Bis zu 12 Stunden standen junge und alte Honduraner*innen in einigen Wahllokalen in der Hauptstadt Tegucigalpa an, bis sie endlich ihre Kandidat*innen für die Präsidentschaft, die Kongressabgeordneten und Bürgermeister*innen innerhalb der drei großen Parteien wählen konnten. In zwei Wahllokalen konnte sogar erst eine Woche später votiert werden. Der Grund dafür war ein logistisches Problem beim Transport des Wahlmaterials, für das sich wechselweise die Integrant*innen der Wahlkommission CNE und die Armee verantwortlich machen. Die offiziellen Resultate werden am 8. April veröffentlicht.
Wenig überraschend gewann Rixi Moncada von der Regierungspartei Libertad y Refundación (Freiheit und Neugründung, LIBRE) die Vorwahl ungefährdet und erreichte von allen Präsidentschaftskandidat*innen am meisten Stimmen. Die 60-jährige Anwältin ist eine enge Vertraute von Manuel „Mel“ Zelaya, dem 2009 aus dem Amt geputschten Präsidenten und Ehemann der Präsidentin Xiomara Castro. Moncadas Wahlprogramm basiert auf der Stärkung der öffentlichen Institutionen und Dienstleistungen wie Stromversorgung, Gesundheit und Bildung. Als ehemalige Finanzministerin setzt sie sich für ein Gesetz zur gerechten Besteuerung der großen Firmen ein, das allerdings im Nationalkongress mit konservativer Mehrheit bisher nicht beschlossen wurde. Die Ehefrau des in den USA wegen Drogenhandels inhaftierten Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández, die Anwältin Ana García de Hernández, erreichte gut 20 Prozent der Stimmen der rechten Partido Nacional de Honduras (Nationale Partei von Honduras, PNH), muss aber für die Wahlen Ende November dem ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt Nasry Asfura den Vortritt lassen. Dieser nennt sich „Papi a la Orden“ (etwa: Papa zu Diensten), wirkt jedoch extrem spröde und wenig eloquent. 2021 verlor er gegen Xiomara Castro von LIBRE und tauchte danach unter, bis er mangels besserer Optionen als Kandidat recycelt wurde.
Die bürgerliche Partido Liberal de Honduras (Liberale Partei von Honduras, PLH), gestärkt durch prominente Parteiwechsler*innen, ist vom politischen Totenbett auferstanden und schickt den prominenten Fernsehmoderator Salvador Nasralla ins Rennen. 2017 verlor er als Kandidat einer „Allianz gegen die Narcodiktatur“, bestehend aus LIBRE und zwei kleinen Parteien, gegen Juan Orlando Hernández. Vier Jahre später unterstützte Nasralla mit seiner Partei Salvador de Honduras (Erretter von Honduras) Xiomara Castro und wurde nach dem Wahlsieg Vizepräsident. Allerdings zerstritt er sich schon im ersten Jahr mit Manuel Zelaya, dem Koordinator von LIBRE. Aus der Regierung zurückgetreten, verwandelte sich der 72-Jährige in einen der harschesten Kritiker der Regierung und unterstellt Castro, ein kommunistisches Regime installieren zu wollen.
Große Medien unterstützen die Konservativen
Als Sprachrohr der konservativen Parteien dienen die reaktionären Leitmedien, allen voran die Tageszeitungen La Prensa und El Heraldo sowie das Fernsehkonglomerat Televicentro. Nasralla verdankt seine Popularität mehreren Sport- und Unterhaltungsprogrammen bei Televicentro. Diese Medien gehören honduranischen Unternehmern arabisch-palästinensischen Ursprungs, genau wie die Kandidaten Asfura und Nasralla. Sie repräsentieren die honduranische Oligarchie und kontrollieren neben Medien viele Banken, weite Teile des Handels und Agroexports sowie die private Energieproduktion.
Zwischen der Rückkehr von Honduras zur Demokratie 1982 − nach Dekaden unter wechselnden Militärregimes − und dem Putsch gegen Manuel Zelaya 2009 wechselten sich PNH und PLH ab: zwei Amtszeiten liberal, eine national. Das Land erlebte durch den Bau des Wasserkraftwerks El Cajón und die Ansiedlung der exportorientierten Textilindustrie zwar eine Zeit des langsamen, aber permanenten Wirtschaftswachstums, wurde jedoch durch den verheerenden Wirbelsturm Mitch 1998 weit zurückgeworfen. Der Erlass von zwei Milliarden US-Dollar Auslandsschulden unter Präsident Ricardo Maduro ermöglichte Honduras 2005 einen wirtschaftlichen Neustart, dessen Wirkung allerdings schnell verpuffte.
Die treibenden Kräfte hinter dem Putsch gegen den liberalen Präsidenten Manuel Zelaya im Juni 2009 waren konservative Teile seiner eigenen Partei, Unternehmer*innen sowie die erwähnten Medien. LIBRE ging 2011 aus Protestorganisationen gegen den Putsch, ehemaligen Liberalen und vielen jungen, progressiven Aktivist*innen hervor. Zwei Jahre später war die Partei bereits die zweitgrößte politische Kraft. 2017 verlor LIBRE aufgrund eines von den USA unterstützten Wahlbetrugs gegen Juan Orlando Hernández von der PNH, bevor sie 2021 die Sensation schaffte und 132 Jahre Bipartidismus endeten.
Gescheiterte neoliberale Rezepte
In gut drei Jahren hat die sozialdemokratische Regierung von Xiomara Castro trotz Widerstands von vielen Seiten die Rückkehr zum Rechtsstaat geschafft, viele Sozialprogramme zur Reduktion der extremen Armut verstärkt sowie den Bau von acht kompletten Krankenhäusern in verschiedenen Landesteilen begonnen. Ein besonders ehrgeiziges Vorhaben ist die geplante Zuglinie von Puerto Castilla am Atlantik nach Amapala an der Pazifikküste als Alternative zum Panama-Kanal, für das jedoch die Finanzierung fehlt.
Negativ aufgestoßen ist der Bevölkerung allerdings der ausgeprägte Nepotismus der Familie Zelaya und ein Video, in dem der ehemalige Sekretär des Nationalkongresses und Schwager der Präsidentin mit bekannten Narcos verhandelt. Das ist natürlich eine Steilvorlage für die politische Opposition, die seit Monaten in sozialen Medien eine Kampagne namens se van (sie gehen) führt. Wer die Webseite www.partidonacional.hn öffnet, erhält keine Informationen über die Partei geschweige denn ein Wahlprogramm, sondern sieht einen Timer mit der Zeit, die bis zum Ende der Regierung Castro fehlt.
Die politische Polarisierung der Gesellschaft überrascht den Soziologen Jorge Sagastume nicht: „Die Mächtigen profitieren davon, dass die Bevölkerung permanent von den Medien abgelenkt wird, denn so bleiben die strukturellen Probleme des gescheiterten Entwicklungssystems unsichtbar.“ In Honduras wie überall wird der Einfluss sozialer Netzwerke auf die Politik immer deutlicher spürbar.
Óscar Muñoz hat die Vorwahl innerhalb der liberalen PLH mit einem Glanzergebnis bestanden und ist auf bestem Weg, Ende November einer der 20 Kongressabgeordneten des bevölkerungsreichen Departaments Cortés zu werden. „Salvador Nasralla ist ein ehrlicher Mann und kämpft gegen die Korruption. Er ist kein typischer Politiker, sondern ein Outsider, der Honduras retten wird“, ist Muñoz überzeugt. In seiner Kampagne sprach der Anwalt, seit über 40 Jahren in der PLN aktiv, viel über Gott und Nächstenliebe, ohne den Wähler*innen konkrete Versprechen zu machen. Diese Strategie ist nicht verwunderlich, denn laut einer Umfrage der jesuitischen Organisation ERIC-SJ vertrauen 85 Prozent der Bevölkerung weder den Politiker*innen noch den Parteien. Die soziale Schuld, die wechselnde Regierungen angehäuft haben, ist riesig und Lösungen nicht in Sicht. 40 Prozent extreme Armut − offizielle Zahlen vom Statistischen Amt − sind effektiv ein Armutszeugnis für alle Politiker*innen. Obwohl die soziale und wirtschaftliche Lage für weite Teile der Bevölkerung sehr schwierig ist, sind viele Honduraner*innen eher konservativ. Jorge Sagastume erklärt sich dieses Paradox folgendermaßen: „In Honduras ist die Bildung rückständig und voller religiöser Konzepte, die den Status quo verteidigen. Aus lauter Bequemlichheit übernehmen viele Leute diese Ideen, ohne sie zu hinterfragen – dazu müsste man abstrakt denken, was das Bildungssystem nicht vorsieht.“ Der Historiker Rubén Darío Paz fügt hinzu, dass die jetzige Oberschicht aus den konservativen Eliten herausgewachsen ist, die Mitte des 19.
Jahrhunderts den modernen honduranischen Staat gründeten. Diese Elite setzt ihre wirtschaftliche und mediale Macht gegen strukturelle Veränderungen ein. Politisch vertreten wird die Oberschicht dabei besonders durch die 1902 gegründete nationale PNH. Roberto César Montfort ist Vizepräsident der Partei im Departement Cortés. Er glaubt, dass die LIBRE-Regierung ein bloßes Intermezzo ist: „Die Partei hat sich in ideologische Kämpfe verstrickt und gleichzeitig viele politische Fehler begangen: Konfrontation mit den USA, Nepotismus, fehlende Korruptionsbekämpfung und falsche Wirtschaftspolitik.“ Seiner Meinung nach zeigen über 100.000 ungültige Stimmen von LIBRE-Wähler*innen, dass die Partei weniger Sympathisant*innen hat als vor drei Jahren. „2021 gaben viele Konservative Xiomara Castro ihre Stimme, weil die PNH aufgrund vieler Skandale in der Krise steckte. Diese Personen werden im November 2025 Nasry Asfura oder Salvador Nasralla und konservative Abgeordnete und Bürgermeister*innen wählen“, ist sich Montfort sicher. Ist das sozialdemokratische Projekt von LIBRE in Gefahr? „Nein“, sagt Gilberto Ríos Munguía, Gründer und Leader der Partei.
„LIBRE hat in diesen Vorwahlen am meisten zugelegt, die anderen Parteien haben Stimmen verloren. Xiomara gehört mit 55 Prozent Zustimmung zu den sieben am besten evaluierten Präsident*innen der Welt.“ Der inoffizielle Chefideologe von LIBRE argumentiert, dass die Polarisierung der Bevölkerung ein Symptom des wachsenden politischen Bewusstseins sei: „Unsere Partei ist landesweit gut organisiert und wird viele der fast 700.000 neuen Wähler*innen mobilisieren. Das Volk glaubt nicht an die gescheiterten Rezepte des Neoliberalismus. Ganz im Gegenteil: Das sozialdemokratische Projekt muss vertieft werden, um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen zu erreichen.“ Über 5,8 Millionen Wahlberechtigte werden am 30. November 2025 unter Kandidat*innen von 14 Parteien wählen und entscheiden, ob das Pendel zurück nach rechts schwingt oder ob Honduras sozialdemokratisch bleibt.