
Was hat sich seit Ihrem letzten Besuch in Berlin verändert?
Enrique: Nach unserem Besuch 2023 ist eine der Firmen, die im Bericht (siehe Infokasten, Anm. d. Red.) genannt wurden, Bayer Vegetales Perú, aufmerksam geworden und hat eine Delegation nach Peru geschickt, um sich vor Ort ein Bild der Situation der Arbeiter*innen zu machen. Daraufhin hat sich ein Gespräch eröffnet, wie man die Probleme mit der Gewerkschaft lösen könnte. Aber nicht alle Firmen sind so eingestellt und haben reagiert. Es gibt welche, die sich von den Menschenrechtsstandards entfernen. Deshalb müssen wir beim BAFA weiter darauf hinweisen, dass das LKSG noch nicht überall eingehalten wird.
Sie hatten Treffen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem BAFA, Stiftungen und Gewerkschaften. Auf welche Reaktionen sind Sie gestoßen?
Enrique: Es gab Interesse der Stiftungen und Gewerkschaften. Sie haben sich bereit erklärt, uns beim Knüpfen von Kontakten zu helfen. Das hatten wir erhofft. Das BAFA hat eine Evaluation angekündigt. Das BMZ möchte mit der deutschen Botschaft in Lima in Kontakt treten, um unsere Forderungen weiterzugeben. Uns reicht es aber nicht, dass sie das alles im Blick behalten. Die Firmen sollen klare Zeichen setzen und die deutsch-peruanische Handelskammer sowie NGOs und Gewerkschaften können gemeinsam eine entscheidende Rolle dabei spielen.
Was ist das Problem?
Enrique: Firmen sollen die Rechtmäßigkeit und Repräsentanz von Gewerkschaften anerkennen, die Arbeitnehmer*innenrechte vertreten, damit Probleme im Arbeitsalltag gelöst werden können. Gewerkschaften können nicht immer effektiv verhandeln. Obwohl Bayer zum Beispiel Komitees gebildet hat, um bestimmte Probleme zu lösen, gab es in den vergangenen Jahren Probleme damit, dass sie ihre wirtschaftlichen Informationen nicht beizeiten an die Gewerkschaften weitergegeben haben. So wurden gemeinsame Verhandlungen erschwert. Heinz Glas Perú hat noch kein gemeinsames Abkommen verabschiedet, sodass sechs Anklageschriften offenbleiben.
Henry, Sie sind Gewerkschaftsführer bei Heinz Glas. Wie sieht es in diesem Unternehmen aus?
Heinz Glas zeigt keinerlei Bereitschaft für Verhandlungen oder einen Austausch. Im Gegenteil: Wir hatten Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen. Sie haben uns nichts Neues angeboten.
Haben Sie gestreikt?
Ja, aber das führte zu keinem positiven Ergebnis. Wir haben uns bemüht, mehr Gewerkschaftsmitglieder zu rekrutieren, aber das hat nicht funktioniert. Während der Pandemie ist unsere Mitgliederzahl von 65 auf 20 gesunken. So konnte Heinz Glas die Gewerkschaft rechtmäßig auflösen. Sie wollten, dass die Gewerkschaft verschwindet, obwohl sie offiziell legal weiterbestand. Wir haben uns stark benachteiligt gefühlt und haben eine neue Gewerkschaft gegründet, damit Heinz Glas sieht, dass es eine Arbeiter*innenvertretung gibt. Doch dann wurde mir nach der Gründung der neuen Gewerkschaft gekündigt.
Und wie ist es bei Bayer Vegetales Perú?
José: Wir haben eine andere Erfahrung gemacht. Seitdem 2023 eine Delegation der Firma nach Peru gekommen ist, die sich mit der Gewerkschaft und den lokalen Geschäftsführern getroffen hat, stehen wir bei Problemen im Austausch. So haben wir das Problem mit dem Arbeitsweg gelöst: Es gibt jetzt Busse, die uns zur Firma bringen. Außerdem Sanitäranlagen und Verpflegung auf den Feldern. Da gibt es zwar manchmal Probleme, aber wir sprechen mit der Firma, wie wir sie lösen können. Dieser offene Austausch ist durch die Existenz des LKSG entstanden.
Das Gesetz hilft uns als Gewerkschaft, Respekt für Arbeitnehmerrechte zu generieren. Aber es ist noch nicht alles gelöst. Derzeit sprechen wir über die Rotation von Arbeiter*innen. Zu bestimmten Zeiten gibt es in der Firma nicht genug Arbeit für alle, sodass manche suspendiert werden und keinen Lohn erhalten. Sie verlieren auch ihre Krankenversicherung. Ein weiteres Problem ist der Informationsfluss über die wirtschaftliche Situation der Firma. Sie machen uns gegenüber unvollständige Angaben. Außerdem gibt es Angestellte, „Outgrower“, die nicht auf der zentralen Plantage in Ica arbeiten, sondern in anderen Teilen Perus. Sie haben nicht die gleichen Rechte wie wir.
Gibt es auch umweltrechtliche Probleme?
Enrique: Ja, es gibt nicht mehr genug Wasser in der Gegend der Hauptplantage von Bayer. Der Grundwasserspiegel ist nach den vergangenen 20 Jahren Raubbau gesunken. Die Zone dort an der Küste südlich von Lima ist sehr trocken und sandig, man kann da nur Landwirtschaft betreiben, indem man sich Zugang zum Grundwasser verschafft. Das hat den Druck erhöht, neue Quellen für die Wasserversorgung zu finden.
Wie hilft die Zusammenarbeit mit Equidad?
José: Equidad ist unser Verbündeter. Früher blieben unsere Anliegen auf lokaler Ebene. Seit 2023 haben wir die Aufmerksamkeit öffentlicher Ämter, wie des BAFA, geweckt. Die Unternehmer sind vorsichtiger, die Arbeiterinnenrechte nicht zu verletzen und reagieren auf unsere Anfragen schneller, um keine Probleme zu bekommen. Henry: Dank Equidad haben wir Aussicht auf, einen Dialog mit Heinz Glass, damit sie sich an die Einhaltung des LKSG halten. Und dank Equidad sind wir hier, damit uns zugehört wird. Enrique: Wir als Organisation schlagen den Unternehmen vor, in Austausch mit ihren Angestellten zu treten, um die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen. So verbessern sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnen. Für die Gewerkschaften ist vieles Neuland. Wir informieren sie zum Thema, damit sie die Debatten auf internationaler Ebene kennenlernen. Warum ist die internationale Ebene so wichtig? Weil die peruanischen Institutionen nicht ausreichen, um Unternehmen zu regulieren.
Geht es auch darum, Druck auszuüben?
In erster Hinsicht eröffnen wir den Dialog. Zudem sind wir hergekommen, um über die Probleme mit deutschen Firmen in Peru zu sprechen. Ein weiterer Schritt wäre, Klage einzureichen. Bayer hat vorher reagiert. Sie wollen keine Klage. Abhängig von der Schwere erwarten die Firmen hohe Strafzahlungen. Bayer hat Angestellte auf der ganzen Welt, da ist es leicht, dass jemand Klage einreicht. Das hat Alarm bei ihnen ausgelöst. Heinz Glas aber tun so, als würde das Gesetz für sie nicht existieren und als lebten sie im 20. Jahrhundert.
Was wünschen Sie sich als Organisation?
Wir sind nicht gegen die Unternehmen, denn ohne Unternehmen gibt es keine Arbeit, keine Dienstleistungen und keinen Beitrag zur Staatskasse. Aber wir wünschen uns, dass Firmen Arbeitsrechte respektieren, auf die Umwelt und auf Konsument*innen achten. Sie sollen eine ehrliche Beziehung zur Regierung pflegen. Und damit das eintritt, nutzen wir die internationalen Mechanismen, denn die nationalen Instanzen sind beschränkt.
Was motiviert Sie persönlich, José?
José: Bessere Arbeitsbedingungen für unsere Arbeiter*innen zu erreichen, und dass das Gesetz bestehen bleibt.



















