Abschied vom selbstgewählten Image

Kein Interesse an Zentralamerika

Während die vier Länder Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua im Juni in Guatemala einen Vertrag zur zentralamerikanischen Einigung unterzeichneten, der einige Zoll- und Handelsschranken beseitigte und Migrationskontrollen lockerte, blieb Costa Rica ebenso wie Panamá in der Rolle des stillen Beobachters. Statt auf Gemeinsamkeiten blicken die costaricanischen PolitikerInnen eher mißtrauisch auf Unterschiede zu den Nachbarstaaten; so zum Beispiel der neugewählte Parlamentspräsident Danilo Chaverri von der konservativen Regierungspartei Partido Unidad Social Cristiana (PUSC). In einem Zeitungsinterview erklärte er: “Wir haben ein Land mit 40 % Arbeitslosigkeit (gemeint ist der Nachbarstaat Nicaragua, der Verf.), und eine Öffnung der Grenzen würde eine Flut von Immigranten auslösen, die in sehr starkem Maße an unserer kulturellen Identität rütteln würde.” Abgesehen von der verblüffenden Geistesverwandtschaft einiger costaricanischer PolitikerInnen zu ihren KollegInnen in der BRD wird hier eine interessante Frage aufgezeigt: Was soll denn Costa Ricas “kulturelle Identität” bedeuten?

Identität durch Abgrenzung

Gehen wir einmal davon aus, daß es so etwas tatsächlich gibt: Mit einer gemeinsamen Identität der Länder Mittelamerikas, einer gemeinsamen Rolle in der Geschichte und gleichen aktuellen gesellschaftlichen Merkmalen, hat es offenbar nichts zu tun. Wer eine eigene Identität so sehr an die Notwendigkeit zur Abschottung knüpft, gibt damit zu, daß er Angst hat, sie sehr leicht verlieren zu können. Eine Angst, die sich politisch seit Jahren durch eine Das-geht-mich-nichts-an-Haltung ausdrückt, oder höflicher: durch eine Neutralitätspolitik. Und wenn das Land mit den Problemen anderer in speziellen Fällen ganz besonders wenig zu tun haben wollte (wie in den 80er Jahren mit Nicaragua), dann gab es sich einfach so extrem neutral, daß die ein-und ausgehenden Contras gar nicht bemerkt werden konnten.
Was aber ist für die CostaricanerInnen die eigene Kultur? Marimbaklänge und Volkstanzgruppen aus Guanacaste – vielleicht. Die Tradition der Schwarzen von der Atlantikküste schon weniger. Und was die Indígena-Kultur betrifft, so galt diese vielen schon immer als etwas Fremdes im eigenen Land. Die Conquistadoren bewirkten hier gemeinsam mit der Gesetzgebung der jüngeren Vergangenheit etwas, was anderswo mordende Soldaten nicht schafften: Die ohnehin zahlenmäßig nie sehr große Indígena-Bevölkerung Costa Ricas konnte große Teile ihrer natürlichen Lebensform und ihrer Traditionen nicht bewahren.

Falsches Bild vom “grünen Land”

Der Tourismus tut ein übriges. Längst sind unter den 610.000 TouristInnen, die im letzten Jahr kamen, nicht mehr nur die üblichen Gringo-RentnerInnengruppen, sondern fast ebenso viele junge, “individuelle” “Alternativ”-Reisende aus Europa.
Ob Gruppe oder Einzelreisende/r; für ein Land mit etwas über drei Millionen BewohnerInnen hat der Tourismus, der allen Prophezeiungen zufolge demnächst die Bananen als Devisenquelle Nummer eins ablösen wird, eine Größenordnung erreicht, die eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für die Natur des Landes darstellt. Im Falle des Nationalparks Manuel Antonio an der Pazifikküste wird längst überlegt, ähnlich wie schon im Naturreservat Monteverde, täglich nur eine begrenzte BesucherInnenzahl in den Park zu lassen. Manuel Antonios Pendant an der Karibikküste ist der Nationalpark Cahuita, der bevorzugt von all jenen aufgesucht wird, die sich ihr Klischee vom relaxten Leben der schwarzen KüstenbewohnerInnen zwischen Reggae und Marihuana bestätigen lassen wollen – und sich wundern, daß sie dort auf immer größere Ablehnung stoßen.

“Öko-Teufel” für den Präsidenten

Die geschützten Nationalparks drohen an den TouristInnenströmen zu ersticken; darüber hinaus wird außerhalb der Reservate weiterhin Tropenwald gerodet, und es steht zu befürchten, daß in nicht zu weiter Ferne außer den Parks die Grünflächen Costa Ricas praktisch verschwunden sein werden.
Nicht gerade rühmlich für die Regierung des “grünen Landes”; Präsident Rafael Angel Calderón mußte dann kürzlich auch von Robin Wood den “Öko-Teufel ’92” hinnehmen – für die “scheinheiligste Öko-Politik”. Konkreter Anlaß hierzu war allerdings der umstrittene 400-Betten-Hotelkomplex der spanischen Barceló-Gruppe am Strand von Tambor, einem Mammutprojekt, für das unter anderem Wagenladungen weißen Sandes über den imageunfreundlichen dunklen Strand gekippt wurden. Gesetzesverletzungen bei der Errichtung des Hotels Las Palmas an der Atlantikküste veranlaßten die costaricanische Schriftstellerin Anacristina Rossi dazu, einen Roman über den Skandal zu schreiben (der sich in Costa Rica hervorragend verkauft).

“Grundwerte” Religion und Familie
Wer schließlich versucht, die kulturelle Identität durch bestimmte gesellschaftliche Werte oder Normen zu definieren, darf davon ausgehen, von den CostaricanerInnen auf die ungemein wichtige Bedeutung solcher Begriffe wie Religion oder Familie in ihrem Lande hingewiesen zu werden. Auch das ist freilich mit Vorsicht zu genießen. In einem Staat, in dem 60 Prozent der Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren bereits mindestens eine Schwangerschaft hinter sich haben, scheint es mit der Einhaltung katholischer Verhaltensmaßregeln nicht allzu weit her zu sein. Und die Tatsache, daß später 41 Prozent jener Mädchen als alleinstehende Mütter einen Haushalt führen müssen, weist nicht gerade auf ein intaktes Familienbild in Costa Rica hin.
So wäre es vielleicht korrekter, anstatt von einer kulturellen Identität von einer nationalen Identität zu sprechen, und zu deren Umschreibung müssen immer wieder zwei abgenudelte Begriffe herhalten: “Demokratie” und “Frieden”.

Eine Musterdemokratie?

Die costaricanische Demokratie weist eindeutige Parallelen zu der US-amerikanischen auf. Die Macht wird mittlerweile abwechselnd von zwei programmatisch kaum variierenden Parteien, PLN (Partido Liberación Nacional) und PUSC, ausgeübt. Besonders einig sind sich die VolksvertreterInnen immer dann, wenn es um die Erhöhung ihrer Diäten geht. Der neue PLN-Fraktionsvorsitzende Federico Vargas etwa ist stolz, durch ein neues Gesetz, das die jährliche Erhöhung der Bezüge um fünf Prozent im voraus festlegt, die zukünftigen ParlamentarierInnen vor dem “schrecklichen Trauma” bewahrt zu haben, sich selbst immer neue Profite genehmigen zu müssen. Parlamentspräsident Chaverri hält Rechtfertigungen sowieso nicht für nötig: “Die Abgeordneten sind die Funktionäre, die am meisten in der öffentlichen Kritik stehen, vor allem deshalb, weil in diesem Jahr fast jeder der drei Millionen Costaricaner Abgeordneter sein möchte.”
Daß das Land erstmals seit sieben Jahren wieder im Jahresbericht von Amnesty International genannt wird, trägt neben derartigen Äußerungen ebenfalls nicht gerade zum Image der costaricanischen Demokratie bei. Zielscheibe der Vorwürfe ist die ohnehin keinen besonders guten Ruf genießende Polizei, der Morde an vermeintlichen Drogendealern und Mißhandlungen von Transvestiten in San José zur Last gelegt werden.
Kandidat unter Mordverdacht
Ob von einer PLN-Regierung neue Impulse für die Politik zu erwarten wären, ist fraglich. Wenn es nämlich einen der parteiinternen KandidatInnen der sozialdemokratischen Partei gab, dem getrost einige Schwierigkeiten beim Umgang mit der Demokratie bescheinigt werden konnten, so war dies José Maria Figueres Olsen. Weniger wegen der etwas verworrenen Vorwürfe gegen seine Person, nämlich dem Mordverdacht an einem kleinen Drogendealer Anfang der siebziger Jahre (“Caso Chemisse”) und dem des Betruges als Repräsentant einer Minenfirma, als vielmehr wegen seiner teilweise sehr eigenen Art, darauf zu reagieren: So verweigerte Figueres dem TV-Kanal 7 ein einstündiges Interview zu den offenen Fragen, wollte aber stattdessen eine (von seinem Team hergestellte) “Reportage” ins Programm rücken. Dies war kurz vor den Vorwahlen im Juni. Inzwischen haben die WählerInnen gesprochen: Der PLN-Herausforderer um die Nachfolge von PUSC-Präsident Rafael Angel Calderón (Sohn des Staatspräsidenten 1940-44) ist der mit 57,4 Prozent aller Stimmen berufene José Maria Figueres (Sohn des Staatspräsidenten 1953-58 sowie 1970-74). Und dem PUSC-Kandidaten, dem eifrigen Neoliberalismus-Verfechter Miguel Angel Rodríguez, kommt nun zugute, im Wahlkampf auf die Argumente der Figueres-Gegner aus dessen eigenen Reihen zurückgreifen zu können; da ist dann vielleicht nicht ganz so schmerzlich, daß er selbst kein Präsidenten-Sohn ist.

Wer rettet den sozialen Frieden?

Zu tun gibt es für den kommenden Präsidenten einiges. Vor allem im wirtschaftlichen und sozialen Bereich liegen die Probleme. Die Zahl verarmter Familien liegt bei 22,2 Prozent; nach Berichten der Weltgesundheitsorganisation nahm unter der amtierenden Regierung die Unterernährung in der Bevölkerung stark zu – kein Wunder, wo doch der Preis für die “Canasta Básica”, die Grundnahrungsmittel, sich innerhalb von sechs Jahren verdreifachte, ein Sprung, den die Gehälter nicht vollzogen. Die Arbeitslosigkeit sank zwar auf offizielle 4,1 Prozent (1992), doch ging dies zu Lasten eines explodierenden informellen Sektors (ambulante VerkäuferInnen, “Piraten”-Taxis etc.) Mit der Pro-Kopf-Verschuldung (März’93: 1.114 US-$) liegt Costa Rica schon seit Jahren auf einem Spitzenplatz in der Welt.
Ein sozialer Friede läßt sich bei solchen Zahlen kaum aufrechterhalten. In Costa Rica äußert sich dies in einem Anstieg der Raub-und Diebstahldelikte, bevorzugt gegen unvorsichtige TouristInnen. Rafael Guillén, Chef der Kriminalpolizei OIJ, sieht das ganze so: “Wenn ein Land, das in der Entwicklungsphase ist, sich nach vorne bewegt, bleiben Personen auf der Strecke, die sich nicht auf die neue Situation einstellen können.”
Verbrechen ganz anderer Art waren es jedoch, die das Bild von der Friedensinsel Costa Rica endgültig umstießen – und das Land einmal in den Mittelpunkt des Weltgeschehens rücken ließ.

Drei Geiseldramen in sieben Monaten

Wurde die eintägige Entführung des obersten Hüters über die innere Sicherheit, des Innenministers Luis Fishman durch den Honduraner Ordonez noch als einmaliger Ausrutscher ins Kuriositätenkabinett eingeordnet, so war die 13tägige Besetzung der nicaraguanischen Botschaft samt Geiselnahme in der Hauptstadt San José im März diesen Jahres ein Schlag von ganz anderem Kaliber. Zwar besaß das ohne Blutvergießen beendete Geiseldrama durchaus kabarettistische Züge, beispielweise wenn Terroristenboß Urbina Lara in selbstdarstellerischer Manier ein Dekret nach dem anderen über die Lautsprecher schickte, oder wenn das benachbarte “Pizza Hut” Opfer und Täter mal schnell mit seinen Köstlichkeiten versorgte; von der Berichterstattung der in solcherlei Dingen unerfahrenen Medien gar nicht zu reden. Der Versuch der costaricanischen Regierung jedoch, das ganze als rein nicaraguanische Angelegenheit abzutun, wirkte kläglich.
Es gelang aber, noch eins draufzusetzen: Die Besetzung des Obersten Gerichtshofs mit Geiselnahme von 24 Angestellten (26. – 29. April). Anders als wie zuvor verbreitet (und wohl auch gehofft), handelte es sich bei den Geiselnehmern nicht etwa um kolumbianische Drogenmafiosi, sondern um ehemalige costaricanische Justizangestellte. Da half dann auch nichts mehr, daß Kommandoführer “Charlie” in seinem Bekennerbrief dreimal “Verzeih’ mir, Costa Rica” schrieb und nach seiner Gefangennahme (kurz vor dem Einstieg in den Fluchthubschrauber übergaben die Gangster ihre Waffen freiwillig (!) der Polizei und wurden daraufhin überwältigt) erklärte, er hätte sich mit dem Lösegeld nur eine dringende Lebertransplantation finanzieren wollen – wobei die Ärzte versicherten, “Charlie” stünde nicht auf der Dringlichkeitsliste.

…und nun auch noch Dinosaurier!

Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen im Februar ’94 ist es also endgültig vorbei mit dem so liebevoll gepflegten Image des “Paradieses” Costa Rica. Neben politischen Entscheidungen scheint aber auch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der “kulturellen” oder “nationalen” Identität vonnöten, bei der davon abgegangen werden sollte, sich weiterhin hinter leeren Floskeln zu verschanzen.
Übrigens: Ob der Film “Jurassic Park”, den Regisseur Spielberg “auf einer Insel vor Costa Rica” spielen läßt (in Wirklichkeit wurde auf Hawaii gedreht), sich imagefördend auf das mittelamerikanische Land auswirkt? Zumindest die Darstellung der Hauptstadt San José war im Lande recht umstritten. Im Film zeigte man ein Kaff am Karibikstrand, das offenbar zur Gänze aus einem Open-Air-Café bestand. In der Version, die in der costaricanischen Hauptstadt (etwa eine Million Einwohner und 100 bzw. 160 Kilometer von Pazifik- und Karibikküste entfernt) in den Kinos gezeigt wurde, befand sich dann auch ein schwarzer Balken über dem eingeblendeten Wort San José, der jedoch leider etwas verrutscht war – was gemischte Reaktionen des Publikums hervorrief.


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Ein Aymara im totalen Gonismus

Zwischen den Basketballkörben im Coliseo Cerrado in La Paz brennt ein Feuer. Indigene Würdenträger umschreiten es und werfen Cocablätter und andere Gaben hinein, während unter dem Beifall von tausenden von Zuschauern eine Delegation nach der anderen die Halle betritt. Überall wehen die farbenprächtigen Fahnen des Tawantinsuyu, des untergegangenen Reiches der Inkas. Auf vier Sesseln sitzen zwei Männer und zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Für Gonzalo Sanchez de Lozada, aufgewachsen in den USA, ist das Zeremoniell fremd. Immer wieder muß Victor Hugo Cardenas ihm Erklärungen und Anweisungen geben. Daneben die Damen: Ximena Iturralde de Sanchez de Lozada hat sich mit folkloristischen Applikationen auf dem lila Kleid auf das Ambiente eingestellt. Auf der anderen Seite sitzt Lidia Katari de Cardenas in
“manta y pollera”, der traditionellen Kleidung der Aymara-Frauen von La Paz, auf dem Kopf die Melone, symbolhaft für das gewachsene Selbstbewußtsein der Indígenas.
Zum ersten Mal nach 168 Jahren wurde am 5.August eine neue Regierung von Delegationen der indigenen Völker Boliviens als legitim anerkannt, vor wenigen Jahren noch ein undenkbarer Vorgang in einem Land, in dem die indigene Bevölkerungsmehrheit im formalen politischen System fast nie präsent war. Trotz aller farbenprächtigen Trachten geriet die Veranstaltung dabei nie zur folkloristischen Show. Der Vertreter aus Tarabuco bei Sucre im leuchtend roten Poncho trat mit der Aktentasche unter dem Arm auf, eine Delegierte aus dem Tieflanddepartement Beni trug zum Festtagskleid eine Plastiktüte mit unbekanntem Inhalt, und die abgetragenen Anzüge der Vertreter aus Oruro waren unter ihren Ponchos deutlich sichtbar. Den Anwesenden ging es nicht um ein Revival von angeblich “authentischen” Bräuchen, sondern um die symbolische Demonstration der Hoffnung auf ein plurikulturelles Bolivien in der Gegenwart. Die Präsenz der guatemaltekischen Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu machte darüberhinaus deutlich, daß es nicht nur um einen abgelegenen Andenstaat, sondern um Perspektiven auch für die Indígenas in anderen Ländern Lateinamerikas geht.
Victor Hugo Cardenas ist ein Aymara-Intellektueller, der sich bis zum Professor für Erziehungswissenschaften und Linguistik an der staatlichen Univerität von La Paz hochgearbeitet hat. Er ist Vorsitzender der “Revolutionären Befreiungsbewegung Tupac Katari” (MRTKL), die mit der alten Revolutionspartei von 1952, der “Nationalrevolutionären Bewegung” (MNR) Sanchez de Lozadas ein Wahlbündnis geschlossen hat. So sehr die Entscheidung Gonis von wahlstrategischen Erwägungen bestimmt gewesen sein mag, hat er mit der Wahl Cardenas zu seinem Partner auch eine politische Option geöffnet. Der MRTKL ist nicht die einzige Partei aus der kataristischen Bewegung, die ihren Namen vom Führer eines Indígenaaufstandes Ende des 18.Jahrhunderts ableitet. Radikalere kataristische Gruppen idealisieren die vorkolonialen indigenen Gesellschaften und fordern die gewaltsame Vertreibung der “Weißen”, um ein rein indigenes Bolivien aufzubauen.
Cardenas dagegen steht für friedliche Reformen, um Staat und Gesellschaft Boliviens für die Indígenas zu öffnen. Jetzt, wenige Wochen nach seiner Wahl zum Vizepräsidenten, hat er die überwältigende Mehrheit der Indígenas hinter sich, während die radikaleren kataristischen Gruppen kaum politisches Gewicht haben. Allerdings haben Sanchez de Lozada und Cardenas außerordentlich große Hoffnungen geweckt. Wenn die Mehrheit der Indígenas in den kommenden Jahren den Eindruck gewinnt, von einer Regierung betrogen worden zu sein, die ihren Vizepräsidenten als Marionette zappeln läßt, stellt sich die Frage nach ihren Reaktionen. Sie werden sich kaum wieder in solchem Ausmaß für eine Regierung in La Paz mobilisieren lassen. Nicht umsonst erinnerten die Autoritäten der indigenen Völker die Gewählten am 5. August an Zarate Willka, den Führer des letzten großen Indígenaaufstandes in Bolivien im Jahr 1899. Der damalige Präsident Pando hatte ihn erst zu seinem Bündnispartner gemacht und ihn und seine Bewegung kurze Zeit später mit Waffengewalt besiegt. Sanchez de Lozada hat durch seine Entscheidung für Cardenas eine Dynamik in Gang gesetzt, von der er eingeholt werden könnte, wenn er sie nicht ernst nimmt.

Stabilität um jeden Preis

“Gonismus” gibt es nicht erst seit dem 6.August. Gonismus steht für die bolivianische Wirtschaftspolitik seit 1985. Damals war Sanchez de Lozada noch unter dem alten Präsidenten und Revolutionsführer Victor Paz Estensoro als Planungsminister der Architekt der neoliberalen Wirtschaftspolitik. Auch in der Zeit von 1989 bis 1993, als der MNR in der Opposition war, änderte sich nichts Wesentliches am wirtschaftspolitischen Kurs. Alle bekannten Folgen neoliberaler Wirtschaftspolitik waren und sind in Bolivien spürbar. Viele staatliche Minen sind schon seit Jahren geschlossen, ganze Städte in den Minengebieten sind fast ausgestorben. Die offenen Grenzen sorgten dafür, daß viele bolivianische Betriebe der Billigkonkurrenz aus dem Ausland nicht mehr standhalten konnten. Aber Gonismus heißt für die BolivianerInnen auch Stabilität, heißt Rückgang der Inflation von 23.000% in den Jahren 1984/85 auf bescheidene 10%. Und nicht zuletzt steht Gonismus für politische Stabilität. Bolivien hat am 6.August zum dritten Mal in Folge einen verfassungsgemäßen Regierungswechsel erlebt. Von links bis rechts wird gefeiert, daß Bolivien nicht mehr das Land der unzähligen Militärputsche ist. Goni kann darüberhinaus mit dem Pfund seines persönlichen Ansehens wuchern. Er gehört zu den wenigen Politikern, denen die Abneigung gegen Korruption abgenommen wird, abgesehen davon, daß er als Millionär die Korruption persönlich ohnehin nicht nötig hat. Im Wahlkampf war die Korruption ein zentrales Thema, denn unabhängig von der politischen Ausrichtung herrschte Einigkeit darüber, daß unter der letzten Regierung von Jaime Paz und Ex-Diktator Hugo Banzer die Korruption im Staatsapparat nie gekannte Ausmaße angenommen hat.
In der öffentlichen Meinung bis weit hinein in die Opposition gegen Superstar Goni herrscht die Angst vor dem Risiko, die relative Stabilität wieder zu verlieren. Alle wissen, daß die Rahmenbedingungen der bolivianischen Wirtschaftspolitik nicht in La Paz, sondern in Washington gesetzt werden. So sehr Intellektuelle und auch einige GewerkschafterInnen die Abhängigkeit des Landes kritisieren, haben sie doch die gescheiterten Experimente anderer Wege vor Augen: der chaotische Antiimperialismus Alan Garcías in Peru und die eigene Erfahrung mit der Regierung Siles Zuazo zwischen 1982 und 1985. Die Spitze des Gewerkschaftsdachverbandes COB macht massiv Front gegen die neoliberale Politik, aber ihr politisches Gewicht hat seit dem Zusammenbruch der Macht der Minenarbeiter stark abgenommen. Ihre Haltung ist defensiv: Hauptforderung ist der Stop der Privatisierungen. Aber Vorschläge, wie die hyperbürokratisierten Verwaltungsapparate der staatlichen Großbetriebe sinnvoller arbeiten könnten, sind Mangelware. Ersatzweise bedient man sich umso lieber flammender antiimperialistischer Rhetorik. Deren Glaubwürdigkeit allerdings bewegt sich bei der großen Mehrheit der BolivianerInnen nahe dem Nullpunkt.

Beliebte und Beleidigte: Gonis Koalitionstango

Sanchez de Lozada brauchte Koalitionspartner, um sich zum Präsidenten wählen zu lassen. Sein MNR hatte im Bündnis mit Cardenas MRTKL zwar die Wahlen mit Abstand gewonnen, zur absoluten Mehrheit hatte es aber nicht gereicht. In Bolivien gibt es keinen zweiten Wahlgang zwischen den beiden stärksten Kandidaten. Entscheidend ist, wer im Parlament eine Mehrheit zustande bekommt. Die Verlierer der Wahl schieden als potentielle Koalitionspartner aus. Die “Linksrevolutionäre Bewegung” (MIR) des scheidenden Präsidenten Jaime Paz hatte sich in vier Jahren an der Macht ebenso verbraucht wie die “Nationalistische Demokratische Aktion” (ADN) des ehemaligen Diktators Hugo Banzer. Banzer muß nach seiner dritten Wahlniederlage jetzt einsehen, daß er in Bolivien nicht mehrheitsfähig ist.
Drei mögliche Partner blieben: die kleine moderat linke “Bewegung Freies Bolivien” (MBL), eine Abspaltung des MIR, und dazu zwei schillernde Figuren der politischen Szenerie. Carlos Palenque machte sich die größten Hoffnungen auf den Zugang zur Macht. Mit Hilfe seines Fernsehkanals in La Paz hat er vor allem bei den städtischen Aymaras viele Stimmen bekommen, denn im “Canal 4” kommen sie zu Wort. Marktfrauen dürfen fernsehöffentlich ihr Leid über die Probleme des Alltags klagen, um sich dann väterlich vom Compadre Palenque in pastoral getragenen Worten Trost spenden zu lassen. Seit 1988 hat Palenque seine eigene Partei “Bewußtsein des Vaterlandes” (CONDEPA), die inzwischen in La Paz und in der Schwesterstadt El Alto die Bürgermeister stellt. Die Popularität von CONDEPA ist zweifellos Ausdruck des Drangs der städtischen Aymaras nach eigener politischer Repräsentation. Als politische Partei ist CONDEPA aber vor allem Vehikel auf dem Weg der populistischen Vaterfigur Palenque zur Macht. Durch Programmatik ist CONDEPA bisher ebensowenig aufgefallen wie Max Fernandez mit seiner UCS (Bürgerunion Solidarität). Der Brauereibesitzer machte mit sehr viel einfacheren Mitteln Wahlkampf: Lastwagenweise wurde Bier in die Dörfer geschafft und dazu das Blaue vom Himmel versprochen. In einem Fernsehinterview glänzte er mit einer Standardantwort auf nahezu jede Frage: “Wir werden das Problem analysieren und die für das bolivianische Volk beste Lösung finden.” Noch vor einem Jahr wurde Fernandez als möglicher Präsident gehandelt, bei der Wahl mußte er sich allerdings ebenso wie Palenque mit rund 13% der Stimmen begnügen.
Überraschenderweise findet sich Fernandez jetzt in der Regierungskoalition mit MNR, MRTKL und MBL wieder, während Compadre Palenque beleidigt vor der Tür bleibt. Der einfache Grund: Fernandez stellte Sanchez de Lozada weniger Bedingungen, was die Besetzung von Posten und Pöstchen angeht. Wichtig für die politische Szenerie der nächsten Jahre ist daran vor allem, daß der paternalistische Ethnopopulismus Palenques einen Dämpfer bekommen hat. Aus der Regierung heraus hätte er seine Klientel bedienen können, eine zentrale Bedingung für stabile Popularität. Jetzt bleiben ihm die wichtigen Bürgermeisterämter als Machtbasis. Es fragt sich, wie lange noch. Im Dezember finden Kommunalwahlen statt, und der erfolgreiche CONDEPA-Bürgermeister von La Paz, Julio Mantilla, wird bereits heftig von anderen Parteien umworben.

Holpriger Start

Sanchez de Lozada hatte nicht das glücklichste Händchen in seinen ersten Wochen an der Macht. Großartig war die Verkleinerung der Bürokratie mit der Reduzierung des Apparates auf zehn Ministerien angekündigt worden. Dafür nimmt nun die Zahl der Sekretariate und Subsekretariate auf über 30 zu. Die drei neuen Superministerien für “wirtschaftliche Entwicklung” (Wirtschaft, Planung und Finanzen), “soziale Entwicklung” (Soziales, Gesundheit, Erziehung, etc.) und “nachhaltige Entwicklung” (Landwirtschaft, Coca, Umwelt u.a.), in denen viele alte Ministerien aufgegangen sind, bieten bis jetzt ein chaotisches Bild. Bemerkenswert ist die Besetzung dieser Schlüsselministerien. Die drei Amtsinhaber, Fernando Illanes, Fernando Romero und Guillermo Justiniano, sind Unabhängige aus hohen Wirtschaftskreisen. Wirtschaftssuperminister Illanes zum Beispiel war Unternehmerpräsident. Sanchez de Lozada setzt darauf, die Wirtschaftseliten des Landes in seine Regierung einzubinden. Das Verteidigungsministerium ging an den UCS-Vertreter Antonio Cespedes, das Außenministerium an den MBL-Chef Antonio Aranibar. Letzterer bekam schon in der zweiten Woche im Amt einen Vorgeschmack auf seine Rolle als “Linker” im Kabinett: Notgedrungen mußte er der Einreise von 25 US-Beratern in Sachen Drogenbekämpfung zustimmen, noch im Wahlkampf ein absolutes Tabu für ihn und seine Partei.
Nachdem das Fest des Regierungswechsels vorbei ist, werden die Nachrichten aus dem Regierungspalast von Personalentscheidungen und ersten Koalitionsquerelen beherrscht. Victor Hugo Cardenas wird sich den erhofften politischen Einfluß in der Regierung erkämpfen müssen. Fatal für ihn und für Bolivien wäre, wenn das Vizepräsidentenamt bliebe, was es in den letzten Jahren war: Abschiebebahnhof für nicht mehr benötigte Bündnispartner.


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Nachholende Privatisierung

Zwar haben seit Beginn der Schuldenkrise 1982/83 auch alle ecuadorianischen Regierungen die Bedingungen der internationalen Gläubiger akzeptieren müssen, haben die Preise von Treibstoffen und Grundnahrungsmitteln erhöht und Sozialleistungen gestrichen. Doch die Regierung des sozialdemokratischen Präsidenten Rodrigo Borja (1988-1992) ließ sich eben nur im Strom der Zeit treiben, während Sixto Durán Ballén nun offensiv auf den neoliberalen Kurs setzt. “Wir wußten, daß sie etwas unternehmen würden”, so Marta Pazmino von einem Gewerkschaftsdachverband. Doch das Schock-Paket vom 3. September machte seinem Namen alle Ehre.
Um das Haushaltsdefizit zu verringern und die Inflation unter Kontrolle zu bekommen, die auf monatlich 50 Prozent geklettert war, wertete die Regierung den Sucre um 35 Prozent ab, erhöhte die Preise für Benzin um 124 Prozent, die Preise für Strom um bis zu 90 Prozent und für Medikamente um 500 bis 600 Prozent. Trotz dieser unerwartet hohen Steigerung der Lebenshaltungskosten enthielt das Paket nur eine Lohnerhöhung von 5 Dollar monatlich, das entspricht durchschnittlich 10 Prozent. (Der Mindestlohn beträgt 30 Dollar, der Durchschnittlohn für BeamtInnen 40 Dollar). Politologe Acosta, der ein Buch zur Privatisierung veröffentlicht hat, kritisiert auch die orthodoxe Interpretation der Inflation, wonach die Schuld allein bei einer zu großen Nachfrage liege. Durch die einseitigen Mechanismen zur Senkung der Nachfrage nehme die Regierung bewußt eine starke Rezession in Kauf. Wohin die erhöhten Einnahmen aus dem staatlichen Benzin-, und Stromverkauf fließen sollen, wurde während der Haushaltsdebatte im Dezember 1992 deutlich. Der einzige Posten, der für 1993 erhöht wurde, war die Zahlung der Auslandsschuld, für die jetzt 38 Prozent des Haushalts vorgesehen sind (für Erziehung sind es 19 Prozent, für Gesundheit 8 Prozent und für Soziales 3,5 Prozent).

Geplante Begriffsverwirrung

Die nächste Initiative wurde mit Hilfe von US-Regierung und Weltbank vorbereitet: Im Oktober 1992 wurde der “Nationale Rat für Modernisierung” (CONAM) ins Leben gerufen. Mit Geldern der staatlichen US-Entwicklungsagentur AID und besetzt aus Regierungsmitgliedern und Unternehmern brütete dieser Rat den Gesetzesvorschlag aus, den der Vizepräsident Alberto Dahik am 8. Februar 1993 unter dem Namen “Gesetz zur Modernisierung des Staates” vorstellte: “Jahrzehntelang und unter dem Einfluß von Ideologien, die die Freiheit und das kreative Potential des Menschen negierten, wurden ein Staat und eine Gesellschaft geschaffen, die auf interventionistischen Mechanismen, auf Protektion für privilegierte Sektoren und irrationalen Führungsattitüden beruhten, sowie auf der Ordnung … des sozialen Lebens durch die Zerstörung jeglicher Einzelinitiative”.
Die Regierung versucht, das Wort “Privatisierung” zu umgehen und durch “Modernisierung” zu ersetzen. Sie beabsichtigt damit, die Stimmung gegen die wirklich schlechten staatlichen Dienste auszunutzen, in denen es geschmiert nur gegen Bestechung läuft. Wer in Ecuador zu telefonieren versucht, gerät unweigerlich in schlechte Stimmung. Wer zehnmal wählt, landet bei zehn verschiedenen Anschlüssen, nur nicht bei dem gewünschten. Und die Knappheit macht Telefone zu einem so begehrten Gut, daß sie schon in Eigeninitiative privatisiert werden: In der Innenstadt von Guayaquil verlegen die glücklichen BesitzerInnen ihr Telefon auf die Straße. Ein Anruf kostet 20 Pfennig, genausoviel wie in der Post – nur die Schlangen sind kürzer. Diese kleinen Geschäftemacher meint die Regierung nicht, wenn sie die Privatisierung der staatlichen Telekommunikationsgesellschaft EMETEL vorschlägt. Sie hofft auf Käufer wie die AT & T aus den USA oder die STET aus Italien.
Die Ineffizienz von EMETEL ist ein Beispiel, das in die Argumentation der Regierung paßt. Darin kommen ineffiziente private Unternehmen genausowenig vor wie effiziente staatliche. Das Dogma, daß staatliche Eingriffe in die Wirtschaft Planwirtschaft bedeuten und schädlich sind, schert die einflußreichen Privatunternehmen allerdings nicht, wenn sie bankrott gegangene Unternehmen aus der Staatskasse wieder aufpäppeln lassen.

Privatisierungen: Verspätet und ungeschickt

Außer der Telefongesellschaft hat die Regierung noch zwei weitere der 176 staatlichen Unternehmen für die ersten Privatisierungen aufs Korn genommen: Die Häfen und die Fluggesellschaft Ecuatoriana. Allerdings kann sie hier von vornherein mit Schwierigkeiten rechnen: Die Hafenarbeitergewerkschaft ist eine der kämpferischsten des Landes und Ecuatoriana ist nicht nur bankrott, sondern konkurriert direkt mit SAETA, der zweiten nationalen Luftgesellschaft. Die gehört dem Innenminister Roberto Dunn, und so mag kaum jemand glauben, daß die Privatisierung von Ecuatoriana “im Interesse der Nation” entschieden wird. Angeblich gibt es KaufinteressentInnen wie die costaricanische Lacsa und die niederländische KLM (beide staatlich!). Der Politologe Acosta meint, daß “wir wie immer zu spät auf den Markt gehen, nämlich jetzt, wo sich bereits viele Käufer zufrieden zurückziehen”. Es sei beunruhigend, daß die Regierung wie im Fall Ecuatoriana Unternehmen öffentlich schlecht mache, die sie verkaufen wolle, “und das in dem Augenblick, in dem es ein Überangebot an bankrotten Staatsunternehmen gibt”.
Das politische Ungeschick der Regierung Durán Ballén zeigte sich zuerst an den Reaktionen im Parlament, wo der Präsident über den Rückhalt von nur einem Drittel der Abgeordneten verfügt. Den politischen Gewinn des Modernisierungsvorschlages kann zunächst vor allem die sozialchristliche Partei PSC einstreichen. Dieser Partei gehörte auch Durán Ballén an, bis er die Republikanische Einheitspartei PUR gründete. In der Stichwahl zur Präsidentschaft gewann er gegen den Kandidaten der PSR, Jaime Nebot. Der wiederum bastelt schon an seinem Image als künftiger Präsident. Dabei wird er heftig vom repressiven Ex-Präsidenten León Febres Cordero unterstützt, der ebenfalls der PSR angehört und von 1984 bis 1988 den “andinen Thatcherismus” prägte. Febres agiert mittlerweile als Bürgermeister von Guayaquil mit spektakulären Militärkommandos gegen die Kriminalität in Ecuadors größter Stadt und verspricht Ordnung, Sicherheit und “ein Guayaquil ohne Löcher in den Straßen”. Was ihm einen Platz in der Geschichte der Stadt sichern würde, aber wofür er erstmal wieder Straßen bauen müßte, so spotten viele Guayaquileñas, wenn sie selbst mitten im Stadtzentrum durch metertiefe Schlammlöcher fahren. Die PSC hat sich zur größten Partei und bislang stärksten Opposition aufgebaut – rechts von der Regierung. Sie benutzt geschickt die schwammigen Schlagworte von Durán Ballén und unterstützt dessen “Modernisierung”, kritisiert aber seine Unfähigkeit und technischen Fehler.
In ihrer Kritik können sich die ParlamentarierInnen auf die Verfassung berufen. Darin sind “strategische Bereiche” wie Telekommunikation und Öl von Privatisierungen ausgenommen. Auch die vorgeschlagene Klausel, die die Entscheidung über Privatisierungen ausschließlich in die Hände des Präsidenten legt, stößt auf Widerstand.

Gewerkschaften zunächst sprachlos

Die ecuadorianische Gesellschaft scheint mit der Wahl von Sixto Durán Ballén einen Rechtsruck vollzogen zu haben. Die Gewerkschaften und andere soziale Bewegungen sind schwer gebeutelt von den Härten der Verschuldungskrise seit Anfang der 80er Jahre sowie der Vereinnahmungsstrategie der sozialdemokratischen Regierung Borja. So hat sich um die geplanten Privatisierungen erst langsam und zögerlich Protest entzündet. Das mag an dem schlechten Ruf der Gewerkschaften liegen, deren Führer sich immer wieder bereichert haben. Sie haben es auch nicht geschafft, sich auf die neuen Interessen von ArbeiterInnen in einer gewandelten Gesellschaft einzustellen, die immer mehr von informeller Arbeit und Arbeitslosigkeit geprägt wird (69 Prozent Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung). Auf der Demonstration zum 1. Mai vertrat der Gewerkschaftsdachverband FUT das Motto: Modernisieren Ja – Privatisieren Nein! Die FUT versucht, das Konzept Modernisierung anders zu definieren als die Regierung: “Den Staat modernisieren heißt vor allem, ihn in Einklang mit dem Charakter unserer Nation zu bringen. Er soll multiethnisch und multikulturell sein, um die koloniale Vergangenheit zu überwinden, die auf allen sozialen Beziehungen lastet und ungeheuerliche Vorurteile und Diskriminierungen der wichtigen Ethnien bedeutet”.
Die Gewerkschaften haben eine “Koordination für das Leben” gegründet, um die Rechte der ArbeiterInnen bei den Privatisierungen zu vertreten, besonders derjenigen, die entlassen werden sollen. Die Koordination will eine Million Unterschriften sammeln, um eine Volksbefragung durchzuführen, so wie jüngst in Uruguay, wo die Mehrheit sich gegen die Privatisierungen aussprach. Doch in Ecuador sind die legalen Möglichkeiten für ein Referendum ungleich schlechter, und Präsident Durán Ballén und sein Vize Dahik haben bekanntgegeben, daß es bereits ein Referendum für die Modernisierung gegeben habe: ihre Wahl an die Regierung.

Die Indigenas: Die aktivste Volksbewegung

Die Indígena-Bewegung, die als einzige in den 80er Jahren angewachsen ist, meldete sich als erste gegen die Modernisierungs-Initiative zu Wort. Im Namen des Dachverbands CONAIE erklärte der Indígena-Führer Rafael Pandam im März vor dem Parlament: “Es wird nicht einmal festgelegt, wohin das Geld aus den Privatisierungen fließen soll… Alles was in Händen des Volkes ist, wird als ineffizient und unnütz abgestempelt. Auf der anderen Seite verschweigt das Projekt, daß seit Geburt der Republik der Staat immer von Interessen der Privatunternehmer und der Banken geleitet wurde. Sie sind für das Anwachsen des Staates verantwortlich.”
Die Feuerprobe für die Mobilisierungskraft der Volksbewegung gegen die Privatisierung wurde dann auch durch die Indígena-Bewegung entschieden. Der landesweite Streik der Angestellten des Sozialversicherungsinstituts IESS begann am 12. April. Die Streikenden forderten vor allem die Auszahlung des Haushalts für 1993, der vom Finanzminister Mario Ribadeneira gekürzt und eingefroren worden war. Außerdem fordert die Gewerkschaft des IESS von der Regierung die Rückzahlung ihrer Schulden. Die verschiedenen Regierungen hatten sich immer wieder der Rücklagen des IESS bedient, so daß der Staat mit 500 Millionen Dollar beim IESS verschuldet ist. Von diesem Geld lagert ein großer Teil in der Zentralbank, um den Geldumlauf zu senken und so die Inflation zu hemmen. “Das Zurückhalten des Haushalts geschieht mit der Absicht, die Sozialversicherung zu schädigen und die Versicherten gegen das IESS aufzubringen, um es dann privatisieren zu können”, meint Diego Ordóñez von der Gewerkschaft des IESS. Die Gewerkschaft erklärte, daß das IESS den ArbeiterInnen gehöre und daher bereits eine private Institution sei. Auf jeden Fall ist das IESS die einzige Institution in Ecuador, in der sozial umverteilt wird. Durch die Pflichtversicherung der öffentlichen Angestellten bezahlen die Mittelschichten gewisse soziale Dienste wie Renten und staatliche Krankenversorgung für alle. Es gibt jedoch auch lautstarke Kritik am IESS, besonders an der auf 14.000 Angestellte aufgeblähten Bürokratie.
Im Laufe des Streiks gingen immer mehr IESS-Angestellte auf die Straße und forderten andere Staatsangestellte zum Mitmachen auf, doch bei den Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Regierung schien sich solange nichts zu bewegen, bis sich am 27. April die im Dachverband CONAIE zusammengeschlossenen Indígena-Organisationen anschlossen. Im Hochland besetzten Indígenas wieder einmal wichtige Straßen und legten Teile des Landes lahm. Sie forderten Garantien für die Beibehaltung der freiwilligen Sozialversicherung für Bauern und Bäuerinnen. Und zum ersten Mal schlossen sich ihnen die nicht indianischen Bauern und Bäuerinnen an der Küste an und legten die gesamte Küstenstraße der Halbinsel Santa Elena mit Barrikaden und brennenden Autoreifen vor strategischen Punkten lahm. Die Straße von Guayaquil nach Santa Elena wurde von Militäreinheiten “freigehalten”. Das gelang ihnen auf der Küstenstraße nicht (siehe Kasten). 36 Stunden nachdem die Indígenas begonnen hatten, Barrikaden zu bauen und nach 15 Tagen Streik erkannte die Regierung ihre Schulden beim IESS an, bestätigte die Auszahlung des Haushalts für 1993, versicherte, die Sozialversicherung für Bauern und Bäuerinnen beizubehalten und zu verbessern und alle beim Streik Festgenommenen freizulassen. Die Verhandlungsergebnisse führten zum Streit in der Regierung, da Finanzminister Ribadeneira nicht mit der nachgiebigen Verhandlungsführung von Innenminister Roberto Dunn einverstanden war und wütend eine Treffen mit diesem und Präsident Durán Ballén verließ.
Egal ob die Regierung sich tatsächlich an die Verhandlungsergebnisse hält, oder nur kurzfristig den Konflikt entschärfen wollte: Der erste politische Sieg im Privatisierungsstreit ging überraschenderweise an die Gewerkschafts- und Indígena-Bewegung. Damit haben sich erste Ansätze für eine gesellschaftliche Opposition zur Privatisierungspolitik eröffnet. In Zeiten des Neoliberalismus wäre der Aufbau einer starken Opposition schon ein großer Erfolg. Selbst das würde sich allerdings kaum auf der parlamentarischen Ebene ausdrücken, da die Kluft zwischen Politik und Gesellschaft kaum noch größer werden kann. Auf der parlamentarischen Ebene ist es die Rechtsopposition unter Jaime Nebot, die vom sich auch in Ecuador bewahrheitenden Effekt profitiert, nach dem sich in Lateinamerika jede Partei an der Regierung verschleißt. Eigentlich verwunderlich, daß sie es trotzdem immer wieder versuchen. Ist es der Reiz der Macht? Oder sind diese Regierungen allesamt mit der Mentalität jenes dicken römischen Präfekten aus “Asterix in der Schweiz” ausgestattet: “Ich habe vier Jahre Zeit, um reich zu werden…”

Kasten:

Schon 10 Kilometer hinter der Stadt Santa Elena an der Brücke vor dem kleinen Fischerdorf Jambelí ist Schluß mit der schönen Fahrt entlang der Küste westlich von Guayaquil. Hier haben sich Bauern und Bäuerinnen hinter Baumstämmen und brennenden Autoreifen verbarrikadiert. Was umso erstaunlicher ist, als sich in dieser armen Küsten-Gegend niemand an größere politische Organisierung erinnert außer einigen Versuchen von Fischern, Handwerkern, Bauern und Busfahrern, Kooperativen zu bilden. Es dauert eine Weile, bis einer der Streikführer von der anderen Seite durch die Rauchwolke springt, um zu erklären, daß die Mitglieder der freiwilligen Sozialversicherungen von Bauern und Bäuerinnen sich aus verschiedenen Dörfern um den jeweiligen staatlichen Gesundheitsposten versammelt haben. Vor allem die Frauen hätten dies organisiert, da der Zusammenschluß der Dörfer lieber mit der Regierung verhandelt hätte, als Blockaden zu organisieren. Jetzt stünden hinter jeder Blockade Tag und Nacht 200 Menschen, die immer wieder abgelöst würden. Es gebe 9000 Versicherte auf der Halbinsel Santa Elena und obwohl die Versicherung mies sei, sei das immer noch besser als gar nichts, erklärt er. Schon jetzt kämen die meisten ÄrztInnen nur widerwillig zu ihrem Pflichtjahr nach dem Studium aufs Land, und Medikamente gebe es fast nie. In dieser Gegend sterben ständig Kinder an Durchfallerkrankungen auf dem langen Weg zum nächsten Gesundheitsposten. Er kündigt an: “Wir wollen 48 Stunden streiken und geben nicht auf, bis die Regierung auf unsere Bedingungen eingeht”. Das klingt hier noch vermessener, weil die Medien die Blockaden an der Küste verschweigen, während die Aktionen der Indígenas in Fernsehen und Zeitungen gezeigt und gemeldet werden, da die Indígena-Bewegung für ihre Stärke gefürchtet ist. Die vor der Barrikade steckengebliebenen Lastwagenfahrer, Händler und eine Gruppe von ausländischen Ingenieuren versuchen ihn dazu zu bewegen, die Barrikade wenigstens am nächsten Morgen einmal zu öffnen. Höflich aber bestimmt und gleichzeitig typisch erwidert er: “Dahinten steht das Volk – und das Volk entscheidet, wie wir weiter vorgehen!”


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“Wir machen unsere eigene Einigung!”

LN: Ab dem 1.1.1994 werden Argentinien und Brasilien einen gemeinsamen Markt haben, dem 1995 auch Uruguay und Paraguay beitreten werden. Mit welchen Gefühlen stehen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern dem gegenüber und welche Erwartungen verbinden sie damit?
J.K.: Hier in Lateinamerika gibt es einen Traum, den wir von unseren Vorfahren geerbt haben. Das ist die Vision eines vereinigten Lateinamerika, eines großen Vaterlandes. Daher kommt es, daß wir einer Integration, in diesem Fall der Länder des Cono Sur, nicht prinzipiell ablehnend gegenüberstehen. Wir stellen uns jedoch frontal gegen die Integrationspolitik, die von den Regierungen unserer Staaten in den Verhandlungen zum MercoSur betrieben wird. Sie treffen und trafen Entscheidungen, ohne irgendjemanden zu fragen – nicht einmal die Bevölkerung, die sie gewählt hat. Und dazu kommt, daß die Einigung, die sie wollen, eine rein wirtschaftliche ist. Wenn wir sagen, daß wir eine Gemeinschaft wollen, dann meinen wir damit etwas viel umfassenderes, eine Einigung von Volk zu Volk, eine geschwisterliche Einigung, die von Kooperation und gegenseitiger Hilfe geprägt ist. Wir wollen eine Zusammenarbeit zwischen brasilianischen Bäuerinnen und Bauern sowie paraguayischen Bäuerinnen und Bauern, zwischen ArgentinierInnen und UruguayerInnen: eine Integration zwischen ProduzentInnen, wo gemeinsam Verbindungen geknüpft werden, die nicht nur durch die Spielregeln des Marktes bestimmt sind, sondern vor allem durch Solidarität.
Die Frage des MercoSur beschäftigt inzwischen sehr viele Leute hier in Argentinien, nicht nur landwirtschaftliche ProduzentInnen. Auch Organisationen der KleinuntemehmerInnen sind besorgt, weil niemand wirklich die Folgen absehen kann. Um Widerstand zu organisieren, haben wir es aber mit sehr kurzen Zeiträumen zu tun – ein, zwei Jahre. Das ist sehr wenig Zeit angesichts der wenigen Kontakte, die wir bisher hatten.

Wie ist denn die momentane Situation der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Argentinien?
Das ist stark abhängig vom jeweiligen Produkt. Argentinien ist ja sehr groß, so daß jede Region ein bestimmtes Produkt hervorbringt. Beispielsweise finden wir ProduzentInnen von Tee und Yerba Mate in Misiones, Baumwolle im Chaco. Im Zentrum gibt es Weizenanbau, Mais und Soja, während aus dem Süden vor allem Wolle, Felle, Früchte, Zwiebeln und Kartoffeln kommen. Einige Produkte erzielen einen guten Preis auf dem internationalen Markt, beispielsweise Früchte, und diejenigen, die sie anbauen, befinden sich in einer verhältnismäßig guten Situation.
Aber fast alle KleinproduzentInnen haben große Schwierigkeiten mit der Kommerzialisierung ihrer Produkte. Es gibt ZwischenhändlerInnen, die wiederum zu größeren Unternehmensgruppen gehören, die man als die eigentlichen BesitzerInnen der Produktion betrachten kann. Hier gibt es fünf Gruppen, die die Preise für Baumwolle bestimmen und die Produktion unter sich aufteilen. Die ganze Produktion an Lebensmitteln wird hier von drei Gruppen bestimmt, zum Beispiel die Getreideproduktion von “Molinos del Rio de La Plata”, die zum Multi Bunge y Born gehören und in Argentinien genauso wie in Brasilien die Preise für Mais und Sonnenblume bestimmen. Ähnlich sieht es im Fall von Geflügel aus, wo die internationale Gruppe Targil wegen ihrer Monopolstellung die Preise für die gesamte Produktion bestimmt. Die größte Schwierigkeit für KleinproduzentInnen besteht darin, daß der gesamte Zwischenhandel von diesen drei oder vier Gruppen bestimmt wird. Genauso bestimmen die auch die Preise die KonsumentInnen und stecken sich die Gewinnspanne in die Tasche.

Gibt es denn Möglichkeiten, dagegen Widerstand zu leisten?
Es gibt einige Bestrebungen, sich von, dieser Abhängigkeit zu lösen, was aber sehr schwierig ist. Zum Beispiel haben WollproduzentInnen im Süden acht Kooperativen gegründet, um die Vermarktung zu organisieren. Gleichzeitig organisieren die Kooperativen auch den Großeinkauf von Grundnahrungsmitteln wie Zucker, Milch, Yerba für ihre Mitglieder.
Kooperativen haben hier in Argentinien eine lange Geschichte; es hat lange Zeit funktioniert, daß ProduzentInnen ihre Waren mittels eines Systems von Kooperativen vermarkteten. Das erfordert allerdings einige Voraussetzungen, wie beispielsweise Ehrlichkeit, die heute aber oft nicht gegeben sind: Vor kurzem ist eine der ältesten Kooperativen Argentiniens eingegangen, die Kooperative “El hogar obrero”, die seit 1905 bestand. Diese Kooperative bestand aus mehreren Teilen; sie war Konsumkooperative, auch Wohnungsbaukooperative und besaß ungefähr 100 Fabriken und circa 600 Verkaufsstellen in jedem größeren Dorf in Argentinien. Es gab auch eine Zeit des argentinischen Peronismus, wo vom Staat Initiativen ausgingen, Gruppen von KleinproduzentInnen gegenüber den Großen zu schützen, aber heute geht in dieser Richtung nichts mehr vom Staat aus. Es wird immer nur vom sogenannten freien Markt gesprochen, der in Wirklichkeit von Oligopolen oder Monopolen beherrscht wird.
Eine andere Aktion des Widerstands haben wir in Paraguay beobachtet, wo eine Kampagne gegen Multis organisiert wurde. Statt Baumwolle zu säen, soll die eigene Produktion diversifiziert werden, um der eigenen Familie eine einigermaßen gute Ernährungsgrundlage zu schaffen. Nur die Überschüsse sollen auf dem Markt verkauft werden. Die “Baumwollbarone” reagierten, indem sie den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern Samen aus den USA versprachen, die 2000 Kilogramm pro Hektar an Ertrag liefern (normaler Samen liefert ungefähr 1200 Kilogramm je Hektar). Dieser Samen sollte verschenkt werden und die notwendige Chemie gleich mit dazu. Da Samen für die KleinproduzentInnen sehr teuer ist, wurde also auf diese Weise versucht, die Abhängigkeit der Kleinen zu erhalten.

Inwieweit könnt Ihr denn einschätzen, welche Auswirkungen die wirtschaftliche Integration des Cono Sur haben wird?
Zollschranken und staatliche Kredite stellen bisher einen Schutz für einheimische, vor allem bäuerliche ProduzentInnen dar. In den nun abgeschlossenen Verträgen sind die Regierungen übereingekommen, sich so weit wie irgend möglich aus dem Wirtschaftsgeschehen zurückzuziehen und alles den von ihnen so gepriesenen Marktkräften zu überlassen. Auf einem solchen Markt werden nur die Großen bestehen können, vor allem die transnationalen Konzerne. Außerdem wurden die Verträge sehr eilig ausgearbeitet. Vergleiche das doch mit den Verhandlungen zum EG-Binnenmarkt, über den seit fast 30 Jahren verhandelt wird, und jetzt ist immer noch nicht abzusehen, was passieren wird! Wenn wir das beobachten, dann drängt sich doch der Verdacht auf, daß diese Verhandlungen ganz entscheidend von den transnationalen Gruppen beeinflußt wurden, denn die werden sicher Vorteile haben und wollen die nationalen Ökonomien noch ausschließlicher als heute unter sich aufteilen.
Es ist schon abzusehen, wer den Nutzen aus diesem gemeinsamen Markt ziehen wird. Beispielsweise hat Argentinien gute Chancen, Weizen nach Brasilien zu exportieren, oder nach Paraguay oder auch Uruguay – Fleisch ebenso und auch Milchprodukte. Die kleineren Länder wie Paraguay und Uruguay werden dagegen keine Chance haben. Die Zuckerindustrie in Paraguay etwa wird sicher nicht gegenüber dem argentinischen Zucker bestehen können. Die Kleineren werden ruiniert oder zumindest erheblich schlechter dastehen. Zum Beispiel ist die Sojaproduktion in Brasilien um die Hälfte billiger als in Argentinien. Wer also wird in Argentinien noch Soja produzieren?

Warum ist Brasilien so viel billiger?
Das hat verschiedene Gründe. Vor allem sind die Arbeitskräfte viel billiger. Aber auch insgesamt ist das Land industrialisierter als Argentinien. Niemand spricht über die sozialen Auswirkungen – darüber, was es bedeutet, wenn ganze Industriezweige eingehen werden. Eine Angleichung der Produktionskosten im Sinne der Industrie wird sich an den niedrigsten Standards orientieren. Das bedeutet noch niedrigere Löhne, Abfindungszahlungen und schlechtere Arbeitsbedingungen für die ArbeiterInnen. Außerdem besteht natürlich ein Interesse die Macht der Gewerkschaften so weit wie nur möglich einzuschränken. Über diese Faktoren gibt es keine Verhandlungen, da wird nichts vertraglich geregelt. Deswegen ist es wichtig, daß wir uns ein Bild verschaffen, nicht nur über unser eigenes Land, und daß wir mit den ArbeiterInnen, den Gewerkschaften zusammen arbeiten.

Im August 1992 gab es ein Treffen von Kleinbauern- und KleinbäuerInnenorganisationen des Cono Sur in Asunción, Paraguay, das unter dem Motto “Wir machen unsere eigene Einigung!” stand. Wie kam es zu diesem Treffen?
Im Rahmen des Treffens der 500-Jahre-Kampagne 1991 in Guatemala trafen sich Bäuerinnen- und Bauernorganisationen aus Brasilien, Uruguay, Paraguay und Argentinien zum ersten Mal. Dort entstand die Idee zu einem Kongreß in Asunción, Paraguay zum Thema “MercoSur”. Es gab dann in Argentinien einige Vorbereitungstreffen, die hier in Buenos Aires stattfanden und schließlich fuhren wir zu dem Kongreß nach Paraguay.

Wer waren denn die teilnehmenden Organisationen?
Aus Brasilien kamen die Landlosenbewegung “Sem Terra” und VertreterInnen der Abteilung Landwirtschaft des Gewerkschaftsverbandes CUT. Aus Paraguay nahmen die Vereinigung der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern (Federación Campesina de Paraguay) und auch die Bewegung der LandbesetzerInnen teil. Auch aus Chile waren VertreterInnen gekommen, obwohl Chile ja gar nicht am MercoSur beteiligt ist. Es kamen Leute von der bäuerlichen Organisation “El Surco” und von der Mapuche-Organisation AD MAPU. Aus Argentinien schließ- ‘lich nahmen aus dem Süden der CAI (Consejo Asesor Indígena), aus dem Nordosten VertreterInnen des MAM (Movimiento Agrario de Misiones, Landbewegung Misiones) und aus dem Zentrum, aus der Pampa, nahm MARP (Movimiento Agrario de la Region Pampeana) teil.
Ein Ergebnis dieses Treffens war der Beschluß der Organisationen, sich und ihre Arbeit regional zu koordinieren. Dazu wurde eine Organisation mit dem Namen Asociación Regional de los Movimientos Campesinos gegründet.

Worin soll die Arbeit dieser Organisation bestehen? Glaubt Ihr, an der bestehenden Konzeption des gemeinsamen Marktes noch etwas ändern zu können? Bisher wurden verschiedene Arbeitsgruppen gegründet, zum Beispiel eine, in der Wissenschaftlerinnen aus den verschiedenen Ländern sich austauschen und sich gemeinsam eine Vorstellung davon erarbeiten, was der MercoSur für uns bedeuten wird. Außerdem wurde eine Menschenrechtskommission ins Leben gerufen, weil es eine große Zahl von Menschenrechtsverletzungen, Repressionen und Verfolgung gegenüber KleinbäuerInnen und Bauern gibt – vor allem gegen über den LandbesetzerInnen in Brasilien und Paraguay. Außerdem gibt es eine Kommission für Kommunikation und Erziehung, die eine gemeinsame Zeitschrift herausgeben wird. Auf diese Weise wollen wir uns so gut wir können den Vereinigungsplänen der Regierungen entgegenstellen.

Auf welchen Weg wollt Ihr das erreichen, wie stark seid Ihr in eurem Widerstand?
Eine Schwierigkeit ist, daß es hier in Argentinien im Gegensatz zu Brasilien keine nationale Organisation der KleinbäuerInnen und Kleinbauern gibt. Es gibt viele unterschiedliche Grüppchen, Gruppen und Organisationen, aber alle haben eine sehr geringe “Reichweite”, sie umfassen im Höchstfall eine oder zwei Provinzen. Wir haben uns mit VertreterInnen des CAI aus dem Süden, des MAM und des MARP hier in Buenos Aires getroffen und darüber eine Menge diskutiert. Dann haben wir einen Arbeitsplan entworfen, mit dem es möglich sein könnte, daß sich drei regionale Organisationen (Norden, Süden, Zentrum) aus den kleinen
Organisationen bilden. Das bedeutet für die drei Organisationen Arbeit für das ganze Jahr, um all diese Gruppen zu versammeln. Es sollen drei regionale Treffen stattfinden, bevor dann ein nationales Treffen vorbereitet werden kann. Nur auf diese Weise können wir eine starke Opposition gegen die Regierung bilden und selbst mehr Klarheit erlangen über die zu erwartenden Auswirkungen der Integration.
In einer ähnlichen Situation der Uneinigkeit befinden sich auch die meisten Indigena-Organisationen und Comunidades. Für unsere gemeinsame Opposition gegen den MercoSur wäre es gut, wenn auch sie sich zusammenschließen würden. Es gibt bisher einige größere Organisationen, wie die Asociación de Pueblos Guaraníes (Zusammenschluß der Guaraní in Misiones) oder den CAI im Süden, in dem sich mehrere Comunidades Mapuche zusammengeschlossen haben. Wenn sich landwirtschaftliche ProduzentInnen und Indígenas auf nationaler Ebene zusammenschließen würden, dann gäbe uns das ein viel stärkeres Gewicht in der Diskussion um die Integration.
Nur wenn sich auf regionaler Ebene und in allen betroffenen Ländern die Organisationen zusammenschließen, haben wir die Möglichkeit, unseren Forderungen gegenüber den Regierungen Ausdruck zu verleihen. Nur wenn wir Unterstützung von vielen haben, wenn es Unterschriftensammlungen gibt oder Demonstrationen oder Straßenblockaden, Sitzstreiks, können wir die Regierenden dazu bringen, ihre Positionen zu überdenken.
Auch wenn wir nicht viel Zeit haben, können wir bei guter Arbeit in zwei Jahren so stark sein, daß wir wirkungsvoll Widerstand leisten können.

Da bist Du ja ganz schön optimistisch! Arbeitet Ihr denn schon mit anderen Gruppen oder Organisationen zusammen?
Die Klein- und mittelständischen UnternehmerInnen haben eine Organisation, APYME (Asociación de la pequeña y mediana empresa), in der sich genau diejenigen zusammengeschlossen haben, die die größten Befürchtungen vor dem MercoSur haben. Außerdem haben wir Kontakte zu einigen Gewerkschaften. Es ist uns sehr wichtig, die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zu suchen, damit die Integration, die wir wollen, die zwischen Bäuerinnen und Bauern, aber auch zwischen allen anderen, den ArbeiterInnen, den StudentInnen stattfindet.

Kasten:

Gemeinsamer Markt im Cono Sur – MercoSur

Im “Vertrag von Asunción” vom März 1991 verständigten sich die vier Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay auf die Schaffung eines “Gemeinsamen Marktes im Cono Sur”. Dieser Prozeß soll bis zum 31.12.1994 abgeschlossen sein. Im Vertrag werden vier Ziele festgelegt:
1. Freier Austausch von Waren, Kapital, Technologie und Arbeitskräften
2. Die Festlegung einheitlicher Zollschranken an den Grenzen des gemeinsamen Marktes
3. Abstimmung der makroökonomischen Politik
4. Abstimmung der Außenpolitik, vor allem bezüglich der Handlungsweise innerhalb internationaler Organe, wie GATT oder ALADI (Asociación Latinoamericana de Integración).
Die einzigen erkennbaren Fortschritte, die bisher erzielt wurden, bezogen sich auf den Abbau der Zollschranken innerhalb des MercoSur. Zwischen Argentinien und Brasilien sollen diese bis zum 1.1.1994, im Handel mit den beiden anderen Staaten bis zum 1.1.1995 vollständig abgebaut sein. Unter den Bedingungen des MercoSur soll auf brasilianische Produkte eine Importsteuer von 14 Prozent erhoben werden. Allerdings hat Argentinien unter Wirtschaftsminister Cavallo schon jetzt nur noch Importsteuern von durchschnittlich 9 Prozent eingeführt, so daß brasilianische Waren in Argentinien starker internationaler Konkurrenz ausgesetzt sind.
Aufgrund der unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation der vier Staaten erscheint es außerordentlich rätselhaft, wie eine Abstimmung der Wirtschafts- und Außenpolitik erreicht werden soll.
In Argentinien und Brasilien konzentrieren sich 92 Prozent der gesamten Außenhandelsaktivitäten der vier Länder. Gleichzeitig sind aber die beiden kleineren Staaten weitaus abhängiger vom Handel innerhalb der Region. Der Handel innerhalb des MercoSur hat in Uruguay einen Anteil von 33 Prozent am gesamten nationalen Außenhandel, für Brasilien hingegen sind es nur 4 Prozent. Währenddessen wickelt Brasilien drei Viertel seines Außenhandels mit den “entwickelten” Ländern ab.
Während der achtziger Jahre führten Argentinien und Brasilien Verhandlungen, die zu einer Vereinfachung des Handels in bestimmten Industriezweigen führen sollten. Damals war von einem gemeinsamen Markt noch nicht die Rede, aber im Bereich der Maschinenindustrie wurden, vor allem für Argentinien, bedeutende Handelserleichterungen vereinbart.
Im Zuge der “Initiative für Amerika”, die US-Präsident Bush im Juni 1990 propagierte und mit der eine “Freihandelszone von Alaska bis nach Feuerland angestrebt wird, wurde dann von Vereinbarungen über bestimmte Wirtschaftszweige Abstand genommen. Neues Ziel war nun die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, der auch Uruguay und Paraguay einschließen sollte. Wofür die EG Jahrzehnte brauchte, das wollten die vier Regierungschefs in ein paar kurzen Jahren abhandeln. DiplomatInnen geben inzwischen ZU, dass diese Ansprüche vielleicht doch ein wenig zu hoch gegriffen sind.
Dafür wird jetzt Chile als möglicher zusätzlicher Partner umworben. Worin Vorteile des MercoSur für Chile liegen sollten, ist unklar, zeigt sich doch das Lieblingskind der WirtschaftswissenschaftlerInnen viel eher an einem bilateralen Abkommen mit den USA interessiert.
Um deutlich zu machen, daß die Integrationsbemühungen am lateinamerikanischen Südkegel nicht gegen die USA gerichtet sind, unterzeichneten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay 1991 ein “Rahmenabkommen über Handel und Investitionen” (auch “4+1-Abkommen”) mit den USA.
Nachdem sie die Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Markt geschaffen hatten, ziehen sich die Regierungen immer weiter zurück, um die konkrete Ausgestaltung des MercoSur den privaten Unternehmen zu überlassen. Die transnationalen Unternehmen haben schon jetzt mit massiven Firmenaufkäufen, Kooperationsverträgen und Absprachen reagiert. Unternehmen mit Produktionsstätten in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern sind zur Strategie der Konzentration von Produktionsstätten übergegangen, was natürlich mit Entlassungen verbunden ist. Von staatlicher Seite aber gibt es keine Anstrengungen, die sozialen Folgen des Liberalisierungs- und Umstrukturierungsprozesses abzufangen. Von einem einheitlichen Arbeitsrecht oder Sozialsystem ist erst gar nicht die Rede.


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Ökoterrorismus als Befriedungsstrategie

Der Umweltkrieg wird in Guatemala auf direkte und indirekte Weise betrieben. Die direkte Form ist der sogenannte Kampf gegen den Drogenanbau. Guatemala ist das Extrem-Beispiel für US-unterstützte Sprühaktionen aus der Luft, die sich offiziell gegen Drogenanbaugebiete richten, tatsächlich aber Langzeit-Anti-Guerilla-Strategie sind. Seit Frühjahr 1987 werden diese Einsätze geflogen, seit 1989 begleitet von vietnamerprobten Kriegshubschraubern. Ein Großteil der Gebiete, in denen Sprüheinsätze geflogen werden, sind geographisch und klimatisch für den Mohn- und Marihuana-Anbau ungeeignet. Aufschlußreich bezeichneten RegierungssprecherInnen die Einsatzgebiete selber als “Konfliktzonen”. Diese Regionen sind Hauptoperationsgebiete der Guerilla. Dies verdeutlicht die eigentliche Absicht der Pestizidbombardements. Mit den Entlaubungseinsätzen soll der Guerilla der natürliche Schutz, durch andere Giftbesprühungen die Nahrungsgrundlage entzogen werden. Deswegen besprüht das Militär gezielt auch die Felder der Zivilbevölkerung.
Bei den Sprühaktionen wurden die Pestizide Glyphosate und 2,4 D in stärkerer Konzentration als in den USA erlaubt verwendet. Dies hat den aus Vietnam bekannten “Agent-Orange-Effekt”, der Krebs und Mißbildungen bei Neugeborenen provoziert. Außerdem wurden das die Parkinson’sche Krankheit verursachende Paraquat, Manathion, EDB, 2,4,5-T und Methylparathien verwendet. Wenn diese Gifte in die Umwelt gelangen, verseuchen sie Wasser, Nutzpflanzen und -tiere, und es kommt zu akuten Pestizidvergiftungen bei Menschen, die in häufigen Fällen zum Tod zumindest aber schweren Erkrankungen der Atemwege und Verdauungsorgane führen. Zusätzlich zu diesen chemischen Verwüstungen wurden im Norden Guatemalas 1500 Hektar des Petén durch Napalmbombardements zerstört.

Maisanbau-Verbot und chemische Keule

In indirekterer Form tritt der Ökoterror beim Anbau nicht-traditioneller Agrarexportgüter auf. Anstelle von Produkten wie Bohnen, Chili, Tomaten und vor allem Mais, müssen jetzt Broccoli, Erd- und Himbeeren, Spargel, Rosenkohl etc. angebaut werden. Diese werden in unzähligen Modelldörfern angepflanzt. Dort wird seit Anfang der 80er Jahre ein großer Teil der Bevölkerung zwangsangesiedelt, der der “Politik der verseuchten Erde” zum Opfer fiel. Hier wird ideologisch und agrarpolitisch nach westlichen Vorstellungen gesät.
Geplant wurden diese Lager mit Hilfe israelischer Militärberater. Große finanzielle Unterstützung haben sie vor allem von US-amerikanischen und bundes¬deutschen Entwicklungsorganisationen (AID und COGAAT – “Guatemaltekisch-Deutsche Zusammenarbeit Lebensmittel gegen Arbeit”). Die Lager stehen unter strikter militärischer Kontrolle. Die Indígenas arbeiten hier in Food-for-Work-Programmen. Das heißt, sie sind in keiner Weise am Ertrag beteiligt. Von Anfang an haben die Militärs in den Modelldörfern den Anbau von Mais sowie anderer traditioneller Produkte verboten. Dadurch entziehen sie den Indígenas die Möglichkeit zur Selbstversorgung. Mittlerweile importiert Guatemala Mais aus den USA. Das Verbot, Mais anzupflanzen, erfüllt für die Militärs einen doppelten Zweck: Zum einen erzielen sie mit den statt dessen angebauten Produkten bes¬sere Preise auf dem Weltmarkt. Zum anderen bringen sie die indianische Bevölkerung in eine völlige wirtschaftliche Abhängigkeit und versetzen der Ideologie und Kultur der “Maismenschen” einen empfindlichen Schlag.
Um dem Land die “exotischen Früchte” zu entreißen wird es – wie auch bei der Drogenbekämpfung – mit Pestiziden traktiert. Zu 98 Prozent sprühen die PflanzerInnen nach dem Kalendersystem. Das heißt, ohne abzuwarten, daß sich Schädlingskulturen bilden, und diese dann zu vernichten, sondern sozusagen vorbeugend. Das Kalendersprühsystem ist Hauptursache für exzessiven Pestizidgebrauch und der daraus resultierenden Schädlingsresistenz. Darüberhinaus werden auch die natürlichen Feinde der Schädlinge mit zerstört. Zehn Prozent der BäuerInnen verwenden Pestizide, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als extrem giftig eingestuft werden. Mindestens sechzehn der verwendeten Pestizide stehen im Verdacht, Mißbildungen, Krebs, Organschäden und andere chronische Krankheiten hervorzurufen. Die WHO stellte bei Muttermilchuntersuchungen an Frauen von der Südküste Guatemalas die höchsten Werte des krebserzeugenden DDT fest, die jemals bei Menschen ge¬messen wurden.
Die Pestizidrückstände bei den Agrarprodukten sind teilweise so hoch, daß die USA den Import verbieten. Die – englischen! – Warnungshinweise auf den Verpackungen der Pestizide sind für die mit Anbau und Ernte beschäftigten ArbeiterInnen völlig nutzlos. Weder können sie sie lesen, noch haben die Arbeitgeber irgendein Interesse daran, sie auf die Gefährlichkeit der Pestizide aufmerksam zu machen. Um die Gewinnspanne aus den Exporten so hoch wie möglich zu halten, wird munter zwölf Monate im Jahr das Gift gesprüht. Das Land kommt nicht mehr dazu, sich zu erholen, so daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann sich das “Land des ewigen Frühlings” in das “Land der ewigen Sommerdürre” verwandelt. Ganz zu schweigen von den Tausenden GuatemaltekInnen, die in bewährter, jahrhundertealter Tradition ihr Land bestellen könnten, ohne mit jedem Atemzug giftige Chemikalien aufzunehmen, wären sie nicht in den sogenannten “Befriedungsprozeß” gezwungen.
Quelle: cerigua


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Interview mit AEU-VertreterInnen

Präsident Serrano Elias: Rechter Demagoge

Frage: Der neue Präsident Serrano Elias ist in Guatemala einerseits als Mitglied der Nationalen Versöhnungskommission (CNR) bekannt und war damit maßgeblich am Dialogprozeß mit der Guerilla beteiligt, andererseits war er an der extrem repressiven Militärregierung von Rios Montt beteiligt. Wie schätzt ihr sein Verhältnis zu den Militärs ein?
Otto: Serrano Elias nahm an der CNR als Vertreter der Oppositionsparteien teil und war einer derjenigen, die im März 1990 die Abkommen von Oslo unterschrieben. Seine Geschichte zeigt jedoch sehr enge Verbindungen mit den Militärs, die am meisten in das guatemaltekische Aufstandsbekämpfungsprojekt verwickelt sind. So war er Staatsratspräsident unter Rios Montt und Unterstützer und Berater des Fuero Especial, des geheimen Sondergerichtes gegen Oppositionelle. Auch war er einer derjenigen Sektenführer, die die Religion als eine Methode der Aufstandsbekämpfung etablierten. Mit dieser Vorgeschichte trat Serrano Elias die Präsidentschaftskampagne an. Er äußerte sich zwar zunächst sehr kritisch gegenüber Cerezos Regierung und griff in Debatten teilweise scharf die Verdeckung von Korruption und Menschenrechtsverletzungen an; aber jetzt sieht man, daß das pure Demagogie war, um einen bestimmten Wählerkreis anzusprechen. Der verbrecherischste Teil der Militärs sitzt jetzt in der Regierungsmannschaft von Serrano Elias. Das zeigt zur Genüge, daß auch Serrano Elias das militärische Aufstandsbekämpfungsprojekt, die Politik der Zerschlagung der Volksbewegungen, fortführen wird.

Frage: Wird Serrano Elias den letztes Jahr begonnenen nationalen Dialog jetzt als Präsident weiter fördern?

Otto: Der Dialogprozeß könnte jetzt zum Stillstand kommen, wenn wir, die beteiligten Organisationen, ihn nicht weitertreiben, da jetzt neue Strategien wie etwa der Sozialpakt eingeführt werden, die die Aufmerksamkeit von dem ablenken könnten, was mit dem Dialogprozeß schon er¬reicht wurde. Jetzt, wo Serrano die Präsidentschaft angetreten hat, erklärte er bisher nur, daß die Regierung mit der Guerilla (URNG) in Dia¬log treten wird. Dies aber nur bis Juni, und das be¬deutet einen langen Zeit¬raum, der dem Heer als Spielraum zugestanden wird. Denn die Militärs wol¬len nicht, wie im nationalen Dialog vorgesehen, direkt, sondern nur über die Regierung am Dialogprozeß teilnehmen. Sie wissen, daß der Dialogpro¬zeß und die darin erreichten Beschlüsse uns Volksbewegungen dazu dienen können, politischen Spielraum zu gewinnen und die Regierung und die Armee unter Druck zu setzen.

Frage: Könntet ihr erklären, um was es sich bei dem Sozialpakt handelt und wie die Volksbewegungen darauf reagieren wollen?

Carmen: Uns scheint, daß die neue Strategie des “Sozialpaktes” eine Fortset¬zung der Strategie der “Concertacion”, der “Versöhnung” unter Vinicio Cerezo ist, die 1986 eröffnet wurde, um unter der Zivilregierung durch interne Vermittlungsbemühungen langfristig eine politische und ökonomische Stabilisierung zu erreichen. Auf diese Weise soll dem Ziel der Auflösung der Guerillabewegungen nähergekommen werden. Die Politik der Concertacion wurde jedoch von der nationalen Bourgeoisie und den Militärs blockiert und ein solches Projekt verunmöglicht. Heute nennt sich die neue Strategie “Sozialpakt”. Zunächst soll es eine Annäherung zwischen Unternehmer- und Arbeiterschaft sein, ohne daß jedoch Fragen wie z. B. Lohnerhöhungen oder Höchstpreise für Grundbedarfsprodukte überhaupt angesprochen werden sollen, weil die Unternehmerschaft und die Regierung dazu nicht bereit sind. Deswegen sollen in diesem Sozialpakt wohl vor allem einige allgemeine soziale Fragen, wie z. B. Gesundheitsversorgung oder staatliche Sozialleistungen besprochen werden. Das erscheint zwar positiv, aber die Art und Weise, wie sie es entwickeln und der politische Hintergrund dabei ist eine Strategie der Vereinnahmung der Volksbewegungen. Für den Sozialpakt ist der populistische Sozialdemokrat Mario Solórzano als Arbeitsminister eingesetzt worden, der unserer Einschätzung nach für Strategien wie die von Unternehmern unterstützte, gegen die Gewerkschaften gerichtete Solidarismobewegung eintreten wird.
Uns erscheint der Sozialpakt als unsinnige Parallelstruktur und Ablenkungsmanöver von dem tiefergehenden Dialogprozeß, innerhalb dessen bereits strukturelle gesellschaftliche Veränderungen angesprochen wurden. Verschiedene Volksorganisationen haben bereits erklärt, daß sie dieses Spiel nicht mitspielen werden. Es scheint, daß das Ziel des Sozialpaktes es ist, einerseits Arbeitsgruppen für Verhandlungen aufzubauen, um öffentliche Demonstrationen, den Kampf und Protest auf der Straße, zu verhindern und andererseits die eigentlichen Konfliktparteien, nämlich die Armee und die Guerilla aus der öffentlichen Auseinandersetzung herauszuhalten.
Wir Volksorganisationen haben deswegen folgendes vor: Wir werden den Sozialpakt zwar nicht ablehnen, aber nur in Verbindung mit dem nationalen Dialog zulassen, für dessen Fortsetzung als viel weitergehender politischer Diskussionsprozeß wir Druck ausüben wollen.

Frage: Wie sieht denn überhaupt die wirtschaftspolitische Orientierung der neuen Regierung aus?

Carmen: Serrano Elias wird mit der neoliberalen Strukturanpassungspolitik fortfahren müssen, die der IWF und die Weltbank für verschuldete Länder der Dritten Welt vorschreiben. Der Schuldendienst und der Etat des Verteidigungsministeriums für den internen Krieg werden weiterhin einen Großteil des Staatshaushaltes verschlingen.
Bis jetzt kann die Wirtschaftspolitik Serrano Elias’ allerdings noch nicht in allen Einzelheiten analysiert werden. Erst nach dem 2. Wahlgang ist seine Wirtschaftstruppe mit der ihn unterstützenden Allianz der Rechten, insbesondere dem CACIF (Unternehmerverband des Agrar-, Finanz- und Industriesektors) ausgehandelt worden. Der CACIF hat damit direkt die wirtschaftspolitischen Schlüsselministerien übernommen. Der CACIF hat bereits letztes Jahr einen Wirtschaftsplan ausgearbeitet, der unter dem Namen der Unternehmergruppe Piramide bekannt wurde. Der neoliberale Plan Piramide des CACIF sollte zunächst den Präsidentschaftskandidaten Jorge Carpio der UCN unterstützen, dem ca. 9 Millionen Quetzales angeboten wurden, falls er dem CACIF das Wirtschafts- und Finanzministerium überließe, wurde von diesem aber abgelehnt. Jetzt soll er unter Serrrano Elias verwirklicht werden.

Neuanfang studentischer Organisierung und der Aufbau von Frau¬engruppen

Frage: Wie habt ihr nach dem Massaker 1989 die Arbeit der AEU wieder aufgebaut und welche organisatorischen Veränderungen haben sich danach ergeben?

Otto: Die studentische Bewegung wurde mit verschiedenen Aktivitäten reorganisiert. Als erstes wurden 5 progressive studentische Gruppen zur Unidad Estudiantil zusammengeführt, die zusammen mit Resten der alten AEU die Arbeit aufrechterhielten. Innerhalb dieses Reorganisierungsprozesses wurden die Statuten und die Organisationsstruktur der AEU verändert und die AEU für neue Compañeros geöffnet. Im September 1990 gewann die Unidad Estudiantil die AEU-Wahlen und kann so seitdem die Arbeit innerhalb der Leitung der AEU weiterführen. Wir befinden uns heute in einem Prozeß der organisatorischen Umstrukturierung, der vor allem darauf abzielt, eine stärkere Partizipation und eine Verbreiterung der studentischen Basis der AEU zu erreichen. Dafür bieten wir vorzugsweise wissenschaftliche Arbeitsgruppen innerhalb von studentischen Forschungszentren, aber auch kulturelle und sportliche Aktivitäten an. Das Zentrum “Juventud Universitaria para la Paz” möchte z. B. im Rahmen des Studiums über den Friedensprozeß in Zentralamerika aufklären, das Centro de Promocion Estudiantil möchte die Aktivitäten und Forschung von StudentInnen im Bereich Umweltschutz, Menschenrechte, die Situation von Frauen, Educación Popular u.a. unterstützen. Wir wollen die Beteiligung an der StudentInnenbewegung über wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Themen fördern, weil nämlich die rein politische Beteiligung z. B. auf Demonstrationen und der traditionelle politische Diskurs wegen der großen Angst vor der Repression oftmals nicht angemessen ist, um die StudentInnen einzubeziehen. Im Rahmen dieser neuen Or¬ganisationsformen sind wir auch dabei, eine Volksklinik aufzubauen und haben eine Gruppe von MedizinstudentInnen, die bereit sind, dort zu arbeiten. Es gibt viele StudentInnen, die wir über solche Aktivitäten jetzt neu kennengelernt haben, und die dieselben Themen beschäftigen wie uns von der AEU, die diese Themen aber gern im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit behandeln möchten, die also gleichzeitig die Realität unseres Landes in ihrem Studium besser kennenlernen und an einem politischen Projekt studentischer Organisierung teil¬nehmen möchten.
Carmen: Ich möchte hinzufügen, daß diese neuen alternativen Formen der studentischen Partizipation nicht nur eine Strategie sind, um Fliegen auf eine andere Art und Weise für die politische Arbeit der AEU anzulocken, sondern daß sie aus dem Gefühl heraus entstanden sind, daß es der guatemaltekischen Jugend versagt ist, sich persönlich zu entwickeln. Guatemala ist eine kulturell sehr beschränkte und sehr repressive Gesellschaft, die über das individuelle Überleben hinaus keine menschliche Entwicklung zuläßt. Deswegen sollen die Leute eine Möglichkeit finden, sich der Realität dieses Landes nach ihren eigenen spezifischen Interessen anzunähern und ihre Fähigkeiten für den Aufbau einer demokratischeren Gesellschaft so zu entwickeln, daß sie sich damit identifizieren können. Wir wollen sie nicht ausnutzen, um sie auf eine subtilere Art und Weise für unsere Zwecke einzufangen. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe von ÖkologInnen, denen wir nie gesagt haben, sie sollten den Sitz der AEU mit Grünzeug schmücken, sondern die von uns unterstützt werden, ihre eigenen Projekte zu entwickeln, und die nicht unter dem Namen der AEU auftreten müssen, wenn sie nicht wollen. Es geht um eine breite Bewegung, die auch z. B. im Bereich von Kunst und Kultur die grundlegenden Probleme unseres Landes erkennt und zusammen mit den Volksorganisationen für demokratische Veränderungen kämpfen möchte. Jede/r StudentIn soll den Bereich finden, mit dem sie/er sich identifiziert und wo er/sie gerne mitmachen möchte.

Frage: Wie funktioniert das bei den neuen Frauengruppen, von denen du erzählt hast?

Carmen: Die Entwicklung der Frauengruppen ist eine ganz besonders wichtige Angelegenheit. Wenn mensch sich die Situation von Frauen in Guatemala und überhaupt in Latenamerika anschaut, wird klar, daß hier ein Schema der Unterdrückung und Ausbeutung reproduziert wird, das seit der Kolonisierung besteht, und außerdem von Frauen durch eine patriarchale Kultur und Sozialisation internalisiert wird, indem sie sich selbst als Sexualobjekt betrachten und sich minderwertig fühlen. Diese Kultur des Machismo setzt sich auch innerhalb der AEU fort; so bin ich in der Leitung der AEU die einzige Frau. In den anderen studentischen Organisationen sind noch einige mehr, aber auch nicht viele. Uns Studentinnen geht es aber nicht nur darum, einfach mehr Frauen an der AEU zu beteiligen, sondern wir wollen eine neue Perspektive zugunsten der Emanzipation von Frauen in die AEU hineintragen. Wir stoßen dabei jedoch auf viele Hindernisse nicht nur von Seiten der Männer, sondern auch vieler Frauen.
Wir haben zwei Frauengruppen, eine bei den Wirtschaftswissenschaften und eine bei den Agrarwissenschaften. Die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftlerinnen entstand auf die denkbar antifeministischste Art und Weise, nämlich aus einem Schönheitswettbewerb heraus! Die studentische Vertretung hat nämlich nicht erlaubt, an eine Frauengruppe überhaupt nur zu denken. Sie sagten, daß eine Frauengruppe zur Spaltung der StudentInnenbewegung beitragen würde, einen Irrweg, ja eine Degeneration darstelle und den reaktionären Kräften an der Uni Vorschub leisten würde! So übernahmen ich und eine andere Frau die Leitung des Schönheitswettbewerbes, denn das fanden sie gut; ja sie hatten sogar vor, hübsche Frauen mit Miniröcken zur Werbung einzusetzen! Die Handhabung von Frauen als Sexualobjekt findet also selbst in den demokratischsten Gruppen der Volksbewegungen statt. Wir aber gaben dem Schönheitswettbewerb einige feministische Inhalte, nahmen Studentinnen der AEU in die Jury und riefen die Teilnehmerinnen dazu auf, ihr Konkurrenzdenken aufzugeben und untereinander solidarisch zu sein. Aus dem Schönheitswettbewerb entstand dann eine Gruppe von 15 Frauen, die sich seitdem zu Gesprächen und Diskussionen über Frauenbefreiung und ihren gesellschaftlichen Kontext trifft.

Frage: Welche feministischen Themen besprecht ihr in euren Gruppen und welche Aktionen habt ihr bisher gemacht?

Carmen: Wir sind noch in einem sehr embrionalen Stadium. Diese Gruppen sind noch nicht einmal 6 Monate alt und als aller erstes müssen die Studentinnen ein Selbstbewußtsein darüber erlangen, daß es berechtigt ist, ihre untergeordnete, gesellschaftliche Rolle als Frauen in Frage zu stellen. Sie müssem sich gegen Belästigungen der männlichen Mitstudenten zur Wehr setzen, die die Frauengruppen nicht akzeptieren. Ansonsten versuchen wir zur Zeit an den anderen Fachbereichen auch Frauengruppen aufzubauen. Als Aktionsformen haben z. B. die Agrarwissenschaftlerinnen verschiedene Theaterstücke entwickelt, die sie selbst geschrieben haben und aufführen und die von Vergewaltigung und Ausbeutung von Frauen, aber auch von ihrer Beteiligung an politischen Veränderungsprozessen handeln.
Insgesamt wollen wir von unseren konkreten, alltäglichen Erfahrungen ausgehen und uns von daher an allgemeine Zusammenhänge annähern. Die Frauen in den Gruppen sind noch sehr jung, aber sie haben alle schon auf Arbeitsplätzen, in der Uni usw. unter verschiedensten Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung gelitten.
Für uns muß es in einer so extrem gespaltenen Gesellschaft wie Guatemala drei gleichwertige grundsätzliche Ebenen gesellschaftlicher Auseinandersetzung geben: den Klassenkampf zwischen der extrem reichen herrschenden Oberschicht und den 70% unter der Armutsgrenze lebenden GuatemaltekInnen; die ethnische Problematik, da doch 70% und damit auch die am meisten diskriminierten und marginalisierten Frauen Indígenas sind; und den Geschlechterkampf für die Be¬freiung der Frauen, der in alle sozialen Auseinandersetzungen der Volksbewe¬gungen integriert werden muß.

Frage: Habt ihr Kontakt mit anderen Frauengruppen, wie z. B. der Witwenorganisation CONAVIGUA?

Carmen: Es gibt Kontakte zu CONAVIGUA. Aber wir haben uns gesagt, daß wir zunächst innerhalb der Uni als Studentinnen ein Bewußtsein für Frauenkampf schaffen müssen, um uns dann erst mit ganz anderen Frauenwelten auseinanderzusetzen. Denn die Studentinnen kommen meistens von der Mittelschicht, haben deren Werte verinnerlicht und leben eine ganz andere Realität als z. B. die direkt mit der Repression der Armee konfrontierten Indígenafrauen von CONAVIGUA, die meistens alleinstehende Mütter und Arbeiterinnen sind. Wir müssen von der konkreten Lebenssituation von Studentinnen ausgehen, denn wir erleiden eine spezifische Diskriminierung z. B. durch die Ausgrenzung von Arbeitsgruppen, durch die Minderbewertung unserer intellektuellen Fähigkeiten oder durch die Ausnutzung und Betrachtung als reines Sexualobjekt, wie es auch innerhalb der studentischen Organisationen geschieht. Auch dort gewähren viele Männer Frauen nur einen Aufstieg, weil sie attraktiv sind und versuchen immer wieder, sie sexuell zu mißbrauchen. Wir müssen erst von unseren eigenen Erfahrungen ausgehen und uns darüber bewußt werden, um dann längerfristig für eine nationale Einheit von Frauen einzutreten. So als kleine Grüppchen wollen wir uns erst in der Uni formieren, bevor wir uns z. B. CONAVIGUA anschließen, die schon eine große, erfahrene und kämpferische Organisation ist.

Danke für das ausführliche Gespräch.


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“Das einzige was wir wissen, ist, daß sie uns töten wollen”

Das Massaker von Santiago Atitlán

Fragt mich jetzt nicht nach Liebe, Brot oder Rosen
hier, wo es ein Verbrechen ist, zu denken, zu
träumen
und zu sagen, was Du fühlst,
hier wo die Hoffnung jeden Tag getötet wird.
Das Unsagbare, das Brutale, das Unzulässige
passiert
in meinem gepeinigten Land: Gewehrschüsse hallen
wider,
Kugeln im Herzen, im Kopf!
Flüsse von Blut fliessen die Strassen hinunter,
ungehemmt ins Martyrium.
Opfer, KomplizInnen, ZeugInnen. Fragt nicht
nach Menschenrechten, Gerechtigkeit,
Frieden
(sie werden ständig verletzt, sie werden ignoriert)
Hier reicht es, den kalten,
kalten Stoß in unseren Eingeweiden zu fühlen,
oder in einem Wald fieberhafter Träume zu verbrennen,
um die Ausrottung der Menschen zu verstehen.
Also fragt mich jetzt nicht nach Liebe, Brot oder
Rosen,
während die Feuer der Barbaren uns umgeben
und das Töten.
Fragt mich nicht nach dem Leben,
fragt mich nicht nach dem Tod
und erhebt die zornigen Fäuste
und den Haß der Völker.

Ein Gedicht von der guatemaltekischen Revolutionärin Guadalupe Navas als Einleitung. Wie sonst anfangen, wie über die Morde berichten, die die guatemaltekischen Militärs in der Stadt Santiago Atitlán am 2. Dezember began­gen haben? Die Landkarte der Massaker in Guatemala wird schwärzer. Hinter diesen Punkten auf der Landkarte verbergen sich unzählige Morde und das Leid der Angehörigen, FreundInnen, NachbarInnen. Jeder Mord und jedes Massaker sind einzigartig. Doch in Guatemala haben sie System, und das System versucht, sich mit ihrer Hilfe aufrechtzuerhalten. Wirklich einzigartig sind die Reaktionen auf dieses neue Massaker, im Ausland, in Guatemala und vor allem in Santiago Atitlán. Die BewohnerInnen der Stadt haben extrem mutig reagiert. Sie haben öffentlich protestiert, Widerstand organisiert und sich damit unweigerlich in Lebensgefahr gebracht.
Schon ihre erste Reaktion war erstaunlich. Woher nahmen ungefähr 3000 unbe­waffnete Alte und Kinder, Männer und Frauen den Mut, in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember vor die Militärkaserne zu ziehen? Sie wollten dagegen pro­testieren, daß die Militärs am Abend in der Stadt einen Laden ausgeraubt hatten und den Besitzer, Andrés Ajuchán, entführen wollten. Als dieser sich wehrte, be­gannen die Soldaten zu schießen und verwundeten ein Kind. Darauf läuteten Familienangehörige und NachbarInnen von Andrés Ajuchán die Kirchenglocken und versammelten die EinwohnerInnen, die dann vor den Militärstützpunkt zo­gen. Die Soldaten eröffneten sofort das Feuer. Neun Männer und zwei Jungen waren auf der Stelle tot. Von den ungefähr 20 Verletzten sind bisher vier gestor­ben. Der Rat für ethnische Gemeinschaften “Runujel Junam” (CERJ) berichtete außerdem von neun Personen, die seit dem Massaker verschwunden sind. Nach dem Massaker setzten die EinwohnerInnen ihre Unterschriften oder Fingerab­drücke unter die an die Regierung gerichtete Forderung, den Militärstützpunkt aufzulösen. Bis zum 4. Dezember waren es 15.000.

“Wir können zu Fuß hierherkommen…”

In seinem Bericht über das Massaker schlägt der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung einen von ihm bisher noch nicht vernommenen Ton an. Er nennt nicht nur drei Offiziere als direkt Verantwortliche, sondern klagt das Militär als ge­samte Institution für die Menschenrechtsverletzungen an. Der am 11. November neu gewählte Bürgermeister erklärte, er werde sein Amt nicht antreten, wenn das Militär nicht abzieht. Drei Tage später sagten einige Atiteken, die vor den Natio­nalpalast in Guatemala-Stadt gezogen waren: “Wir unterstützen unseren neuen Bürgermeister. Er hat Recht, denn wer das Volk regiert, sind die Militärs. Wenn die Regierenden die Militärs nicht aus Santiago Atitlán abziehen, zwingen sie unsere ganze Stadt, zu protestieren, alle 45.000 EinwohnerInnen… Wir können zu Fuß hierherkommen.”
Für die CERJ ist das Massaker einmal mehr ein Zeichen dafür, daß die Regierung gescheitert ist und die formal demokratischen Institutionen nur dekorativ sind.
Am 6.Dezember erschien eine Erklärung der Organisationen, die am “Internationalen Seminar der Indio-Völker über den fünfhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas” teilnahmen. “Diese Vorfälle bestätigen wieder einmal …die geringschätzige Haltung gegenüber dem Leben der Indios und der armen Ladinos” heißt es darin.
An der Beerdigung am 3. Dezember nahmen Tausende von Trauernden und über 50 JournalistInnen teil. Bevor die Särge in die Gräber hinabgelassen wurden, hoben die Sargträger sie dreimal über ihre Köpfe – ein Zeichen des Protestes. Die JournalistInnen berichteten, daß die EinwohnerInnen sich an sie wandten, um ihnen von früheren, nicht bekannten Massakern zu berichten. Außerdem baten sie sie weinend, dafür zu sorgen, daß das Militär keine Hilfe aus dem Ausland mehr bekommt. Daß sich die Indígenas von sich aus an die Fremden wenden, ist völlig ungewöhnlich. Am 4. Dezember verurteilte das Nationale Parlament zum ersten Mal in der Geschichte einstimmig ein Massaker und forderte den Abzug des Militärs aus Santiago Atitlán.
Diesmal finden die Militärs für ihre Version keine Unterstützung. Innenminister General Morales und Verteidigungsminister General Bolaños erklärten, die Ein­wohnerInnen hätten versucht, die Kaserne einzunehmen. Die Soldaten hätten sich nur verteidigt. In anderen Fällen haben sie die Guerilla für vom Militär be­gangene Massaker verantwortlich gemacht. Erst in der letzten Novemberwoche hat der Heeressprecher einen angeblichen Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission der OEA (Organisation amerikanischer Staaten) be­kanntgegeben, wonach die Guerilla das Massaker im November 1988 im Dorf El Aguacate begangen habe. Ein plumpes Manöver der Militärs: Das Dementi der OEA ließ nicht lange auf sich warten.

Polizeihilfe der Bundesregierung endlich eingestellt

Die internationale Kritik an dem Massaker von Santiago Atitlán war einhellig. In San Francisco und Washington gab es Protestdemonstrationen vor den guatemaltekischen Botschaften. Schon am 5.Dezember empfing Außenminister Ariel Rivera die Botschafter der Europäischen Gemeinschaft, die ihm ihre “tiefe Besorgnis” über die Vorfälle mitteilten. Seitdem geben sich die ausländischen Botschafter bei ihm die Klinke in die Hand. Rivera erklärte, das Massaker werde Konsequenzen auf internationaler Ebene nach sich ziehen, besonders in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, die im Februar ihren jähr­lichen Bericht vorlegen wird. Die Bundesregierung hat am 3. Dezember die Poli­zeihilfe an Guatemala eingestellt, nachdem noch am 24. Oktober der SPD-Antrag gegen den der GRÜNEN angenommen worden war, die ausstehenden drei Millionen Polizeihilfe doch noch auszuzahlen.
Das internationale Echo auf das Massaker von Santiago Atitlán führt inzwischen auch bei Regierung und Militärs zu hektischen Reaktionen. Am 6.Dezember übergab Ministerin Sara Mishaan den aus dem Amt scheidenden und den neu gewählten lokalen Ratsherren ein Schreiben des Noch-Präsidenten Vinicio Cerezo. Darin verspricht er, den Militärstützpunkt so schnell wie möglich ab­bauen zu lassen. “Ich habe Anweisungen gegeben, die nötigen Maßnahmen in die Wege zu leiten, um den Stützpunkt in ein Gebiet außerhalb der Gerichtsbarkeit von Santiago Atitlán zu verlegen. Damit wird der Wunsch der Bevölkerung ak­zeptiert. Es kann erwartet werden, daß dies in ungefähr zwei Wochen geschieht.” Die Neuigkeit wurde in Santiago Atitlán mit Jubel aufgenommen. Schon am 4.Dezember war Heeressprecher Carlos Durán gefeuert worden, für ihn offenbar völlig überraschend. General Bolaños übt sich währenddessen in Schadensbe­grenzung: ebenfalls am 6.Dezember erklärte er, gegen zwei Offiziere würden wegen des Massakers Gerichtsverfahren eingeleitet. Ein Bauernopfer soll die selbsternannten Könige retten.


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Wahlen im Krieg

Seit über drei Jahrzehnten stellen sich die KämpferInnen der Befreiungsbewegung den Streitkräften der Herrschenden entgegen. Diese beiden Kräfte seien die eigentlichen Vertreter der GuatemaltekInnen, war in den letzten Tagen in mexikanischen Zeitungen zu lesen. Deshalb seien die Wahlen so absurd und unreprä­sentativ.
Bei den letzten Wahlen 1985 waren die Hoffnungen noch etwas größer: Zum ersten Mal standen ausschließ­lich zivile Kandidaten zur Wahl. Doch die Regierung Cerezo nahm dem Militär und der Agraroligarchie nicht das kleinste Stück ihrer Macht. Mit der in den letzten Monaten ständig ansteigenden Gewalt gegen das Volk, seine VertreterInnen und auch gegen die bürgerlichen PolitikerInnen zeigte die Rechte sich ungebrochen reaktionär und demonstrierte ihren Willen, jeden neuen Präsidenten genauso unter Kontrolle zu halten, wie den aus dem Amt scheidenden Vinicio Cerezo.
Der Vizepräsidentschaftskandidat der regierenden christdemokratischen Partei, Antonio Villamar, erklärte kurz vor den Wahlen, daß die Todesschwadrone besser organisiert seien als die 19 konkurrierenden Parteien. Die Schwadrone bestünden aus 7000 Männern zur Verfügung der Rechten. “Die Rechte” sei ein beschönigen­der Ausdruck für die Generäle des Heeres, die Polizeichefs, die Großgrundbesitzer und Industriellen und natürlich die nordamerikanischen Berater für Aufstandsbekämpfung, schreibt der Journalist Manuel Mora heute in der mexikanischen Zeitung “El Financiero”.
Diejenigen, die auch in der Regierungszeit Cerezo unvermindert ausgebeutet wurden, wußten, daß auch diese Wahlen nichts ändern. In den vergangenen Wochen haben verschiedene Volksorganisationen deutlich erklärt, daß sie sich durch keinen der Kandidaten vertreten fühlen. Dies wird auch an den Wahlergebnissen deutlich. Es gab 44 Prozent Enthaltungen, dazu kommen fast 30 Prozent Wahlberechtigte, die gar nicht registriert waren. In den Provinzen, in denen die Repression am härtesten ist, Quiché und Petén, erreichten die Enthal­tungen 80 Prozent und an der Südküste, an der die Baumwoll- und Kaffeeplantagen liegen, enthielten sich 70 Prozent der WählerInnen. In insgesamt 15 der 22 guatemaltekischen Provinzen lagen die Enthaltungen über 50 Prozent. WählerInnen teilten ReporterInnen mit, daß sie zur Wahl gegangen seien, um nicht als Guerilla-Sympathisanten zu gelten. Aus dem gleichen Grund hätten sie “möglichst rechts” gewählt.
Unter den 5 Prozent ungültigen Stimmen sind diejenigen, die die Wahlzettel auf Anweisung von Ex-Diktator Rios Montt durch seinen Namen ungültig gemacht haben. Die URNG hatte am 8.November dazu aufgerufen, sich bei den Wahlen zu enthalten, was in der Presse- und offiziellen Politiklandschaft Kritik ausgelöst hatte. “Die extreme Rechte und die linken Extremisten verbünden sich gegen die Demokratie”. Es erscheine wie ein schlechter Witz, “daß in Guatemala so viel über Demokratie geredet wird, während in ihrem Namen gemordet und gefoltert wird, und das Volk, das für seine Würde kämpft, entführt wird”, erklärte der Führer des Indianerrats Runujel Junám, Amílcar Méndez, am Tag nach den Wahlen. Dies sei einer der Gründe, aus dem auch er nicht gewählt habe. Die bedrohliche Situation der Indígenas sei an ihre Grenzen gelangt: “Wir stehen mit einem Bein auf der Erde und mit dem anderen über dem Abgrund”. Die nächste Regierung werde auf jeden Fall noch weiter rechts sein.

Die Stichwahl im Januar

Die Stichwahl zwischen den beiden Männern, die am vergangenen Sonntag die meisten Stimmen ergattern konnten, wird am 6. Januar stattfinden. Jorge Carpio Nicolle von der Nationalen Zentrumsunion (UCN) und Jorge Serrano Elias von der Bewegung für Solidarische Aktion (MAS) bezeichnen sich selbst als “moderne Rechte”. Damit versuchen sie, sich von der “reaktionären Rechten” abzusetzen. Beide unterlagen bei den Wahlen von 1985 dem jetzigen Präsidenten Vinicio Cerezo.
Serrano gehört einer evangelikalen Sekte an und gehörte zur Regierung des Diktators Rios Montt. Er habe die Stimmen der Montt-AnhängerInnen gewonnen, heißt es nach ersten Auswertungen. Die Militärs hätten die Macht in Guatemala, und eine zivile Regierung habe nur die Wahl, sich gegen sie zu stellen und zu schei­tern, oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, sagte Serrano letzte Woche. In einem Interview kurz nach der Wahl erklärte Serrano, der bis zu Beginn des Wahlkampfs Mitglied der “Nationalen Versöhnungskommission” war, seine Haltung zu dem Dialogprozeß mit der URNG: “Die anderen Kandidaten verstehen den Dialog­prozeß nicht. Wir verlangen nicht, daß die Guerilla die Waffen niederlegt, um zu verhandeln. Wir sind bereit, die Verhandlungen weiterzuführen.” Auf die Frage nach seiner Beteiligung an der Regierung Montt sagte Serrano: “Es gab keinen Anstieg der Menschenrechtsverletzungen. Es gab keine Massaker, sondern einen langsamen Befriedungsprozeß. Guatemala war zu 20 Prozent vietnamisiert. Ich war nur dafür zuständig, Bedingungen für die demokratische Öffnung zu schaffen.”
Sowohl Serrano als auch Carpio vertraten vor der Wahl die Meinung, daß den Verantwortlichen für die Men­schenrechtsverletzungen verziehen und die Vergangenheit vergessen werden müsse. Nach Angaben des Obersten Wahlgerichts lautet das vorläufige Wahlergebnis: Carpio hat 25.7 Prozent der Stimmen erhalten, Serrano 24.2 Prozent. Der Kandidat der Regierung, Alfonso Cabrera, erhielt 17.4 Prozent und Alvaro Arzú von der Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) 17.3 Prozent.


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“Es gibt keine Alternative zum parlamentarischen Weg”

LN: Der MCP ist die größte Bauernorganisation in Paraguay. Welches sind die Strukturen und wie groß ist der Stellenwert des MCP in der Politik Paraguays?

Pastora Coronel: Der MCP ist eine der größten Bewegungen, die im Moment in Paraguay existieren. Er entstand 1980 und seitdem kämpfen wir für die Erfüllung von 14 Forderungen: Als wichtigstes fordern wir eine wahrhaftige, integrale Agrarreform in Paraguay, denn Paraguay ist ein durch und durch agrarisches Land. Mehr als 70% der Bevölkerung sind Campesinos. Außerdem fordern wir gerechte Preise für die Agrarprodukte der vielen Kleinbauern. Seit der Gründung haben wir für eine wirkliche Arbeiterorganisation gekämpft, die für die Rechte der Arbeiter und Baueren kämpft. Unter der Stroessner-Diktatur gab es lediglich regierungstreue Gewerkschaften, wie die CPT. Deswegen erachten wir die Gründung der CUT am 6.8.1989 ,als erste unabhängige Arbeitervertretung, als einen der größten Erfolge seit dem Sturz Stroessners. Der MCP ist eines der Gründungsmitglieder dieses unabhängigen Gewerkschaftsdachverbandes. Darüberhinaus kämpfen wir für einen nationalen Zusamrnenschluß der Bauern. Zur Zeit bestehen in Paraguay drei nationale Campesino-Organisationen. Die Gründung eines nationalen Zusammenschlusses ist gerade in diesem konjunkturell wichtigen Moment von besonderer Bedeutung, denn der Kampf der Campesinos ist sehr glühend und wir denken, daß mittels dieser Konföderation der Kampf der Bauern konsolidiert werden kann. Wir kämpfen für die Respektierung der Menschenrechte in Paraguay und haben innerhalb des MCP eine spezielle Gruppe für dieses Thema. Außerdem verlangen wir die Respektierung der Kulturen der existierenden Ethnien und Indígenas in Paraguay. Dies sind unsere wichtigsten Ziele.
Der MCP ist eine der wichtigsten Organisationen in Paraguay mit 100.000 bis 120.000 Mitgliedern. Wir arbeiten in 14 der 19 Departements in Paraguay. Das Organisationssystem ist von der Basis der Campesino-Gemeinschaften ausgehend regional und dann national strukturiert.

LN: Wie arbeitet der MCP?

P.C. Der MCP definiert sich als Klassenorganisation und hat verschiedene Kampfmethoden, unter ihnen vor allem die Organisation von Landbesetzungen. In Paraguay existiert seit der Stroessner-Diktatur das nationale Agrarentwick­lungsinstitut IBR, das eine Lösung des Landproblems herbeiführen soll. Diese Organisation hat nie nach einer Lösung der Probleme der Campesinos gesucht, sondern immer die Interessen der Großgrundbesitzer vertreten. Außerdem organisiert der MCP große Kundgebungen und Besetzungen z.B. des IBR. Im Moment ist zum Beispiel die Kathedrale in Asunción permanent von Landlosen besetzt, die ihre Rechte einfordern. Straßen werden blockiert etc. Ohne Zweifel hat General Rodríguez nach dem Sturz Stroessners viele Versprechungen gemacht, unter anderem die, eine wahre integrale Agrarreform durchzuführen. Diese Versprechen hat er im Laufe der Zeit keineswegs eingelöst. Im Gegenteil: Er hat neue repressive Instrumente geschaffen, um den Kampf der Landlosen in Paraguay zu unterdrücken.

‘Die Repression wächst in Paraguay …’

Drei Monate nach der Wahl hat er den CONCODER (Consejo Nacional de Coordinación Para el Desarrollo Rural) gegründet, der von einem General des Heeres geleitet wird. Dieser hat als einziges Produkt eine Spezialeinheit gegründet, ein Repressionsinstrument von bewaffneten Zivilisten und Polizisten. Seine einzige Aufgabe war die Vertreibung von Campesinos, die Land besetzen, sie zu foltern und gefangenzunehmen. Nachdem vom MCP und der CUT Druck ausgeübt wurde, verschwand diese Spezialeinheit von der Bildfläche. Aber heute haben wir in Paraguay weitere besondere Unterdrückungsinstrumente, spezielle Einheiten innerhalb der Polizei. So konnte das Militär sich zurückziehen und die Hände in Unschuld waschen, aber für uns ist klar, daß sich die Armee öffentlich zurückzieht, um im Geheimen zu arbeiten. Die Repression wächst in Paraguay. Neben diesen Repressionsinstrumenten der Regierung existieren in Paraguay Gruppen und Organisationen der Großgrundbesitzer. Diese haben ihre eigenen bezahlten Pitoleros, die die friedlichen Landbestzungen unterdrücken sollen. Diese haben immer die Unterstützung der Regierung.
Auch die Volksorganisationen werden unter Druck gesetzt. Im Moment haben wir in Paraguay mehr als 250 politische Gefangene wegen Landbesetzungen. Wir haben mehr als zweihundert Landbesetzungen von unproduktiven Latifundien, von denen 90% geräumt wurden. Aber es gibt keine andere Aiternative zu den Landbesetzungen unproduktiver Ländereien. Innerhalb der Besetzungen haben wir natürlich eine Vielzahl von Schwierigkeiten. Fehlende Gesundheitsvorsorge, fehlende Ausstattung und Nahrungsmittelversorgung Obdachlosigkeit, und dies hat weitere Probleme zur Folge.

‘Wir haben uns keine Illusionen über die ‘Demokratisierung’ in Para- guay gemacht.’

LN: Hat der Regierungswechsel im Februar letzten Jahres Freiräume eröffnet oder bedeutet er lediglich die Kontinuität der Diktatur?

P.C.: Wir haben uns keine Illusionen über die “Demokratisierung” in Paraguay gemacht. Für uns war klar, daß es eine weitere Taktik des nordamerikanischen Imperialismus ist, um die lateinamerikanischen Länder auszubeuten. Die Diktaturen in den Ländern waren zu kriminell geworden, und so mußten sie gegen demokratische Regime ausgewechselt werden, um eine weitere Ausbeutung für 30 oder 40 Jahre und ihre Interessen zu sichern. Wir wußten, daß Rodríguez nichts in Paraguay ändern würde.
Gegenteil, das Leben der Arbeiter ist generell wesentlich schwieriger geworden. Rodriguez hat 35 Jahre lang eine kriminelle Politik gegenüber dem Volk getragen, und von einen Tag auf den anderen war er so schnell demokratisch, daß es lächerlich wirkte. Aber speziell nach sechs, sieben Monaten gab es eine kleine politische Öffnung. Aber heute hat er wiederum diese Öffnung enorm eingeschränkt. Die soziale und politische Struktur hat sich kein Stück geändert. Die Volkssektoren haben die politische Öffnung maximal ausgenutzt. So sind zum Beispiel nach dem Sturz Stroessners mehr als 200 Gewerkschaften in Asuncion entstanden, was vorher nie möglich war. Die CPT war immer von der Regierung gesteuert, unter der Leitung des Führers der antikommunistischen Einheit, die extrem faschistisch war. Auf dem Land haben sich die Campesino-Organisationen sehr stark konsolidiert.

‘Die Parteien verlieren an Glaubwürdigkeit.’

LN: Wie ist das Verhältnis des MCP zu den verschiedenen Parteien.
P.C.: Die Colorado-Partei, die 35 Jahre lang das kriminelle Regime von Stroessner getragen hat ist im Moment total atomisiert und zerstritten. Die liberale PRLA, die wesentlichste Oppositionspartei unter Stroessner, hat immer die Diktatur unterstützt und ist heute die Partei, die am meisten mit dem Demokratisierungsprozeß -dem imperialistischen Projekt -kompromittiert ist.
Für uns sind dies die wesentlichen Betrüger-Parteien des Volkes. Die PRLA hatte nie eine Verankerung in den Massen und verliert immer mehr an
Glaubwürdigkeit. Beide Parteien verlieren Terrain. Aber in dem Freiraum des Übergangs sind verschiedene kleine linke Parteien entstanden. Zum Beispiel entstand die PT, die Arbeiterpartei, ein Produkt der Assimilierung der Volkskämpfe von Arbeitern und Bauern, eine wichtige linke Partei. Die Partido Democratico Pupular PDP unterscheidet sich kaum von der PT, aber sie hat die bessere Arbeitstaktik innerhalb der Arbeiter-und Bauernmassen. Die Arbeiter und Bauern diskutieren ihr eigenes Projekt und in kurzer Zeit wird eine neue Partei entstehen, die der MCP gründen wird, als wahre Repräsentanz der Arbeiter und Bauern und der progressiven Sektoren in Paraguay. Die Mehrheit
der MCP-Mitglieder ist in dieses Projekt integriert.

LN: Für den MCP ist also der parlamentarische Weg eine konkrete Perspektive?

P.C.: Das ist eine schwierige Frage. Aus Taktik beschreiten wir diesen Weg. Aber es gibt keine Alternative, das hat das Beispiel Salvador Allendes gezeigt. Diese Erfahrung wollen wir wenn möglich nicht wiederholen. Die Mehrheit der Linken in Paraguay denkt, daß es keine Alternative zum parlamentarischen Weg gibt, auch wenn wir denken, daß das Parlament ein Ort vieler Scharlatane ist, die viel reden und nichts tun. Der bewaffnete Kampf einer Guerilla ist für Lateinamerika im Moment kein gangbarer Weg. Man muß abwarten, was der konjunkturelle historische Moment für Freiräume Iäßt. Die linken Parteien sitzen noch nicht im Parlament, weil sie neu sind und dabei sind, sich zu konsolidieren. Jetzt muß die Basis in den Massen konsolidiert werden, bevor sie im Parlament sitzen.


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Wir sind Fremde im eigenen Land!

Währenddessen und seit Jahren werden die seit 1977 gültigen Indígena-Gesetze, die jegliche äußere Eingriffe in die Reservate gegen den Willen der Indígenas oder ihrer Vereinigungen verbieten, unterlaufen durch die Minengesetze. Diese gestatten es Privatpersonen und Unternehmen, in den Reservaten willkürlich Landansprüche abzustecken.
Insbesondere Straßenbau- oder Staudammprojekte verdeutlichen schlaglichtartig die Ignoranz aller bisherigen Regierungen gegenüber indianischen Interessen. So plant zum Beispiel das costaricanische Elektrizitätsunternehmen ICE ein Staudammprojekt in der Cordillera de Talamanca, der unwegsamen Gebirgskette mit den letzten großen zusammenhängenden Regenwaldgebieten im Süden des Landes: Mit Kosten von 684 Mio US-$ und für die Perspektive von 416 Megawatt ab dem Jahr 2005 soll eine 200m hohe Staumauer die tiefe Schlucht des Río Pacuare in einen langgestreckten Stausee verwandeln. 1.200 ha Nationalpark und Reservatsland der Cabécares werden dabei überflutet (s. Karte, #9), 60 Cabécar-Familien müßten ihr traditionelles Stammesgebiet verlassen.
Zu BündnispartnerInnen der bedrohten Indígenas schwangen sich in dieser Situation die “White Water Rafting”-Unternehmen auf, die – nicht schlecht – davon leben, zivilisationsgelangweilte Touristen in kleinen Kanus durch das tobende “weiße” Wasser tropischer Gebirgsbäche paddeln zu lassen. Ausgerechnet das ICE nun führte als Argument ins Feld der öffentlichen Debatte, daß diese Tourismus-Unternehmen allein am Erhalt der Stromschnellen interessiert seien und ihnen die Interessen der Indígenas nebensächlich wären… Zum (vorläufigen) Ende der Diskussion wurde eine Einigung erzielt, die dem ICE die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsstudie auferlegt. Unter den UnterzeichnerInnen sind das ICE und Vertreter der White-Water-Rafting-Companies, jedoch kein Vertreter der Indígenas.
Und was hat Saddam Hussein mit all dem zu tun? Der Ölpreis steigt für Costa Rica von kanppen 30 auf über 40 US-$ pro Barrel, und prompt werden alte Ideen ausgegraben, die Abhängigkeit von importiertem Erdöl durch die Ausbeutung eigener (bis jetzt nie gefundener!) Vorkommen zu mindern. Präsident Calderón spricht bereits von einem nationalen Suchprogramm, das Talamanca-Gebirge eingeschlossen.
Und die Cédula, deren nach San José getragene Einforderung im Mai zum – wie die Zeitung La Nación meldete – “ersten Konflikt der neuen Regierung” Calderón wurde? Bis auf die Guaymies, die nach Ansicht der Regierung bereits im Besitz einer panamaischen Cédula sind, und denjenigen Indígenas, die ihre Geburt auf costaricanischer Erde nicht nachweisen können, sind inzwischen fast alle Indígenas versorgt. Zu ihrer realen Gleichberechtigung in der costaricanischen Gesellschaft ist es jedoch noch ein langer Weg.


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Indígena-Proteste am 12. Oktober

Der spanische König Juan Carlos verlas die Einladung zur Konferenz im “Institut für Iberoamerikanische Kooperation” in Madrid. Sie sei der geeignete Augenblick für die iberoamerikanische Gemeinschaft, so der spanische Monarch, um sich ihrer selbst bewußt zu werden. Die Konferenz solle der Welt ihren Willen zeigen, für eine brüderliche und solidarische Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.
Nach letzten Informationen haben alle lateinamerikanischen Staatsoberhäupter – Fidel Castro eingeschlossen – die Einladung angenommen.
Währenddessen protestierten in Chile hunderte von Indígenas gegen die Gedenkfeiern am 12.Oktober. An diesem “Tag der Rasse” (día de la raza) wird in ganz Amerika die Landung von Kolumbus gefeiert. Vor dem Monument des Indígena-Führers Caupolican in Santiago de Chile hielt José Painiqueo, Vorsit­zender der “Metropolitanen Koordination der Indígena-Völker” eine Rede, in der er die Demonstration als Gedenkveranstaltung für den “Jahrestag der Invasion und die Ankunft der Fremden in unserem Vaterland” bezeichnete.
Die bolivianischen Indígenas kündigten im Zentrum von La Paz die Bildung einer eigenen Regierung für 1992 an.
In Ecuador fanden mehrere Demonstrationen gegen “den schlecht benannten Tag der Rasse” statt. “Dieses Ereignis bedeutete die Ausrottung unserer Sitten”, hieß es.
Im Südosten von Venezuela forderte der “Nationale Indio-Rat” (CNI), daß sich die lateinamerikanischen Nationen als multi-ethnische Staaten definieren sollten. Vor RepräsentantInnen von 21 venezolanischen ethnischen Gemeinschaften sagte ein Vertreter des CNI: “Wir Indígena-Völker weisen die “Entdeckung Amerikas”, den “Tag der Rasse” und die “Begegnung der Völker” als kolonialistische Begriffe zurück. Sie sollen nur den Völkermord verschleiern, der auf den 12. Oktober 1492 folgte.” Der CNI forderte eine kritische Bilanz des 500sten Jahrestages, Land- und Besitztitel für die Indígena-Gemeinschaften und einen Schutz vor dem Verkauf von Indígena-Land, um die Auslandsschulden zu bezahlen.
Panamaische Indígenas demonstrierten vor der spanischen Botschaft in ihrem Land und verlangten von ihrer Regierung, sich nicht an den Vorbereitungen zu den Feiern zum 500sten Jahrestag der Eroberung zu beteiligen.
In San Salvador versammelten sich Indígenas der Nahuatl. Vor der Statue der spanischen Königin Isabel erklärten sie den 12.Oktober zum “Tag der Trauer, an dem wir unsere Identität verloren haben”.
In San José, der Hauptstadt Costa Ricas, marschierten protestierende Indígenas durch die Stadt, während Staatspräsident Calderón ein Geschenk vor der Statue der Königin Isabel niederlegte. “Wir verlangen Personalausweise, jetzt sofort, wir sind Kinder dieses Landes”, forderten die costaricanischen Indígenas.
In Guatemala, einem der Länder mit dem höchsten Indígena-Anteil der Bevölke­rung, gaben verschiedene Volksorganisationen Stellungnahmen zum 12. Oktober heraus. Die Union der LandarbeiterInnen des Südens (UCS) forderte, die Mittel, die für diese “dummen Feiern” 1992 vorgesehen sind, für die medizinische Ver­sorgung und für Lebensmittel für die Armen auszugeben. Mit der Invasion 1492, so erklärte die UCS, habe das Leiden und die Ausbeutung der Indígena-Bevölke­rung begonnen, die bis heute andauere. Noch krasser drückte es das “Komitee für die Einheit der LandarbeiterInnen” (CUC) aus. Die Gewerkschaft verglich die von den Spaniern errichteten Kolonialdörfer mit den vom guatemaltekischen Heer geschaffenen militärisch kontrollierten Modelldörfern. “Die Spanier haben uns das Land geraubt und es an jene vergeben, die heute die Großgrundbesitzer sind”, erklärte das CUC und forderte die Rückgabe des Bodens an die rechtmäßi­gen BesitzerInnen. Die LandarbeiterInnengewerkschaft erklärte, die unterdrück­ten Völker und die armen Bevölkerungsschichten müßten sich zusammenschlie­ßen, um den offiziellen Feiern eine alternative Kampagne “500 Jahre Volks- und Indígena-Widerstand” entgegenzusetzen. Als Vorbild für den Widerstand empfahl CUC das Beispiel der geheimen Widerstandsdörfer in Guatemala. In diesen versteckten Bergdörfern leben Menschen, die vor der Repression des Hee­res geflüchtet sind.
Schon am Tage zuvor hatten auf ihrem vierten Treffen die lateinamerikanischen Indígena-Parlamentarier in Guatemala-Stadt eine Abschlußerklärung veröffent­licht. Darin kündigten sie jeglicher Form von Diskriminierung, Ausbeutung und politischer Vernichtung ihrer Völker den Kampf an und forderten die Regierun­gen ihrer Länder auf, ihre Sprache, ihre Kultur und die Institutionalisierung von Indígena-Regierungen zu unterstützen. Sie wiesen die offiziellen Feiern des Fünften Jahrhunderts der spanischen Eroberung zurück, da sie “beleidigend sind und die Indígena-Kultur zudem als touristisches Spektakel präsentiert werden soll”.
In den USA wurde folgende Erklärung des Cherokee-Indianers Jan Elliot publi­ziert: “Kolumbus war ein Mörder. Seine Landung am 12. Oktober 1492 löste einen der größten Verluste an Menschenleben in der ganzen Geschichte aus.”


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“Emancipación e Identidad” tagt

Unter dem Titel “Herrenvölker-Randvölker” fand am 29./30.September in Frank­furt der zweite sog. “Bundeskongreß” dessen statt, was sich als Kampagne “Emancipación e Identidad” zum 500.Jahrestag der sog. Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus versteht. Initi­iert von dem in Mexiko tätigen deutschen Soziologen Heinz Diete­rich hat “Emancipación e Identidad” in der Bundesrepublik seit ei­nem Jahr durch Publikationen und Kongresse mit promi­nenten Gästen von sich reden gemacht. Anspruch von “Emancipación e Identidad” ist die Organisation einer interkontinentalen Kampagne bis 1992. In Frankfurt wurde allerdings auch deutliche Kritik an den Initia­torInnen laut. Die Frage ist: wer macht welche Kampagne, wie, und mit wem?
“Emancipación e Identidad” ist zunächst einmal eine lateinamerika­nische Kam­pagne. Nach der Gründung in Mexiko wurden Kontakte zu Organisationen auf dem ganzen Kontinent geknüpft. Besonders inte­ressant in diesem Zusammen­hang: die “Campaña 500 años de resis­tencia indígena y popular” (Kampagne 500 Jahre indigener und Volkswiderstand). Sie geht von einem breiten Spektrum von Organi­sationen indigener Völker, Landlosenbewegungen und anderer Volks­organisationen aus (siehe auch das Interview zu ihrem ersten Kon­greß im Ok­tober 1989 in Bogotá in LN 187). Beide Kampagnen haben inzwischen ihre “Verschwisterung” (“hermandad”) beschlossen, die sich, nach Auskunft der la­teinamerikanischen Gäste, in der Praxis aber auf gegenseitige Einladungen zu Kongressen beschränkt. Nach­dem bereits im November vergangenen Jahres in Hamburg der erste Kongreß von “Emancipación e Identidad” stattgefunden hatte, sollte in Frankfurt ein Schritt hin zur Interkontinentalisierung der Kam­pagne getan werden. Organisiert war der Kongreß von dem aus der Nicaragua-Solidarität bekannten Verein Monimbó aus Dietzenbach bei Frankfurt. Beste Voraussetzungen also für eine breite Vernetzung der lateinamerikanischen Kam­pagnen mit der in der BRD entstehenden Kampagne, an der viele Gruppen und fast alle Zeitschriften des So­lidaritätsspektrums mitarbeiten?
Zunächst machte das Konzept des Kongresses stutzig. Am ersten Vor­mittag sollten nach mehreren Grußworten sage und schreibe vier Vorträge ohne Pause die TeilnehmerInnen auf das Thema einstimmen. Heinz Dieterich selbst, der ar­gentinische Ex-Montonero Miguel Bo­nasso, Tomás Borge und die guatemalteki­sche Menschenrechtskämpfe­rin Rigoberta Menchú waren die ReferentInnen. Auf den Inhalt der Beiträge über Strategien, Perspektiven, Theorie und Praxis der la­teinamerikanischen Linken genauer einzugehen, führt an dieser Stelle zu weit. Nur soviel sei gesagt: deren Qua­lität stand in keinem Verhältnis zur Prominenz des Podiums, einzig Rigoberta Menchú konnte überzeugen.
Der Lichtblick des Kongresses waren die anwesenden VertreterInnen der latein­amerikanischen Kampagne “500 años de resistencia”. Cristobal Tapuy vom Indi­gena-Dachverband CONAIE aus Ecuador, der kolumbianische, in Ecuador exi­lierte Gewerkschaftsführer Angel Tolosa und Rigoberta Menchú konnten deutlich machen, wie die Kampagne aus ihrer konkreten politischen Arbeit ihre Konturen be­zieht. Zumindest für die TeilnehmerInnen ihrer AG’s (zwei von ins­gesamt mehr als 15) war ein Ziel des Kongresses, die Information über Aktivitä­ten in Lateinamerika, erreicht. Aber der Informations­fluß verlief als Einbahn­straße. Es bestand kaum Gele­genheit, die lateinamerikanischen Gäste über den Diskussionsstand in der BRD zu informieren. Der Austausch von Ideen, Infor­mationen, politischen Standpunkten etc., für den ein solcher Kongreß den Rah­men bieten müßte, fand nicht statt.
Nach der ausgedehnten Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse war Sonntag nach dem Mittagessen noch der Punkt “Kampagne in der BRD” vorgesehen. Die gelichteten Reihen ließen nicht auf übermäßiges Interesse daran schließen, war doch offenbar ein großer Teil des Auditoriums mehr der prominenten Gäste we­gen gekommen. Tatsächlich blieb es merkwürdig nebulös, wer denn an diesem Ort eigentlich was für eine Kampagne initiieren sollte.
In der BRD findet seit über einem Jahr im Rahmen des BUKO (Bundeskongreß der entwicklungspolitischen Aktionsgruppen) ein oft sehr mühsamer Diskussi­onsprozeß statt, der in eine Kampagne münden soll. Der Stand dieser Diskussion war in Frankfurt kein Thema. Eine Kampagne lebt von den Gruppen und Men­schen, die sie tragen und konkret umsetzen. Die Inhalte einer Kampagne in Eu­ropa und in der BRD müssen aus den politischen Problemen und Erfahrungen hier entstehen, um z.B. die Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf La­teinamerika zum Thema zu machen. Bisher scheinen die TrägerInnen von “Emancipacion e Identidad” es nicht für nötig zu halten, sich mit den bereits en­standenen Strukturen für eine Kampagne in der BRD auseinanderzusetzen, eine Kampagne, im Zuge derer die Entwick­lung konkreter politischer Forderungen hier in der BRD und in Eu­ropa im Mittelpunkt stehen müßten. Es scheint sym­ptomatisch, daß die eher peinliche Eigenwerbung des Herrn Dieterich für das von ihm herausgegebene demnächst erscheinende Buch (O-Ton Dieterich: “das wichtigste Buch seit Las Casas”) beim Kongreß mehr Raum ein­nahm, als die Dis­kussion um gemeinsame Handlungsmöglichkeiten. Nicht daß man etwas dage­gen haben könnte, auf einer intellektuell-wissenschaftlichen Ebene eigene Dis­kussions- und Aktionsformen zu entwickeln. Publikationen, die Material für De­batten liefern, und die Organisation von gut besetzten Kongressen können eine Kampagne nur weiterbringen. Ohne die Bereitschaft zur Vernetzung solcher Ak­tivitäten mit dem vorhandenen Spektrum von Aktionsgruppen er­scheint aller­dings ein Kongreß einer sogenannten Kampagne wie die­ser als immer weiteres Aufblasen eines Ballons namens “Emancipación e Identidad” ohne Verankerung in der politischen Wirklichkeit der BRD-Solidaritätsszene. Es ist zu hoffen, daß “Emancipación e Identidad” in den anderen europäischen und latein­amerikanischen Ländern, in denen die “Kampagne” in Erscheinung tritt, bereits vorhandenen Strukturen mehr Aufmerksamkeit ge­schenkt hat.
Niemanden ist damit gedient, die Aktionen zum 500.Jahrestag der spa­nischen Conquista durch eine Spaltung in verschiedene Kampagnen bis hin zur direkten Konkurrenz zwischen ihnen zu belasten. Ort und Zeit für die notwendige Ver­netzung und gemeinsame Planung sind das nächste BUKO-Seminar zum Thema im Dezember und die für März geplante Aktionskonferenz.


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Auch Verhandlungswege bergen Hinterhalte

Das Treffen zwischen Parteien und Guerilla war im vergangenen März in Oslo zwischen der Nationalen Versöhnungskommission und der Guerilla als erste von mehreren Dialogrunden festgelegt worden. Als nächstes sollen sich die Aufständischen mit UnternehmerInnen, dann mit sozialen und religiösen Gruppen und zuletzt mit der Regierung und mit den Streitkräften treffen. Bei dem Treffen in Madrid konnte es um nicht viel mehr als um juristisch-institutionelle Veränderungen gehen. Einen Waffenstillstand oder die Entmilitarisierung bestimmter Landesteile müssen mit dem Militär verhandelt werden. Einer der wichtigsten Punkte in dem Abkommen von El Escorial verpflichtet denn auch die Parteien, ab 1991 eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, an der sich die Guerilla, die “Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas” (URNG), beteiligen wird. Die URNG erklärte in Spanien, daß durch eine Verfas­sungsreform vor allem die Rolle des Militärs als Hüter der inneren Sicher­heit abgeschafft werden müsse, und die Indígenas die Möglichkeit erhal­ten müßten, sich politisch zu beteiligen. Außerdem legt das Abkommen fest, daß Parteien und Guerilla sich regelmäßig treffen werden. Für die Zeit des Wahlkampfs bis zur Amtsübergabe, die sich vom 8. Juni 1990 bis zum Januar 1991 erstreckt, verpflichtet sich die URNG, alle Sabotage­aktionen wie z.B. Anschläge auf Strommasten und Produktionsanlagen einzustellen.

Kein Krieg macht noch keinen Frieden

Seit den ergebnislosen Gesprächen zwischen Regierung und Guerilla im Oktober 1987 hat der christdemokratische Präsident Vinicio Cerezo über 20 Dialogvorschläge der URNG abgelehnt. Anfang dieses Jahres ließ er zum ersten Mal Gesprächsbereitschaft erkennen, vermutlich aufgrund der wachsenden militärischen Stärke der URNG und dem Druck einiger gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere der Nationalen Versöhnungs­kommission. Unmittelbar nach der Wahlniederlage der SandinistInnen in Nicaragua jedoch fiel er wieder in die knallharte Position zurück: “Gespräche mit der Subversion wären wie ein Dialog unter Taubstum­men.” Er schloß sich damit der Meinung der guatemaltekischen Rechten an, daß die URNG sowieso bald verschwinden werde, wenn der unter­stellte Waffennachschub aus Nicaragua ausbliebe.
Doch dann änderte sich die Taktik erneut, ungefähr zeitgleich wie auch in El Salvador, offensichtlich auf “Anregung” der USA. Plötzlich bekam die Nationale Versöhnungskommission grünes Licht von Regierung und Militär für das Treffen in Oslo. Nach Oslo beglückwünschte Bernard Aronson, Unterstaatssekretär für Lateinamerika-Angelegenheiten des US-State-Departments, den Vorsitzenden der Nationalen Versöhnungs­kommission, Bischof Quezada Toruños, und die URNG für ihre “Friedensverpflichtung”. Dahinter steht sicherlich die Absicht, die Guerilla “in diesem günstigen Augenblick” zu überreden, die Waffen abzugeben. Dafür soll ihr bestenfalls angeboten werden, sich ins politische Leben ein­zugliedern, jedoch ohne irgendwelche grundlegenden gesellschaftlichen Änderungen zuzugestehen.
Vor allem den USA geht es darum, das “Problem Befreiungsbewegungen” auf dem Verhandlungsweg aus der Welt zu schaffen. Wenn mensch den Machtwechsel in Nicaragua – auch – als Ergebnis des “Friedensprozesses” interpretiert, der in Esquipulas begann, dann war diese Strategie ja durch­aus erfolgreich. Die URNG hat ihre Ziele bei den Verhandlungen klar­gestellt. Es geht ihr nicht darum, einen politischen Raum für sich zu gewinnen. “Wir wollen politische Lösungen für die Gründe, die zu dem internen bewaffneten Konflikt geführt haben. Zusammen mit den verschiedenen politischen, ökonomischen, sozialen und religiösen Kräften streben wir ein integrales Modell der Entwicklung in wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Aspekten an. Darin sollen die unter­schiedlichen Sektoren der Gesellschaft, insbesondere die traditionell unterdrückten Indígenas, volle Mitwirkungsmöglichkeiten besitzen. Dafür suchen wir den notwendigen Handlungsspielraum”, äußerte Luís Becker von der politisch-diplomatischen Vertretung der URNG.
Mit einem klaren Nein antworteten die Vertreter der URNG deshalb auch auf die in Spanien immer wieder gestellte Frage, ob sie sich an den Präsidentschaftswahlen im November beteiligen wollten. Nach “El Escorial” begann dann das Knobeln, ob die Guerilla zur Verfassungs­gebenden Versammlung eine Partei gründen werde. Bis Comandante Pablo Monsanto, Mitunterzeichner von El Escorial, in einem Interview gegenüber der kubanischen Zeitung “Granma” erklärte: “Wir werden als politische Kraft teilnehmen, nicht als politische Partei. Dies bedeutet weder die Entwaffnung der Guerilla noch die Demobilisierung unserer Streitmacht. Das Abkommen legt nur unsere Beteiligung an der Verfas­sungsgebenden Versammlung fest. Das haben wir nicht nur getan, um für die Guerilla Spielräume zu eröffnen, sondern auch für die sozialen Kräfte. Aber auf keinen Fall werden wir die Waffen aus den Händen legen, weil sie die Garantie für die Veränderungen sind, für die wir gekämpft haben. Außerdem: Auch wenn sich die URNG zu irgendeinem Zeitpunkt demo­bilisieren würde, würde der Krieg in Guatemala nicht verschwinden. Andere würden zu den Waffen greifen, weil der Ursprung des Krieges die Ungerechtigkeit, die Unterdrückung, die Ausbeutung und die Diskrimi­nierung sind”.

Erste Risse zwischen den Herrschenden?

Die Taktik der URNG, sich politische Bündnispartner zu suchen, erscheint durchaus nicht aussichtslos. Auch innerhalb der bürgerlichen Gruppen geht vielen die Abhängigkeit Cerezos vom Militär und von der Oligarchie zu weit. Seine Weigerung, mit der URNG zu verhandeln beispielsweise, war eindeutig auf den Druck des Militärs zurückzuführen. Obwohl – oder vielleicht auch weil – Cerezo das Abkommen von Esquipulas II nicht ein­hielt, begann in Guatemala als einzigem der mittelamerikanischen Länder die in Esquipulas festgelegte Nationale Versöhnungskommission ernsthaft zu arbeiten. Besonders auf Initiative der katholischen Kirche, aber auch einiger PolitikerInnen und kleiner UnternehmerInnen und natürlich der Volksorganisationen, wurde im März 1989 der “Nationale Dialog” eröff­net. Obwohl die URNG auf Druck des Militärs nicht teilnehmen konnte, erhielt der Nationale Dialog eine nicht vorhergesehene Dynamik, vor allem durch die “Vereinigte Vertretung der guatemaltekischen Opposi­tion” (RUOG).
Mit dem Putschversuch im Mai desselben Jahres warnte das Militär die Regierung davor, durch den Druck dieses Forums “weich zu werden” und einen Dialog mit der Guerilla zu beginnen. Gleichzeitig begannen Atten­tate und Drohungen gegen die RUOG-Mitglieder, woraufhin sie das Land verließen. Dem Dialog wurde damit die Luft abgeschnürt. Doch die Nationale Versöhnungskommission hat gezeigt, daß sie Personen versammelt, die bereit sind, nach den Gründen des bewaffneten Konflikts zu fragen. Deshalb droht die jüngste Taktik der Regierung, nicht direkt mit der Guerilla zu verhandeln sondern sie auf die Nationale Versöh­nungskommission abzuschieben, in ihr Gegenteil umzuschlagen. Die Gespräche, die in Oslo beschlossen wurden und die in El Escorial begon­nen haben, sind eigentlich ein “Nationaler Dialog”, in dessen Mittelpunkt die URNG steht. Sie bieten ihr die beste Gelegenheit, Allianzen aufzu­bauen. Mit diesem Rückhalt werden sie sich mit Regierung und Militär treffen.
Die unmittelbaren Reaktionen nach dem Abkommen von El Escorial zeigen, daß sich die ersten Gräben innerhalb der Herrschenden auftun. Während einige Finanziers und Industrielle das “Abkommen für den Frieden” öffentlich lobten und ihre Gesprächsbereitschaft für die nächste Runde bekundeten, reagierte die Agraroligarchie wie erwartet wenig enthusiastisch. Seine Äußerung wollte Roberto Cordón, Direktor des Großgrundbesitzerverbandes UNAGRO, allerdings nur als “persönliche Meinungsäußerung” verstanden wissen: “Wenn die Kommandatur der URNG mit ihnen (den Großgrundbesitzern) reden will, müssen sie erst ihre Waffen niederlegen.” Auch Verteidigungsminister General Hugo Bolaños drückte stellvertretend für das Militär die harte Haltung aus: “Gespräche zwischen der Regierung und den Subversiven wird es nur geben, wenn sie die Waffen niederlegen.”
Besonders nach den Äußerungen von Comandante Pablo Monsanto in “Granma” wurde wohl einigen klar, daß die URNG nicht aus einer defen­siven Position heraus verhandelt. Deshalb besteht immer noch die Möglichkeit, daß sich die Militärs weiterhin weigern zu verhandeln. Die im November neugewählte Regierung wird es sich allerdings nur schwerlich leisten wollen, sich gleich am Anfang genauso bedingungslos den Militärs unterzuordnen, wie es die Regierung Cerezo getan hat.

Der schwarze Christus von Esquipulas

Die PolitikerInnen der neun größten Parteien reisten mit dem Hinter­gedanken nach Spanien, sich für den Wahlkampf als FriedensstifterInnen zu profilieren. Nicht ohne sich vorher, genau wie die Nationale Versöh­nungskommission, mit dem Verteidigungsminister Bolaños und hohen Offizieren zu einem ausführlichen “Meinungsaustausch” zu treffen und abzusichern. Aus El Escorial übermittelte die bürgerliche Presse nur posi­tive Töne, freundliches Lächeln und viel Einverständnis zwischen Parteien und Guerilla. Auch aus den Reihen der ParteienvertreterInnen drangen keine Meinungsunterschiede an die Öffentlichkeit. Und
der Politiker Mario Sandoval Alarcón, Generalsekretär der rechtsextremen Partei namens “Bewegung für die Nationale Befreiung” (MLN), animierte die Journa­listInnen zu besonders harmonischen “Stimmungsreportagen”. Der international bekannte Antikommunist rührte die Anwesenden zu Tränen, als er seinen ideo­logischen Erzfeind, den Comandante Carlos Gonzáles, umarmte. Die Zeiten und die Welt hätten sich geändert, sagte er.
Zum krönenden Abschluß machte er der Guerilla sogar ein Geschenk: Er über­reichte jedem Comandante einen schwarzen Christus von Esquipulas – ein zwei­deutiges Symbol für Frieden. Aber GuatemaltekInnen mit einem scharfen Gedächtnis erinnern sich noch weiter zurück: Die Söldnertrup­pen, die 1954 mit Hilfe der USA die demokratische Regierung Arbenz stürzten, trugen diesen schwarzen Christus als “General des Befreiungs­heeres vom Kommunismus” vor sich her…


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