Verdacht auf Stimmenkauf Gegen Iván Duque wird ermittelt (Foto: Kaloian Santos Cabrera/ Secretaría de Cultura de la Nación, CC BY-SA 2.0)
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Iván Duque ohne die Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez nicht Staatsoberhaupt Kolumbiens geworden wäre. Die dringende Frage lautet zurzeit, inwieweit Uribe und seine ultrarechte Partei, das Demokratische Zentrum, mit illegalen Mitteln das Comeback des Uribismus in der Regierung vorangetrieben haben. Eine jahrelang verschleppte Ermittlung der Staatsanwaltschaft könnte dem kolumbianischen Präsidenten und seinem Marionettenspieler nun zum Verhängnis werden.
Die Büchse der Pandora wurde im Strafverfahren gegen José Guillermo Hernández, genannt „Ñeñe“, geöffnet – einem erfolgreichen Viehzüchter, Mitglied der kolumbianischen Elite und in den Drogenhandel verwickelt. Hernández stand im Visier der Justiz wegen des Mordes an Óscar Rodríguez Pomar in der Küstenstadt Barranquilla im Jahr 2011. Es wird spekuliert, dass Rodríguez fälschlicherweise für seinen Vater gehalten wurde, da er beim Aussteigen aus dessen Auto erschossen wurde.
Uribe leugnete Beziehung zu Hernández
Dass die Ermittlungen gegen Hernández triftige Gründe haben, zeigt ein polizeilicher Bericht aus dem Jahr 2019, welcher der Zeitung El Tiempo vorliegt: „‘Ñeñe‘ gewann an wirtschaftlicher Macht durch den Schmuggel von Rindern und Öl aus Venezuela. Er ist einer der engsten Vertrauten von Marcos de Jesús Figueroa und verwaltet dank seiner Position als angesehener Viehzüchter das Vermögen der Organisation.“ In die Unternehmen von „Ñeñe“ Hernández soll das Geld aus Drogenhandel und Schmuggel geflossen sein, den die Organisation von „Marquitos Figueroa“ wohl fleißig betrieb.
In den sechs Jahren verschleppter Ermittlungen, um den Mord an Óscar Rodríguez und die Beziehung zwischen Hernández und Figueroa aufzuklären, wurde zwischen dem 26. Mai und dem 19. November 2018 das Telefon von Hernández abgehört. Und darin wird das Ausmaß des Skandals deutlich. 25.000 Audioaufnahmen wurden von der Staatsanwaltschaft und der Polizei gesammelt. Teile der Dateien wurden vom Journalisten Gonzalo Guillén und der Online-Zeitschrift La Nueva Prensa öffentlich gemacht und sind inzwischen leicht im Internet zu finden.
Aufnahmen bestätigen rechtswidriges Verhalten der Regierung
In einem anderen Gespräch behauptet MD: „Iván und Uribe schicken mich nach Manaure, Urabia, Riohacha und Maicao, wir müssen in La Guajira unbedingt gewinnen.” Wenige Tage nach der Veröffentlichung der Audioaufnahmen stellte sich heraus, dass es sich bei der Frau um Maria Claudia Daza Castro, der ehemaligen Privatsekretärin und Beraterin von Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez handelt. Das Telefonat wurde am 3. Juni 2018 geführt, als sich Kolumbien für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen vorbereitete.
Außer gekaufter Stimmen soll „Ñeñe“ Hernández dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Duque und seinem Berater Uribe einen Hubschrauber und einen Geländewagen für ihre Wahlkampftour in Cesar und La Guajira zur Verfügung gestellt haben. Auf Instagram steht Hernández nicht nur vor einem von ihm gesponserten Wahlkampfplakat, sondern ist auch mit Duque und Uribe persönlich zu sehen. Als Dankeschön für die erfolgreiche Präsidentschaftskampagne, mit der Duque in La Guajira gewann, wurden Hernández und seine Frau Maria Mónica Urbina zur Vereidigung Duques eingeladen.
Berichte über Stimmenkauf verstaubten bei der Staatsanwaltschaft
Der Anwalt der Familie des ermordeten Óscar Rodríguez bringt den Skandal auf den Punkt: „Die Aufnahmen bestätigen das rechtswidrige Verhalten dieser Regierung, die mit Hilfe eines Verbrechers die Präsidentschaftswahlen in La Guajira gewann. Darüber hinaus erklären sie, warum die Ermittlungen gegen Hernández und Figueroa im Mordfall vom Óscar Rodríguez zu keiner Aufklärung geführt haben“, schreibt Miguel Ángel de Río in einer kurzen Stellungnahme für La Nueva Prensa.
Denn die Beziehung zwischen „Ñeñe“ Hernández und der Justiz war eng. Aus den abgehörten Telefongesprächen geht hervor, dass Hernández im ständigen Kontakt mit dem Staatsanwalt Ricardo Bejarano Beltrán stand. Und dieser informierte Hernández über die gegen ihn laufenden Verfahren und warnte ihn, wenn seine Anrufe angezapft wurden. Dass die polizeilichen Berichte über den Stimmenkauf über ein Jahr bei der Staatsanwaltschaft verstaubten, ist der Staatsanwältin Jenny Andrea Ortíz zu verdanken, welche die Aufnahmen erhielt und schlicht archivierte, weil für sie der Stimmenkauf mit der Aufklärung des Mordes an Óscar Rodríguez nichts zu tun hatte. Gegen die Staatsanwältin wird zurzeit wegen Unterlassung der Anklage ermittelt.
Ein weiteres Verfahren gegen Ex-Präsident Uribe
Senator Uribe leugnete ebenfalls die Beziehung zu dem ermordeten Hernández und geriet dabei in eine Sackgasse. Denn kurz nach der Ermordung von Hernández 2019 betrauerte Uribe den „angesehenen“ Viehzüchter mit einem Tweet. Aber vor allem steht Uribe unter Verdacht, durch seine Beraterin Maria Claudia Daza am Stimmenkauf im nördlichen Kolumbien zugunsten seines Ziehsohns Iván Duque entscheidend mitgewirkt zu haben. Maria Claudia Daza und die Witwe von „Ñeñe“ Hernández haben mittlerweile das Land Richtung USA verlassen. Auch gegen Álvaro Uribe hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet, diesmal wegen Wahlbetrugs. Ein weiterer Posten auf dem Stapel der 283 Anklagen, die zurzeit gegen den Ex-Präsidenten laufen.
Duque ist bestens vernetzt
Man muss attestieren: Iván Duque ist nach 19 Monaten im Amt in vieler Hinsicht gescheitert. Er hat es versäumt, der Polarisierung in der Bevölkerung entgegen zu wirken und ist mitsamt seiner Partei ihr Beschleuniger geworden. Während viele Kolumbianer*innen sich Stabilität und Frieden wünschen, hockt der Präsident im Schatten des harten Kerns des Uribismus. Auf wirtschaftlicher Ebene verfolgt die Regierung eine Politik zugunsten der Agrarlobby und dem Bergbausektor, was mit einer Militarisierung des ländlichen Raumes einher geht. Außerdem wachsen die Kokainplantagen weiter an und die im Friedensprozess vereinbarten Projekte bleiben auf der Strecke. Duques Beliebtheit unter den Kolumbianer*innen sinkt von Monat zu Monat und erreichte im Februar 23 Prozent. Auf den Demonstrationen der letzten vier Monate wurde immer wieder der Rücktritt des Präsidenten gefordert, der die Situation des Landes anscheinend schlicht verkennt.
Doch Duque ist bestens vernetzt. Der Generalstaatsanwalt Francisco Barbosa und Duque sind ehemalige Kommilitonen. Deswegen fordern Transparency Colombia und andere Organisationen, dass eine andere Person der Staatsanwaltschaft mit dem Fall betraut wird. Das ist entscheidend. Denn davon hängen die Chancen auf ein erstzunehmendes, unabhängiges Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaft von Iván Duque ab.