Ökoterrorismus als Befriedungsstrategie

Der Umweltkrieg wird in Guatemala auf direkte und indirekte Weise betrieben. Die direkte Form ist der sogenannte Kampf gegen den Drogenanbau. Guatemala ist das Extrem-Beispiel für US-unterstützte Sprühaktionen aus der Luft, die sich offiziell gegen Drogenanbaugebiete richten, tatsächlich aber Langzeit-Anti-Guerilla-Strategie sind. Seit Frühjahr 1987 werden diese Einsätze geflogen, seit 1989 begleitet von vietnamerprobten Kriegshubschraubern. Ein Großteil der Gebiete, in denen Sprüheinsätze geflogen werden, sind geographisch und klimatisch für den Mohn- und Marihuana-Anbau ungeeignet. Aufschlußreich bezeichneten RegierungssprecherInnen die Einsatzgebiete selber als “Konfliktzonen”. Diese Regionen sind Hauptoperationsgebiete der Guerilla. Dies verdeutlicht die eigentliche Absicht der Pestizidbombardements. Mit den Entlaubungseinsätzen soll der Guerilla der natürliche Schutz, durch andere Giftbesprühungen die Nahrungsgrundlage entzogen werden. Deswegen besprüht das Militär gezielt auch die Felder der Zivilbevölkerung.
Bei den Sprühaktionen wurden die Pestizide Glyphosate und 2,4 D in stärkerer Konzentration als in den USA erlaubt verwendet. Dies hat den aus Vietnam bekannten “Agent-Orange-Effekt”, der Krebs und Mißbildungen bei Neugeborenen provoziert. Außerdem wurden das die Parkinson’sche Krankheit verursachende Paraquat, Manathion, EDB, 2,4,5-T und Methylparathien verwendet. Wenn diese Gifte in die Umwelt gelangen, verseuchen sie Wasser, Nutzpflanzen und -tiere, und es kommt zu akuten Pestizidvergiftungen bei Menschen, die in häufigen Fällen zum Tod zumindest aber schweren Erkrankungen der Atemwege und Verdauungsorgane führen. Zusätzlich zu diesen chemischen Verwüstungen wurden im Norden Guatemalas 1500 Hektar des Petén durch Napalmbombardements zerstört.

Maisanbau-Verbot und chemische Keule

In indirekterer Form tritt der Ökoterror beim Anbau nicht-traditioneller Agrarexportgüter auf. Anstelle von Produkten wie Bohnen, Chili, Tomaten und vor allem Mais, müssen jetzt Broccoli, Erd- und Himbeeren, Spargel, Rosenkohl etc. angebaut werden. Diese werden in unzähligen Modelldörfern angepflanzt. Dort wird seit Anfang der 80er Jahre ein großer Teil der Bevölkerung zwangsangesiedelt, der der “Politik der verseuchten Erde” zum Opfer fiel. Hier wird ideologisch und agrarpolitisch nach westlichen Vorstellungen gesät.
Geplant wurden diese Lager mit Hilfe israelischer Militärberater. Große finanzielle Unterstützung haben sie vor allem von US-amerikanischen und bundes¬deutschen Entwicklungsorganisationen (AID und COGAAT – “Guatemaltekisch-Deutsche Zusammenarbeit Lebensmittel gegen Arbeit”). Die Lager stehen unter strikter militärischer Kontrolle. Die Indígenas arbeiten hier in Food-for-Work-Programmen. Das heißt, sie sind in keiner Weise am Ertrag beteiligt. Von Anfang an haben die Militärs in den Modelldörfern den Anbau von Mais sowie anderer traditioneller Produkte verboten. Dadurch entziehen sie den Indígenas die Möglichkeit zur Selbstversorgung. Mittlerweile importiert Guatemala Mais aus den USA. Das Verbot, Mais anzupflanzen, erfüllt für die Militärs einen doppelten Zweck: Zum einen erzielen sie mit den statt dessen angebauten Produkten bes¬sere Preise auf dem Weltmarkt. Zum anderen bringen sie die indianische Bevölkerung in eine völlige wirtschaftliche Abhängigkeit und versetzen der Ideologie und Kultur der “Maismenschen” einen empfindlichen Schlag.
Um dem Land die “exotischen Früchte” zu entreißen wird es – wie auch bei der Drogenbekämpfung – mit Pestiziden traktiert. Zu 98 Prozent sprühen die PflanzerInnen nach dem Kalendersystem. Das heißt, ohne abzuwarten, daß sich Schädlingskulturen bilden, und diese dann zu vernichten, sondern sozusagen vorbeugend. Das Kalendersprühsystem ist Hauptursache für exzessiven Pestizidgebrauch und der daraus resultierenden Schädlingsresistenz. Darüberhinaus werden auch die natürlichen Feinde der Schädlinge mit zerstört. Zehn Prozent der BäuerInnen verwenden Pestizide, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als extrem giftig eingestuft werden. Mindestens sechzehn der verwendeten Pestizide stehen im Verdacht, Mißbildungen, Krebs, Organschäden und andere chronische Krankheiten hervorzurufen. Die WHO stellte bei Muttermilchuntersuchungen an Frauen von der Südküste Guatemalas die höchsten Werte des krebserzeugenden DDT fest, die jemals bei Menschen ge¬messen wurden.
Die Pestizidrückstände bei den Agrarprodukten sind teilweise so hoch, daß die USA den Import verbieten. Die – englischen! – Warnungshinweise auf den Verpackungen der Pestizide sind für die mit Anbau und Ernte beschäftigten ArbeiterInnen völlig nutzlos. Weder können sie sie lesen, noch haben die Arbeitgeber irgendein Interesse daran, sie auf die Gefährlichkeit der Pestizide aufmerksam zu machen. Um die Gewinnspanne aus den Exporten so hoch wie möglich zu halten, wird munter zwölf Monate im Jahr das Gift gesprüht. Das Land kommt nicht mehr dazu, sich zu erholen, so daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann sich das “Land des ewigen Frühlings” in das “Land der ewigen Sommerdürre” verwandelt. Ganz zu schweigen von den Tausenden GuatemaltekInnen, die in bewährter, jahrhundertealter Tradition ihr Land bestellen könnten, ohne mit jedem Atemzug giftige Chemikalien aufzunehmen, wären sie nicht in den sogenannten “Befriedungsprozeß” gezwungen.
Quelle: cerigua

Interview mit AEU-VertreterInnen

Präsident Serrano Elias: Rechter Demagoge

Frage: Der neue Präsident Serrano Elias ist in Guatemala einerseits als Mitglied der Nationalen Versöhnungskommission (CNR) bekannt und war damit maßgeblich am Dialogprozeß mit der Guerilla beteiligt, andererseits war er an der extrem repressiven Militärregierung von Rios Montt beteiligt. Wie schätzt ihr sein Verhältnis zu den Militärs ein?
Otto: Serrano Elias nahm an der CNR als Vertreter der Oppositionsparteien teil und war einer derjenigen, die im März 1990 die Abkommen von Oslo unterschrieben. Seine Geschichte zeigt jedoch sehr enge Verbindungen mit den Militärs, die am meisten in das guatemaltekische Aufstandsbekämpfungsprojekt verwickelt sind. So war er Staatsratspräsident unter Rios Montt und Unterstützer und Berater des Fuero Especial, des geheimen Sondergerichtes gegen Oppositionelle. Auch war er einer derjenigen Sektenführer, die die Religion als eine Methode der Aufstandsbekämpfung etablierten. Mit dieser Vorgeschichte trat Serrano Elias die Präsidentschaftskampagne an. Er äußerte sich zwar zunächst sehr kritisch gegenüber Cerezos Regierung und griff in Debatten teilweise scharf die Verdeckung von Korruption und Menschenrechtsverletzungen an; aber jetzt sieht man, daß das pure Demagogie war, um einen bestimmten Wählerkreis anzusprechen. Der verbrecherischste Teil der Militärs sitzt jetzt in der Regierungsmannschaft von Serrano Elias. Das zeigt zur Genüge, daß auch Serrano Elias das militärische Aufstandsbekämpfungsprojekt, die Politik der Zerschlagung der Volksbewegungen, fortführen wird.

Frage: Wird Serrano Elias den letztes Jahr begonnenen nationalen Dialog jetzt als Präsident weiter fördern?

Otto: Der Dialogprozeß könnte jetzt zum Stillstand kommen, wenn wir, die beteiligten Organisationen, ihn nicht weitertreiben, da jetzt neue Strategien wie etwa der Sozialpakt eingeführt werden, die die Aufmerksamkeit von dem ablenken könnten, was mit dem Dialogprozeß schon er¬reicht wurde. Jetzt, wo Serrano die Präsidentschaft angetreten hat, erklärte er bisher nur, daß die Regierung mit der Guerilla (URNG) in Dia¬log treten wird. Dies aber nur bis Juni, und das be¬deutet einen langen Zeit¬raum, der dem Heer als Spielraum zugestanden wird. Denn die Militärs wol¬len nicht, wie im nationalen Dialog vorgesehen, direkt, sondern nur über die Regierung am Dialogprozeß teilnehmen. Sie wissen, daß der Dialogpro¬zeß und die darin erreichten Beschlüsse uns Volksbewegungen dazu dienen können, politischen Spielraum zu gewinnen und die Regierung und die Armee unter Druck zu setzen.

Frage: Könntet ihr erklären, um was es sich bei dem Sozialpakt handelt und wie die Volksbewegungen darauf reagieren wollen?

Carmen: Uns scheint, daß die neue Strategie des “Sozialpaktes” eine Fortset¬zung der Strategie der “Concertacion”, der “Versöhnung” unter Vinicio Cerezo ist, die 1986 eröffnet wurde, um unter der Zivilregierung durch interne Vermittlungsbemühungen langfristig eine politische und ökonomische Stabilisierung zu erreichen. Auf diese Weise soll dem Ziel der Auflösung der Guerillabewegungen nähergekommen werden. Die Politik der Concertacion wurde jedoch von der nationalen Bourgeoisie und den Militärs blockiert und ein solches Projekt verunmöglicht. Heute nennt sich die neue Strategie “Sozialpakt”. Zunächst soll es eine Annäherung zwischen Unternehmer- und Arbeiterschaft sein, ohne daß jedoch Fragen wie z. B. Lohnerhöhungen oder Höchstpreise für Grundbedarfsprodukte überhaupt angesprochen werden sollen, weil die Unternehmerschaft und die Regierung dazu nicht bereit sind. Deswegen sollen in diesem Sozialpakt wohl vor allem einige allgemeine soziale Fragen, wie z. B. Gesundheitsversorgung oder staatliche Sozialleistungen besprochen werden. Das erscheint zwar positiv, aber die Art und Weise, wie sie es entwickeln und der politische Hintergrund dabei ist eine Strategie der Vereinnahmung der Volksbewegungen. Für den Sozialpakt ist der populistische Sozialdemokrat Mario Solórzano als Arbeitsminister eingesetzt worden, der unserer Einschätzung nach für Strategien wie die von Unternehmern unterstützte, gegen die Gewerkschaften gerichtete Solidarismobewegung eintreten wird.
Uns erscheint der Sozialpakt als unsinnige Parallelstruktur und Ablenkungsmanöver von dem tiefergehenden Dialogprozeß, innerhalb dessen bereits strukturelle gesellschaftliche Veränderungen angesprochen wurden. Verschiedene Volksorganisationen haben bereits erklärt, daß sie dieses Spiel nicht mitspielen werden. Es scheint, daß das Ziel des Sozialpaktes es ist, einerseits Arbeitsgruppen für Verhandlungen aufzubauen, um öffentliche Demonstrationen, den Kampf und Protest auf der Straße, zu verhindern und andererseits die eigentlichen Konfliktparteien, nämlich die Armee und die Guerilla aus der öffentlichen Auseinandersetzung herauszuhalten.
Wir Volksorganisationen haben deswegen folgendes vor: Wir werden den Sozialpakt zwar nicht ablehnen, aber nur in Verbindung mit dem nationalen Dialog zulassen, für dessen Fortsetzung als viel weitergehender politischer Diskussionsprozeß wir Druck ausüben wollen.

Frage: Wie sieht denn überhaupt die wirtschaftspolitische Orientierung der neuen Regierung aus?

Carmen: Serrano Elias wird mit der neoliberalen Strukturanpassungspolitik fortfahren müssen, die der IWF und die Weltbank für verschuldete Länder der Dritten Welt vorschreiben. Der Schuldendienst und der Etat des Verteidigungsministeriums für den internen Krieg werden weiterhin einen Großteil des Staatshaushaltes verschlingen.
Bis jetzt kann die Wirtschaftspolitik Serrano Elias’ allerdings noch nicht in allen Einzelheiten analysiert werden. Erst nach dem 2. Wahlgang ist seine Wirtschaftstruppe mit der ihn unterstützenden Allianz der Rechten, insbesondere dem CACIF (Unternehmerverband des Agrar-, Finanz- und Industriesektors) ausgehandelt worden. Der CACIF hat damit direkt die wirtschaftspolitischen Schlüsselministerien übernommen. Der CACIF hat bereits letztes Jahr einen Wirtschaftsplan ausgearbeitet, der unter dem Namen der Unternehmergruppe Piramide bekannt wurde. Der neoliberale Plan Piramide des CACIF sollte zunächst den Präsidentschaftskandidaten Jorge Carpio der UCN unterstützen, dem ca. 9 Millionen Quetzales angeboten wurden, falls er dem CACIF das Wirtschafts- und Finanzministerium überließe, wurde von diesem aber abgelehnt. Jetzt soll er unter Serrrano Elias verwirklicht werden.

Neuanfang studentischer Organisierung und der Aufbau von Frau¬engruppen

Frage: Wie habt ihr nach dem Massaker 1989 die Arbeit der AEU wieder aufgebaut und welche organisatorischen Veränderungen haben sich danach ergeben?

Otto: Die studentische Bewegung wurde mit verschiedenen Aktivitäten reorganisiert. Als erstes wurden 5 progressive studentische Gruppen zur Unidad Estudiantil zusammengeführt, die zusammen mit Resten der alten AEU die Arbeit aufrechterhielten. Innerhalb dieses Reorganisierungsprozesses wurden die Statuten und die Organisationsstruktur der AEU verändert und die AEU für neue Compañeros geöffnet. Im September 1990 gewann die Unidad Estudiantil die AEU-Wahlen und kann so seitdem die Arbeit innerhalb der Leitung der AEU weiterführen. Wir befinden uns heute in einem Prozeß der organisatorischen Umstrukturierung, der vor allem darauf abzielt, eine stärkere Partizipation und eine Verbreiterung der studentischen Basis der AEU zu erreichen. Dafür bieten wir vorzugsweise wissenschaftliche Arbeitsgruppen innerhalb von studentischen Forschungszentren, aber auch kulturelle und sportliche Aktivitäten an. Das Zentrum “Juventud Universitaria para la Paz” möchte z. B. im Rahmen des Studiums über den Friedensprozeß in Zentralamerika aufklären, das Centro de Promocion Estudiantil möchte die Aktivitäten und Forschung von StudentInnen im Bereich Umweltschutz, Menschenrechte, die Situation von Frauen, Educación Popular u.a. unterstützen. Wir wollen die Beteiligung an der StudentInnenbewegung über wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Themen fördern, weil nämlich die rein politische Beteiligung z. B. auf Demonstrationen und der traditionelle politische Diskurs wegen der großen Angst vor der Repression oftmals nicht angemessen ist, um die StudentInnen einzubeziehen. Im Rahmen dieser neuen Or¬ganisationsformen sind wir auch dabei, eine Volksklinik aufzubauen und haben eine Gruppe von MedizinstudentInnen, die bereit sind, dort zu arbeiten. Es gibt viele StudentInnen, die wir über solche Aktivitäten jetzt neu kennengelernt haben, und die dieselben Themen beschäftigen wie uns von der AEU, die diese Themen aber gern im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit behandeln möchten, die also gleichzeitig die Realität unseres Landes in ihrem Studium besser kennenlernen und an einem politischen Projekt studentischer Organisierung teil¬nehmen möchten.
Carmen: Ich möchte hinzufügen, daß diese neuen alternativen Formen der studentischen Partizipation nicht nur eine Strategie sind, um Fliegen auf eine andere Art und Weise für die politische Arbeit der AEU anzulocken, sondern daß sie aus dem Gefühl heraus entstanden sind, daß es der guatemaltekischen Jugend versagt ist, sich persönlich zu entwickeln. Guatemala ist eine kulturell sehr beschränkte und sehr repressive Gesellschaft, die über das individuelle Überleben hinaus keine menschliche Entwicklung zuläßt. Deswegen sollen die Leute eine Möglichkeit finden, sich der Realität dieses Landes nach ihren eigenen spezifischen Interessen anzunähern und ihre Fähigkeiten für den Aufbau einer demokratischeren Gesellschaft so zu entwickeln, daß sie sich damit identifizieren können. Wir wollen sie nicht ausnutzen, um sie auf eine subtilere Art und Weise für unsere Zwecke einzufangen. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe von ÖkologInnen, denen wir nie gesagt haben, sie sollten den Sitz der AEU mit Grünzeug schmücken, sondern die von uns unterstützt werden, ihre eigenen Projekte zu entwickeln, und die nicht unter dem Namen der AEU auftreten müssen, wenn sie nicht wollen. Es geht um eine breite Bewegung, die auch z. B. im Bereich von Kunst und Kultur die grundlegenden Probleme unseres Landes erkennt und zusammen mit den Volksorganisationen für demokratische Veränderungen kämpfen möchte. Jede/r StudentIn soll den Bereich finden, mit dem sie/er sich identifiziert und wo er/sie gerne mitmachen möchte.

Frage: Wie funktioniert das bei den neuen Frauengruppen, von denen du erzählt hast?

Carmen: Die Entwicklung der Frauengruppen ist eine ganz besonders wichtige Angelegenheit. Wenn mensch sich die Situation von Frauen in Guatemala und überhaupt in Latenamerika anschaut, wird klar, daß hier ein Schema der Unterdrückung und Ausbeutung reproduziert wird, das seit der Kolonisierung besteht, und außerdem von Frauen durch eine patriarchale Kultur und Sozialisation internalisiert wird, indem sie sich selbst als Sexualobjekt betrachten und sich minderwertig fühlen. Diese Kultur des Machismo setzt sich auch innerhalb der AEU fort; so bin ich in der Leitung der AEU die einzige Frau. In den anderen studentischen Organisationen sind noch einige mehr, aber auch nicht viele. Uns Studentinnen geht es aber nicht nur darum, einfach mehr Frauen an der AEU zu beteiligen, sondern wir wollen eine neue Perspektive zugunsten der Emanzipation von Frauen in die AEU hineintragen. Wir stoßen dabei jedoch auf viele Hindernisse nicht nur von Seiten der Männer, sondern auch vieler Frauen.
Wir haben zwei Frauengruppen, eine bei den Wirtschaftswissenschaften und eine bei den Agrarwissenschaften. Die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftlerinnen entstand auf die denkbar antifeministischste Art und Weise, nämlich aus einem Schönheitswettbewerb heraus! Die studentische Vertretung hat nämlich nicht erlaubt, an eine Frauengruppe überhaupt nur zu denken. Sie sagten, daß eine Frauengruppe zur Spaltung der StudentInnenbewegung beitragen würde, einen Irrweg, ja eine Degeneration darstelle und den reaktionären Kräften an der Uni Vorschub leisten würde! So übernahmen ich und eine andere Frau die Leitung des Schönheitswettbewerbes, denn das fanden sie gut; ja sie hatten sogar vor, hübsche Frauen mit Miniröcken zur Werbung einzusetzen! Die Handhabung von Frauen als Sexualobjekt findet also selbst in den demokratischsten Gruppen der Volksbewegungen statt. Wir aber gaben dem Schönheitswettbewerb einige feministische Inhalte, nahmen Studentinnen der AEU in die Jury und riefen die Teilnehmerinnen dazu auf, ihr Konkurrenzdenken aufzugeben und untereinander solidarisch zu sein. Aus dem Schönheitswettbewerb entstand dann eine Gruppe von 15 Frauen, die sich seitdem zu Gesprächen und Diskussionen über Frauenbefreiung und ihren gesellschaftlichen Kontext trifft.

Frage: Welche feministischen Themen besprecht ihr in euren Gruppen und welche Aktionen habt ihr bisher gemacht?

Carmen: Wir sind noch in einem sehr embrionalen Stadium. Diese Gruppen sind noch nicht einmal 6 Monate alt und als aller erstes müssen die Studentinnen ein Selbstbewußtsein darüber erlangen, daß es berechtigt ist, ihre untergeordnete, gesellschaftliche Rolle als Frauen in Frage zu stellen. Sie müssem sich gegen Belästigungen der männlichen Mitstudenten zur Wehr setzen, die die Frauengruppen nicht akzeptieren. Ansonsten versuchen wir zur Zeit an den anderen Fachbereichen auch Frauengruppen aufzubauen. Als Aktionsformen haben z. B. die Agrarwissenschaftlerinnen verschiedene Theaterstücke entwickelt, die sie selbst geschrieben haben und aufführen und die von Vergewaltigung und Ausbeutung von Frauen, aber auch von ihrer Beteiligung an politischen Veränderungsprozessen handeln.
Insgesamt wollen wir von unseren konkreten, alltäglichen Erfahrungen ausgehen und uns von daher an allgemeine Zusammenhänge annähern. Die Frauen in den Gruppen sind noch sehr jung, aber sie haben alle schon auf Arbeitsplätzen, in der Uni usw. unter verschiedensten Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung gelitten.
Für uns muß es in einer so extrem gespaltenen Gesellschaft wie Guatemala drei gleichwertige grundsätzliche Ebenen gesellschaftlicher Auseinandersetzung geben: den Klassenkampf zwischen der extrem reichen herrschenden Oberschicht und den 70% unter der Armutsgrenze lebenden GuatemaltekInnen; die ethnische Problematik, da doch 70% und damit auch die am meisten diskriminierten und marginalisierten Frauen Indígenas sind; und den Geschlechterkampf für die Be¬freiung der Frauen, der in alle sozialen Auseinandersetzungen der Volksbewe¬gungen integriert werden muß.

Frage: Habt ihr Kontakt mit anderen Frauengruppen, wie z. B. der Witwenorganisation CONAVIGUA?

Carmen: Es gibt Kontakte zu CONAVIGUA. Aber wir haben uns gesagt, daß wir zunächst innerhalb der Uni als Studentinnen ein Bewußtsein für Frauenkampf schaffen müssen, um uns dann erst mit ganz anderen Frauenwelten auseinanderzusetzen. Denn die Studentinnen kommen meistens von der Mittelschicht, haben deren Werte verinnerlicht und leben eine ganz andere Realität als z. B. die direkt mit der Repression der Armee konfrontierten Indígenafrauen von CONAVIGUA, die meistens alleinstehende Mütter und Arbeiterinnen sind. Wir müssen von der konkreten Lebenssituation von Studentinnen ausgehen, denn wir erleiden eine spezifische Diskriminierung z. B. durch die Ausgrenzung von Arbeitsgruppen, durch die Minderbewertung unserer intellektuellen Fähigkeiten oder durch die Ausnutzung und Betrachtung als reines Sexualobjekt, wie es auch innerhalb der studentischen Organisationen geschieht. Auch dort gewähren viele Männer Frauen nur einen Aufstieg, weil sie attraktiv sind und versuchen immer wieder, sie sexuell zu mißbrauchen. Wir müssen erst von unseren eigenen Erfahrungen ausgehen und uns darüber bewußt werden, um dann längerfristig für eine nationale Einheit von Frauen einzutreten. So als kleine Grüppchen wollen wir uns erst in der Uni formieren, bevor wir uns z. B. CONAVIGUA anschließen, die schon eine große, erfahrene und kämpferische Organisation ist.

Danke für das ausführliche Gespräch.

“Das einzige was wir wissen, ist, daß sie uns töten wollen”

Das Massaker von Santiago Atitlán

Fragt mich jetzt nicht nach Liebe, Brot oder Rosen
hier, wo es ein Verbrechen ist, zu denken, zu
träumen
und zu sagen, was Du fühlst,
hier wo die Hoffnung jeden Tag getötet wird.
Das Unsagbare, das Brutale, das Unzulässige
passiert
in meinem gepeinigten Land: Gewehrschüsse hallen
wider,
Kugeln im Herzen, im Kopf!
Flüsse von Blut fliessen die Strassen hinunter,
ungehemmt ins Martyrium.
Opfer, KomplizInnen, ZeugInnen. Fragt nicht
nach Menschenrechten, Gerechtigkeit,
Frieden
(sie werden ständig verletzt, sie werden ignoriert)
Hier reicht es, den kalten,
kalten Stoß in unseren Eingeweiden zu fühlen,
oder in einem Wald fieberhafter Träume zu verbrennen,
um die Ausrottung der Menschen zu verstehen.
Also fragt mich jetzt nicht nach Liebe, Brot oder
Rosen,
während die Feuer der Barbaren uns umgeben
und das Töten.
Fragt mich nicht nach dem Leben,
fragt mich nicht nach dem Tod
und erhebt die zornigen Fäuste
und den Haß der Völker.

Ein Gedicht von der guatemaltekischen Revolutionärin Guadalupe Navas als Einleitung. Wie sonst anfangen, wie über die Morde berichten, die die guatemaltekischen Militärs in der Stadt Santiago Atitlán am 2. Dezember began­gen haben? Die Landkarte der Massaker in Guatemala wird schwärzer. Hinter diesen Punkten auf der Landkarte verbergen sich unzählige Morde und das Leid der Angehörigen, FreundInnen, NachbarInnen. Jeder Mord und jedes Massaker sind einzigartig. Doch in Guatemala haben sie System, und das System versucht, sich mit ihrer Hilfe aufrechtzuerhalten. Wirklich einzigartig sind die Reaktionen auf dieses neue Massaker, im Ausland, in Guatemala und vor allem in Santiago Atitlán. Die BewohnerInnen der Stadt haben extrem mutig reagiert. Sie haben öffentlich protestiert, Widerstand organisiert und sich damit unweigerlich in Lebensgefahr gebracht.
Schon ihre erste Reaktion war erstaunlich. Woher nahmen ungefähr 3000 unbe­waffnete Alte und Kinder, Männer und Frauen den Mut, in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember vor die Militärkaserne zu ziehen? Sie wollten dagegen pro­testieren, daß die Militärs am Abend in der Stadt einen Laden ausgeraubt hatten und den Besitzer, Andrés Ajuchán, entführen wollten. Als dieser sich wehrte, be­gannen die Soldaten zu schießen und verwundeten ein Kind. Darauf läuteten Familienangehörige und NachbarInnen von Andrés Ajuchán die Kirchenglocken und versammelten die EinwohnerInnen, die dann vor den Militärstützpunkt zo­gen. Die Soldaten eröffneten sofort das Feuer. Neun Männer und zwei Jungen waren auf der Stelle tot. Von den ungefähr 20 Verletzten sind bisher vier gestor­ben. Der Rat für ethnische Gemeinschaften “Runujel Junam” (CERJ) berichtete außerdem von neun Personen, die seit dem Massaker verschwunden sind. Nach dem Massaker setzten die EinwohnerInnen ihre Unterschriften oder Fingerab­drücke unter die an die Regierung gerichtete Forderung, den Militärstützpunkt aufzulösen. Bis zum 4. Dezember waren es 15.000.

“Wir können zu Fuß hierherkommen…”

In seinem Bericht über das Massaker schlägt der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung einen von ihm bisher noch nicht vernommenen Ton an. Er nennt nicht nur drei Offiziere als direkt Verantwortliche, sondern klagt das Militär als ge­samte Institution für die Menschenrechtsverletzungen an. Der am 11. November neu gewählte Bürgermeister erklärte, er werde sein Amt nicht antreten, wenn das Militär nicht abzieht. Drei Tage später sagten einige Atiteken, die vor den Natio­nalpalast in Guatemala-Stadt gezogen waren: “Wir unterstützen unseren neuen Bürgermeister. Er hat Recht, denn wer das Volk regiert, sind die Militärs. Wenn die Regierenden die Militärs nicht aus Santiago Atitlán abziehen, zwingen sie unsere ganze Stadt, zu protestieren, alle 45.000 EinwohnerInnen… Wir können zu Fuß hierherkommen.”
Für die CERJ ist das Massaker einmal mehr ein Zeichen dafür, daß die Regierung gescheitert ist und die formal demokratischen Institutionen nur dekorativ sind.
Am 6.Dezember erschien eine Erklärung der Organisationen, die am “Internationalen Seminar der Indio-Völker über den fünfhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas” teilnahmen. “Diese Vorfälle bestätigen wieder einmal …die geringschätzige Haltung gegenüber dem Leben der Indios und der armen Ladinos” heißt es darin.
An der Beerdigung am 3. Dezember nahmen Tausende von Trauernden und über 50 JournalistInnen teil. Bevor die Särge in die Gräber hinabgelassen wurden, hoben die Sargträger sie dreimal über ihre Köpfe – ein Zeichen des Protestes. Die JournalistInnen berichteten, daß die EinwohnerInnen sich an sie wandten, um ihnen von früheren, nicht bekannten Massakern zu berichten. Außerdem baten sie sie weinend, dafür zu sorgen, daß das Militär keine Hilfe aus dem Ausland mehr bekommt. Daß sich die Indígenas von sich aus an die Fremden wenden, ist völlig ungewöhnlich. Am 4. Dezember verurteilte das Nationale Parlament zum ersten Mal in der Geschichte einstimmig ein Massaker und forderte den Abzug des Militärs aus Santiago Atitlán.
Diesmal finden die Militärs für ihre Version keine Unterstützung. Innenminister General Morales und Verteidigungsminister General Bolaños erklärten, die Ein­wohnerInnen hätten versucht, die Kaserne einzunehmen. Die Soldaten hätten sich nur verteidigt. In anderen Fällen haben sie die Guerilla für vom Militär be­gangene Massaker verantwortlich gemacht. Erst in der letzten Novemberwoche hat der Heeressprecher einen angeblichen Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission der OEA (Organisation amerikanischer Staaten) be­kanntgegeben, wonach die Guerilla das Massaker im November 1988 im Dorf El Aguacate begangen habe. Ein plumpes Manöver der Militärs: Das Dementi der OEA ließ nicht lange auf sich warten.

Polizeihilfe der Bundesregierung endlich eingestellt

Die internationale Kritik an dem Massaker von Santiago Atitlán war einhellig. In San Francisco und Washington gab es Protestdemonstrationen vor den guatemaltekischen Botschaften. Schon am 5.Dezember empfing Außenminister Ariel Rivera die Botschafter der Europäischen Gemeinschaft, die ihm ihre “tiefe Besorgnis” über die Vorfälle mitteilten. Seitdem geben sich die ausländischen Botschafter bei ihm die Klinke in die Hand. Rivera erklärte, das Massaker werde Konsequenzen auf internationaler Ebene nach sich ziehen, besonders in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, die im Februar ihren jähr­lichen Bericht vorlegen wird. Die Bundesregierung hat am 3. Dezember die Poli­zeihilfe an Guatemala eingestellt, nachdem noch am 24. Oktober der SPD-Antrag gegen den der GRÜNEN angenommen worden war, die ausstehenden drei Millionen Polizeihilfe doch noch auszuzahlen.
Das internationale Echo auf das Massaker von Santiago Atitlán führt inzwischen auch bei Regierung und Militärs zu hektischen Reaktionen. Am 6.Dezember übergab Ministerin Sara Mishaan den aus dem Amt scheidenden und den neu gewählten lokalen Ratsherren ein Schreiben des Noch-Präsidenten Vinicio Cerezo. Darin verspricht er, den Militärstützpunkt so schnell wie möglich ab­bauen zu lassen. “Ich habe Anweisungen gegeben, die nötigen Maßnahmen in die Wege zu leiten, um den Stützpunkt in ein Gebiet außerhalb der Gerichtsbarkeit von Santiago Atitlán zu verlegen. Damit wird der Wunsch der Bevölkerung ak­zeptiert. Es kann erwartet werden, daß dies in ungefähr zwei Wochen geschieht.” Die Neuigkeit wurde in Santiago Atitlán mit Jubel aufgenommen. Schon am 4.Dezember war Heeressprecher Carlos Durán gefeuert worden, für ihn offenbar völlig überraschend. General Bolaños übt sich währenddessen in Schadensbe­grenzung: ebenfalls am 6.Dezember erklärte er, gegen zwei Offiziere würden wegen des Massakers Gerichtsverfahren eingeleitet. Ein Bauernopfer soll die selbsternannten Könige retten.

Wahlen im Krieg

Seit über drei Jahrzehnten stellen sich die KämpferInnen der Befreiungsbewegung den Streitkräften der Herrschenden entgegen. Diese beiden Kräfte seien die eigentlichen Vertreter der GuatemaltekInnen, war in den letzten Tagen in mexikanischen Zeitungen zu lesen. Deshalb seien die Wahlen so absurd und unreprä­sentativ.
Bei den letzten Wahlen 1985 waren die Hoffnungen noch etwas größer: Zum ersten Mal standen ausschließ­lich zivile Kandidaten zur Wahl. Doch die Regierung Cerezo nahm dem Militär und der Agraroligarchie nicht das kleinste Stück ihrer Macht. Mit der in den letzten Monaten ständig ansteigenden Gewalt gegen das Volk, seine VertreterInnen und auch gegen die bürgerlichen PolitikerInnen zeigte die Rechte sich ungebrochen reaktionär und demonstrierte ihren Willen, jeden neuen Präsidenten genauso unter Kontrolle zu halten, wie den aus dem Amt scheidenden Vinicio Cerezo.
Der Vizepräsidentschaftskandidat der regierenden christdemokratischen Partei, Antonio Villamar, erklärte kurz vor den Wahlen, daß die Todesschwadrone besser organisiert seien als die 19 konkurrierenden Parteien. Die Schwadrone bestünden aus 7000 Männern zur Verfügung der Rechten. “Die Rechte” sei ein beschönigen­der Ausdruck für die Generäle des Heeres, die Polizeichefs, die Großgrundbesitzer und Industriellen und natürlich die nordamerikanischen Berater für Aufstandsbekämpfung, schreibt der Journalist Manuel Mora heute in der mexikanischen Zeitung “El Financiero”.
Diejenigen, die auch in der Regierungszeit Cerezo unvermindert ausgebeutet wurden, wußten, daß auch diese Wahlen nichts ändern. In den vergangenen Wochen haben verschiedene Volksorganisationen deutlich erklärt, daß sie sich durch keinen der Kandidaten vertreten fühlen. Dies wird auch an den Wahlergebnissen deutlich. Es gab 44 Prozent Enthaltungen, dazu kommen fast 30 Prozent Wahlberechtigte, die gar nicht registriert waren. In den Provinzen, in denen die Repression am härtesten ist, Quiché und Petén, erreichten die Enthal­tungen 80 Prozent und an der Südküste, an der die Baumwoll- und Kaffeeplantagen liegen, enthielten sich 70 Prozent der WählerInnen. In insgesamt 15 der 22 guatemaltekischen Provinzen lagen die Enthaltungen über 50 Prozent. WählerInnen teilten ReporterInnen mit, daß sie zur Wahl gegangen seien, um nicht als Guerilla-Sympathisanten zu gelten. Aus dem gleichen Grund hätten sie “möglichst rechts” gewählt.
Unter den 5 Prozent ungültigen Stimmen sind diejenigen, die die Wahlzettel auf Anweisung von Ex-Diktator Rios Montt durch seinen Namen ungültig gemacht haben. Die URNG hatte am 8.November dazu aufgerufen, sich bei den Wahlen zu enthalten, was in der Presse- und offiziellen Politiklandschaft Kritik ausgelöst hatte. “Die extreme Rechte und die linken Extremisten verbünden sich gegen die Demokratie”. Es erscheine wie ein schlechter Witz, “daß in Guatemala so viel über Demokratie geredet wird, während in ihrem Namen gemordet und gefoltert wird, und das Volk, das für seine Würde kämpft, entführt wird”, erklärte der Führer des Indianerrats Runujel Junám, Amílcar Méndez, am Tag nach den Wahlen. Dies sei einer der Gründe, aus dem auch er nicht gewählt habe. Die bedrohliche Situation der Indígenas sei an ihre Grenzen gelangt: “Wir stehen mit einem Bein auf der Erde und mit dem anderen über dem Abgrund”. Die nächste Regierung werde auf jeden Fall noch weiter rechts sein.

Die Stichwahl im Januar

Die Stichwahl zwischen den beiden Männern, die am vergangenen Sonntag die meisten Stimmen ergattern konnten, wird am 6. Januar stattfinden. Jorge Carpio Nicolle von der Nationalen Zentrumsunion (UCN) und Jorge Serrano Elias von der Bewegung für Solidarische Aktion (MAS) bezeichnen sich selbst als “moderne Rechte”. Damit versuchen sie, sich von der “reaktionären Rechten” abzusetzen. Beide unterlagen bei den Wahlen von 1985 dem jetzigen Präsidenten Vinicio Cerezo.
Serrano gehört einer evangelikalen Sekte an und gehörte zur Regierung des Diktators Rios Montt. Er habe die Stimmen der Montt-AnhängerInnen gewonnen, heißt es nach ersten Auswertungen. Die Militärs hätten die Macht in Guatemala, und eine zivile Regierung habe nur die Wahl, sich gegen sie zu stellen und zu schei­tern, oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, sagte Serrano letzte Woche. In einem Interview kurz nach der Wahl erklärte Serrano, der bis zu Beginn des Wahlkampfs Mitglied der “Nationalen Versöhnungskommission” war, seine Haltung zu dem Dialogprozeß mit der URNG: “Die anderen Kandidaten verstehen den Dialog­prozeß nicht. Wir verlangen nicht, daß die Guerilla die Waffen niederlegt, um zu verhandeln. Wir sind bereit, die Verhandlungen weiterzuführen.” Auf die Frage nach seiner Beteiligung an der Regierung Montt sagte Serrano: “Es gab keinen Anstieg der Menschenrechtsverletzungen. Es gab keine Massaker, sondern einen langsamen Befriedungsprozeß. Guatemala war zu 20 Prozent vietnamisiert. Ich war nur dafür zuständig, Bedingungen für die demokratische Öffnung zu schaffen.”
Sowohl Serrano als auch Carpio vertraten vor der Wahl die Meinung, daß den Verantwortlichen für die Men­schenrechtsverletzungen verziehen und die Vergangenheit vergessen werden müsse. Nach Angaben des Obersten Wahlgerichts lautet das vorläufige Wahlergebnis: Carpio hat 25.7 Prozent der Stimmen erhalten, Serrano 24.2 Prozent. Der Kandidat der Regierung, Alfonso Cabrera, erhielt 17.4 Prozent und Alvaro Arzú von der Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) 17.3 Prozent.

Indígena-Proteste am 12. Oktober

Der spanische König Juan Carlos verlas die Einladung zur Konferenz im “Institut für Iberoamerikanische Kooperation” in Madrid. Sie sei der geeignete Augenblick für die iberoamerikanische Gemeinschaft, so der spanische Monarch, um sich ihrer selbst bewußt zu werden. Die Konferenz solle der Welt ihren Willen zeigen, für eine brüderliche und solidarische Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.
Nach letzten Informationen haben alle lateinamerikanischen Staatsoberhäupter – Fidel Castro eingeschlossen – die Einladung angenommen.
Währenddessen protestierten in Chile hunderte von Indígenas gegen die Gedenkfeiern am 12.Oktober. An diesem “Tag der Rasse” (día de la raza) wird in ganz Amerika die Landung von Kolumbus gefeiert. Vor dem Monument des Indígena-Führers Caupolican in Santiago de Chile hielt José Painiqueo, Vorsit­zender der “Metropolitanen Koordination der Indígena-Völker” eine Rede, in der er die Demonstration als Gedenkveranstaltung für den “Jahrestag der Invasion und die Ankunft der Fremden in unserem Vaterland” bezeichnete.
Die bolivianischen Indígenas kündigten im Zentrum von La Paz die Bildung einer eigenen Regierung für 1992 an.
In Ecuador fanden mehrere Demonstrationen gegen “den schlecht benannten Tag der Rasse” statt. “Dieses Ereignis bedeutete die Ausrottung unserer Sitten”, hieß es.
Im Südosten von Venezuela forderte der “Nationale Indio-Rat” (CNI), daß sich die lateinamerikanischen Nationen als multi-ethnische Staaten definieren sollten. Vor RepräsentantInnen von 21 venezolanischen ethnischen Gemeinschaften sagte ein Vertreter des CNI: “Wir Indígena-Völker weisen die “Entdeckung Amerikas”, den “Tag der Rasse” und die “Begegnung der Völker” als kolonialistische Begriffe zurück. Sie sollen nur den Völkermord verschleiern, der auf den 12. Oktober 1492 folgte.” Der CNI forderte eine kritische Bilanz des 500sten Jahrestages, Land- und Besitztitel für die Indígena-Gemeinschaften und einen Schutz vor dem Verkauf von Indígena-Land, um die Auslandsschulden zu bezahlen.
Panamaische Indígenas demonstrierten vor der spanischen Botschaft in ihrem Land und verlangten von ihrer Regierung, sich nicht an den Vorbereitungen zu den Feiern zum 500sten Jahrestag der Eroberung zu beteiligen.
In San Salvador versammelten sich Indígenas der Nahuatl. Vor der Statue der spanischen Königin Isabel erklärten sie den 12.Oktober zum “Tag der Trauer, an dem wir unsere Identität verloren haben”.
In San José, der Hauptstadt Costa Ricas, marschierten protestierende Indígenas durch die Stadt, während Staatspräsident Calderón ein Geschenk vor der Statue der Königin Isabel niederlegte. “Wir verlangen Personalausweise, jetzt sofort, wir sind Kinder dieses Landes”, forderten die costaricanischen Indígenas.
In Guatemala, einem der Länder mit dem höchsten Indígena-Anteil der Bevölke­rung, gaben verschiedene Volksorganisationen Stellungnahmen zum 12. Oktober heraus. Die Union der LandarbeiterInnen des Südens (UCS) forderte, die Mittel, die für diese “dummen Feiern” 1992 vorgesehen sind, für die medizinische Ver­sorgung und für Lebensmittel für die Armen auszugeben. Mit der Invasion 1492, so erklärte die UCS, habe das Leiden und die Ausbeutung der Indígena-Bevölke­rung begonnen, die bis heute andauere. Noch krasser drückte es das “Komitee für die Einheit der LandarbeiterInnen” (CUC) aus. Die Gewerkschaft verglich die von den Spaniern errichteten Kolonialdörfer mit den vom guatemaltekischen Heer geschaffenen militärisch kontrollierten Modelldörfern. “Die Spanier haben uns das Land geraubt und es an jene vergeben, die heute die Großgrundbesitzer sind”, erklärte das CUC und forderte die Rückgabe des Bodens an die rechtmäßi­gen BesitzerInnen. Die LandarbeiterInnengewerkschaft erklärte, die unterdrück­ten Völker und die armen Bevölkerungsschichten müßten sich zusammenschlie­ßen, um den offiziellen Feiern eine alternative Kampagne “500 Jahre Volks- und Indígena-Widerstand” entgegenzusetzen. Als Vorbild für den Widerstand empfahl CUC das Beispiel der geheimen Widerstandsdörfer in Guatemala. In diesen versteckten Bergdörfern leben Menschen, die vor der Repression des Hee­res geflüchtet sind.
Schon am Tage zuvor hatten auf ihrem vierten Treffen die lateinamerikanischen Indígena-Parlamentarier in Guatemala-Stadt eine Abschlußerklärung veröffent­licht. Darin kündigten sie jeglicher Form von Diskriminierung, Ausbeutung und politischer Vernichtung ihrer Völker den Kampf an und forderten die Regierun­gen ihrer Länder auf, ihre Sprache, ihre Kultur und die Institutionalisierung von Indígena-Regierungen zu unterstützen. Sie wiesen die offiziellen Feiern des Fünften Jahrhunderts der spanischen Eroberung zurück, da sie “beleidigend sind und die Indígena-Kultur zudem als touristisches Spektakel präsentiert werden soll”.
In den USA wurde folgende Erklärung des Cherokee-Indianers Jan Elliot publi­ziert: “Kolumbus war ein Mörder. Seine Landung am 12. Oktober 1492 löste einen der größten Verluste an Menschenleben in der ganzen Geschichte aus.”

“Emancipación e Identidad” tagt

Unter dem Titel “Herrenvölker-Randvölker” fand am 29./30.September in Frank­furt der zweite sog. “Bundeskongreß” dessen statt, was sich als Kampagne “Emancipación e Identidad” zum 500.Jahrestag der sog. Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus versteht. Initi­iert von dem in Mexiko tätigen deutschen Soziologen Heinz Diete­rich hat “Emancipación e Identidad” in der Bundesrepublik seit ei­nem Jahr durch Publikationen und Kongresse mit promi­nenten Gästen von sich reden gemacht. Anspruch von “Emancipación e Identidad” ist die Organisation einer interkontinentalen Kampagne bis 1992. In Frankfurt wurde allerdings auch deutliche Kritik an den Initia­torInnen laut. Die Frage ist: wer macht welche Kampagne, wie, und mit wem?
“Emancipación e Identidad” ist zunächst einmal eine lateinamerika­nische Kam­pagne. Nach der Gründung in Mexiko wurden Kontakte zu Organisationen auf dem ganzen Kontinent geknüpft. Besonders inte­ressant in diesem Zusammen­hang: die “Campaña 500 años de resis­tencia indígena y popular” (Kampagne 500 Jahre indigener und Volkswiderstand). Sie geht von einem breiten Spektrum von Organi­sationen indigener Völker, Landlosenbewegungen und anderer Volks­organisationen aus (siehe auch das Interview zu ihrem ersten Kon­greß im Ok­tober 1989 in Bogotá in LN 187). Beide Kampagnen haben inzwischen ihre “Verschwisterung” (“hermandad”) beschlossen, die sich, nach Auskunft der la­teinamerikanischen Gäste, in der Praxis aber auf gegenseitige Einladungen zu Kongressen beschränkt. Nach­dem bereits im November vergangenen Jahres in Hamburg der erste Kongreß von “Emancipación e Identidad” stattgefunden hatte, sollte in Frankfurt ein Schritt hin zur Interkontinentalisierung der Kam­pagne getan werden. Organisiert war der Kongreß von dem aus der Nicaragua-Solidarität bekannten Verein Monimbó aus Dietzenbach bei Frankfurt. Beste Voraussetzungen also für eine breite Vernetzung der lateinamerikanischen Kam­pagnen mit der in der BRD entstehenden Kampagne, an der viele Gruppen und fast alle Zeitschriften des So­lidaritätsspektrums mitarbeiten?
Zunächst machte das Konzept des Kongresses stutzig. Am ersten Vor­mittag sollten nach mehreren Grußworten sage und schreibe vier Vorträge ohne Pause die TeilnehmerInnen auf das Thema einstimmen. Heinz Dieterich selbst, der ar­gentinische Ex-Montonero Miguel Bo­nasso, Tomás Borge und die guatemalteki­sche Menschenrechtskämpfe­rin Rigoberta Menchú waren die ReferentInnen. Auf den Inhalt der Beiträge über Strategien, Perspektiven, Theorie und Praxis der la­teinamerikanischen Linken genauer einzugehen, führt an dieser Stelle zu weit. Nur soviel sei gesagt: deren Qua­lität stand in keinem Verhältnis zur Prominenz des Podiums, einzig Rigoberta Menchú konnte überzeugen.
Der Lichtblick des Kongresses waren die anwesenden VertreterInnen der latein­amerikanischen Kampagne “500 años de resistencia”. Cristobal Tapuy vom Indi­gena-Dachverband CONAIE aus Ecuador, der kolumbianische, in Ecuador exi­lierte Gewerkschaftsführer Angel Tolosa und Rigoberta Menchú konnten deutlich machen, wie die Kampagne aus ihrer konkreten politischen Arbeit ihre Konturen be­zieht. Zumindest für die TeilnehmerInnen ihrer AG’s (zwei von ins­gesamt mehr als 15) war ein Ziel des Kongresses, die Information über Aktivitä­ten in Lateinamerika, erreicht. Aber der Informations­fluß verlief als Einbahn­straße. Es bestand kaum Gele­genheit, die lateinamerikanischen Gäste über den Diskussionsstand in der BRD zu informieren. Der Austausch von Ideen, Infor­mationen, politischen Standpunkten etc., für den ein solcher Kongreß den Rah­men bieten müßte, fand nicht statt.
Nach der ausgedehnten Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse war Sonntag nach dem Mittagessen noch der Punkt “Kampagne in der BRD” vorgesehen. Die gelichteten Reihen ließen nicht auf übermäßiges Interesse daran schließen, war doch offenbar ein großer Teil des Auditoriums mehr der prominenten Gäste we­gen gekommen. Tatsächlich blieb es merkwürdig nebulös, wer denn an diesem Ort eigentlich was für eine Kampagne initiieren sollte.
In der BRD findet seit über einem Jahr im Rahmen des BUKO (Bundeskongreß der entwicklungspolitischen Aktionsgruppen) ein oft sehr mühsamer Diskussi­onsprozeß statt, der in eine Kampagne münden soll. Der Stand dieser Diskussion war in Frankfurt kein Thema. Eine Kampagne lebt von den Gruppen und Men­schen, die sie tragen und konkret umsetzen. Die Inhalte einer Kampagne in Eu­ropa und in der BRD müssen aus den politischen Problemen und Erfahrungen hier entstehen, um z.B. die Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf La­teinamerika zum Thema zu machen. Bisher scheinen die TrägerInnen von “Emancipacion e Identidad” es nicht für nötig zu halten, sich mit den bereits en­standenen Strukturen für eine Kampagne in der BRD auseinanderzusetzen, eine Kampagne, im Zuge derer die Entwick­lung konkreter politischer Forderungen hier in der BRD und in Eu­ropa im Mittelpunkt stehen müßten. Es scheint sym­ptomatisch, daß die eher peinliche Eigenwerbung des Herrn Dieterich für das von ihm herausgegebene demnächst erscheinende Buch (O-Ton Dieterich: “das wichtigste Buch seit Las Casas”) beim Kongreß mehr Raum ein­nahm, als die Dis­kussion um gemeinsame Handlungsmöglichkeiten. Nicht daß man etwas dage­gen haben könnte, auf einer intellektuell-wissenschaftlichen Ebene eigene Dis­kussions- und Aktionsformen zu entwickeln. Publikationen, die Material für De­batten liefern, und die Organisation von gut besetzten Kongressen können eine Kampagne nur weiterbringen. Ohne die Bereitschaft zur Vernetzung solcher Ak­tivitäten mit dem vorhandenen Spektrum von Aktionsgruppen er­scheint aller­dings ein Kongreß einer sogenannten Kampagne wie die­ser als immer weiteres Aufblasen eines Ballons namens “Emancipación e Identidad” ohne Verankerung in der politischen Wirklichkeit der BRD-Solidaritätsszene. Es ist zu hoffen, daß “Emancipación e Identidad” in den anderen europäischen und latein­amerikanischen Ländern, in denen die “Kampagne” in Erscheinung tritt, bereits vorhandenen Strukturen mehr Aufmerksamkeit ge­schenkt hat.
Niemanden ist damit gedient, die Aktionen zum 500.Jahrestag der spa­nischen Conquista durch eine Spaltung in verschiedene Kampagnen bis hin zur direkten Konkurrenz zwischen ihnen zu belasten. Ort und Zeit für die notwendige Ver­netzung und gemeinsame Planung sind das nächste BUKO-Seminar zum Thema im Dezember und die für März geplante Aktionskonferenz.

“Es gibt keine Alternative zum parlamentarischen Weg”

LN: Der MCP ist die größte Bauernorganisation in Paraguay. Welches sind die Strukturen und wie groß ist der Stellenwert des MCP in der Politik Paraguays?

Pastora Coronel: Der MCP ist eine der größten Bewegungen, die im Moment in Paraguay existieren. Er entstand 1980 und seitdem kämpfen wir für die Erfüllung von 14 Forderungen: Als wichtigstes fordern wir eine wahrhaftige, integrale Agrarreform in Paraguay, denn Paraguay ist ein durch und durch agrarisches Land. Mehr als 70% der Bevölkerung sind Campesinos. Außerdem fordern wir gerechte Preise für die Agrarprodukte der vielen Kleinbauern. Seit der Gründung haben wir für eine wirkliche Arbeiterorganisation gekämpft, die für die Rechte der Arbeiter und Baueren kämpft. Unter der Stroessner-Diktatur gab es lediglich regierungstreue Gewerkschaften, wie die CPT. Deswegen erachten wir die Gründung der CUT am 6.8.1989 ,als erste unabhängige Arbeitervertretung, als einen der größten Erfolge seit dem Sturz Stroessners. Der MCP ist eines der Gründungsmitglieder dieses unabhängigen Gewerkschaftsdachverbandes. Darüberhinaus kämpfen wir für einen nationalen Zusamrnenschluß der Bauern. Zur Zeit bestehen in Paraguay drei nationale Campesino-Organisationen. Die Gründung eines nationalen Zusammenschlusses ist gerade in diesem konjunkturell wichtigen Moment von besonderer Bedeutung, denn der Kampf der Campesinos ist sehr glühend und wir denken, daß mittels dieser Konföderation der Kampf der Bauern konsolidiert werden kann. Wir kämpfen für die Respektierung der Menschenrechte in Paraguay und haben innerhalb des MCP eine spezielle Gruppe für dieses Thema. Außerdem verlangen wir die Respektierung der Kulturen der existierenden Ethnien und Indígenas in Paraguay. Dies sind unsere wichtigsten Ziele.
Der MCP ist eine der wichtigsten Organisationen in Paraguay mit 100.000 bis 120.000 Mitgliedern. Wir arbeiten in 14 der 19 Departements in Paraguay. Das Organisationssystem ist von der Basis der Campesino-Gemeinschaften ausgehend regional und dann national strukturiert.

LN: Wie arbeitet der MCP?

P.C. Der MCP definiert sich als Klassenorganisation und hat verschiedene Kampfmethoden, unter ihnen vor allem die Organisation von Landbesetzungen. In Paraguay existiert seit der Stroessner-Diktatur das nationale Agrarentwick­lungsinstitut IBR, das eine Lösung des Landproblems herbeiführen soll. Diese Organisation hat nie nach einer Lösung der Probleme der Campesinos gesucht, sondern immer die Interessen der Großgrundbesitzer vertreten. Außerdem organisiert der MCP große Kundgebungen und Besetzungen z.B. des IBR. Im Moment ist zum Beispiel die Kathedrale in Asunción permanent von Landlosen besetzt, die ihre Rechte einfordern. Straßen werden blockiert etc. Ohne Zweifel hat General Rodríguez nach dem Sturz Stroessners viele Versprechungen gemacht, unter anderem die, eine wahre integrale Agrarreform durchzuführen. Diese Versprechen hat er im Laufe der Zeit keineswegs eingelöst. Im Gegenteil: Er hat neue repressive Instrumente geschaffen, um den Kampf der Landlosen in Paraguay zu unterdrücken.

‘Die Repression wächst in Paraguay …’

Drei Monate nach der Wahl hat er den CONCODER (Consejo Nacional de Coordinación Para el Desarrollo Rural) gegründet, der von einem General des Heeres geleitet wird. Dieser hat als einziges Produkt eine Spezialeinheit gegründet, ein Repressionsinstrument von bewaffneten Zivilisten und Polizisten. Seine einzige Aufgabe war die Vertreibung von Campesinos, die Land besetzen, sie zu foltern und gefangenzunehmen. Nachdem vom MCP und der CUT Druck ausgeübt wurde, verschwand diese Spezialeinheit von der Bildfläche. Aber heute haben wir in Paraguay weitere besondere Unterdrückungsinstrumente, spezielle Einheiten innerhalb der Polizei. So konnte das Militär sich zurückziehen und die Hände in Unschuld waschen, aber für uns ist klar, daß sich die Armee öffentlich zurückzieht, um im Geheimen zu arbeiten. Die Repression wächst in Paraguay. Neben diesen Repressionsinstrumenten der Regierung existieren in Paraguay Gruppen und Organisationen der Großgrundbesitzer. Diese haben ihre eigenen bezahlten Pitoleros, die die friedlichen Landbestzungen unterdrücken sollen. Diese haben immer die Unterstützung der Regierung.
Auch die Volksorganisationen werden unter Druck gesetzt. Im Moment haben wir in Paraguay mehr als 250 politische Gefangene wegen Landbesetzungen. Wir haben mehr als zweihundert Landbesetzungen von unproduktiven Latifundien, von denen 90% geräumt wurden. Aber es gibt keine andere Aiternative zu den Landbesetzungen unproduktiver Ländereien. Innerhalb der Besetzungen haben wir natürlich eine Vielzahl von Schwierigkeiten. Fehlende Gesundheitsvorsorge, fehlende Ausstattung und Nahrungsmittelversorgung Obdachlosigkeit, und dies hat weitere Probleme zur Folge.

‘Wir haben uns keine Illusionen über die ‘Demokratisierung’ in Para- guay gemacht.’

LN: Hat der Regierungswechsel im Februar letzten Jahres Freiräume eröffnet oder bedeutet er lediglich die Kontinuität der Diktatur?

P.C.: Wir haben uns keine Illusionen über die “Demokratisierung” in Paraguay gemacht. Für uns war klar, daß es eine weitere Taktik des nordamerikanischen Imperialismus ist, um die lateinamerikanischen Länder auszubeuten. Die Diktaturen in den Ländern waren zu kriminell geworden, und so mußten sie gegen demokratische Regime ausgewechselt werden, um eine weitere Ausbeutung für 30 oder 40 Jahre und ihre Interessen zu sichern. Wir wußten, daß Rodríguez nichts in Paraguay ändern würde.
Gegenteil, das Leben der Arbeiter ist generell wesentlich schwieriger geworden. Rodriguez hat 35 Jahre lang eine kriminelle Politik gegenüber dem Volk getragen, und von einen Tag auf den anderen war er so schnell demokratisch, daß es lächerlich wirkte. Aber speziell nach sechs, sieben Monaten gab es eine kleine politische Öffnung. Aber heute hat er wiederum diese Öffnung enorm eingeschränkt. Die soziale und politische Struktur hat sich kein Stück geändert. Die Volkssektoren haben die politische Öffnung maximal ausgenutzt. So sind zum Beispiel nach dem Sturz Stroessners mehr als 200 Gewerkschaften in Asuncion entstanden, was vorher nie möglich war. Die CPT war immer von der Regierung gesteuert, unter der Leitung des Führers der antikommunistischen Einheit, die extrem faschistisch war. Auf dem Land haben sich die Campesino-Organisationen sehr stark konsolidiert.

‘Die Parteien verlieren an Glaubwürdigkeit.’

LN: Wie ist das Verhältnis des MCP zu den verschiedenen Parteien.
P.C.: Die Colorado-Partei, die 35 Jahre lang das kriminelle Regime von Stroessner getragen hat ist im Moment total atomisiert und zerstritten. Die liberale PRLA, die wesentlichste Oppositionspartei unter Stroessner, hat immer die Diktatur unterstützt und ist heute die Partei, die am meisten mit dem Demokratisierungsprozeß -dem imperialistischen Projekt -kompromittiert ist.
Für uns sind dies die wesentlichen Betrüger-Parteien des Volkes. Die PRLA hatte nie eine Verankerung in den Massen und verliert immer mehr an
Glaubwürdigkeit. Beide Parteien verlieren Terrain. Aber in dem Freiraum des Übergangs sind verschiedene kleine linke Parteien entstanden. Zum Beispiel entstand die PT, die Arbeiterpartei, ein Produkt der Assimilierung der Volkskämpfe von Arbeitern und Bauern, eine wichtige linke Partei. Die Partido Democratico Pupular PDP unterscheidet sich kaum von der PT, aber sie hat die bessere Arbeitstaktik innerhalb der Arbeiter-und Bauernmassen. Die Arbeiter und Bauern diskutieren ihr eigenes Projekt und in kurzer Zeit wird eine neue Partei entstehen, die der MCP gründen wird, als wahre Repräsentanz der Arbeiter und Bauern und der progressiven Sektoren in Paraguay. Die Mehrheit
der MCP-Mitglieder ist in dieses Projekt integriert.

LN: Für den MCP ist also der parlamentarische Weg eine konkrete Perspektive?

P.C.: Das ist eine schwierige Frage. Aus Taktik beschreiten wir diesen Weg. Aber es gibt keine Alternative, das hat das Beispiel Salvador Allendes gezeigt. Diese Erfahrung wollen wir wenn möglich nicht wiederholen. Die Mehrheit der Linken in Paraguay denkt, daß es keine Alternative zum parlamentarischen Weg gibt, auch wenn wir denken, daß das Parlament ein Ort vieler Scharlatane ist, die viel reden und nichts tun. Der bewaffnete Kampf einer Guerilla ist für Lateinamerika im Moment kein gangbarer Weg. Man muß abwarten, was der konjunkturelle historische Moment für Freiräume Iäßt. Die linken Parteien sitzen noch nicht im Parlament, weil sie neu sind und dabei sind, sich zu konsolidieren. Jetzt muß die Basis in den Massen konsolidiert werden, bevor sie im Parlament sitzen.

Wir sind Fremde im eigenen Land!

Währenddessen und seit Jahren werden die seit 1977 gültigen Indígena-Gesetze, die jegliche äußere Eingriffe in die Reservate gegen den Willen der Indígenas oder ihrer Vereinigungen verbieten, unterlaufen durch die Minengesetze. Diese gestatten es Privatpersonen und Unternehmen, in den Reservaten willkürlich Landansprüche abzustecken.
Insbesondere Straßenbau- oder Staudammprojekte verdeutlichen schlaglichtartig die Ignoranz aller bisherigen Regierungen gegenüber indianischen Interessen. So plant zum Beispiel das costaricanische Elektrizitätsunternehmen ICE ein Staudammprojekt in der Cordillera de Talamanca, der unwegsamen Gebirgskette mit den letzten großen zusammenhängenden Regenwaldgebieten im Süden des Landes: Mit Kosten von 684 Mio US-$ und für die Perspektive von 416 Megawatt ab dem Jahr 2005 soll eine 200m hohe Staumauer die tiefe Schlucht des Río Pacuare in einen langgestreckten Stausee verwandeln. 1.200 ha Nationalpark und Reservatsland der Cabécares werden dabei überflutet (s. Karte, #9), 60 Cabécar-Familien müßten ihr traditionelles Stammesgebiet verlassen.
Zu BündnispartnerInnen der bedrohten Indígenas schwangen sich in dieser Situation die “White Water Rafting”-Unternehmen auf, die – nicht schlecht – davon leben, zivilisationsgelangweilte Touristen in kleinen Kanus durch das tobende “weiße” Wasser tropischer Gebirgsbäche paddeln zu lassen. Ausgerechnet das ICE nun führte als Argument ins Feld der öffentlichen Debatte, daß diese Tourismus-Unternehmen allein am Erhalt der Stromschnellen interessiert seien und ihnen die Interessen der Indígenas nebensächlich wären… Zum (vorläufigen) Ende der Diskussion wurde eine Einigung erzielt, die dem ICE die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsstudie auferlegt. Unter den UnterzeichnerInnen sind das ICE und Vertreter der White-Water-Rafting-Companies, jedoch kein Vertreter der Indígenas.
Und was hat Saddam Hussein mit all dem zu tun? Der Ölpreis steigt für Costa Rica von kanppen 30 auf über 40 US-$ pro Barrel, und prompt werden alte Ideen ausgegraben, die Abhängigkeit von importiertem Erdöl durch die Ausbeutung eigener (bis jetzt nie gefundener!) Vorkommen zu mindern. Präsident Calderón spricht bereits von einem nationalen Suchprogramm, das Talamanca-Gebirge eingeschlossen.
Und die Cédula, deren nach San José getragene Einforderung im Mai zum – wie die Zeitung La Nación meldete – “ersten Konflikt der neuen Regierung” Calderón wurde? Bis auf die Guaymies, die nach Ansicht der Regierung bereits im Besitz einer panamaischen Cédula sind, und denjenigen Indígenas, die ihre Geburt auf costaricanischer Erde nicht nachweisen können, sind inzwischen fast alle Indígenas versorgt. Zu ihrer realen Gleichberechtigung in der costaricanischen Gesellschaft ist es jedoch noch ein langer Weg.

Auch Verhandlungswege bergen Hinterhalte

Das Treffen zwischen Parteien und Guerilla war im vergangenen März in Oslo zwischen der Nationalen Versöhnungskommission und der Guerilla als erste von mehreren Dialogrunden festgelegt worden. Als nächstes sollen sich die Aufständischen mit UnternehmerInnen, dann mit sozialen und religiösen Gruppen und zuletzt mit der Regierung und mit den Streitkräften treffen. Bei dem Treffen in Madrid konnte es um nicht viel mehr als um juristisch-institutionelle Veränderungen gehen. Einen Waffenstillstand oder die Entmilitarisierung bestimmter Landesteile müssen mit dem Militär verhandelt werden. Einer der wichtigsten Punkte in dem Abkommen von El Escorial verpflichtet denn auch die Parteien, ab 1991 eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, an der sich die Guerilla, die “Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas” (URNG), beteiligen wird. Die URNG erklärte in Spanien, daß durch eine Verfas­sungsreform vor allem die Rolle des Militärs als Hüter der inneren Sicher­heit abgeschafft werden müsse, und die Indígenas die Möglichkeit erhal­ten müßten, sich politisch zu beteiligen. Außerdem legt das Abkommen fest, daß Parteien und Guerilla sich regelmäßig treffen werden. Für die Zeit des Wahlkampfs bis zur Amtsübergabe, die sich vom 8. Juni 1990 bis zum Januar 1991 erstreckt, verpflichtet sich die URNG, alle Sabotage­aktionen wie z.B. Anschläge auf Strommasten und Produktionsanlagen einzustellen.

Kein Krieg macht noch keinen Frieden

Seit den ergebnislosen Gesprächen zwischen Regierung und Guerilla im Oktober 1987 hat der christdemokratische Präsident Vinicio Cerezo über 20 Dialogvorschläge der URNG abgelehnt. Anfang dieses Jahres ließ er zum ersten Mal Gesprächsbereitschaft erkennen, vermutlich aufgrund der wachsenden militärischen Stärke der URNG und dem Druck einiger gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere der Nationalen Versöhnungs­kommission. Unmittelbar nach der Wahlniederlage der SandinistInnen in Nicaragua jedoch fiel er wieder in die knallharte Position zurück: “Gespräche mit der Subversion wären wie ein Dialog unter Taubstum­men.” Er schloß sich damit der Meinung der guatemaltekischen Rechten an, daß die URNG sowieso bald verschwinden werde, wenn der unter­stellte Waffennachschub aus Nicaragua ausbliebe.
Doch dann änderte sich die Taktik erneut, ungefähr zeitgleich wie auch in El Salvador, offensichtlich auf “Anregung” der USA. Plötzlich bekam die Nationale Versöhnungskommission grünes Licht von Regierung und Militär für das Treffen in Oslo. Nach Oslo beglückwünschte Bernard Aronson, Unterstaatssekretär für Lateinamerika-Angelegenheiten des US-State-Departments, den Vorsitzenden der Nationalen Versöhnungs­kommission, Bischof Quezada Toruños, und die URNG für ihre “Friedensverpflichtung”. Dahinter steht sicherlich die Absicht, die Guerilla “in diesem günstigen Augenblick” zu überreden, die Waffen abzugeben. Dafür soll ihr bestenfalls angeboten werden, sich ins politische Leben ein­zugliedern, jedoch ohne irgendwelche grundlegenden gesellschaftlichen Änderungen zuzugestehen.
Vor allem den USA geht es darum, das “Problem Befreiungsbewegungen” auf dem Verhandlungsweg aus der Welt zu schaffen. Wenn mensch den Machtwechsel in Nicaragua – auch – als Ergebnis des “Friedensprozesses” interpretiert, der in Esquipulas begann, dann war diese Strategie ja durch­aus erfolgreich. Die URNG hat ihre Ziele bei den Verhandlungen klar­gestellt. Es geht ihr nicht darum, einen politischen Raum für sich zu gewinnen. “Wir wollen politische Lösungen für die Gründe, die zu dem internen bewaffneten Konflikt geführt haben. Zusammen mit den verschiedenen politischen, ökonomischen, sozialen und religiösen Kräften streben wir ein integrales Modell der Entwicklung in wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Aspekten an. Darin sollen die unter­schiedlichen Sektoren der Gesellschaft, insbesondere die traditionell unterdrückten Indígenas, volle Mitwirkungsmöglichkeiten besitzen. Dafür suchen wir den notwendigen Handlungsspielraum”, äußerte Luís Becker von der politisch-diplomatischen Vertretung der URNG.
Mit einem klaren Nein antworteten die Vertreter der URNG deshalb auch auf die in Spanien immer wieder gestellte Frage, ob sie sich an den Präsidentschaftswahlen im November beteiligen wollten. Nach “El Escorial” begann dann das Knobeln, ob die Guerilla zur Verfassungs­gebenden Versammlung eine Partei gründen werde. Bis Comandante Pablo Monsanto, Mitunterzeichner von El Escorial, in einem Interview gegenüber der kubanischen Zeitung “Granma” erklärte: “Wir werden als politische Kraft teilnehmen, nicht als politische Partei. Dies bedeutet weder die Entwaffnung der Guerilla noch die Demobilisierung unserer Streitmacht. Das Abkommen legt nur unsere Beteiligung an der Verfas­sungsgebenden Versammlung fest. Das haben wir nicht nur getan, um für die Guerilla Spielräume zu eröffnen, sondern auch für die sozialen Kräfte. Aber auf keinen Fall werden wir die Waffen aus den Händen legen, weil sie die Garantie für die Veränderungen sind, für die wir gekämpft haben. Außerdem: Auch wenn sich die URNG zu irgendeinem Zeitpunkt demo­bilisieren würde, würde der Krieg in Guatemala nicht verschwinden. Andere würden zu den Waffen greifen, weil der Ursprung des Krieges die Ungerechtigkeit, die Unterdrückung, die Ausbeutung und die Diskrimi­nierung sind”.

Erste Risse zwischen den Herrschenden?

Die Taktik der URNG, sich politische Bündnispartner zu suchen, erscheint durchaus nicht aussichtslos. Auch innerhalb der bürgerlichen Gruppen geht vielen die Abhängigkeit Cerezos vom Militär und von der Oligarchie zu weit. Seine Weigerung, mit der URNG zu verhandeln beispielsweise, war eindeutig auf den Druck des Militärs zurückzuführen. Obwohl – oder vielleicht auch weil – Cerezo das Abkommen von Esquipulas II nicht ein­hielt, begann in Guatemala als einzigem der mittelamerikanischen Länder die in Esquipulas festgelegte Nationale Versöhnungskommission ernsthaft zu arbeiten. Besonders auf Initiative der katholischen Kirche, aber auch einiger PolitikerInnen und kleiner UnternehmerInnen und natürlich der Volksorganisationen, wurde im März 1989 der “Nationale Dialog” eröff­net. Obwohl die URNG auf Druck des Militärs nicht teilnehmen konnte, erhielt der Nationale Dialog eine nicht vorhergesehene Dynamik, vor allem durch die “Vereinigte Vertretung der guatemaltekischen Opposi­tion” (RUOG).
Mit dem Putschversuch im Mai desselben Jahres warnte das Militär die Regierung davor, durch den Druck dieses Forums “weich zu werden” und einen Dialog mit der Guerilla zu beginnen. Gleichzeitig begannen Atten­tate und Drohungen gegen die RUOG-Mitglieder, woraufhin sie das Land verließen. Dem Dialog wurde damit die Luft abgeschnürt. Doch die Nationale Versöhnungskommission hat gezeigt, daß sie Personen versammelt, die bereit sind, nach den Gründen des bewaffneten Konflikts zu fragen. Deshalb droht die jüngste Taktik der Regierung, nicht direkt mit der Guerilla zu verhandeln sondern sie auf die Nationale Versöh­nungskommission abzuschieben, in ihr Gegenteil umzuschlagen. Die Gespräche, die in Oslo beschlossen wurden und die in El Escorial begon­nen haben, sind eigentlich ein “Nationaler Dialog”, in dessen Mittelpunkt die URNG steht. Sie bieten ihr die beste Gelegenheit, Allianzen aufzu­bauen. Mit diesem Rückhalt werden sie sich mit Regierung und Militär treffen.
Die unmittelbaren Reaktionen nach dem Abkommen von El Escorial zeigen, daß sich die ersten Gräben innerhalb der Herrschenden auftun. Während einige Finanziers und Industrielle das “Abkommen für den Frieden” öffentlich lobten und ihre Gesprächsbereitschaft für die nächste Runde bekundeten, reagierte die Agraroligarchie wie erwartet wenig enthusiastisch. Seine Äußerung wollte Roberto Cordón, Direktor des Großgrundbesitzerverbandes UNAGRO, allerdings nur als “persönliche Meinungsäußerung” verstanden wissen: “Wenn die Kommandatur der URNG mit ihnen (den Großgrundbesitzern) reden will, müssen sie erst ihre Waffen niederlegen.” Auch Verteidigungsminister General Hugo Bolaños drückte stellvertretend für das Militär die harte Haltung aus: “Gespräche zwischen der Regierung und den Subversiven wird es nur geben, wenn sie die Waffen niederlegen.”
Besonders nach den Äußerungen von Comandante Pablo Monsanto in “Granma” wurde wohl einigen klar, daß die URNG nicht aus einer defen­siven Position heraus verhandelt. Deshalb besteht immer noch die Möglichkeit, daß sich die Militärs weiterhin weigern zu verhandeln. Die im November neugewählte Regierung wird es sich allerdings nur schwerlich leisten wollen, sich gleich am Anfang genauso bedingungslos den Militärs unterzuordnen, wie es die Regierung Cerezo getan hat.

Der schwarze Christus von Esquipulas

Die PolitikerInnen der neun größten Parteien reisten mit dem Hinter­gedanken nach Spanien, sich für den Wahlkampf als FriedensstifterInnen zu profilieren. Nicht ohne sich vorher, genau wie die Nationale Versöh­nungskommission, mit dem Verteidigungsminister Bolaños und hohen Offizieren zu einem ausführlichen “Meinungsaustausch” zu treffen und abzusichern. Aus El Escorial übermittelte die bürgerliche Presse nur posi­tive Töne, freundliches Lächeln und viel Einverständnis zwischen Parteien und Guerilla. Auch aus den Reihen der ParteienvertreterInnen drangen keine Meinungsunterschiede an die Öffentlichkeit. Und
der Politiker Mario Sandoval Alarcón, Generalsekretär der rechtsextremen Partei namens “Bewegung für die Nationale Befreiung” (MLN), animierte die Journa­listInnen zu besonders harmonischen “Stimmungsreportagen”. Der international bekannte Antikommunist rührte die Anwesenden zu Tränen, als er seinen ideo­logischen Erzfeind, den Comandante Carlos Gonzáles, umarmte. Die Zeiten und die Welt hätten sich geändert, sagte er.
Zum krönenden Abschluß machte er der Guerilla sogar ein Geschenk: Er über­reichte jedem Comandante einen schwarzen Christus von Esquipulas – ein zwei­deutiges Symbol für Frieden. Aber GuatemaltekInnen mit einem scharfen Gedächtnis erinnern sich noch weiter zurück: Die Söldnertrup­pen, die 1954 mit Hilfe der USA die demokratische Regierung Arbenz stürzten, trugen diesen schwarzen Christus als “General des Befreiungs­heeres vom Kommunismus” vor sich her…

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