
„Ich sterbe“, sagte Mujica im Januar 2025 der Zeitschrift Búsqueda. „Mein Zyklus ist vorbei (…) Der Krieger hat das Recht, sich auszuruhen.“
Im April 2024 wurde bei ihm Speiseröhrenkrebs diagnostiziert, der Anfang 2025 im Endstadium war. Aufgrund seines Alters und chronischer Krankheiten verzichtete er auf eine Behandlung, und entschied, seine letzten Tage in Ruhe zu verbringen. Am 13. Mai, eine Woche vor seinem 90. Geburtstag, verabschiedete sich einer der einflussreichsten linken Politiker Südamerikas dann endgültig. Sein politisches Leben – vom Guerillero zum Präsidenten – war geprägt von Prinzipientreue, Bescheidenheit und dem Streben nach Gerechtigkeit.
José Alberto Mujica Cordano wurde 1935 in Montevideo geboren. Der Sohn kleiner Landarbeiter begann seine politische Laufbahn in der Nationalen Partei, die heute als gemäßigt konservativ, liberal und christdemokratisch gilt. Er bekleidete sogar das Amt des Generalsekretärs der Jugendorganisation, verließ die Partei jedoch, um sich linken Bewegungen anzuschließen.
Mitte der 1960er Jahre gehörte Mujica zu den Gründern des Movimiento de Liberación Nacional-Tupamaros (MLN-T), einer linken Stadtguerilla, die mit Methoden wie Raubüberfällen, Entführungen und Exekutionen gegen die von ihr als unterdrückerisch empfundene Regierung kämpfte.
1972 wurde er zusammen mit einer Gruppe von Kämpfern gefangen genommen und fast 13 Jahre lang gefoltert. Er blieb während der gesamten uruguayischen Militärdiktatur von 1973 bis 1985 im Gefängnis. „In den Jahren im Gefängnis hatte ich viel Zeit, mich kennenzulernen“, sagte er später. Seine Zeit dort war eine „Routine für die, die sich entscheiden, die Welt zu verändern“.
Mindestens sechs Jahre verbrachte er in Einzelhaft. In dieser Zeit erinnerte er sich an die Bücher, die er gelesen hatte: Er versuchte, sich Bücher über Literatur, Geschichte und Wissenschaft mental vorzustellen. Er tat dies langsam, um diese Erinnerungen zu genießen und dem Lauf der Zeit zu widerstehen.
Vom Guerillero zum Präsidenten
Über die Guerilla lernte Mujica 1971 seine Lebensgefährtin kennen: Lucía Topolansky, die ebenfalls Mitglied der MLN-T war. „Wir vereinen zwei Utopien. Die Utopie der Liebe und die Utopie der Militanz“, sagte Topolansky in dem Dokumentarfilm El Pepe, una vida suprema.
Auch Topolansky war während der Diktatur inhaftiert und bekleidete nach der Re-Demokratisierung politische Ämter wie das der Vizepräsidentin der Republik zwischen 2017 und 2020. Seit 2020 ist sie Senatorin. Ihre Beziehung mit Mujica wurde zum Symbol für eine nicht nur romantische, sondern auch politische Partnerschaft, in der sie Ideale, Kämpfe und einen einfachen Lebensstil teilten.

„Der ärmste Präsident der Welt“
Nach dem Ende der Diktatur 1985 trat Mujica dem Linksbündnis Frente Amplio bei, wurde 1994 Abgeordneter, fünf Jahre später Senator und 2005 Landwirtschaftsminister (siehe Interview in LN 308). 2010 dann gewann er die Präsidentschafswahlen – inmitten der „rosa Welle“, einer Phase progressiver Regierungen in Lateinamerika.
Seine Regierung (2010–2015) setzte soziale Reformen um, darunter die Legalisierung von Abtreibung (2012), gleichgeschlechtlicher Ehe (2013) und Cannabis (2013) – letzteres machte Uruguay weltweit zum Pionier. Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen wie Inflation konnten Armut und Arbeitslosigkeit reduziert werden.
Mujica pflegte allerdings ein angespanntes Verhältnis zu führenden Figuren seiner Koalition, etwa Tabaré Vázquez und Danilo Astori, was Strukturreformen erschwerte. Dennoch war ein stets pragmatischer und unideologischer Politikstil Kennzeichen seiner Präsidentschaft. Vieles erreichte er nicht durch Dekrete, sondern durch Überzeugungskraft.
Mujica trat für eine gerechte und gleichmäßige Verteilung des Wohlstands ein. Er war der Meinung, dass Menschen für ein würdiges Leben materielle Grundvoraussetzungen brauchen, dass aber darüber hinaus Reichtum immateriell sein sollte, wie Kultur und Bildung. Es gelang ihm dabei, die Kohärenz zwischen Diskurs und Praxis zu bewahren.
Weltweit bekannt wurde er durch seine gelebte Bescheidenheit: Er lehnte die Präsidentenresidenz ab, lebte mit Lucía und Hund Manuela auf einem kleinen Bauernhof, fuhr einen alten VW-Käfer und spendete den Großteil seines Gehalts. Internationale Medien nannten ihn den „ärmsten Präsidenten der Welt“. Doch Mujica konterte 2014 der CNN: „Ich bin nicht arm. Ich bin nüchtern. Ich lebe mit so wenig, dass es meine Freiheit nicht einschränkt.“
Er trat 2020 mit 85 Jahren aus dem Senat zurück, blieb aber politisch aktiv. „Ich gehe mit Dankbarkeit, vielen Erinnerungen und tiefer Nostalgie“, schrieb er in seinem Rücktrittsschreiben.
Ein Leben mit Sinn
„Wenn es keine Sache gibt, für die man brennt, dann lebt man, um Rechnungen zu bezahlen“, sagte Mujica 2024 in einem BBC-Interview. Für ihn bestand der Sinn des Lebens nicht in materiellem Wohlstand, sondern im Engagement für Menschlichkeit. In der New York Times sagte er: „Das Leben ist wundervoll, aber es verschleißt. Man muss dem Leben einen Sinn geben und für das menschliche Glück kämpfen – nicht nur für Reichtum.“
Sein Tod ist nicht das Ende seines Einflusses. Er bleibt als Symbol eines stillen Revolutionärs in Erinnerung – jemand, der authentisch lebte, wofür er kämpfte. Sein Vermächtnis zeigt: Eine linke Politik kann radikal, menschlich und kohärent zugleich sein.






Ein Kreuzfahrtschiff irgendwo in Südpatagonien. Chico Ventana („Fensterjunge“, Daniel Quiroga), putzt lethargisch das Deck (und die Fenster), sieht desinteressiert Walen hinterher und zeigt auch sonst nicht den Einsatz, den sich seine Vorgesetzten von einem dynamisch-ambitionierten Angestellten erwarten. Vielleicht liegt es daran, dass Chico auch körperlich nur noch die halbe Zeit an Bord ist, seit er entdeckt hat, dass eine geheime Tür im Unterdeck in ein Apartment in Montevideo führt.








