PARALLELE ERMITTLUNGEN

Als Berta Cáceres in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 ermordet wurde, bestand sofort der Verdacht, dass das Energieunternehmen DESA (Desarrollos Energéticos) in die Tat verwickelt sein könnte. Die Morddrohungen gegen Berta Cáceres und die indigene Nichtregierungsorganisation COPINH waren im Laufe der Protestaktionen gegen den Bau des Staudamms Agua Zarca immer massiver geworden. Sicherheitskräfte der DESA gingen gewaltsam gegen die Protestierenden vor, drei Mitglieder von COPINH waren bereits ermordet worden.

Die Staatsanwaltschaft in Honduras ermittelte ebenfalls in diese Richtung und stellte acht Honduraner unter Mordanklage, darunter zwei Angestellte von DESA und einen Militär. Doch auch acht Monate nach der Tat gab es keine Hinweise, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur gegen die direkten Täter, sondern auch gegen die Auftraggeber des Mordes ermittelte. Gleichzeitig wurde der Familie die Einsicht in Akten und gesicherte Beweismittel trotz Rechtsanspruchs als Nebenklägerin verweigert.

Im November 2016 nahm daher ein Team von fünf internationalen Anwält*innen aus den USA, Kolumbien und Guatemala, die das Vertrauen der Familie von Berta Cáceres besitzen, eigene Ermittlungen auf. Die internationale Expert*innenkommission GAIPE (Grupo Asesor Internacional de Personas Expertas) sichtete rund 40.000 WhatsApp-Nachrichten, Anrufe und Videos eines Telefons aus dem Büro der DESA sowie von zwei Telefonen der Angeklagten, interviewte mehr als 30 Beteiligte auf vier Reisen nach Honduras und erhielt Zugang zu Teilen der Beweisen der Staatsanwaltschaft. Die Expert*innen kamen zu dem Schluss: „Die vorhandenen Indizien beweisen eindeutig die Beteiligung von zahlreichen staatlichen Vertretern (Polizei, Militär, Beamte) sowie ranghohen Managern und Angestellten von DESA an der Planung, Durchführung und Vertuschung des Mordes.“ Ziel der Operation seien die Auflösung von COPINH und das Ende des Widerstandes gegen das Wasserkraftwerk Agua Zarca gewesen.

GAIPE dokumentierte außerdem zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Untersuchung des Mordes und kritisierte die bis heute nicht erfolgte Weitergabe von Informationen an die Nebenklage, die im Gegensatz dazu an Teilhaber*innen und Direktoren von DESA weitergeleitet wurden. GAIPE konstatiert auch eine „vorsätzliche Fahrlässigkeit“ der Finanzpartner, darunter die holländische Entwicklungsbank FMO und Finnfund. Diese hätten vorab Kenntnis der Strategien von DESA erhalten, Studien von Menschenrechtler*innen und internationalen Berater*innen aber ignoriert. Angemessene Maßnahmen zum Schutz der Rechte der indigenen Gemeinden, die von dem Staudammbau betroffen sind, hätten sie nicht ergriffen. FMO und Finnfund wiesen öffentlich „jede Behauptung von Ungesetzlichkeit in unserer Beteiligung an irgendeinem Projekt“ zurück.
Die strafrechtlichen Ermittlungen sind weiterhin nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft in Honduras bestätigte, dass die Auftraggeber des Mordes noch nicht identifiziert wurden. DESA reagierte nicht auf den Bericht von GAIPE, wies aber bisher jede Verantwortung für die Gewalt gegen COPINH und den Mord zurück. Der Bau des Staudamms ist seit Juli 2017 für unbestimmte Zeit ausgesetzt, nachdem sich Finnfund und FMO von dem Projekt zurückgezogen hatten.

 


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DIFFAMIERUNG STATT AUFKLÄRUNG

Ein Jahr ist seit dem Mord an Berta Cáceres vergangen. Der Schock über den Verlust und die grausame Tat ist längst nicht überwunden. Berta Cáceres war eine nicht nur in Honduras herausragende Persönlichkeit, die sich schwer in Kategorien einordnen ließ. Sie war mehr als eine Umweltschützerin oder Menschenrechtsverteidigerin, sie war Kämpferin für indigene Rechte, Feministin, Antikapitalistin. Sie hatte den Zivilen Rat für Indigene und Basisbewegungen Honduras (COPINH) maßgeblich mit aufgebaut und dafür gesorgt, dass nicht nur die Verteidigung der Territorien der indigenen Gruppe der Lenca auf dem Programm stand, sondern auch ein kritischer Umgang mit patriarchalen Strukturen innerhalb der eigenen Organisation. Sie war trotz all ihrer Reisen am liebsten vor Ort in den Lenca-Gemeinden.

Die Botschaft der Mörder bleibt: Wenn wir Berta töten können, können wir jeden töten.

„Sie haben geglaubt, dass sie auf diese Art nicht nur die in Lateinamerika und weltweit bekannte Führungspersönlichkeit vernichten, sondern zugleich auch die Idee, den Kampf, das politische Projekt und die Organisation COPINH, dessen Mitbegründerin und Tochter Berta war“, schreibt COPINH über die Intention der Mörder. Gelungen ist ihnen das nicht, nach wie vor fordern solidarische Gruppen weltweit Gerechtigkeit für Berta. Berta Cáceres’ Name fand sich bereits im Jahr 2013 auf einer Todesliste. Sie erhielt über die Jahre eine Vielzahl von Morddrohungen. Viele glaubten, dass man es nicht wagen würde, Berta Cáceres zu ermorden, weil sie zu bekannt war. Doch in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 erschossen Auftragsmörder sie in ihrem eigenen Haus. Der Zeuge Gustavo Castro, mit dessen Anwesenheit die Mörder nicht gerechnet hatten, wurde angeschossen. Er überlebte, weil er sich tot stellte. Die schockierende Botschaft der Mörder an die Öffentlichkeit bleibt: Wenn wir Berta töten können, können wir jeden töten. In dem Jahr seit Bertas Tod wurden weitere Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen ermordet: Nelson García und Lesbia Urquía von COPINH, José Ángel Flores und Silmer Dionisio George von der Bauernbewegung MUCA, José Santos Sevilla, aus der Führung des indigenen Volks der Tolúpan. Honduras ist, wie die internationale NGO Global Witness in ihrem Ende Januar erschienenen Bericht feststellt, das gefährlichste Land weltweit für Umweltschützer*innen und Kämpfer*innen für Landrechte. Der Mordfall Berta Cáceres droht sich als beispielhaft für eine Gesellschaft zu erweisen, in der Morde und Attentate durch die höchsten politischen und wirtschaftlichen Kreise gedeckt werden.

Global Witness stellt aktuell fünf Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Landkonflikten ausführlich dar und benennt Mitverantwortliche aus Politik, Wirtschaft und Militär. Seither läuft eine Diffamierungskampagne gegen die Verfasser*innen des Berichts sowie gegen die Gemeinden und Organisationen, die Informationen dazu beigetragen haben. Einmal mehr handeln die honduranischen Autoritäten nach dem Motto: diffamieren und kriminalisieren anstatt ernsthaft zu ermitteln. Am 8. Februar 2017 wurde Óscar Aroldo Torres Velásquez als achter Tatverdächtiger im Mordfall Berta Cáceres verhaftet. Er soll derjenige sein, der auf den einzigen Zeugen Gustavo Castro geschossen hat. Zwei der Beschuldigten haben Verbindungen zum Staudammunternehmen Desarrollos Energéticos S.A. (DESA), das für den Bau des von COPINH abgelehnten Wasserkraftprojekts Agua Zarca auf indigenem Territorium verantwortlich ist. Vier der Beschuldigten sind Militärs oder Ex-Militärs.

Bereits im Juni 2016 sprach ein weiterer ehemaliger Militärangehöriger gegenüber der Zeitung The Guardian von einer Todesliste, auf der Cáceres’ Name gestanden habe. Im September 2016 entdeckten Mitglieder von COPINH einen Militärspion in ihren Reihen, der Informationen über ihre Aktivitäten an das Präsidialamt schickte. „DESAs Verflechtungen mit dem honduranischen Militär reichen bis in die obersten Ränge. Dem Unternehmensregister zufolge, in das Global Witness Einsicht hatte, ist DESAs Präsident Roberto David Castillo Mejía ein ehemaliger Geheimdienstoffizier und Angestellter des staatlichen Energieunternehmens Empresa Nacional de Energía Eléctrica“, so Global Witness. Bereits 2009 habe es Indizien für korrupte Geschäfte Castillos gegeben. Unter anderem bezog er noch ein Gehalt der Armee, nachdem er dort ausgeschieden war und verkaufte überteuerte Waren an seinen ehemaligen Arbeitgeber. In DESAs Vorstand sitzen Vertreter der gut vernetzten wirtschaftlich-politischen Elite wie Ex-Minister Roberto Pacheco Reyes oder der Präsident der Bank BAC Honduras, Jacobo Nicolás Atala Zablah, der zu einer der reichsten und einflussreichsten Familien des Landes gehört.

Die international investigativ tätige NGO Global Witness zeigt sich in ihrem Bericht davon überzeugt, dass die Auftraggeber*innen im Mordfall Cáceres in der gesellschaftlichen Hierarchie weiter oben stehen als die bisher Verhafteten. Die Verfasser*innen der Recherchen halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Hintermänner gefasst werden, wenn sie wirklich Verbindungen in die oberen Ebenen des Staudammprojekts oder des Militärs besitzen.

Nicht nur im Mordfall Berta Cáceres hat Global Witness belastendes Material gegen führende Unternehmer*innen, Politiker*innen oder Militärs zusammengetragen, etwa gegen die Vorsitzende der Nationalen Partei, Gladis Aurora López. So ist die Diffamierungskampagne, die bereits vor der Vorstellung der Studie begann, kaum verwunderlich. Es tauchten manipulierte Plakate im Internet auf, auf denen die Lenca- Organisationen MILPAH und COPINH, das Honduranische Zentrum zur Förderung der Gemeindeentwicklung CEHPRODEC sowie die NGO Global Witness bezichtigt werden, Honduras in Misskredit zu bringen sowie ökonomisch davon zu profitieren. Auf einem solchen Plakat abgebildet ist unter anderem Berta Isabel Zúñiga, Tochter von Berta Cáceres. Während eines Auftritts in der Fernsehtalkshow Frente a frente wurden Billy Kyte von Global Witness sowie zwei Vertreter von MILPAH als „Lügner“, „Entwicklungsfeinde“ und „Feinde des honduranischen Volkes“ verbal attackiert. Der Staatssekretär für Energie, Ressourcen, Umwelt und Bergbau, José Antonio Galdames, forderte in einem Telefonanruf während der Sendung, dass die Staatsanwaltschaft Kyte verhaften solle.

Auch dem Mord an Berta Cáceres war eine Diffamierungskampagne vorausgegangen, in der die Koordinatorin des COPINH der Lüge bezichtigt wurde und COPINH-Mitgliedern Vandalismus unterstellt wurde. Besonders im Monat vor dem Mord häuften sich die Diffamierungen. Global Witness betonte nach der jüngsten Rufmordkampagne, dass ihre Mitarbeiter* innen durchaus ein positives Bild der honduranischen Bevölkerung hätten: „In der vergangenen Woche haben uns die Führungspersonen der Gemeinden und der Indigenen erneut inspiriert, die Frauen und Männer, die die Menschenrechte verteidigen, die Mitglieder der Nichtregierungsorganisationen. Sie sind Heldinnen und Helden. Wenn der Regierung ein besseres Honduras wirklich am Herzen liegen würde, würde sie deren Sicherheit garantieren und ihre Stimmen anhören.“


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SHOWDOWN OLYMPIAHALLE

Am 1. Februar 2017 fand die Jahreshauptversammlung der Siemens AG statt. Tausende Aktionär*innen konnten zuhören, wie sich der Vorstand selbst für ein erfolgreiches Geschäftsjahr beglückwünschte. Doch die Aktionär*innen konnten auch ihre Fragen an den Vorstand stellen und Kritik üben.

Genau das tat ein Bündnis von NGOs, ausgestattet mit Rede- und Stimmrecht vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Sie äußerten ihre Kritik an der mangelhaften menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht der Siemens AG, zu der die Firma nach den UNLeitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte verpflichtet ist.

Mit dabei war Tomás Gómez Membreño vom Indigenen und Volksrat von Honduras, COPINH. Gómez Membreño ist der Nachfolger der am 2. März 2016 ermordeten Koordinatorin des COPINH, Berta Cáceres. Er thematisierte in seinem Redebeitrag die Beteiligung von Siemens (über sein Joint Venture mit der Voith GmbH, VoithHydro) am Wasserkraftwerkprojekt Agua Zarca in Honduras. Das Kraftwerkprojekt wurde auf illegale Weise genehmigt, die betroffene indigene Bevölkerung wurde nicht angemessen konsultiert. Berta Cáceres war ermordet worden, weil sie maßgeblich den Protest gegen dieses Kraftwerk organisiert hatte (siehe LN 502).

Tomás Gómez machte den Siemens- Vorstandschef Joe Kaeser darauf aufmerksam, dass Aktivist*innen sein Unternehmen bereits 2013 auf die Repressionen und Menschenrechtsverbrechen hingewiesen hatten, die im Kontext dieses Projektes von Sicherheitskräften und Mitarbeiter*innen der Firma Desarrollos Energéticos S.A. (DESA) begangen werden. Dennoch verblieb das Unternehmen in dem Geschäft. Tómas Gómez machte deshalb Siemens mitverantwortlich für die Morde, die an Berta Cáceres und anderen Aktivist*innen des COPINH in den letzten Jahren begangen worden sind.

Darauf entgegnete Joe Kaeser, dass er mit Uwe Lienhard, Chef von Voith, übereingekommen sei, alle Lieferungen von VoithHydro nach Honduras zu stoppen. Dies sei im Frühjahr 2016 passiert. Er räumte aber auch ein, dass Siemens als Miteigner von VoithHydro eine Mitverantwortung habe, dafür zu sorgen, dass an den Maschinen „kein Blut klebe“. Das Prozedere der Jahreshauptversammlung erlaubte es den Aktivist*innen um Tomás Gómez nicht, eine Erwiderung auf Kaesers Antwort zu geben. Zu sagen wäre gewesen, dass Kaeser nicht auf die Tatsache einging, dass VoithHydro an seiner Beteiligung am Wasserkraftprojekt Agua Zarca festhielt, obwohl Siemens und Voith bereits seit 2013 von Aktivist*innen mehrfach auf bestehende Menschenrechtsprobleme hingewiesen worden waren.

VoithHydro hat sich darauf verlassen, dass die Lizenzvergabe für das Wasserkraftprojekt schon seine Ordnung habe. In einem Land wie Honduras ist dies bestenfalls naiv und geht an der Realität vorbei, da die rechtsstaatlichen Institutionen in dem Land völlig dysfunktional sind. Sich bei seinem unternehmerischen Handeln auf diese schwachen Institutionen zu verlassen, widerspricht dem Geist der UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte. Antworten konnten die NRO-Vertreter*innen auf Kaesers Einlassungen nicht; aber sie konnten mit ihren Stimmkarten dagegen stimmen, dass der Vorstand entlastet wird. Dem schlossen sich aber nur weniger als ein Prozent der Stimmberechtigten an.


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SPÄTER RÜCKZUG

 

Erste Erfolge  NGOs fordern seit Jahren den Rückzug der Unternehmen (Foto: CADEHO)
Erste Erfolge: NGOs fordern seit Jahren den Rückzug der Unternehmen (Foto: CADEHO)

Es ist zunächst eine gute Nachricht: Am 4. Mai kündigte das deutsche Joint Venture Voith Hydro an, aus dem Wasserkraftsprojekt Agua Zarca in Honduras auszusteigen. Es will vorläufig keine Turbinen mehr an das umstrittene Laufwasserkraftwerk liefern. Damit reagiert das Unternehmen auf die Festnahme von vier Tatverdächtigen im Fall des Mordes an der Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Cáceres in Honduras. „Abhängig vom weiteren Verlauf und den Ergebnissen der Ermittlungen werden wir entscheiden, ob die Lieferungen wieder aufgenommen werden können“, hieß es in einer entsprechenden Pressemitteilung von Voith Hydro zur Zusammenarbeit mit der honduranischen DESA (Desarollo Energético S.A.). Zwei Tage zuvor hatten honduranische Sicherheitskräfte vier Verdächtige festgenommenen. Einer davon ist Sergio Rodríguez, Manager für soziale und Umweltfragen der DESA.
Der Schritt der Geschäftsführung von Voith Hydro, die Kooperation mit DESA im Projekt Agua Zarca zu beenden, ist kein Zeichen guten Willens. Seit Juli 2011 machen Nichtregierungsorganisationen die Geschäftsführung von Voith Hydro regelmäßig auf die Menschenrechtsverbrechen, die von DESA und honduranischen Sicherheitsbehörden ausgehen, aufmerksam. Entsprechende Briefe gingen an die Geschäftsführung der Voith GmbH und der Siemens AG, denen Voith Hydro gemeinschaftlich gehört. Auf den Jahreshauptversammlungen der Siemens AG wurde regelmäßig über die Repression, die von DESA und honduranischen Sicherheitskräften ausgeht und unter der Aktivist*innen von COPINH und andere Gegner*innen von Agua Zarca leiden, berichtet. Dennoch sah das Unternehmen keinen Anlass, sich vom Geschäft mit dem honduranischen Unternehmen zurückzuziehen. Erst nach den jüngsten Ereignissen und der weltweiten Aufmerksamkeit für den Mord an der Menschenrechtlerin und Umweltaktivistin Berta Cáceres im März dieses Jahres, sah Voith Hydro sich veranlasst, aus dem Projekt auszusteigen. Dabei hatte es im Kontext des Projektes bereits zuvor mindestens vier Morde und jahrelange Repression in den örtlichen Lenca-Gemeinden gegeben. Dass Voith in der Pressemitteilung vom 2. Mai nun schreibt, das Unternehmen habe sich „seit Jahren – federführend und im Dialog mit Nichtregierungsorganisationen – für hohe Standards bei der Umsetzung von Wasserkraftprojekten“ engagiert, klingt wie eine Verhöhnung aller, die sich seit Jahren für einen Lieferstopp engagiert haben. Gleichzeitig hat das Unternehmen nur einen vorläufigen Lieferstopp angekündigt – es ist also nicht ausgeschlossen, dass Voith Hydro seine Lieferungen an
DESA wieder aufnehmen wird.
Bereits im März hatten die europäischen Finanziers des Projektes – die niederländische Entwicklungsbank FMO und ihr finnisches Pendant FinnFund – sämtliche ausstehende Zahlungen gestoppt und eine erneute Untersuchung der Situation in Honduras angekündigt. Die FMO hat angesichts der prekären Menschenrechtslage vorerst alle Zahlungen an Projekte in Honduras auf Eis gelegt – auch hier kommt eine Reaktion viel zu spät.
Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind Unternehmen dafür verantwortlich, dass bei all ihren Geschäften die Menschenrechte gewahrt bleiben. Diese Pflicht hat die Firma im vorliegenden Fall eklatant missachtet. Trotz wiederholten Hinweisen auf Menschenrechtsverbrechen hielt sie an dem Projekt fest. Durch die Aufrechterhaltung des Liefervertrages für drei Francis-Turbinen, Generatoren und Automatisierungstechnik hat Voith Hydro das honduranische Unternehmen DESA darin bestärkt, das Projekt Agua Zarca – auch mit Gewalt – durchzusetzen. Durch die jahrelange Tatenlosigkeit angesichts der Repression in Honduras trägt Voith Hydro eine Mitschuld für Konflikte und Morde, die im Umfeld von Agua Zarca stattgefunden haben und noch immer stattfinden. Die undemokratische und illegitime Durchsetzung des Projekts hat zu einer bis heute anhaltenden Spirale der Gewalt geführt. Das Territorium der Lenca wurde militarisiert und die Gemeinden sind durch Korruption und Bestechung von Seiten der Unternhemen tief gespalten.
Der Koordinator des Zivilen Indigenen- und Volksrat von Honduras (COPINH), José Asunción Martínez, fordert, dass Voith und Siemens die Opfer und ihre Angehörigen dafür angemessen entschädigen. Während der Rundreise einer Delegation von COPINH im Mai durch Europa, sprach er mit deutschen Politiker*innen und Pressevertreter*innen, um Druck auf die honduranische Regierung und auf die europäischen Finanziers und Zulieferer des Agua-Zarca-Projektes auszuüben. „Die FMO, FinnFund, Voith und Siemens sind mitverantwortlich für den Mord an Berta Cáceres und an anderen unserer Mitstreiter*innen! Sie müssen für diesen Schaden aufkommen!“ sagte er, als er gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor dem Firmensitz der Siemens AG in München am 4. Mai gegen Voith Hydros Beteiligung an Agua Zarca protestierte.
Doch das deutsche Recht beinhaltet kein Unternehmensstrafrecht. Die Bundesregierung setzt weiterhin auf Selbstverpflichtungen deutscher Unternehmen, Menschen- und Umweltrechte einzuhalten, auch im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, mit dem die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland umgesetzt werden. Das Beispiel Agua Zarca und die langjährige Beteiligung von Voith Hydro zeigen eindrücklich, dass Selbstverpflichtungen nicht ausreichen. Wenn der Druck so groß wird, dass Unternehmen wirklich wegen Menschenrechts- und Umweltvergehen aus Projekten aussteigen, ist der Schaden schon angerichtet. Ein entsprechendes Strafrecht muss geschaffen werden, damit auch später Unternehmen für solche Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden können.


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