Der 8. März ist seit rund 100 Jahren weltweit als Internationaler Frauentag bekannt. Dass Frauen* an
diesem Tag keine Blumen, sondern Rechte wollen, ist schon lange klar. Aber durch die immer größer
werdende NiUnaMenos-Bewegung bekommt der Tag eine neue Bedeutung. An diesem 8. März wird
gestreikt – zum zweiten Mal organisieren Frauen* in 54 Ländern einen internationalen Frauenstreik.
Die tragenden Kräfte für die Mobilisierung sind in Lateinamerika, aber auch in den USA, Spanien und
Italien werden hunderttausende Frauen* am 8. März ihre Arbeit niederlegen. Und mit Arbeit ist nicht
nur Lohnarbeit gemeint, sondern auch unbezahlte und unsichtbare Arbeit in Haushalt, Fürsorge und
Pflege. Es reicht nicht mehr, nur zu demonstrieren, es wird gestreikt, sabotiert und blockiert, um auf
die verschiedenen Formen der Ungleichheit aufmerksam zu machen und Forderungen zu stellen.
„Aber was wollt ihr eigentlich genau?“ wurde die argentinische Aktivistin und NiUnaMenos-
Gründerin Marta Dillon gefragt. „Wir wollen alles ändern.“ Ganz einfach: alles. Denn patriarchale
Machtstrukturen durchziehen alle Bereiche unserer Gesellschaft – Politik und Wirtschaft,
Wissenschaft und Kultur, öffentliche Räume und Schlafzimmer, nehmen Einfluss auf unsere Liebesund
Arbeitsbeziehungen, die Autonomie über unsere Körper, die Verteilung von Macht und Reichtum.
Der neue Feminismus ist ein Feminismus, der die verschiedenen Kämpfe gegen Ungleichheit in sich
vereint und seine Kraft aus dieser Diversität schöpft. Er will die alten Grenzen überwinden und sucht
in der Zerstörung des Patriarchats zugleich die Zerstörung des Kapitalismus. Mehr Frauen* in
Chefpositionen reichen nicht aus, um die Welt besser zu machen. „Eine Revolution ist im Anmarsch“,
skandieren die Organisatorinnen des Streiks. Und das Potential, das sich in dieser Bewegung in
Lateinamerika formiert, ist überwältigend. Seit Anfang Februar finden überall in Lateinamerika
öffentliche Versammlungen zur Vorbereitung des 8. März statt, an denen in Buenos Aires über 1000
Frauen* teilnahmen. Die Redner*innenliste zählte über 100 Anmeldungen. Nicht nur Logistik und
Kommunikation des 8. März werden dort organisiert, die Versammlungen werden zu einem aktiv
handelndem Kollektiv, in dem sich die verschiedenen persönliche Erfahrungen einzelner zu einem
massiven gemeinsamen Widerstand verknüpft haben, der all die vielfältigen Kämpfe einschließt:
Kämpfe gegen sexualisierte Gewalt, gegen Feminizide, gegen die Feminisierung der Armut, gegen
rassistische und koloniale Gewalt und gegen Gewalt an von der Norm abweichenden Körpern. Aber
auch gegen die aktuellen neoliberalen Reformen und Sozialkürzungen, gegen staatliche Repression
und Ausbeutung.
In Argentinien ist der neue Feminismus zu einem unerwarteten politischen Akteur geworden, der
nicht mehr überhört und übersehen werden kann. Die rechtskonservative Regierung hat nun die längst
überfällige Debatte über die Legalisierung von Abtreibung zugelassen, wenn auch nur aus
Opportunismus. Eine Reaktion auf die Popularität der Bewegung und ihre massive Präsenz in der
Öffentlichkeit.
Deutschland hinkt hier etwas hinterher. Von dem rebellischen Kampfgeist der lateinamerikanischen
Frauen* können wir viel lernen. Hier gehen am 8. März nicht hunderttausende Frauen* auf die Straße,
um zu streiken. Vermeintlich sind die Notwendigkeiten nicht so drängend. Aber auch in Deutschland
ist sexualisierte Gewalt alltäglich: Im Jahr 2017 gab es mehr als 150 Feminizide und 211 versuchte
Morde an Frauen* – ein Anschlag pro Tag. Nur zehn Prozent aller Vergewaltigungen werden zur
Anzeige gebracht, nur ein Bruchteil führt zur Verurteilung. Die Lohnungleichheit ist eklatant und der
unzeitgemäße Paragraph 219a hat unlängst zur skandalösen Verurteilung einer Ärztin geführt, die
Abtreibungen durchführt. Nicht zuletzt hat #metoo deutlich gemacht, wie alltäglich Sexismus überall
ist, auch in linken Räumen. In den Erfahrungen und in den Körpern aller Frauen* liegen genug
Gründe, etwas zu ändern. Und nicht nur etwas. Einfach alles.