Mexiko die Entscheidung in Argentinien macht Hoffnung, Foto: Producciones y Milagros Agrupación Feminista, Instagram: @produccionesymilagros
Die Reaktionen reichten von Verachtung bis Solidarität, nachdem der argentinische Senat am 30. Dezember vergangenen Jahres der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zustimmte. Während Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die Entscheidung auf Twitter zutiefst bedauerte, feierten Feminist*innen weltweit und insbesondere in Lateinamerika in Solidarität mit den Genoss*innen in Argentinien.
Die hart erkämpfte Entscheidung des Parlaments in Argentinien, Schwangerschaftsabbrüche letztendlich zu legalisieren, wurde in vielen Ländern Lateinamerikas nicht nur in der Kommentarspalte erwähnt, sondern verleiht den bereits geführten Debatten auch andernorts neuen Schwung. „Wenn wir nach Argentinien blicken, gibt uns das Hoffnung“, erklärt Grecia Lozano vom Somos Muchas, einer Plattform die sich in Honduras für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und Zugang zu Informationen rund um das Thema einsetzt. „Es ist ein Zeichen, dass wir nicht alleine sind, wenn wir für reproduktive Gerechtigkeit für Frauen kämpfen.“
Abtreibungen sind seit jeher ein umkämpftes Feld. Mit dem Erstarken rechter und evangelikaler Strömungen in Politik und Gesellschaft ist es in vielen Ländern Lateinamerikas weiterhin für viele Frauen und Mädchen lebensgefährlich, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, weil sie illegal und unter unsicheren Umständen durchgeführt werden muss. In einigen Staaten ist eine Abtreibung schlichtweg verboten, in vielen anderen darf eine Schwangerschaft nur bei lebensgefährlichen Komplikationen oder im Falle einer Vergewaltigung abgebrochen werden. Letztere muss allerdings meist erst gerichtlich anerkannt werden, was eine große Hürde für die Betroffenen darstellt. Zudem findet sexualisierte Gewalt oft im privaten Umfeld statt, in dem dann die Betroffenen dazu gedrängt werden, erst gar keine Anzeige zu erstatten. Landesweit legal sind Abtreibungen nur in Uruguay, Guayana, Französisch-Guayana, Kuba und nun auch in Argentinien.
„Argentinien hat Lateinamerika eine gehörige Lektion erteilt“
Nur einen Tag nach der Zustimmung des Senats in Argentinien erklärte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador, auch AMLO genannt, in Reaktion auf die Entscheidung in Argentinien, dass es an der Zeit wäre, über eine landesweite Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu diskutieren. Teile seiner sozialdemokratisch ausgerichteten Partei Morena thematisierten seit dem Regierungsantritt 2018 gelegentlich eine mögliche Legalisierung. Vor dem Hintergrund, dass AMLO selbst in öffentlichen Ansprachen immer wieder die Einheit der Familie und traditionelle Rollenbilder betont, ist das dennoch eine bemerkenswerte Aussage. In Mexiko ist ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch lediglich in zwei Bundesstaaten legal. Während in Mexiko-Stadt bereits seit 2007 eine Abtreibung straffrei vorgenommen werden kann, gilt dies für den Bundesstaat Oaxaca erst seit 2019. In weiteren Bundesstaaten sind erst vor wenigen Monaten konkrete Gesetzesinitiativen in letzter Instanz gescheitert. Landesweit ist ein Abbruch unter anderem nur dann möglich, wenn das Leben der schwangeren Person in Gefahr ist oder eine Vergewaltigung nachgewiesen werden kann, die zur Befruchtung führte.
Konkret brachte AMLO am 31. Dezember auf Nachfrage bei einer seiner morgendlichen Pressekonferenzen eine Volksabstimmung über die Legalisierung von Abtreibungen ins Gespräch. Die mexikanische Historikerin Karla Motte erklärte in einem Interview, dass in der feministischen Bewegung mit all ihren internen Strömungen über eine Sache Konsens herrsche: „Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung.“ Der Kampf um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist ein zentrales Element dieses Rechts. Während einige, darunter auch Motte, in einer Volksabstimmung die Chance einer breiten öffentlichen Debatte sehen, kritisieren andere wie die Aktivistin Yunitzilim Pedrazo vom Kollektiv Marea Verde Quintana Roo eine Volksabstimmung, da dies suggerieren würde, dass es etwas zu verhandeln gäbe. Rechte müssten aber geschützt und garantiert und nicht verhandelt werden.
So schlägt der Ansatz auch in eine bekannte Kerbe: Andere, nicht Frauen selbst, entscheiden über ihre Körper. Dennoch ist es als Verdienst der feministischen Bewegungen zu sehen, die in Mexiko und Lateinamerika beständig Druck auf Institutionen und Gesellschaft ausüben, dass nun eine landesweite Legalisierung diskutiert wird, auch wenn diese aus feministischer Perspektive längst überfällig ist.
Auch in Honduras hat die argentinische Entscheidung Wellen geschlagen
Auch in Honduras hat die argentinische Entscheidung Wellen geschlagen. Allerdings mit einem fatalen Ausgang für ungewollt schwangere Menschen. In dem zentralamerikanischen Land sind Schwangerschaftsabbrüche in allen Fällen verboten – auch wenn das Leben der schwangeren Person in Gefahr ist. Feministische Kollektive mobilisieren seit Jahren gegen die strenge Gesetzeslage und kämpfen dabei jedoch gegen eine zutiefst konservative und nationalistische Politik, sowie eine gut vernetzte evangelikale Bewegung. Am 21. Januar wurde eine Gesetzesreform verabschiedet, die eine Zustimmung auf eine drei Viertel Mehrheit im Kongress anhebt, um das Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche verbietet, überhaupt ändern zu können. Der Zusatzartikel, den Politiker*innen als „Schutzschild gegen Abtreibung“ bezeichnen, soll zukünftige Gesetzesinitiativen zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen erschweren, und damit konkreten Initiativen hin zu einer Liberalisierung des Gesetzes einen Riegel vorschieben.
Der Abgeordnete der konservativen regierenden Nationalen Partei, Mario Pérez, bezeichnet das Gesetz als eine „Sperre“, die zur Abwehr von gesetzgeberischen Maßnahmen aus Südamerika, insbesondere in Argentinien dienen soll. Der Bezug auf die argentinische Kampagne zeigt, dass sie konservative Politiker*innen in anderen Ländern nervös macht. Die Situation für ungewollt schwangere Menschen in Honduras bleibt damit lebensgefährlich. Und dennoch sind antifeministische Positionen auch als eine Reaktion auf das Streben nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Frauen und Queers zu bewerten. Bei aller Fassungslosigkeit über solch eine Gesetzesreform, darf der Widerstand von Frauen, die sich gegen eine zutiefst patriarchale Gesellschaft stellen, nicht aus dem Blick geraten.