„WIR SIND ANTIKAPITALISTEN, WEIL WIR MAPUCHE SIND”

Logo der CAM ein Zeichen des radikalen Widerstands (Foto: Public Domain)

Welche Position vertritt die CAM in ihrem Buch Chem Ka Rakiduam, was ist das grundlegende Ziel dieses Buches?
Es gibt ein Konfrontationsszenario, in dem der Staat die Logik vertritt, wir Mapuche seien der innere Feind. Aus dieser Perspektive heraus geht es ihm um nationale Sicherheit und sogar Aufstandsbekämpfung, wobei es sich ja eigentlich um historisch gerechtfertigte territoriale Rück­for­der­ungen handelt. Wir befinden uns derzeit in einer eskalierenden Situation, in der die politische Gewalt immer weiter zunimmt.

Dieses Thema wollten wir in dem Buch durch eine historische Analyse der Entwicklung unseres Kampfes behandeln, der auf unserer Strategie des Widerstands und des Wiederaufbaus der Mapuche-Gemeinschaft beruht. Dafür haben wir zwei Dinge nachgezeichnet und weiterentwickelt: unseren Prozess der Gedankenkonstruktion, den wir in unserer Sprache, dem Mapudungun, Rakiduam nennen, sowie unsere politische Praxis der direkten Aktion, die wir als die Chem Mapuche bezeichnen.

Der Begriff Chem Ka Rakiduam beschreibt also unsere Kampferfahrung in Bezug auf das Denken und Handeln der CAM als einer autonomistischen und revolutionären Organisation. Im Text haben wir diese Erfahrungen sowohl in politisch-ideologischer als auch praktischer Hinsicht systematisiert. Das zentrale Ziel dieses Buches besteht darin, diese Ideen so weit wie möglich zu verbreiten, nicht nur innerhalb der Mapuche-Bewegung, sondern auch in den Kämpfen anderer Gemeinschaften und all jener, die in ihren jeweiligen Nationen im Bereich der sozialen Gerechtigkeit kämpfen.

Zum einen geht es darum, wie unsere Antwort auf die historische und politische Gewalt des Staates, basierend auf unserem Ansatz und den von uns mobilisierbaren Kräften, aussehen sollte. Wir haben uns vorgenommen, einen Prozess der Mobilisierung von eigenen Kräften der Mapuche anzugehen, was mit der Möglichkeit der Vertreibung der Großgrundbesitzer und Oligarchen aus unseren Territorien zu tun hat. Sie sind schließlich die Träger eines Systems der Aneignung und Plünderung unserer Ressourcen und unseres Lebensraums, sie werden als unsere historischen Feinde definiert.

Das Buch enthält auch einen Vorschlag, um nach Wiedererlangung der Kontrolle über das Territorium einen vollständigen Prozess der Rekonstruktion unserer religiösen und kulturellen Identität durchzuführen, die für das Gerüst unserer Mapuche-Welt von grundlegender Bedeutung ist.

Schließlich geht es um unsere Erfahrung mit dem eigentlichen Widerstand, ausgeführt und ausgedrückt durch die Einheiten, die sich im territorialen Widerstand befinden und dafür verantwortlich sind, ihre Aktionen so auszuführen, dass sie mediale Aufmerksamkeit hervorrufen. Das betrifft zum Beispiel Brandstiftungen, die als Sabotageaktionen hauptsächlich gegen Konzerne durchgeführt werden, die der Plünderung und der extraktivistischen Politik verpflichtet sind. Im Buch gibt es Berichte von solchen Aktionen der Weychafe, das heißt. den Kämpfern.

Warum hat sich die CAM für die legitime Selbstverteidigung entschieden? Weshalb ist kein Dialog mit dem Staat möglich?
Seit der Landnahme infolge der Besetzung des Wallmapu (Eigenbezeichnung der Mapuche für ihr angestammtes Gebiet, Anm. der Red.) gibt es das Phänomen der Invasion des Kapitalismus, als Entwicklungsmodell und als Realität, der täglich unsere Gemeinschaften angreift. In diesem Sinne ist unser Kampf ein Kampf ums Überleben und für den Wiederaufbau eines Gesellschaftstyps, der unserer Meinung nach ein höheres Niveau in Sachen Gleichberechtigung und das Recht auf ein gesundes und faires Leben hat.

Die CAM gründet sich auf den Bedarf unserer Leute an einer hoch entwickelten Kampftruppe. Seit der Gründung des spanischen und dann des chilenischen Staates ist der Status von uns Mapuche als Eigentümer und Beschützer des Wallmapu nie anerkannt worden. Wir befinden uns in einem Staat, dessen Regierungen alle den totalen Ausverkauf und den globalen Handel befürwortet haben, ohne auf das ökologische Gleichgewicht zu achten. Die CAM ist also eine logische Reaktion auf die Plünderung und die Zerstörung unserer Ressourcen.

Wenn es überhaupt Dialogangebote gegeben hat, so haben wir diese als ungeeignet für die Aussöhnung oder als Grundlage für Verhandlungen befunden. Die Politik des chilenischen Staates war immer hinderlich und zugunsten des Kapitals und der legalen und illegalen Landnahme ausgerichtet. Und auch wenn es zwar den Aufruf zum Dialog gibt, so eignen sich die Mapuche-Gemein­schaften mit Ausnahme einiger Gespräche zur Lösung kleinerer Probleme nicht für diesen Zirkus. Aber vom Dialog allein kann man nicht leben.

Die Handlungen des chilenischen und argentinischen Staates gegen die Mapuche-Nation sprechen eine ganz andere Sprache. Wir werden von in Aufstandsbekämpfung geschulten, bewaffneten Polizeieinheiten bedroht und sind heute fest davon überzeugt, dass die Selbstverteidigung die einzige Möglichkeit zu unserem eigenen Schutz ist.

Was bedeutet das unter Pinochet eingeführte Antiterrorgesetz, das heute als Instrument zur Unterdrückung ihres Widerstands eingesetzt wird, für die Mapuche?
Im Rahmen der Reaktion des Staates auf die territorialen und politischen Forderungen der Mapuche-Nation wird unseren Leuten hier praktisch ein Kriegsszenario aufgezwungen. Auf dieser Ebene spielt sich die Militarisierung des Wallmapu ab, mit einer immer stärkeren Kriminalisierung und Repression besonders jener Mapuche, die konsequent unsere historischen Forderungen und die Transformation dieses Rechtsstaates vertreten, dem wir ausgesetzt sind.

Geheimdienstoperationen wie die „Operation Hurrikan“ (siehe LN 521) zeigen zudem, dass der Staat in seinem Handeln gegen die Mapuche-Nation auch nicht vor institutionellen oder rechtlichen Schranken Halt macht, die er eigentlich zu schützen vorgibt. Solche Operationen betrachten wir als unangemessene, unverhältnismäßige Reaktion auf unsere Kämpfe und unseren Widerstand. Außerdem wurden bereits mehrmals militarisierte Sicherheitskräfte wie das „Dschungelkommando” (siehe LN 536) eingesetzt, die in gewisser Weise das Signal von Unterdrückung aussenden, mit der Wirkung eines Völkermords, einer politisch motivierten Ermordung oder einer politisch motivierten Inhaftierung.

Warum hat bis jetzt keine chilenische Regierung dieses Antiterrorgesetz beseitigt?
Ich glaube, das hat mit dem verzweifelten Vorgehen der Regierung und der Behörden zu tun, die sich für ein neoliberales Wirtschaftsmodell einsetzen, in dem extraktivistische Maßnahmen mit Gewalt durchgesetzt werden. Ihre Verzweiflung zwingt sie, solche Fehler zu begehen, die sogar gegen internationale Konventionen verstoßen, worauf auch mehrere Menschenrechtsorganisationen hingewiesen haben, die sich für die Rechte der Ureinwohner einsetzen. Auch die angeblich linksgerichteten Regierungen haben das während der Diktatur durchgesetzte Modell und die Interessen dahinter verteidigt.

Im Oktober 2018 sind Sie nach Spanien und in die Schweiz gereist. Was waren die Ergebnisse dieser Reise?
Zunächst einmal bestand die Idee darin, Raum für eine effektive Anprangerung von Unrecht auszuloten. Später wollen wir so in der Lage sein, zusammen mit anderen Verbündeten im Bereich der Kommunikation und der Menschenrechte Strategien für den Mapuche-Konflikt und gegen den Missbrauch der Justiz in diesem Kontext zu entwickeln. Tatsächlich hat der Kampf gegen die seit langem angeprangerte Kriminalisierung unserer Sache seitens der Justiz bislang nicht genug internationale Unterstützung gefunden. Auch wir Führungskräfte der Mapuche-Bewegung, die stärker in den Prozess des territorialen und politischen Wiederaufbaus involviert waren und aufgrund der politischen Verfolgung und Haft persönlich die Kosten tragen, müssen von den vielen Rechtsverletzungen berichten und Unterstützung und Begleitung suchen.

Wie reagieren die Mapuche-Gemeinschaften auf die fortgesetzte Ausbeutung ihrer Region durch Forst- und Wasserkraftunternehmen?
Während der Diktatur wurde das meiste Land der angestammten Mapuche-Territorien einigen wenigen Wirtschaftsgruppen überlassen, die es heute durch Forstwirtschaft, Wasserkraftwerke und andere Investitionsprozesse ausbeuten und damit die Natur zerstören. Wir haben also eine Konfrontation, in der der Staat einerseits die Interessen der Mächtigen verteidigt, indem er das Gebiet militarisiert und die Sache der Mapuche verfolgt und unterdrückt. Auf der anderen Seite führen wir den Prozess der Rückgewinnung des Territoriums und der Wiederherstellung des politischen, sozialen und ideologischen Gefüges der Mapuche fort. Dabei ist die Rückgewinnung kulturell bedeutsamer, uns heiliger Orte für uns eine Priorität, denn die Verteidigung von Bergen, Flüssen und der Biodiversität gegen die Bedrohung ausbeuterischer, extraktivistischer Politik ist in unserer Kultur und Religion angelegt.

Gibt es also Berührungspunkte zwischen dem Kampf der Mapuche und in den Industrieländern enstandenen, breiten Bewegungen wie Fridays for Future, die sich für den Schutz der Umwelt einsetzen?
Ich kenne diese Organisationen oder ihre Kampf-erfahrungen nicht, aber wenn es da in Bezug auf die Verteidigung der Umwelt etwas gibt, so können wir anfangen, diese Erfahrungen auszutauschen. Unsere Mapuche-Gemeinschaften haben eine enorme Erfahrung in der Verteidigung ihres Territoriums und ihrer Ressourcen. Tatsächlich hat die Sache der Mapuche mit der Wiederherstellung einer Welt zu tun, in der Mensch und Erde eine enge Beziehung haben. Sie hat damit zu tun, dass die Kosmovision der Mapuche stark mit der Natur und ihrem Schutz verbunden ist.

Unsere Organisation und andere konsequente Kämpfer für die Sache der Mapuche sagen, dass wir Antikapitalisten sind, weil wir Mapuche sind. Der Kampf um das Land hat bei unseren Leuten eine hohe Bedeutung, weswegen diese Definition viel Zuspruch bekommen hat. Das Wesen der Mapuche gerät also in einen unauflösbaren Widerspruch zur Vermehrung von Kapital, die heute unser angestammtes Territorium verwüstet und zerstört. Aus diesem Grund gibt es diese starke Konfrontation zwischen dem Kapitalismus und dem Kampf um Land und Autonomie. Entsprechend haben wir in den Forderungen nach unseren Territorien immer betont, dass dieser Kampf ein Kampf um das Überleben der Umwelt in diesem Teil der Welt ist!


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HURRIKAN GEGEN MAPUCHE

Foto: Carpintero Libre (CC BY-SA 2.0) (https://www.flickr.com/photos/sinjefes/29252210044/)

117 Tage verweigerten vier Mapuche-Gefangene die Nahrungsaufnahme, um ihrer Forderung nach einem baldigen und fairen Prozess Nachdruck zu verleihen. Die Brüder Benito, Pablo und Ariel Trangol sowie der Lonko (politische Autorität der Mapuche) Alfredo Tralcal sind wegen Brandstiftung angeklagt und sitzen bereits seit 16 Monaten in Untersuchungshaft. Nach fast vier Monaten Hungerstreik kündigte die Regierung nun einen Kurswechsel im Umgang mit den Inhaftierten an und kommt damit zumindest einer ihrer Forderungen nach: Statt der Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes, einem Relikt aus der Militärdiktatur unter Pinochet, sollen die Häftlinge nach allgemeinem Recht behandelt werden. Benito und Pablo Trangol sowie Alfredo Tralcal entschieden sich daraufhin für die Beendigung ihres „Fastens“. Nur Ariel Trangol verharrte drei weitere Tage streikend, da er, laut seinem Sprecher Cristian Tralcal, den Versprechungen der Regierung vorerst nicht traute.

Mittlerweile befinden sich die vier Häftlinge in einem Krankenhaus in der Nähe Temucos in medizinischer Behandlung durch Ärzte und machis (spirituelle Autorität und Heiler*in). Der Forderung im Kontext des Hungerstreiks, die Untersuchungshaft in Hausarrest umzuwandeln, wurde nicht nachgegangen. Sonia Trangol, Schwester der drei inhaftierten Brüder erklärt, ihr gesundheitlicher Zustand sei immer noch gefährdet. Sie sähe das Einlenken der Regierung nicht als Sieg, denn es habe einen hohen Einsatz gefordert und schwere Schäden bei den Inhaftierten und ihren Familien hinterlassen. Um unparteiisch behandelt zu werden, müssten sie all das über sich ergehen lassen, „nur weil sie Mapuche sind“.

Im Interview mit Radio Universidad de Chile berichten die Inhaftierten über gesundheitliche Probleme während des Hungerstreiks und äußern Kritik an der Regierung. Pablo Trangol betont darin die unzureichende medizinische Behandlung und geht davon aus, dass Informationen über den schlechten Zustand der Häftlinge nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten: „Nachdem ich gewogen wurde, sagten sie öffentlich, ich hätte 16 Kilo abgenommen, obwohl es in Wirklichkeit 20 waren.“

Die Hintergründe der Anklage im „Caso Iglesias“ weisen Ungereimtheiten auf.

Die Hintergründe der Anklage im „Caso Iglesias“ weisen Ungereimtheiten auf. Die Inhaftierten sollen im Juni vergangenen Jahres eine evangelische Kirche in Padre Las Casas nahe der südchilenischen Stadt Temuco angezündet haben. Sprecher Tralcal glaubt jedoch an ihre Unschuld: „Sie wurden 100 Kilometer vom Tatort entfernt festgenommen. Ein Polizist nahm sie nach einer allgemeinen Verkehrskontrolle mit auf die Polizeiwache. Und es gibt Ungereimtheiten bei den Zeugenaussagen. Diesen zufolge hätten die Täter Spanisch gesprochen, dabei ist die Muttersprache der vier Angeklagten Mapudungun. Außerdem sagen die Zeugen, die Täter hätten Waffen bei sich getragen, aber im Auto wurden keine Waffen gefunden. Weil die Zeugen anonym sind, ändern sie ständig die Version.“

Gerade aktuell, etwa einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen, ist der Umgang mit den Mapuche ein Thema von höchster Brisanz und spaltet die politischen Lager. Der ehemalige Präsident und Mitte-rechts-Kandidat Piñera hält das Einlenken der Regierung für ein Zeichen der Schwäche und warnt vor der Verharmlosung des „Terrorismus“. Noch extremer äußerte sich der rechts-unabhängige Kandidat Kast, der in einer TV-Debatte die Mapuche als „Nomadenvolk“ und damit ohne Anspruch auf Land betitelte. Aus den Reihen des Regierungsbündnisses Nueva Mayoría sprechen sich kritische Stimmen indessen gegen den ungerechten Umgang mit den Mapuche und das Anti-Terror-Gesetz aus. Entwicklungsminister Barraza hatte die Präsidentin bereits mehrfach aufgerufen, die Inhaftierten nicht wie Verurteilte zu behandeln. Der derzeit entstehende, rassistische und diskriminierende Diskurs gegen die Mapuche bereite ihm Sorgen. Gegensätzlich zu rechten politischen Kräften erklärte er, im Süden Chiles gebe es zwar durchaus politisch motivierte Gewalttaten und Demonstrationen, aber keinen Terrorismus.

Trotz Kritik aus den eigenen Reihen, startete die Regierung an Tag 109 des Hungerstreiks eine Großrazzia gegen weitere Mapuche-Aktivist*innen. Scheinbar inspiriert von den Naturkatastrophen, die in den vergangenen Wochen in vielen lateinamerikanischen Ländern eine Spur der Verwüstung hinterlassen haben, stürmte die Polizei im Rahmen einer sogenannten „Operation Hurrikan“ mit gepanzerten Fahrzeugen und Maschinengewehren zeitgleich verschiedene indigene Gemeinden, durchsuchte Wohnhäuser und nahm acht Personen fest.
Die Festgenommen sind Aktivist*innen der Mapuche-Organisationen Coordinadora Arauco Malleko (CAM) und Weichan Aukan Mapu sowie Mitglieder der Autonomen Gemeinde Temucuicui, die sich für die Wiederaneignung von Land und Autonomie im Mapuche-Gebiet einsetzen. Ihnen werden die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Brandanschläge auf Lastwagen vorgeworfen. Als einzigen Beweis präsentierte die Staatsanwaltschaft Telefongespräche und Whatsapp-Unterhaltungen, in denen die Beschuldigten angeblich über Attentate, Geld und Waffen sprachen.

Entwicklungsminister Barraza meint, insbesondere die Verhaftung des CAM-Sprechers Héctor Llaitul hätte ohne die mediale „Effekthascherei“ stattfinden können, die seiner Meinung nach Radikalisierung begünstige. Auch Präsidentschaftskandidat Alejandro Guillier von der aktuell regierenden Nueva Mayoría erachtet die unterschiedliche Behandlung gleicher Delikte durch das Anti-Terror-Gesetz als absurd. Er verstehe nicht, „wieso das Anzünden eines Lastwagens in Santiago ein gewöhnliches Verbrechen, in Araukanien aber Terrorismus“ sei.
Seit einigen Jahren erregt die Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes gegen Mapuche auch international Aufsehen. 2013 kam eine unabhängige Untersuchung der Vereinten Nationen zu dem Ergebnis, dass das Gesetz „willkürlich und unklar“ eingesetzt werde. Aktuell appellierten erneut UN-Vertreter*innen sowie die Internationale Liga für Menschenrechte an die chilenische Regierung, das Gesetz nicht gegen weitere Mapuche einzusetzen. Auch Ana Llao, ehemalige Beraterin für Angelegenheiten der Mapuche bei der Indigenenbehörde CONADI, tadelt: „Für die Mapuche-Bevölkerung hat sich die Verfolgung und die Angst aus Zeiten der Diktatur in keinster Weise verändert“.

Viele Aktivist*innen glauben nicht an unabhängige Ermittlungen.

Viele Aktivist*innen glauben nicht an unabhängige Ermittlungen. Pamela Pezoa, Ehefrau des inhaftierten CAM-Sprechers, befürchtet, dass durch die Verhaftung die Ausreise ihres Mannes zu einem Kongress der Vereinten Nationen unterbunden werden solle. Für die Beschuldigten handelt es sich bei der „Operation Hurrikan“ um eine Montage, mit der die Mapuche-Bewegung und ihre Forderungen delegitimiert werden sollen, und um politische Rache an den Anführer*innen der Mapuche-Bewegung für die vielfältigen Aktionen und Proteste in den vergangenen Monaten. Mit Märschen und zahlreichen Besetzungen politischer Institutionen in Santiago und im Süden des Landes zeigten nicht nur Mapuche in den letzten Wochen Solidarität mit den Gefangenen und erhöhten den Druck auf die Regierung.

Neben der Debatte um kostenlose Bildung, um das Rentensystem und eine neue Verfassung ist der Umgang mit den Mapuche zentrales Wahlkampfthema. Die Wahl am 19. November wird den politischen Kurs der nächsten Jahre in dieser Angelegenheit maßgeblich beeinflussen. Nach der Enthüllung der Wahlkampffinanzierung Piñeras durch den Chemiekonzern SQM war nochmal Spannung in den Wahlkampf gekommen. Seine stärksten Konkurrent*innen Guillier und Sánchez hatten in Umfragen zugelegt. Zeitweise lag die Kandidatin des erst im vergangenen Jahr gegründeten Linksbündnisses Frente Amplio sogar auf Platz zwei nach Piñera. Sánchez kündigte an, das Anti-Terror-Gesetz im Falle ihrer Wahl nicht anzuwenden. Aktuelle Umfragen sehen sie jedoch weit abgeschlagen hinter Guillier und Favorit Piñera, der mit 45 Prozent der Stimmen momentan die besten Chancen auf das Amt hat.

Das radikal- und basisdemokratische Bündnis Frente Amplio hat seine Wurzeln in den Studierendenbewegungen und neuen politischen und sozialen Strömungen der letzten Jahre. Es tritt nicht nur als Kraft gegen rechts an, sondern gegen das seit der Diktatur bestehende neoliberale System insgesamt, das vom gesamten politischen Establishment unterstützt wird. Für die chilenische Bevölkerung und die Mapuche wäre eine innovative Politik mit echten politischen Alternativen, die sich von der Vergangenheit distanziert, ein lang benötigter Umbruch.


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