
Davi ist am Boden zerstört. Vor Kurzem noch saß er mit seinen Freund*innen auf dem Platz in seinem Viertel und rauchte einen Joint. Jetzt muss er sich in einer Gerichtsverhandlung gegen den Vorwurf des Drogenhandels verantworten. Mit dabei: Seine Mutter, ein schmieriger Staatsanwalt und ein Polizist, der ihn nicht nur festgenommen, sondern ihm bei der Festnahme auch noch eine größere Menge weiterer Drogen untergejubelt hat. Wird es seine Anwältin schaffen, ihm zumindest eine mildere Strafe herauszuhandeln?
Dies Szene stammt aus der brasilianischen Serie De menor (Minderjährig), von der zwei Folgen im Rahmen der Reihe Generation auf der Berlinale 2025 gezeigt wurden. Regisseurin Caru Alves de Souza hat mit Meu nome é Bagdá schon einmal mit einem Jugendfilm bei Generation den Großen Preis der Jury auf der Berlinale gewonnen. De menor beschäftigt sich mit jugendlichen Straftäter*innen, die aus Leichtsinn oder Unwissen mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind und sich nun vor Gericht verantworten müssen. Dabei sind die Episoden ein Stilmix aus Theater und Film. Jugendliche Schauspieler*innen spielen ihre Rollen auf einer Theaterbühne ohne Zuschauer*innen. Alves de Souza begleitet sie aber nicht nur während ihrer Szenen mit der Kamera, sondern zeigt zwischendurch, wie sie sich auf ihre Auftritte vorbereiten. Auch Rollenwechsel während der Stücke kommen vor. Dazu unterscheiden sich die Episoden stilistisch. Die oben beschriebene Folge mit Davi schlägt einen ernsten Tonfall an, mittels erklärender Einschübe einer Gerichtsdienerin wird das Publikum direkt angesprochen. In der nächsten Folge wird dann ein Raubdelikt verhandelt, allerdings im weit weniger seriösen Setting einer Fernseh-Gerichtsshow. Das artet zeitweise in Klamauk aus, was angesichts des durchaus schwerwiegenden und realistischen Hintergrundes (Anleitung zu Straftaten unter emotionaler Abhängigkeit) trotz des Unterhaltungswertes etwas unangemessen wirkt.
De Menor ist eine gut auf die Zielgruppe zugeschnittene Serie. Es macht Spaß, den jugendlichen Schauspieler*innen, die mit viel Einsatz und großer Spielfreude bei der Sache sind, zuzusehen. Insgesamt wäre trotzdemnoch etwas Luft nach oben gewesen. Die fiktiven Fälle sind eindeutig nicht für Erwachsene, sondern für Jugendliche konzipiert, die das Justizsystem kennenlernen und auf seine Abläufe vorbereitet werden sollen. Da wäre es hilfreich gewesen, Ungerechtigkeiten nicht nur sichtbar zu machen und anzuprangern, sondern klare Handlungsoptionen aufzuzeigen. Wie sollte man einem Polizisten, der vor Gericht offensichtlich lügt, begegnen? Welche Nachteile können entstehen, wenn man vor einer drohenden Festnahme davonläuft? Und kann sich Marceline, die jugendliche Straftäterin aus der zweiten Episode, eventuell mit einem Widerspruch gegen ihr hartes Urteil wehren? Manche Figuren (vor allem die Bösewichte) wirken außerdem etwas arg klischeehaft, um der Relevanz des Themas, die durch Fakten und Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik in den Szenen gut unterstrichen wird, gerecht zu werden. Auf der Berlinale waren allerdings nur zwei Folgen der Serie zu sehen. So bleibt zu hoffen, dass De menor seine guten Ansätze in weiteren Episoden noch etwas präziser verfolgen kann.