„Strukturelle Veränderungen von der Basis vorangetrieben”

Du bist nun seit einigen Monaten im Exil in Spanien. Warum bist du ins Exil gegangen?

Gemeinsam mit meinem Sohn sind wir in einem Schutzprogramm für Menschenrechtsverteidiger*innen, um für eine gewisse Zeit unsere Heimat zu verlassen. Im März 2022 wurde mein Partner, José Miller Correa, ermordet. Er war eine wichtige politische Autorität in der indigenen Autonomie und hatte verschiedene politische Posten inne. Seine Ermordung hatte schlimme Folgen für uns als Familie, aber auch für unsere gesamte Gemeinschaft, aufgrund der Verantwortung, die er für die Gemeinschaft getragen hatte. Wir mussten unsere Heimat verlassen und wollten aus dem Exil für Gerechtigkeit und Aufklärung kämpfen.

Wenn man aus solchen Gründen die Heimat verlassen muss, ist das extrem schwierig. Ganz anders, als wenn man ins Ausland geht, um zu studieren, zu arbeiten oder einen Austausch zu machen. Trotzdem habe ich hier viel gelernt und konnte Kollektive kennenlernen, die Verbündete sind und mit denen wir gemeinsam auf die Situation im Cauca aufmerksam machen und uns für die Aufklärung des Mordes an Miller einsetzen. Es ist aber auch wichtig, im Blick zu haben, dass er nicht die einzige Person von uns ist, die ermordet worden ist, sondern einer von vielen. In keinem dieser Fälle hat es wirklich Aufklärung und Gerechtigkeit gegeben. Deswegen geht es darum, einen Schritt in Richtung Ende der Straflosigkeit zu machen und dafür zu sorgen, dass sich diese Gewalt nicht fortsetzt.

Darüber habe ich hier viel gelernt und hoffe, dieses Wissen bei der Rückkehr in meine Heimat mit anderen zu teilen. Zudem bin ich dankbar für die Ruhe, mit der mein Sohn und ich hier leben und diese schwierige Zeit gemeinsam durchstehen konnten.

Wie ist der aktuelle Stand bei der Aufklärung des Mordes an José Miller Correa?

Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft in Popayán, Cauca. Unser Eindruck als Familie ist, dass es kaum Fortschritte gegeben hat. Wir erhalten kaum Informationen darüber, welche Schritte die Ermittlungsbehörden unternehmen.

Es gab zwei Festnahmen, aber die verdächtigten Personen sind erst einmal wieder frei, auch wenn wohl weiter gegen sie ermittelt wird. Zwei Jahre später ist der Mord immer noch unaufgeklärt. Dazu kommen einige Unregelmäßigkeiten, zum Beispiel wurde die zuständige Staatsanwältin zwischenzeitlich ausgetauscht. Darüber wurden wir als Familie auch nicht informiert.

Wir fordern, dass die Ermittlung an eine spezialisierte Staatsanwaltschaft auf nationaler Ebene übergeben wird, die dafür gegründet wurde, Morde an Aktivist*innen aufzuklären. Die Behörden im Cauca erwecken kaum Vertrauen und nur mit viel Druck aus der Bewegung und aus dem Ausland scheint sich überhaupt etwas zu bewegen.

Der Mord an Miller ist Teil einer sich seit Jahren intensivierenden Gewalt gegen die indigene Bewegung im Cauca. Wie würdest du den heutigen Moment, den aktuellen Zustand der Bewegung beschreiben?

Es ist ein sehr schwieriger Moment für den indigenen Autonomieprozess im Cauca. Die Mayores, die Älteren, erzählen, dass der Kampf der indigenen Bewegung nie einfach gewesen ist und immer viele Leben gekostet hat. Es gab immer wieder Phasen in der 500-jährigen Geschichte des Widerstands, in der die Repression und Gewalt besonders heftig waren und ich glaube, jetzt gerade erlebt die indigene Bewegung wieder eine solche Phase.

Im Prinzip haben sich die Verhältnisse nach dem Friedensvertrag mit den FARC 2016 nicht wesentlich verändert. Mit immenser Gewalt versuchen legale und illegale bewaffnete Gruppen bestimmte Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen, um die dortigen Ressourcen ausbeuten zu können. Diese Gewalt richtet sich aber eben auch gegen die indigene Bewegung, die – im Gegensatz zu den bewaffneten Gruppen – die Natur nicht als eine Ware, als Teil eines Marktes, betrachtet.

Für uns ist die Natur eine Mutter, ein großes Zuhause, letztlich der Existenzgrund unserer Gemeinschaften. Wir sollten sie schützen und gegen extraktivistische Politik verteidigen, gegen jede Gier – sei es von Einzelpersonen, von Firmen oder von staatlicher Politik.

Wegen unserer Haltung sind wir mit einer alltäglichen Gewalt diverser bewaffneter Gruppen konfrontiert, mit Zwangsrekrutierungen, Bedrohun­gen oder der Ermordung unserer traditionellen Autoritäten, Aktivist*innen, Mitgliedern der Guardia Indígena oder Menschen, die eine wichtige spirituelle Rolle innehaben. Die Zwangsrekrutierung von Jugendlichen ist besonders gefährlich, weil sie auf unsere Zukunft zielt. Sie sind es, die unseren Kampf und Widerstand in Zukunft weiterführen müssten.
Was mich sehr besorgt ist, dass kaum Alternativen greifbar sind, die etwas an diesen gewaltvollen Strukturen ändern könnten. Wir haben viel versucht, interne Dialoge und Debatten geführt, unsere Autonomie und unsere Selbstverwaltung verstärkt. Das hat letztlich zu noch mehr Gewalt gegen unsere Führungspersönlichkeiten geführt.

Du sprichst – aus der Perspektive der indigenen Gemeinschaft – von internen und externen Gründen für die Gewalt.

Ja, ich glaube, das sind im Prinzip externe Faktoren, die mittlerweile zu internen Problemen geworden sind. Zum Beispiel die Denkweise, dass die Reichtümer der Mutter Erde ausgebeutet werden sollten. Dass das Gute Leben sich lediglich durch wirtschaftliche Aspekte auszeichnet.

Diese Denkweise wurde von außen in die Gemeinden getragen und einige Leute verlieren damit unsere eigenen Prinzipien. Dabei spielt natürlich eine große Rolle, dass unsere Gemeinden kaum eigenes Land zur Selbstversorgung haben und es somit eigentlich keine Existenzgarantie gibt, wie unsere Älteren sagen. Die Familien wachsen, aber das verfügbare Land nicht. Dass noch nicht einmal Grundbedürfnisse befriedigt werden können, sorgt für Unruhe in der Gemeinschaft. Der Anbau von Koka oder Marihuana oder die Verwicklung in den Drogenhandel erscheint dann als ökonomische Alternative. Das ist aber keine Lösung, sondern schafft viele Probleme.

Neben der Gewalt der bewaffneten Gruppen sorgt so auch der Drogenkonsum, Alkoholismus, der Besitz von Waffen und interfamiliäre Gewalt zum Verlust unserer Werte. Das ist eine Folge von Extraktivismus, ob Goldbergbau im Cauca, der Bau von Staudämmen, die Monokulturforstwirtschaft mit Kiefern und Eukalyptus oder Zuckerrohrplantagen. Die Umweltverschmutzung, die Konzentration von Land in den Händen einiger Weniger und die ökonomische Abhängigkeit der anderen, all das dringt mit großer Gewalt in indigene Territorien ein.

Nun gibt es seit einem Jahr in Kolumbien eine progressive Regierung, die sich kritisch gegenüber dem Extraktivismus positioniert. Sie hat ihre Wurzeln in den sozialen Bewegungen, die entscheidenden Anteil am Wahlerfolg hatten. Auch die indigene Bewegung unterstützte sie. Wie ist aktuell das Verhältnis zur neuen Regierung?

Ein großer Teil der indigenen Bewegung unterstützt die Regierung von Gustavo Petro. Wir sind jetzt stärker eingebunden in den Institutionen, auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder auf nationaler Ebene. Wir haben eigene Kandidat*innen im Regierungsbündnis Pacto Histórico aufgestellt, um so als indigene Bewegung auch diese Räume zu besetzen, in denen Entscheidungen getroffen werden.

Wir stehen der Regierung sicher näher als allen vorherigen. Trotzdem hat es bisher noch keine strukturellen Veränderungen gegeben. Vielleicht ist es auch noch zu früh dafür. Im ersten Jahr hat die Regierung von Gustavo Petro wichtige Reformen angestoßen, aber vieles scheitert im Kongress, wo sie keine Mehrheit hat. Wir sehen die Bemühungen der Regierung, aber wir wissen auch, dass es sehr schwierig ist, in vier Jahren eine lange Geschichte des Kriegs, der Ungleichheit zu überwinden. Unsere Lehre daraus ist, dass die strukturellen Veränderungen von der Basis vorangetrieben werden müssen und die Selbstorganisation im Lokalen gestärkt werden muss. Dort liegt die Macht des Volkes.

Du berichtest von vielen Problemen, Gewalt und Trauer. Was macht dir in diesem Moment Hoffnung?

Was wir uns immer erhalten haben, ist unsere Bereitschaft zu kämpfen, das Leben zu verteidigen, obwohl um uns herum viele Tode gestorben werden. Eine der Formen unseres Kampfes, die Hoffnung macht, ist die Guardia Indígena, die Organisationen von Jugendlichen, von Frauen, im Gesundheitsbereich, unser eigenes Bildungssystem, unsere eigenen Medien und die Stärkung unserer kulturellen Identität, das Wiederbeleben unserer Sprache und die Liberación de la Madre Tierra (dt.: Befreiung der Mutter Erde) als ein Prozess der Selbstorganisation, der sich wieder auf den Ursprung der Bewegung besinnt und Landbesetzungen initiiert.

Auch unser traditionelles Wissen und unsere Spiritualität geben uns Hoffnung. Wir indigenen Völker waren trotz der Repression immer widerständig, im Kampf für die Würde und wir ziehen unsere Kraft aus der Mutter Erde.

,,Die Demobilisierung der Kämpfer*innen ist zweitrangig”

Etwas mehr als ein Jahr ist die links-progressive Regierung von Gustavo Petro an der Macht. Eines ihrer großen Ziele ist das Erreichen eines umfassenden Friedens im Land. Wie nah ist die Regierung diesem Ziel?

Nun ja, auch wenn das das Ziel ist, hängt es nicht nur von der Regierung ab. Es gibt verschiedene Herausforderungen, wie die Vielzahl an illegalen bewaffneten Gruppen, mit denen sich die Regierung einigen müsste. Man könnte sie in drei verschiedene Kategorien einteilen: zum einen kleinere kriminelle Gruppen, die vor allem im urbanen Raum aktiv sind, oft im Dienste mächtigerer wirtschaftlicher oder politischer Interessen und mit Verbindungen zu Drogenkartellen oder Paramilitärs. Diese Paramilitärs, die zweite Gruppe, treten unter verschiedensten Namen auf. Seit dem Friedensvertrag mit der rechten Regierung Uribe versuchen sie, sich zu modernisieren. Die Grenzen zwischen Drogenkartellen und Paramilitärs verschwimmen dabei. Sie können aber nicht ohne die Unterstützung oder Billigung staatlicher Kräfte aus dem zivilen, militärischen oder polizeilichen Bereich agieren. Sie haben ein ökonomisches Interesse und sind gegen all das, was einen politischen oder wirtschaftlichen Wandel in Kolumbien bedeuten würde. Sie verfolgen und töten Aktivist*innen aus den sozialen Bewegungen.

Zuletzt gibt es die Guerillas mit drei großen Gruppen: die Segunda Marquetalia und der Estado Mayor Central – beide bestehen aus ehemaligen Kämpfern der FARC-Guerillas, die sich wiederbewaffnet haben – und die „Nationale Befreiungsarmee“ (ELN). Die Verhandlungen mit der ELN sind gut vorangekommen. Es gibt auch erste Vorbereitungen für Friedensverhandlungen mit Delegierten des Estado Mayor Central und der Segunda Marquetalia. Mit einigen regionalen kriminellen Kleingruppen gibt es Kontakte von Seiten der Regierung, insbesondere in Medellín und Buenaventura. Mit den Paramilitärs wiederum gibt es bisher kaum Fortschritte.

Es ist also wegen der Komplexität der Verhandlungen mit unterschiedlichen Gruppen nicht so einfach, das Versprechen für einen totalen Frieden einzuhalten. Außerdem ist der umfassende Frieden ein Projekt der Regierung, aber nicht des gesamten Staates. Einige staatliche Sektoren haben kein Interesse am Friedensprozess. Das sind zum Beispiel korrupte Teile der Polizei und des Militärs, für die die kriminellen Banden Einnahmequellen sind, die bei einem Friedensabkommen versiegen. Dazu kommt eine seit Jahrzehnten dominierende Militärdoktrin, die die Bekämpfung des inneren Feindes – also die Guerillas und alle Andersdenkenden – als Hauptaufgabe des kolumbianischen Militärs sieht. Die Paramilitärs sind hierbei Verbündete. Dem Militär fällt es schwer, sich einer Friedensperspektive zu öffnen.

Sie beraten die ELN bei ihren Friedensverhandlungen mit der Regierung. Was ist hier der aktuelle Stand?

Seit dem 3. August gilt ein Waffenstillstand zwischen der Regierung und ELN. Grundlage für diese Einigung war das Abkommen von Mexiko, bei dem die zentrale Agenda für den weiteren Dialog festgelegt wurde. Sie besteht aus sechs Punkten: Zuerst kommt die Frage nach der Beteiligung der Zivilgesellschaft. Der zweite Punkt sind die politischen Veränderungen und Reformen, die von einer organisierten Zivilgesellschaft erarbeitet werden. Der dritte Punkt legt seinen Fokus auf die sozialen und ökologischen Reformen, die für einen nachhaltigen Frieden notwendig sind, darunter fällt auch eine Reform der Militärdoktrin. Der vierte Punkt soll Gerechtigkeit für die Opfer des bewaffneten Konflikts schaffen. Der fünfte Punkt ist das Abgeben der Waffen und der sechste Punkt der Plan zur Implementierung des Friedensvertrags.

Für die ELN war immer wichtig, dass es nicht nur Verhandlungen mit der Regierung, sondern auch mit der Zivilgesellschaft gibt. Doch wie soll deren Beteiligung konkret aussehen?

Es wird ein Komitee gebildet, in dem 81 Personen die Zivilgesellschaft repräsentieren sollen. Für eine wirkliche Repräsentanz müsste das Komitee aber viel größer sein. Die Regierung und ELN legten fest, welche Gruppen im Komitee vertreten sind. Dabei gingen sie davon aus, dass marginalisierte Sektoren in Kolumbien sich bisher kaum in einem fairen Maße politisch beteiligen oder aufgrund von Unterdrückung und Verfolgung nicht frei äußern konnten. Dem steht ein Sektor gegenüber, der den wirtschaftlichen und politischen Eliten historisch näher steht und dadurch stets stark an politischen Entscheidungen in Kolumbien beteiligt war. Dieses Ungleichgewicht soll sich nicht wiederholen, weshalb 80 Prozent der Vertreter*innen aus marginalisierten Gruppen stammen, wie Bauern, Indigene, Afrokolumbianer*innen, Studierende, Kinder und Jugendliche. Nur 20 Prozent, wie rechte Thinktanks oder Wirtschaftsverbände, gehören zu privilegierten Teilen der Gesellschaft.

Anfang August nahm das Komitee seine Arbeit auf. Was genau ist seine Aufgabe?

Das Komitee soll in den nächsten sechs Monaten einen Plan erarbeiten, wie genau sich die Zivilgesellschaft beim zukünftigen Friedensprozess beteiligt. Es geht noch nicht um die Erarbeitung von politischen Reformvorschlägen. Stattdessen soll es Gesprächsrunden und Workshops auf nationaler Ebene mit marginalisierten Gemeinschaften, wie zum Beispiel LGBTQ+, geben. Auf regionalen Treffen soll sichergestellt werden, dass auch die Menschen in den ländlichen Regionen an der Ausarbeitung dieses Beteiligungsplans mitwirken können.

Wenn es irgendeinen weiteren Sektor gibt, der nicht im Komitee vertreten ist, aber eine Veranstaltung oder ein Treffen mit dem Komitee organisieren will, dann ist das möglich. Es soll auch noch eine weitere Anlaufstelle geben, an die sich Menschen individuell, auch virtuell, wenden können und um Vorschläge einzubringen. Das ist eine ziemlich große Aufgabe in ziemlich kurzer Zeit, denn ab Januar werden weitere Punkte bearbeitet: Welche Veränderungen auf demokratischer und wirtschaftlicher Ebene muss es geben? Ausgehend von dem Beteiligungsmodell entsteht dann die inhaltliche Agenda für den Friedensprozess bis Mai 2025. Die sozialen Allianzen sollen das Rückgrat dieses Friedensprozesses sein und ihn an den Wahlurnen, auf der Straße und vor Gericht verteidigen. Die ELN will die Waffen erst dann abgeben, wenn sichergestellt ist, dass all diese Punkte auch umgesetzt werden.

Das klingt, als habe die ELN aus dem – zumindest teilweisen – Scheitern des Friedensprozesses mit den FARC gelernt?

Nur auf die FARC zu schauen, wäre zu kurz gegriffen. Die ELN hat sich auch die früheren Friedensprozesse, zum Beispiel mit den Guerillas der M19 oder dem „Volksbefreiungsheer“ (EPL) angeschaut und es wurde klar, dass der Konflikt nicht nur als militärischer, sondern auch als sozialer und politischer verstanden werden muss.

Die ELN hat analysiert, dass die Friedensprozesse, nicht nur in Kolumbien, sondern weltweit, den Fokus auf die Entwaffnung gelegt haben. Sie haben versucht, die Symptome, aber nicht die Krankheit anzugehen. Deswegen sagt die ELN: Wir müssen uns um die Armut und ihre Ursachen kümmern, um die Gründe für Exklusion und Marginalisierung. Die Demobilisierung der Kämpfer*innen ist zweitrangig.

Eine weitere Beobachtung: Viele der Gruppen, die die Waffen abgeben, gründen danach eine Partei und erhalten einige Sitze im Parlament. Die ELN sagt, dass sie kein Interesse an Sitzen im Parlament hat, sondern an strukturellen Veränderungen wie die der Militärdoktrin oder auf politischer oder umweltlicher Ebene.

Und es sollten nicht nur Verhandlungen zwischen der Regierung und einer bewaffneten Gruppe sein, sondern die Bevölkerung muss direkt beteiligt werden. Sonst passiert wieder das, was wir schon öfter gesehen haben: Es werden Dinge vereinbart, die Gruppe gibt ihre Waffen ab und niemand kümmert sich mehr darum, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden.

Nun gab es in Chile einen verfassungsgebenden Prozess, der auch stark auf die Beteiligung marginalisierter Bevölkerungsgruppen gesetzt hat. Dann scheiterte er allerdings beim Referendum. Ist nicht davon auszugehen, dass in Kolumbien das Gleiche passieren könnte?

Es soll zunächst kein Referendum geben. Bei uns gibt es einen anderen Kontext als in Chile. Hier wird nicht auf Wahlen gesetzt, weil wir wissen, wie viel Korruption es bei Wahlen in Kolumbien gibt. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass die Rechte hier nicht die gleiche ist wie die in Chile. Es gibt hier einen Teil der Rechten, der sogar Interesse an einem Friedensprozess hat, weil sich daraus auch neue Profitmöglichkeiten ergeben. In allen Verhandlungen mit Guerillas sitzt auch ein Vertreter von Unternehmensverbänden mit am Tisch. Bei der ELN ist das der Präsident eines großen Verbandes im Sektor der Großgrundbesitzer und Rinderzüchter José Félix Lafaurie, der sich bisher positiv über die Verhandlungen äußert. Auch im Beteiligungskomitee sind Teile der Rechten vertreten.

Über die ELN wird oft gesagt, dass sie nicht besonders hierarchisch organisiert ist, sondern eine eher horizontale Struktur mit größerer Unabhängigkeit einiger Kommandanten hat. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil für einen solchen Friedensprozess?

Als Berater der ELN bei den Friedensverhandlungen kann ich sagen: Die Entscheidung zu verhandeln, wird von der gesamten ELN getragen. Die ELN-Delegation berät sich intern auf verschiedenen Ebenen. Wenn wir an eine Guerilla denken, dann oft an eine militärische Organisation. Dabei vergessen wir manchmal das starke politische Selbstverständnis. Die ELN, die sich nach dem kubanischen Modell organisiert hat, versteht sich als bewaffnete politische Partei, die nicht nur ein bewaffneter Arm ist, sondern selbst Politik macht. Nicht über das Wahlsystem, aber als Machtpolitik in der Gesellschaft. Es entsteht nach außen für viele der Eindruck, dass die ELN keine geschlossene Gruppe ist und dass es schwierig wird, mit ihnen zu verhandeln. Ich sehe die ELN als eine Gruppe, die viel intern debattiert, mit einer inneren demokratischen Struktur, in der alles im Konsens entschieden wird. Ich glaube, dass das positiv für die Zukunft der Verhandlungen ist.

Petro setzt auf die Straße

Nationaler Entwicklungsplan vorgestellt Präsident Gustavo Petro auf der Plaza Núñez in Bogotá (Foto: Departamento Naional de Planeación via Flickr , CC BY 2.0)

Das hollywoodreife Happy End der Rettung von vier indigenen Kindern kam für Kolumbiens Präsidenten Gustavo Petro wie gerufen. Anfang Juni wurden die Vermissten im Amazonasregenwald nach der intensiven Suchaktion „Operation Hoffnung“ gefunden, äußerlich unverletzt. 40 Tage zuvor, am 1. Mai, war die Propellermaschine abgestürzt, in der sie sich in Begleitung ihrer Mutter befanden. Die Geschwister – ein Junge und drei Mädchen im Alter von einem bis 13 Jahren – überlebten als einzige Passagiere inmitten des fast undurchdringlichen Dschungels. Petro, der die gute Nachricht per Twitter verkündete, erklärte euphorisch gegenüber der Presse: „Heute haben wir einen magischen Tag erlebt, voller Freude.“ Die Geretteten bezeichnete er als „Kinder Kolumbiens“.

Die Rettung ist für den Präsidenten eine der wenigen Erfolgsmeldungen der vergangenen Wochen. Seine Regierung befindet sich nach etwas weniger als einem Jahr im Amt in einer Krise. Dies wird besonders an den stockenden Reformvorhaben deutlich. Weder das Gesundheits- noch das Rentensystem konnten bisher verändert werden. Ebenso wenig geht es bei der Arbeitsreform voran, deren vorläufiges Scheitern Petro am 20. Juni per Twitter als „sehr ernst“ bezeichnete. Die Ablehnung durch das Parlament zeige, „dass der Wille zum Frieden und Sozialpakt bei den Mächtigen in der Wirtschaft nicht vorhanden ist. Die Kapitaleigner und die Medien haben es geschafft, den Kongress gegen die Würde der arbeitenden Bevölkerung in Stellung zu bringen.“

Petro hatte sein Amt im August des vergangenen Jahres mit großen Plänen angetreten. Laut Wahlprogramm will seine Regierung soziale Ungerechtigkeiten, Rassismus und andere Diskriminierungsformen bekämpfen, das Gesundheits-, Bildungs- und Rentensystem verbessern, die Umwelt schützen und aus der Förderung fossiler Energieträger aussteigen. Zudem soll dem vom jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt gebeutelten Land endlich zu Frieden verholfen werden. Um das weitreichende Programm anzugehen, schmiedete Petros Parteienbündnis Pacto Histórico eine Koalition, der auch Vertreterinnen der sogenannten Mitte und Konservative angehörten. Der Pacto Histórico selbst verfügt nur über rund 25 Prozent der Sitze im Parlament.

Doch lange hielt die Regierungskoalition nicht. Ende April kündigte Petro das Bündnis auf, nachdem der Streit um die geplante Gesundheitsreform eskaliert war. Umsetzen konnte die Linksregierung bis dahin vor allem zwei große Vorhaben: Im November des vergangenen Jahres stimmte das Parlament der Steuerreform zu. Laut dem damaligen Finanzminister José Antonio Ocampo ist diese die „progressivsten Steuerreform der Geschichte Kolumbiens“. Die Neuregelung sieht unter anderem eine stärkere Besteuerung Vermögender und von Konzernen, die fossile Brennstoffe fördern, vor. Sie erzeugte heftigen Widerstand, der bis heute in Form von Verfassungsklagen anhält. Ebenfalls im November 2022 schuf die Legislative mit dem „Gesetz für den totalen Frieden“ die Basis für weitreichende Friedensverhandlungen mit unterschiedlichsten bewaffneten Akteuren im Land.

Dass Petro die Regierungskoalition platzen ließ, wurde von Beobachterinnen gemeinhin als „Radikalisierung“ des Präsidenten interpretiert. Statt Kompromisse zu suchen, wolle Petro zukünftig mit ihm politisch Nahestehenden regieren, hieß es. Die spanische Tageszeitung El País schrieb am 26. Juni, also zwei Monate nach Beendigung der Koalition, der Staatschef habe seinen Diskurs „radikalisiert“, „die Linke“ ins Kabinett geholt und „die Basis mobilisiert“, während er zu Beginn seiner Amtszeit noch „versöhnlich“ auf Verhandlungen gesetzt habe. Tatsächlich tauschte Petro gleich sieben Ministerinnen aus. Die neu nominierten Ressortchefinnen gelten als Vertraute des Präsidenten. Begleitet wurden die Veränderungen im Kabinett von Appellen Petros an die Basis, ab sofort verstärkt die Unterstützung seiner Regierung zu mobilisieren. Er erklärte, seine Regierung werde die „sozialen Reformen des Wandels“ durchsetzen. Dafür sei unter anderem eine Bauernbewegung notwendig, „die sich in Würde erhebt“.

In Kolumbien wird immer deutlicher, dass die Regierungsmacht nicht automatisch bedeutet, auch über die Macht im Land zu verfügen. Von Beginn an war Petro den Angriffen der Rechten ausgesetzt, die diese mittlerweile verstärkt hat. Seit Ende Mai warnt der Präsident vor der Möglichkeit eines „sanften Putsches“ gegen ihn. Auch fast 400 internationale Politikerinnen und Intellektuelle unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie vor der Gefahr eines Staatsstreichs in Kolumbien warnen. In dem Anfang Juni veröffentlichten und von der „Progressiven Internationale“ initiierten Schreiben heißt es: „Die traditionellen Mächte des Landes setzen die geballte institutionelle Macht der Regulierungsbehörden, der Medienkonglomerate und der Justiz des Landes ein, um die Reformen (der Regierung Petro, Anm. d. Red.) zu stoppen, ihre Unterstützenden einzuschüchtern, ihre Führung zu stürzen und ihr Image auf der internationalen Bühne zu diffamieren.“

Den Kräften hinter den Angriffen gehe es darum, „eine Ordnung wiederherzustellen, die von extremer Ungleichheit, Umweltzerstörung und staatlich geförderter Gewalt geprägt ist“, heißt es weiter in dem offenen Brief. Konkret werden das Büro der Generalinspektion unter der Leitung von Margarita Cabello und die Generalstaatsanwaltschaft unter der Leitung von Francisco Barbosa genannt, die „aktiv Mitglieder des Pacto Histórico ins Visier“ nähmen. Derzeit laufen mehrere Verfahren gegen Politikerinnen des Pacto Histórico, zum Beispiel gegen den Senator Wilson Arias. Cabello, Justizministerin unter dem rechten Expräsidenten Iván Duque, versucht Arias aus dem Senat zu entfernen. Sie wirft ihm vor, der Senator habe sich während der Protestwelle 2021 gegen Polizeigewalt ausgesprochen.

Juristische Angriffe und mediale Schmutzkampagne gegen Petro

Begleitet werden diese juristischen Angriffe von einer Schmutzkampagne gegen die Regierung, bei der die Medien eine fundamentale Rolle spielen. Besonders aktiv ist die weit nach rechts abgedriftete Wochenzeitschrift Semana, die (vermeintliche) Skandale direkt konstruiert. Andere Themen wie kompromittierende Aussagen ehemaliger Paramilitärs über Verstrickungen des Staates in schwerste Menschenrechtsverletzungen, die Reformpläne der Regierung oder die Friedensverhandlungen mit der größten noch aktiven Guerillaorganisation „Nationale Befreiungsbewegung“ (ELN) werden hingegen unterschlagen. Auf die Kritik Petros an der diffamierenden Berichterstattung reagieren Vertreterinnen rechter Medien mit lautem Gezeter, die Pressefreiheit sei in Gefahr. Angesichts der fehlenden Durchsetzungsfähigkeit im Parlament versuchen Petro und sein Pacto Histórico auf der einen Seite, Verbündete für einzelne Vorhaben in anderen Parteien zu gewinnen. Auf der anderen Seite setzen sie wegen der zunehmenden Angriffe von Rechts auf die Unterstützung der Straße. Am 7. Juni rief der Präsident zu Massendemonstrationen „zur Verteidigung des Reformkurses“ der Regierung auf. Gegenüber dem Fernsehen erklärte er, der Kongress solle wissen, „dass die vorgelegten Reformen keine Laune des Präsidenten der Republik sind, sondern die Wünsche und der Lebenswille des gesamten kolumbianischen Volkes“. Zudem rief er die Bevölkerung dazu auf, „Volksversammlungen“ (asambleas populares) einzuberufen um die Regierungsvorhaben zu diskutieren – ein Vorschlag, der von der rechten Presse in antikommunistischer Manier als „radikal“ diffamiert wurde.

Gerade die Friedensverhandlungen mit der ELN könnten der Regierung die Möglichkeit bieten, ihre Verankerung in der Gesellschaft zu stärken. Am 9. Juni unterzeichneten Petro und Vertreter nnen der Guerilla in der kubanischen Hauptstadt Havanna einen sechsmonatigen bilateralen Waffenstillstand – wodurch sich der Präsident dazu hinreißen ließ, ein Ende des bewaffneten Konflikts für das Jahr 2025 zu prophezeien. Obwohl der Waffenstillstand offiziell erst am 3. August in Kraft treten sollte, kündigten sowohl das Zentralkommando der Guerilla als auch die Regierung an, bereits ab dem 6. Juli auf offensive Aktionen zu verzichten. Mehrere militärische Scharmützel zwischen ELN und kolumbianischen Streitkräften Ende Juni und Anfang Juli zeigen jedoch, dass die bilaterale Waffenruhe kein Selbstläufer werden wird. Am 10. August sollen die Friedensverhandlungen in der venezolanischen Hauptstadt Caracas mit der vierten Runde fortgesetzt werden.

Deutlich weniger Beachtung in der Presse fand das ebenfalls am 6. Juni unterzeichnete Abkommen über die Beteiligung der kolumbianischen Zivilgesellschaft an den Verhandlungen, was besonders der Guerilla im Friedensprozess von Beginn an ein zentrales Anliegen war. Die Übereinkunft sieht vor, dass am 25. Juli ein Nationales Komitee für die zivilgesellschaftliche Beteiligung einberufen wird, das aus Vertreter*innen ethnischer Gruppen, Gewerkschaften, sozialer Bewegungen und anderer Organisationen und Institutionen besteht. Es soll Vorschläge aus der Bevölkerung sammeln und systematisieren, um diese anschließend in die Verhandlungen einbringen. Ziel ist es, „die Ursache für den politischen, sozialen, ökologischen und bewaffneten Konflikt zu identifizieren und zu untersuchen, um umfassende Lösungen zu formulieren“. Nimmt die Regierung diese Vorschläge ernst, könnte die Unterstützung durch soziale Bewegungen weiter wachsen. Angesichts fehlender parlamentarischer Mehrheiten braucht sie diese in Zukunft noch mehr.

„PETRO WILL DAS LAND AUFRICHTEN“

Ist der Friedensprozess in Kolumbien, den die seit dem 7. August amtierende Regierung von Gustavo Petro und Francia Márquez auf den Weg gebracht hat, schon in San José de Apartadó angekommen?
Leider nein. Auf dem Land üben die Paramilitärs, wie unter Petros Vorgänger Iván Duque, weiter die Kontrolle aus. Es ist ein raffinierter und moderner Paramilitarismus, der von Unternehmen eingesetzt wird, um Gebiete zu übernehmen, aber auch von lokalen Regierungen. Dort wird weiter eine Politik zu Gunsten der Unternehmer und Großgrundbesitzer ausgeübt – sie dient nicht dem Allgemeinwohl. So sagen sie zum Beispiel: „Wenn du mir das Land nicht verkaufst, wird es deine Witwe tun.“ Diese verbale und anmaßende Gewalt treibt die Landflucht weiter an. Bisher ist eine Staatsgewalt, die für einen Wandel und Sicherheit sorgen könnte, nicht in den Regionen aufgetaucht. Die immense Korruption in den lokalen Verwaltungen ist ungebrochen und die Paramilitärs bedrohen uns. Wir können uns ohne ihre Erlaubnis nicht in der Region bewegen, sie kontrollieren was angebaut wird, sie kontrollieren einfach alles.

San José de Apartadó hat sich 1997 zu einer Friedensgemeinde erklärt, seitdem wurden mehr als 300 ihrer Mitglieder getötet. Es heißt, die FARC-Guerilla sei für 20 Prozent und das Militär und die Paramilitärs für 80 Prozent der Morde verantwortlich. Sind diese Zahlen valide?
Ja, das kommt in etwa hin. In der Region Urabá im Nordwesten Kolumbiens, wo San José de Apartadó liegt, tobte über Jahrzehnte ein brutaler Konflikt zwischen Militär, Paramilitärs und der FARC-EP – dabei ist zu verzeichnen, dass die klare Mehrheit der Menschenrechtsverletzungen dabei auf das Konto von Militär, Polizei und Paramilitärs geht. Wir sprechen hier nicht nur von Morden, auch Folter und die Praxis des Verschwindenlassens waren keine Seltenheit. Wichtig zu betonen ist, dass Paramilitärs einen großen Anteil hier ausmachen. Sie sind im Auftrag von Unternehmern tätig, um für sie erst Land zu rauben und es anschließend zu sichern. Und die mehr als 300 Morde in den vergangenen 25 Jahren beruhen auf korrekten Angaben – das ist die traurige Wahrheit.

Auf dem Gebiet der Friedensgemeinde sind der Besitz von Waffen, die Weitergabe von Informa-tionen und der Anbau illegaler Pflanzen verboten. Ist mit dem Amtsantritt von Gustavo Petro ein wirklicher Friedensprozess denkbar, auch wenn dessen Ansatz nicht so weitreichend wie der der Friedensgemeinde ist?
Es wurde eine neue Regierung aufgestellt, um Auswege aus den Krisen des Landes zu finden: Die endemische Korruption die Armut und die Gewalt sollen bekämpft werden – das steht an erster und wichtigster Stelle. Dabei sollen die Geschehnisse der Hinterlassenschaften der rechten Regierungen von Álvaro Uribe (2002-2010), Juan Manuel Santos (2010- 2018) und Iván Duque (2018 – 2022) aufgearbeitet und priorisiert werden. Petro geht dabei sehr konsequent vor: Dutzende Generäle mussten ihren Dienst in der Armee bereits quittieren, weil ihnen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Bei der Kabinettsbildung hat Petro einige bekannte und renommierte Personen ins Verteidigungs-, Außen- oder Agrarministerium berufen. Ihre Verdienste aus der Vergangenheit lassen darauf hoffen, dass sie Kolumbien wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich nach vorne bringen. Das gilt auch für Danilo Rueda, den Friedensbeauftragten. Er war Direktor der ökumenischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (CIJP), einer Organisation, die sich für die Sichtbarmachung von Menschenrechtsverletzungen im kolumbianischen Konflikt einsetzt. Rueda war oft in unserer Friedensgemeinde. Die Regierung Petro verfolgt offensichtlich gute Absichten. Sie wird allerdings nicht viel Zeit haben, sondern nur vier Jahre. Eine Wiederwahl von Petro ist durch die Verfassung ausgeschlossen. Allerdings kann die Regierung den Anfang für ein anderes Kolumbien schaffen. Besorgniserregend ist allerdings, dass wir bisher nur einen Friedensprozess von oben erleben, unten in den Regionen ist er noch nicht angekommen.

Petro verfolgt einen umfassenden Ansatz für die Umsetzung von Frieden im Land. Das Maßnah-menpaket richtet sich an alle, die einen Verhandlungsprozess mit der kolumbianischen Justiz zur Zerschlagung krimineller Organisationen wünschen. Im Kongress liegt bereits ein Gesetzentwurf für den Umgang mit den Kämpfern der kriminellen Gruppen vor. Wenn sie die Waffen niederlegen und sich stellen, könnten sie demnach mit einer Reduzierung ihrer Strafe um 60 Prozent rechnen und zehn Prozent ihres Vermögens behalten. Eigentlich ein guter Vorschlag, oder?
Der erste wichtige Schritt ist, die bewaffneten Gruppen dazu zu bewegen, darüber nachzudenken, ihre Waffen niederzulegen. Dazu könnte dieses Angebot dienen. Der zweite Schritt wäre, dass der Staat den Demobilisierten Garantien für ein auskömmliches Dasein ohne Waffen verschafft. In der Frage der juristischen Aufarbeitung muss differenziert vorgegangen werden. Diejenigen, unter den Kommandanten, die sich schwere Menschenrechtsverletzungen haben zuschulden kommen lassen – egal ob aus Reihen der Paramilitärs, Militär oder Guerilla – sie müssen Gefängnisstrafen erhalten. Die einfachen Kämpfer nicht, sofern sie nicht an Massakern, Verschwindenlassen und Folter beteiligt waren. Bei der Frage nach Gefängnisstrafen muss sich die Regierung gut überlegen, wie sie es schafft, die Bewaffneten zu überzeugen: Wenn Guerilleros der ELN 30 oder 40 Jahre Haft drohen, werden sie kaum ihre Waffen niederlegen. Es muss eine Perspektive der Reintegration in die Gesellschaft geben. Nach dem Friedensabkommen mit der FARC-EP 2016 wurden ihre Mitglieder in sogenannten Übergangszonen versammelt und sollten dort auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereitet werden. Das hat aber nur ansatzweise funktioniert, weshalb sich einige ehemalige Kämpfer der FARC wieder zu bewaffneten Gruppen zusammengeschlossen haben.

Bereits zehn Gruppen haben einen einseitigen Waffenstillstand erklärt. Nach Angaben der Denkfabrik Indepaz wollen sich mindestens 22 Gruppen an dem Prozess beteiligen, darunter die ELN, wiederbewaffnete Gruppen der ehemaligen FARC und Banden aus dem Drogenhandel.
Ja, sehr viele haben ihre Bereitschaft bekundet und wenn sie sehen, dass bei den anderen die Demobilisierung und Reintegration gut läuft, werden sie sich auch anschließen. Entscheidend ist, dass die Kämpfer zivile Perspektiven sehen. Sie haben teilweise 30 bis 40 Jahre in der Guerilla verbracht, haben keine Ausbildung und nur gelernt zu kämpfen. Auch die Unternehmen müssen ihrer Verantwortung nachkommen. Bisher weigern sich viele, ehemalige Kämpfer anzustellen, weil sie als Mörder gelten. Die Regierung muss den Friedensprozess behutsam gestalten, es gibt viele Fallstricke.

Mit einer Demobilisierung alleine ist es nicht getan, oder?
Nein. In den Friedensprozess müssen nicht nur die bewaffneten Gruppen einbezogen werden, sondern auch die Gemeinden. Denn paradoxerweise hat bisher die Präsenz bewaffneter Gruppen und der interne Konflikt in manchen Ecken auch dazu geführt, dass bestimmter Raubbau nicht betrieben wurde, weil die Geschäftsgrundlage zu unsicher war. Wenn jetzt bewaffnete Gruppen abziehen, könnte das neuen Bergbauaktivitäten den Weg eröffnen, ohne dass die Interessen der Bewohner auf eine intakte Umwelt berücksichtigt werden. Es wird wichtig sein, dass das im Friedensprozess konkret berücksichtigt wird. Dem rücksichtslosen Profitstreben multinationaler Unternehmen muss Einhalt geboten werden.

Hat sich in ihrer Region durch das Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla 2016 etwas verändert?
Die Gewalt ging auch nach dem Friedensabkommen weiter aber jetzt ziehen keine FARC-Kämpfer mehr durch unsere Gegend, sondern nur noch das Militär und das Paramilitär. Ich selbst hatte eine Waffe an meinem Kopf, als fünf bewaffnete Paramilitärs uns am 29. Dezember 2016 überfielen. Zum Glück gelang es Dorfbewohnern, zwei der Männer zu entwaffnen und festzuhalten, die anderen flohen. Wir übergaben die Täter der örtlichen Polizei. Am nächsten Tag wurden sie auf richterliche Anordnung freigelassen. Wir haben in diesen sechs Jahren hunderte Übergriffe durch die Paramilitärs erlitten. Führungspersonen wurden in der Zeit nicht ermordet, aber einzelne Dorfbewohner, die sich gegen das Geschäftsmodell gewehrt haben. Die Paramilitärs bestimmten alles. Erst vor wenigen Tagen wurde ein 19-Jähriger ermordet, der sich Anordnungen der Paramilitärs widersetzte. Wir hoffen, dass der kommende Friedensprozess erfolgreicher verläuft als der derzeitige von 2016. Die Repression ist unter den Paramilitärs noch stärker geworden als zur Zeit der Vorherrschaft der FARC-EP.

Gewalt gibt es auch im Zusammenhang mit dem Drogenhandel. Petro hat einen „Paradigmen-wechsel“ versprochen. Er will den Anbau von Koka ersetzen und das Sprühen mit Glyphosat aus der Luft verbieten. Ist der Drogenhandel unter Kontrolle zu bringen?
Es wird schwer. Petro hat wohl vor, Marihuana zu legalisieren. Bei der Koka-Pflanze, von der Kolumbien der größte Produzent der Welt ist, geht es vor allem um Einkommensalternativen. Wenn die Kleinbauern für andere Agrarprodukte Preise bekommen, von denen sie leben können, werden sie den Kokaanbau herunterfahren, aber derzeit sind Mais, Yucca oder Bananen so gut wie nichts wert. Solange es für Lebensmittel so schlechte Marktpreise gibt, haben die Kleinbauern gar keine andere Option, als vorrangig Koka anzubauen. Zumal es keine Subventionen für Kleinbauern gibt wie in Europa. Wenn die Regierung Programme auflegt, die es den Bauern ermöglichen, umzusteigen, werden sie den Anbau sicher reduzieren. Was nicht funktioniert, ist wie in der Vergangenheit aus der Luft die Kokafelder mit Glyphosat zu besprühen, um den Anbau zu bekämpfen. Das macht die Umwelt kaputt, trifft auch die angrenzenden Felder mit Nahrungsmitteln und hat den Koka-Anbau selbst nie dauerhaft zurückgedrängt. Petro wird da andere Wege gehen, er ist dem Umweltschutz stark verpflichtet. Die Regierung wird sicher auch um finanzielle Hilfen aus dem Ausland ersuchen. Sowohl für den Friedensprozess und die Reintegration der vielen Kämpfer aus den bewaffneten Gruppen als auch für die Substitution des Koka-Anbaus werden viele Mittel benötigt. Petro hat ein armes Land geerbt, das von seinen Vorgängern ausgeraubt wurde.

Wie sehen Sie die USA in diesem Kontext? Ist von der Regierung unter Biden Unterstützung zu erwarten?
Das müssen wir abwarten. In der Vergangenheit hat die US-Regierung die kolumbianischen vor allem mit militärischer Hilfe bei der Bekämpfung des Drogenhandels unterstützt. Kolumbien hat eine hohe Auslandsverschuldung gegenüber den USA aus den Zeiten der rechten Regierungen. Petro hat nun die Beziehungen zu Venezuela wieder aufgenommen. Venezuela ist aber aus Sicht der USA ein Feind. Welchen Weg die USA gegenüber Kolumbien einschlagen werden, ist noch offen. Immerhin hat US-Außenminister Antony Blinken bei einem Treffen mit Petro Unterstützung für dessen umfassenden Ansatz signalisiert.

Petros Reformpläne umfassen eine Steuererhöhung für die wohlhabende Schicht, ein Programm gegen den Hunger und mittelfristig eine Abkehr von Öl und Gas und eine Hinwendung zu erneuerbaren Energien. Am 26. September dieses Jahres gab es die ersten Proteste gegen die Regierung Petro, die von der kolumbianischen Rechten und Geschäftsleuten angeführt wurden. Was glauben Sie, wie stark der Widerstand gegen das fortschrittliche Projekt von Petro sein wird?
Er wird groß sein. Schon jetzt setzen viele Unternehmen ihre Beschäftigten unter Druck, weil ihnen die progressive Steuerreform ein Dorn im Auge ist, deswegen drohen sie mit Entlassungen und versuchen die Beschäftigten gegen Petro aufzubringen. Petros rechter Vorgänger Iván Duque musste seine Steuerreform 2021 wegen der starken Proteste von Gewerkschaften und sozialen und indigenen Bewegungen im ganzen Land zurückziehen. Petros Steuerreform geht zu Lasten der reichen Bevölkerungsschicht und kommt der ärmeren zugute – während Duques Regierung war es genau umgekehrt.

Petros Slogan ist der totale Frieden. Mehr als eine Utopie?
Es ist ein Slogan. Jeder Präsident gibt einen Slogan aus. Petro den des totalen Friedens. Es ist ein Traum. Totalen Frieden gibt es nirgendwo auf der Welt, schon gar nicht in Kolumbien. Aber eine Gesellschaft braucht auch Träume. Petros Traum ist die Befriedung des Landes. Millionen Kolumbianer teilen diesen Traum. In vier Jahren wird er das nicht schaffen können. Er kann Weichen stellen, einen echten Friedensprozess einleiten. Wenn er das nicht schafft, wird er in vier Jahren kritisiert werden. Wieder antreten kann er ja nicht. Kolumbien liegt am Boden und Petro will das Land aufrichten. Er wagt es und macht den Anfang.

Und dann kommt Francia Márquez, seine Vizepräsidentin, als Präsidentschaftskandidatin ins Rennen?
Das kann sein, ich tippe eher auf den Bürgermeister von Medellín, Daniel Quintero. Aber bis dahin ist es noch hin. Petro hat gerade erst seine Amtszeit begonnen. Und er hat den Rückhalt der einfachen Bevölkerung und der Mehrheit der Bevölkerung. Aber in Kolumbien ist Zurückhaltung bei den Prognosen angebracht. Die Gefahr eines Staatsstreichs sollte man nicht unterschätzen. Gerade weil Petro den Militärs, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, den Kampf angesagt hat. Petro ist sehr intelligent, er geht strategisch vor. Das gibt uns Hoffnung.

UMKÄMPFTE VERGANGENHEIT

Lorena Díez und Juana Corral Unterstützen die Wahrheitskommission (Foto: Paul Welch Guerra)

Es gibt bereits viele systematische Untersuchungen und Berichte, die versuchen, die gewaltvolle jüngere Geschichte Kolumbiens aufzuarbeiten. Was war die Idee hinter einer Wahrheitskommission und welche Funktion soll sie erfüllen?
Juana Corral: Es hat in der Geschichte Kolumbiens mehrere Anläufe gegeben, die bewaffneten Gruppen zu demobilisieren. Dabei wurden auch immer wieder Konfliktdokumentationen erstellt. Das Besondere an der Wahrheitskommission ist, dass sie die Perspektive der Opfer in den Mittelpunkt stellt und ihr Leid anerkennt. Dafür hat sie in allen Regionen des Landes und sogar im Ausland systematisch Erlebnisberichte und Zeugenaussagen verschiedener Opfergruppen gesammelt. Die Täter sind meist in aller Munde, aber kaum jemand spricht von und mit den Betroffenen.
Lorena Díez: Die Wahrheitskommission hat außerdem eine spezifische zeitliche Periode im Blick. Sie wurde infolge des Friedensvertrages zwischen der FARC-EP und dem kolumbianischen Staat gegründet. Aufgearbeitet werden soll deshalb die Zeit zwischen der Entstehung der Guerilla 1958 und ihrer Entscheidung von 2016, die Waffen niederzulegen. Das deckt natürlich nicht die ganze Geschichte der Gewalt in Kolumbien ab.

Wie ist die Kommission vorgegangen um die Mammutaufgabe zu bewältigen, einen so komplexen Konflikt abzubilden?
J.C.: Die Wahrheitskommission hat von Anfang an die Strategie verfolgt, ihre Arbeit zu dezentralisieren, auch weil die Gewalterfahrungen von Region zu Region sehr unterschiedlich sind. Die Ausprägungen des Konfliktes sind an der kolumbianischen Pazifikküste völlig andere als im Amazonasgebiet. Deshalb gibt es Sitze der Kommission in zehn Makroterritorien Kolumbiens. Außerdem wurde „Kolumbien außerhalb Kolumbiens“ als elftes Territorium aufgenommen, um die Erfahrungen hunderttausender Exilkolumbianer*innen die heute im Ausland leben, miteinzube- ziehen. Bei ihrer Arbeit greift die Kommission natürlich auf die Arbeit von anderen Institutionen zurück, die ähnliche Dokumentationsprozesse schon seit Jahrzehnten durchführen. Das Sammeln der Zeugenberichte wurde außerdem von psychosozialen Expert*innen begleitet. Das war wichtig, da in den Interviews immer wieder traumatische Erfahrungen thematisiert werden. Danach ging es vor allem darum, territoriale Muster von Gewalterfahrungen und Querschnittsthemen zu identifizieren. Ein zentrales Thema sind dabei zum Beispiel die geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen von LGBTQI*-Personen. Gleichzeitig zeigt eine intersektionale Perspektive auf den Konflikt, dass die Erfahrungen eben extrem heterogen sind und sich auch so in dem Abschlussbericht widerspiegeln müssen. Und trotzdem wird immer ein Teil der Realität fehlen.

Ihr seid Teil der deutschen Unterstützungsgruppe der Wahrheitskommission. Was bedeutet es für euch, von hier aus den Prozess zu begleiten?
J.C.: Ich halte es für sehr wichtig, dass die Dimension des Exils in diesem Prozess mitgedacht wird. Das steht im Kontrast zu vielen anderen Erfahrungen im lateinamerikanischen Kontext. Für uns, die wir aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Kolumbien sind, ist es von großer Bedeutung, dass auch unsere Erfahrungen dort sichtbar und anerkannt werden. Es gehört zu meinen schönsten Erfahrungen dieser Arbeit die diversen Stimmen des Exils zu hören und sich auszutauschen. Mit Unterstützung der baskischen Regierung hat die Kommission zum Beispiel ein Treffen von Exilkolumbianer*innen der zweiten Generation organisiert. Dort haben wir gemeinsam überlegt, wie wir uns hörbar machen können. Warum? Weil wir wählen, weil wir die politischen und sozialen Prozesse in Kolumbien tagtäglich mitverfolgen, aber doch irgendwie ausgeschlossen sind.

Der kolumbianische Staat war nie ein neutraler Akteur in dem andauernden Konflikt und trägt selbst Verantwortung für viele Gewalttaten. Welche Probleme gehen damit einher, dass die Wahrheitskommission eine staatliche Institution ist?
L.D.: Die Kommission ist eine staatliche Institution, aber keine Regierungsinstitution. Das ist ein wichtiger Unterschied, den viele nicht sehen. Trotzdem ist sie natürlich abhängig von Regierungsgeldern und die aktuelle Regierung ist keine Freundin der Wahrheitskommission. Das erste, was sie gemacht hat, ist, der Kommission 40 Prozent der Mittel zu kürzen. Um das aufzufangen, waren internationale Kooperationen sehr wichtig. Doch die vielen Feind*innen der Wahrheitskommission in der aktuellen Regierung beeinflussen natürlich auch die gesellschaftliche Atmosphäre. Die Lage ist sehr polarisiert und viele, die den Friedensprozess mit der FARC-EP abgelehnt haben, sind auch bezüglich der Wahrheitskommission voreingenommen. Bei diesem Teil der Bevölkerung ist die Bereitschaft mit der Wahrheitskommission zu sprechen und Zeug*innenberichte abzugeben kaum vorhanden – auch wenn es Ausnahmen gibt. Für die letzte Phase ist der Ausgang der Präsidentschaftswahlen deshalb sehr wichtig.
J.C.: Dem stimme ich zu. Ein zentrales Ziel des Friedensvertrages und der Kommission ist es ja, zu verhindern, dass die Gewalt sich in der Zukunft wiederholt. Das wird uns aber nur gelingen, wenn es den politischen Willen dazu gibt, Räume in Schulen, Universitäten und anderen Kontexten zu schaffen, in denen über die Vergangenheit gesprochen werden kann.

Ansätze einer Übergangsjustiz, wie sie beim Friedensprozess in Kolumbien jetzt angewendet werden, zielen meist darauf ab eine gewaltsame Vergangenheit aufzuarbeiten und aufzuklären. Doch die Gewalt und der Konflikt prägen immer noch die Gegenwart des Landes. Wie wirkt sich das auf eure Arbeit aus?
J.C.: Das ist für uns sehr hart. Der jüngste Generalstreik und die damit einhergehende Gewalt ist ein gutes Beispiel dafür. Viele aus unserer Unterstützungsgruppe sind aus der Pazifikregion oder aus Cali, wo die Proteste und die Repression besonders stark waren. Es hat uns paralysiert, täglich diese schrecklichen Nachrichten und Videos zu bekommen und zu merken, dass wir zu der Situation zurückkehren, die wir überwunden glaubten. Und von außen sieht man die Dinge auch oft negativer. Das Ganze hat uns in einen Zustand der Hoffnungslosigkeit gebracht.
L.D.: Ich habe dazu eine etwas andere Position, was auch damit zu tun hat, dass ich aus Cali komme und erst seit zwei Jahren und nicht seit 20 Jahren hier lebe. Meine Netzwerke dorthin sind noch sehr aktiv und ich habe, so gut es geht, versucht von hier aus aktiv zu sein. Der Streik war ein bisher nicht erreichter Höhepunkt von Mobilisierungen, ein Moment des Umbruchs. Mich hat es hoffnungsvoll gestimmt, so viele sehr junge Leute zu sehen, die etwas verändern wollen. Die Räume, die in diesem Kontext entstanden sind, werden essentiell sein, um die Ergebnisse der Wahrheitskommission zu diskutieren und zu verbreiten. Ich hoffe, dass der Abschlussbericht breit diskutiert wird und wir uns trauen, daraus eine politische Debatte zu machen. Das würde auch erlauben nicht mehr nur über einzelne Akteur*innen oder Gruppen zu sprechen, sondern über strukturelle Probleme unserer Gesellschaft. Eines dieser Probleme ist zweifellos die Drogenökonomie und ihre Folgen für viele Länder dieses Kontinents.

Was sind die nächsten Schritte in der Arbeit der Wahrheitskommission und wie geht es für euch als Unterstützungsgruppe weiter?
L.D.: Nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts im Juni 2022 ist eine zweimonatige Phase zur Verbreitung und Debatte der Ergebnisse geplant. Wir gehen davon aus, dass der Bericht auch konkrete Vorschläge für politische und kulturelle Maßnahmen enthalten wird, die dazu beitragen sollen, den Friedensprozess voranzu- bringen.
J.C.: Außerdem soll dann eine neue Kommission gegründet werden, mit dem Ziel, die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu begleiten. Wir als Unterstützungsgruppe haben eine Finanzierung bis 2022 und wollen in dieser Zeit das Terrain für eine öffentliche Debatte der Ergebnisse vorbereiten. Zum Glück gibt es viele Gruppen wie kolko oder die Kolumbienkampagne, die in den letzten Jahren mit ihrer Arbeit eine wichtige Basis geschaffen haben, auf der wir aufbauen können. Wie wir genau vorgehen werden, steht noch nicht fest.
L.D.: Genau. Ich glaube es wird darum gehen, sich zu öffnen und mit allen Kolumbianer*innen hier in Deutschland ins Gespräch zu kommen. Aber natürlich müssen wir auch die deutsche Zivilgesellschaft erreichen. Viele Deutsche kennen uns durch super Serien [lacht ironisch], als exotisches Reiseland und vielleicht noch wegen der Musik, aber das war es. Aktuell gibt es viele Kolumbianer*innen, die hier in Deutschland ankommen und Asyl beantragen, über 90 Prozent davon erfolglos. Umso wichtiger ist es, dass hier ein Bewusstsein über die Situation in Kolumbien geschaffen wird.

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