
Die erste Demonstration gegen Gentrifizierung in Mexiko-Stadt fand am 4. Juli statt – ein symbolträchtiges Datum, das mit dem Unabhängigkeitstag der Vereinigten Staaten zusammenfällt. Diese „Gegenfeier“ hatte zum Ziel, das anzuprangern, was als eine US-amerikanische Besetzung wahrgenommen wird: Viele der verdrängten Einheimischen müssen der wachsenden Präsenz von digitalen Nomad*innen und Kreativen – überwiegend aus den USA – weichen. Während der Kundgebung beklagten die Demonstrierenden, dass der Anstieg der Wohnkosten zusammen mit der Zunahme von Immobilien, die über Plattformen wie Airbnb angeboten werden, die Bewohner*innen an den Stadtrand verdrängt habe. Zudem erklärte die Aktivist*innengruppe Frente Anti Gentrificación MX in einer Pressemitteilung vom 5. Juli, dass illegale Zwangsräumungen, organisierte Plünderungen von Wohnungen zur Einschüchterung der Bewohner*innen und nicht genehmigte Änderungen der Bodennutzung gängige Praktiken geworden seien, die darauf abzielen, Leerstand zu schaffen, damit neue Geschäfte oder wohlhabendere Bevölkerungsgruppen einziehen können. Dies habe letztlich eine „Zerstörung des sozialen Gefüges von Städten, Vierteln, Dörfern und Nachbarschaften“ zur Folge und verwehre den Menschen den Zugang zu grundlegenden Menschenrechten. Angesichts dieser Situation hat die Stadtregierung Maßnahmen ergriffen, um die Folgen der Gentrifizierung abzumildern. Zugleich wurden die Proteste jedoch polizeilich gewaltvoll unterdrückt.
Die Wurzeln der starken Gentrifizierung liegen in politischen Maßnahmen von vor einem Jahrzehnt: Mit dem Ziel, die Stadt zu zentralisieren und zu verdichten, gewährte das Gesetz zur Stadtentwicklung des Bundesdistrikts von 2010, vorgeschlagen vom damaligen Regierenden Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, großen privaten Immobilienprojekten bevorzugte Behandlung. Diese Politik wurde unter anderem im Rahmen der ab 2013 geförderten Zonen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (ZODES) umgesetzt, die darauf abzielten, zentrale Viertel wie die Colonia Doctores zu beleben. Die ZODES-Initiativen führten zum Bau von Bürokomplexen; Wohnungen zu Preisen, die für die lokale Bevölkerung unerschwinglich waren, sowie Kulturzentren.
Privatisierung verkleidet als „Aufwertung“
Ein deutliches Beispiel für die Unbeliebtheit der Projekte war der Kulturelle Korridor Chapultepec. Er sah den Bau eines Hochparks über der Avenida Chapultepec vor. Ziel war es, die Straße durch Fußgängerzonen und Grünflächen für Kultur- und Freizeitaktivitäten aufzuwerten. Ein breites Bündnis aus Anwohner*innengruppen und Stadtplaner*innen kritisierte jedoch, dass es sich dabei nicht um einen „kulturellen Korridor“ handele, sondern vielmehr um eine Privatisierung zugunsten der Finanzgruppe Invex. Diese hatte die Konzession für die Nutzung der Fläche ohne öffentliche Ausschreibung für 40 Jahre erhalten.
Der wachsende Druck eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses führte schließlich zu einer öffentlichen Befragung, in der sich 60 Prozent der Teilnehmenden für die Aufhebung des Projekts aussprachen. Infolgedessen wurde das Vorhaben endgültig gestoppt. Viele weitere Privatisierungen durch ZODES-Projekte konnten jedoch nicht aufgehalten werden. Das Interesse an privaten Investitionen, verbunden mit einer regulatorischen Lücke in Bezug auf Kurzzeitvermietungen, legte die Grundlage für die schrittweise Umwandlung von Wohnraum für die lokale Bevölkerung in Ferienwohnungen für Tourist*innen. Immer mehr Wohnungen in attraktiven Wohnvierteln wie Roma, Condesa oder Juárez wurden dem langfristigen Mietmarkt entzogen, um über Plattformen wie Airbnb angeboten zu werden, was die Spekulation zusätzlich verschärft.

In diesem Kontext kam es während der COVID-19-Pandemie zu einer großen Migration von Remote-Arbeiter*innen. Trotz der schon damals steigenden Kosten bot Mexiko-Stadt ein deutlich niedrigeres Lebenshaltungsniveau als die Technologie-Metropolen der USA und Kanadas. 2022 unterzeichnete die damalige Bürgermeisterin und heutige Präsidentin der Republik, Claudia Sheinbaum, ein Abkommen mit Airbnb und der UNESCO, das darauf abzielte, den Tourismus zu fördern und den Immobilienmarkt für digitale Nomad*innen zu öffnen. So erlebten von Gentrifizierung betroffene Viertel wie Roma und Condesa zwischen 2020 und 2023 einen Anstieg der Mieten um 50 bis 100 Prozent. Der somit entstehende demografische Wandel zwang traditionelle Geschäfte, sich anzupassen oder zu verschwinden: tortillerías (Geschäfte für frische Maistortillas), fondas (familiengeführte Restaurants) und Straßenstände wurden durch Spezialitäten-Cafés, Design-Boutiquen und Gourmet-Restaurants ersetzt. Infolgedessen bekamen neue Generationen von Familien, die seit Jahrzehnten in diesen Vierteln verwurzelt waren, Schwierigkeiten, sich dort niederzulassen, und verloren damit ihre familiären, beruflichen und gemeinschaftlichen Bindungen.

So riefen Nachbarschaftskollektive und Aktivistinnengruppen, darunter die Frente Anti Gentrificación MX und die Frente Nacional por las 40 Horas, am 4. Juli zu einer Kundgebung auf, bei der sich Hunderte von Menschen versammelten, um Erfahrungen auszutauschen und von der Regierung Maßnahmen gegen die Gentrifizierung zu fordern. Zu den zentralen Forderungen gehörten die Regulierung von Plattformen wie Airbnb, eine Politik für bezahlbaren Wohnraum, die Kontrolle von Immobilieninvestitionen sowie ein Ende der Verdrängung.
Der angestaute Unmut verwandelte die Kundgebung jedoch in einen Protestmarsch, der vom Monumento a la Revolución in symbolträchtige, von Gentrifizierung geprägte Viertel wie Roma und Condesa zog. Obwohl die Mobilisierung größtenteils friedlich verlief, kam es zu Vorfällen direkter Aktion, bei denen Geschäfte beschädigt wurden, die als Teil des Gentrifizierungsprozesses wahrgenommen werden. Diese Aktionen – darunter das Einschlagen von Fensterscheiben, das Besetzen von Läden und die Zerstörung von Cafés – wurden von nationalen und internationalen Medien breit aufgegriffen, um die Demonstration zu delegitimieren.
Nachbarschaftsorganisationen wehren sich
Konservative nationale Medien konzentrierten sich auf Vandalismus während der Demonstration. Zudem warfen sie den Demonstrierenden Fremdenfeindlichkeit vor und richteten besondere Aufmerksamkeit auf Parolen wie „Gringo, go home“ („Gringo, geh nach Hause“) oder „aquí se habla español“ („Hier wird spanisch gesprochen“). Die Demonstration wurde zum Ziel eines ideologischen Diskurses, der zivilen Ungehorsam häufig mit dem in Mexiko geläufigen Satz „esas no son las formas“ („nicht auf diese Art“) abwertet. Nach Einschätzung von Dinora Arceta, Expertin für Advocacy bei Amnesty International, dient dieser Ausdruck dazu, die öffentliche Debatte abzulenken. Sein eigentlicher Zweck besteht darin, die Demonstrierenden zu diskreditieren und zu stigmatisieren, um eine Auseinandersetzung mit den Ursachen ihrer Unzufriedenheit zu vermeiden.
Dieser mediale Fokus erwies sich als wirksam, um die Aufmerksamkeit von den Forderungen der Demonstrierenden abzulenken und dadurch den Protest zu diskreditieren. Am folgenden Tag betonte Präsidentin Claudia Sheinbaum, dass „Mexiko ein offenes, solidarisches und brüderliches Land“ sei und dass die „rassistischen Haltungen“, die sie den Demonstrierenden vorwarf, nicht zu rechtfertigen seien – auch wenn ihre Forderungen legitim wären. Nach einer weiteren Anti-Gentrifizierungs-Demo am 20. Juli, die direkte Aktionen in Museen und Buchhandlungen einschloss, warf Sheinbaum den Demonstrierenden unmissverständlich vor, sich wie „Faschist*innen und Intolerante“ zu verhalten, und bekräftigte ihre Haltung gegen vermeintliche Diskriminierung von Ausländer*innen.

Trotz der überwiegend negativen Medienberichterstattung ist es den Protesten gegen Gentrifizierung gelungen, breite Teile der Bevölkerung politisch zu mobilisieren. Neben der Demonstration vom 4. Juli in Mexiko-Stadt wurden bereits drei weitere Demonstrationen organisiert, die größtenteils friedlich verliefen. Ergänzend zu den seit langem bestehenden Kämpfen um die Verteidigung des Territoriums sind in verschiedenen Teilen der Republik eigene Initiativen gegen die Gentrifizierung entstanden. In Oaxaca fand beispielsweise am 16. Juli das „Nationale Treffen gegen die Gentrifizierung“ statt, an dem soziale Organisationen und Indigene Gemeinschaften beteiligt waren. Diese Bewegung verortet ihren Widerstand in einem breiteren Kampf gegen Extraktivismus, Ausbeutung und Massentourismus. Die Bewegung in Oaxaca fördert über die Organisierung von Protest hinaus die Schaffung von Reflexionsräumen und Workshops zur Entwicklung kollektiver Strategien. Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel lässt sich in der Stadt Querétaro, im Zentrum von Mexiko finden, wo am 8. August eine Anti-Gentrifizierungs-Demo mit mehr als 200 Teilnehmenden stattfand.
Als Reaktion auf die Widerstandsbewegung stellte die Stadtregierung von Mexiko-Stadt unter der Leitung von Clara Brugada am 16. Juli den Plan „Einheit für eine lebenswerte und bezahlbare Stadt“ vor, dessen Ziel es ist, eine politische Strategie zur Regulierung des Immobilienmarktes zu etablieren. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen die Senkung der Mietpreise, die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum, die Erhöhung von Steuern auf leerstehende Wohnungen, der Schutz lokaler Geschäfte sowie die Erklärung von Mexiko-Stadt zur „Sanctuary City“, in der die Menschenrechte ihrer Bewohner*innen geachtet und Express-Räumungen verboten werden. Die für die Demonstrationen verantwortlichen Aktivist*innengruppen betrachten diese Maßnahmen mit Misstrauen, da der Plan hastig ausgearbeitet wurde – und ohne Beteiligung oder Anhörung der betroffenen Gruppen. Gleichzeitig befindet sich die Anti-Gentrifizierungs-Bewegung in Mexiko-Stadt derzeit in einer Phase der Konsolidierung. Sie versucht, eine organisatorische Struktur aufzubauen, die in der Lage ist, durch Foren und Arbeitsgruppen wie jene in Oaxaca auf die öffentliche Politik einzuwirken.



















