
Barba: Wir sind ja nicht vor Ort und bräuchten auch die Mittel, um uns fortzubewegen. Auch würden wir gerne bei Bränden mit unseren jungen Leuten direkt eingreifen. Dafür benötigt man Schutzkleidung, Verpflegung, Transport. Der frühere Bürgermeister sagte uns, dass die Gesetze es nicht erlauben, dass staatliche Gelder oder Gerätschaften an private Institutionen gegeben werden. Dabei sind wir die Ureinwohner hier! Und die MAS (Regierungspartei, Anm. d. Red.) wird uns auch nicht unterstützen, jetzt da sie wissen, dass wir gegen die Landbesetzungen sind.
Die Landvergabe erfolgt in der Regel an Anhänger der Regierungspartei. Damit wird Gefolgschaft gesichert. Ein anderes Ziel ist, mehr Präsenz in Regionen zu bekommen, wo die MAS bislang keine Wahlen gewinnen konnte.
Barba: Wir haben schon zwei dieser Landbesetzungen aufgelöst. Eine auf einem Privatgrundstück in Dolores. Wir sind dort mit ein paar jungen Leuten hin. Ich habe mich als Cacique vorgestellt, und gesagt, dass ich im Rahmen der Gesetze handele und auf das Agrarreformgesetz hingewiesen. Und dann habe ich ihnen bis Sonntag Zeit gegeben, das Gelände zu räumen. Die Gesetze sind klar. Bei der Landverteilung müssen die indigenen Völker Priorität haben, dann kommt die ansässige kleinbäuerliche Bevölkerung. Und erst dann Migranten aus anderen Regionen. Wir würden niemanden diskriminieren, sage ich ihnen. So viele sind schon aus dem Hochland gekommen, aber auf legalem Weg. Die Interkulturellen (Eigenbezeichnung der Siedler aus dem Hochland, Anm. d. Red.) versuchen sogar mit Gewalt, sich das Land anzueignen. Und wenn sie argumentieren, dass sie doch alle bolivianische Brüder und Schwestern sind, dann sage ich: Ja, es ist überfällig, dass die Regierung sich endlich mit uns an einen Tisch setzt, dass wir analysieren, welches Staatsland noch verfügbar ist und wer von den hier ansässigen dieses Land benötigt. Und was dann übrig ist, das kann an die Zuwanderer verteilt werden.
Verträgt denn das Ökosystem des Trockenwaldes der Chiquitania eine weitere Abholzung?
Barba: Das muss man sich im Einzelnen anschauen. Die Naturschutzgebiete müssen davon ausgenommen sein. Nur das Staatsland, was für Landwirtschaft geeignet und übrig ist, kann vergeben werden. Hier in San José gibt es nicht mehr viel davon. Aber wir haben auch nicht nur ein Kind. Und unsere Kinder sollten auch die Chance haben, hier weiter zu leben. Sollen sie fortziehen müssen, damit Landbesetzer ihre Geschäfte machen können?
Masaí: Die Regierung will darauf keine Rücksicht nehmen. Und die Leute haben Angst, bei den Regierungsstellen zu protestieren, weil sie Repressalien fürchten. Sie sind die ständigen Auseinandersetzungen auch leid. Die Politik hat ihnen keine Antworten gegeben. Deshalb haben wir uns als Cabildo in dieser Sache organisiert und sind aktiv geworden. Da uns die Verfassung das Recht gibt und wir von keiner politischen Gruppe abhängig sind, können wir das machen. Diese „Casa del Bastón“ (der Sitz des Cabildos, Anm. d. Red.) wird sich deshalb nicht mehr nur um Tänze oder Musik kümmern, sondern um die Verteidigung unserer Territorien. Der indigene Kleinbauernverband Turubó hat sich dafür mit uns verbündet.
Gibt es in der Gemeinde San José de Chiquitos indigene Territorien und sind sie von der Agrarreformbehörde als solche anerkannt?
Masaí: Offizielle Titel haben wir noch nicht. Aber die Verfassung sichert uns die Kontrolle unserer Territorien zu. Deshalb kann nicht jeder einfach hier hin kommen.
Wurde die Titulierung denn beantragt?
Barba: Wir haben die gesamte Dokumentation eingereicht und nie eine Antwort bekommen. Auf die jüngste Resolution der großen Versammlung gab es auch keine Antwort. Wir werden die Unterlagen erneut schicken. Das Einzige, was wir bekommen, sind Konflikte. Einer der unseren ist dabei sogar umgekommen. Aber am Ende haben wir sie stoppen können.
Gibt es auch Verbündete in der Politik?
Barba: Eigentlich müssten alle staatlichen Amtsträger unsere Verbündeten sein. Sie sind auch alle mal aufgetaucht, aber der Bürgermeister und der Subgouverneur haben sich dann nicht mehr blicken lassen. Geblieben sind drei Institutionen: Das Cabildo, der Kleinbauernverband Turubó und das Comité Cívico. Eine, die uns unterstützt, ist die nationale Abgeordnete der Chiquitanía Maria René Alvarez. Aber der Gouverneur (von der gleichen rechtsgerichteten Regionalpartei CREEMOS, Anm. d. Übers.) hat sich bis heute nicht zu unseren Forderungen geäußert.
Die von der OICH (Indigene Organisation der Chiquitanía) gewählte Abgeordnete im Regionalparlament hat keinen Kontakt zum Cabildo von San José?
Barba: Wir sind keine politische Organisation. Wir richten uns nach unseren Sitten und Bräuchen und haben auch nichts mit den unterschiedlichen Aufspaltungen des Dachverbandes der Indigena-Organisationen des Tieflands zu tun. In dem Augenblick, in dem wir uns einer der genannten Organisationen anschließen würden, gäbe es Probleme, Parteienstreit. Dass wir nicht der CIBOB angeschlossen sind, war auch der Grund, warum der Direktor der Agrarreformbehörde uns erst nicht anhören wollte. Das war schon ziemlich unverschämt. Wir brauchen keine politische Anbindung, sagte ich ihm, wir sind durch die Verfassung anerkannt. „Aber ihr seid ja nicht einmal als Organisation registriert“, meinte er. Aber dann hat er es selbst eingesehen.
Als das Cabildo seine große Versammlung der Chiquitano-Gemeinden von San José zur Landfrage organisiert hat, kamen auch Delegationen aus Guarayos und San Ignacio.
Barba: Auch aus Roboré, San Miguel, San Rafaél, alle in der Chiquitanía sind von den Landbesetzungen betroffen. Wir wollen uns deshalb gegenseitig helfen. Wir haben schon eine ganze Reihe von Anzeigen gegen illegale Landbesetzer beim INRA unterstützt, von denen drei Fälle inzwischen gelöst werden konnten. Allerdings gibt es noch vier Dörfer, die sich im Rechtsstreit mit Landbesetzern befinden.