
PRY, ARG, USA, FRA, DEU 2025, Panorama
Über die Militärdiktaturen in Brasilien (1964-1985), Argentinien (1966-1973) und Chile (1973-1990) ist schon viel gesagt worden. Die 35 Jahre dauernde Diktatur im benachbarten Paraguay steht im Vergleich dazu weniger oft im Blickpunkt. Unter dem Vorwand, la paz y el progreso („Frieden und Fortschritt“) zu garantieren, übernahm General Alfredo Stroessner 1954 die Macht und blieb bis 1989 in der Hauptstadt Asunción im Amt.
Juanjo Pereiras historischer Dokumentarfilm Bajo las banderas, el sol (Under the Flags, the Sun) basiert auf der Wiederherstellung von Bild- und Tonarchiven aus mehr als drei Jahrzehnten, die die Stroessner-Regierung, die Reaktion der Bevölkerung auf die Diktatur und die Kommentare der internationalen Presse aus den Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland und Brasilien zeigen. Durch kreativen und intelligenten Schnitt konstruiert der Film eine zugängliche Erzählung über den Aufstieg und Fall des paraguayischen Diktators und seiner Regierung.
General Stroessner wurde ohne Gegenkandidaten zum Präsidenten gewählt und regierte mit der Unterstützung der Armee und der konservativen Colorado-Partei. Wie in anderen südamerikanischen Diktaturen wurde die Figur desAnführers von seinen Anhänger*innen vergöttert: der angebliche Retter des Vaterlands und der Familie, der die Nation von der kommunistischen Bedrohung befreit hatte. Mit Unterstützung der Vereinigten Staaten nahm Paraguay zusammen mit anderen südamerikanischen Ländern an der Operation Condor teil, die offiziell zur Bekämpfung von „Terrorismus und Subversion“ durchgeführt wurde.
Wie Bajo las banderas, el sol gut dokumentiert, verbündete sich das Regime nicht nur mit anderen Diktaturen der Südhalbkugel bei der Unterdrückung von Gegnern, sondern unterhielt auch zwielichtige Beziehungen zu flüchtigen Nazi-Verbrechern wie Josef Mengele. Der Nazi-Offizier und Arzt im Konzentrationslager Auschwitz pendelte in der Nachkriegszeit straflos zwischen Argentinien, Paraguay und Brasilien hin und her.
Das Stroessner-Regime war verantwortlich für Folter, Verschwindenlassen, Todesfälle und ins Exil getriebene Menschen. Der Film zeigt, was mit Bürger*innen geschah, die eine regierungsfeindliche Haltung einnahmen: Die Ermittlungsbehörden folterten politische Gefangene – wie mutmaßliche Kommunist*innen oder Mitglieder von Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen. Die systematischen Menschenrechtsverletzungen führten zu internationalen Beschwerden und mobilisierten Organisationen wie Amnesty International.
Auch auf dem Land gab es Repressionen. Ein kurzes Interview mit einem Bauern spricht diesbezüglich Bände: „Wenn der Bauer vom Polizeichef vorgeladen wird, hat der Polizeichef Recht, und der Bauer hat den Mund zu halten (…) Ich als Bauer habe kein Recht, der Behörde auch nur ein halbes Wort zu sagen“.
Die Gegenüberstellung von offiziellen Reden, Interviews und internationalen Kommentaren ermöglicht in Bajo las banderas, el sol einen kritischen Blick auf die Vergangenheit. Dabei wird auch eine sehr wichtige Stimme respektiert: das Schweigen. Es hat nicht nur eine ästhetische Funktion, sondern dient auch der Überleitung und Reflexion. Das Schweigen wird von Pereira strategisch eingesetzt, um die Bilder für sich selbst sprechen zu lassen – beispielsweise in den Szenen, die die Zivilbevölkerung zeigen, die sich zur Unterstützung von Stroessners Regierung versammelt hat.
Nicht alle der wiedergefundenen Bilder sind von höchster Qualität: einige weisen Reproduktionsfehler auf. Die Entscheidung, diese Bilder im Film zu belassen, scheint beabsichtigt zu sein, denn sie verweist auf den Verlust des historischen Gedächtnisses und die Herausforderungen bei der Bewahrung der Vergangenheit.
Der Dokumentarfilm von Juanjo Pereira zeichnet sich nicht nur durch sein unglaubliches erzählerisches Können aus, sondern auch durch eine ästhetische Intellektualität, die die didaktische Kraft der Aufarbeitung der tragischen Geschichte eines Landes unterstützt. Und er unterstreicht die politische Rolle des Kinos bei der Bewahrung der Erinnerung und der sozialen Reflexion.