FRIEDEN RÜCKT IN WEITE FERNE

Der Druck auf die Regierung von Präsident Iván Duque wächst. Bäuer*innenverbände, Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen hatten am 25. April zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Protestaktionen richten sich gegen den nationalen Entwicklungsplan der Regierung Duque, der Tage später, am 3. Mai, dennoch vom Senat bewilligt wurde. Tausende Menschen versammelten sich auf dem Bolívar-Platz im Herzen Bogotás, wo es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam. Elf Menschen wurden verletzt, 33 verhaftet. Die Arbeit von Journalist*innen wurde von Einheiten der mobilen Aufstandsbekämpfungseinheit (ESMAD) behindert. Zwei Fotografen der kolumbia­nischen Presseagenturen Colprensa und Efe wurden von der ESMAD angegriffen.
Während die politischen Vorhaben der rechtskonservativen Regierungspartei CD das Land weiter polarisieren, rückt der Frieden in weite Ferne. Der Nationale Entwicklungsplan, ein Fahrplan der Regierung für die nächsten vier Jahre, hat zum Ziel, soziale Ungleichheiten unternehmerisch zu bekämpfen. Doch der als „Pakt für Kolumbien, Pakt für Gerechtigkeit“ getaufte Plan erinnert an die Politik des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Vélez und sät große Zweifel an der Bereitschaft der jetzigen Regierung, das Friedensabkommen mit den entwaffneten Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) umzusetzen.

Wie kann Frieden hergestellt werden, wenn anstatt in Bildung in Verteidigung investiert wird?

So wie damals unter Uribe werden im Fahrplan der Regierung Duque Probleme wie Auslandsverschuldung, Ankurbelung von Wirtschaftswachstum und Fragen der Sicherheit in den Vorder­grund gestellt. Doch wie kann Frieden hergestellt werden, wenn in die Agrarindustrie anstatt in die kleinbäuerliche Landwirtschaft, wenn anstatt in Bildung in Verteidigung investiert wird?
Mit den Studierendenprotesten Ende vergangenen Jahres wurde die vielschichtige Krise in den Bildungsinstitutionen angeprangert, die jedoch mit dem Entwicklungsplan nicht gelöst wird. Darin werden sieben sehr allgemeine Ziele für Bildung genannt, aber „der Plan vermeidet eine tiefere Diskussion über das Hauptproblem im Bildungssektor – die Unterfinanzierung“ so Politikwissenschaftler Ángel Pérez im Wirtschafts­magazin Dinero. Auch im neuen Entwicklungs­plan sind den Zielen keine Finanzierungen zugeordnet. Es wird befürchtet, dass Schulen und Universitäten privatisiert werden, was die Wut der Studierenden weiter wachsen lässt. Auf den Demonstrationen am 25. April forderten die Studierenden, dass die Regierung sich an Abkommen hält, die im Dezember 2018 nach einem 65-tägigen Streik der Studierenden ausgehandelt worden waren. Vergeblich warten sie noch auf die 1,34 Millarden Pesos, die den öffentlichen Hochschulen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Die sogenannte economía naranja, wie Präsident Duque die kolumbianische Kreativindustrie nennt, wird im Entwicklungsplan besonders hervorgehoben und zielt auf einen kulturellen Wandel in Kolumbien. Die „orangene Wirtschaft“ will Projekte von Kreativen und Tourismus fördern. Mit Krediten und Steuervergünstigungen sollen bildende Künste, Musikszene und Filmproduktion gestärkt werden. Auch soll in kulturelle Einrichtungen und in Schulbücher investiert werden. Was sich jedoch als Fortschritt anhört, entpuppt sich als widersprüchlich. Denn vor allem sollte Kunst und Kultur für die Menschen mit niedrigem Einkommen zugänglicher werden, es ist aber, „als ob nur die Leute der höheren Klasse ein Recht auf Unterhaltung hätten“, sagte der Unternehmer und Konzertveranstalter Ricardo Leyva gegenüber dem Kulturmagazin Arcadia im vergangenen November. Denn mit dem Finanzierungsgesetz der Regierung Duque (siehe LN 533) wurde unter anderem die Steuer auf Internet, Bücher und Konzertkarten erhöht.
Der Fokus des nationalen Entwicklungsplans auf die economía naranja bedeutet nicht, dass der Rohstoffsektor seine Stellung als Antriebskraft der kolumbianischen Wirtschaft verlieren wird. Elf Prozent der im Plan vorgesehenen Gelder sollen dem Ministerium für Bergbau und Energie zugute kommen. Auch Fracking wurde durch das Unterhaus in den Entwicklungsplan aufgenommen, noch muss der Senat entscheiden, ob die umstrittene Methode für Gasgewinnung in Kolumbien angewendet wird. Zurzeit laufen drei Fracking-Pilotprojekte in Kolumbien.

Die Regierung verpasst die Chance, die ländliche Entwicklung voranzutreiben

Für Kleinbauern und -bäuerinnen dürfte vor allem der kleine Etat für sie ein Dorn im Auge sein.
Das Budget für den Agrarsektor fällt dagegen klein aus. Zwei Prozent der Gelder sind für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vorgesehen, was in Zeiten des Post-Konflikts den Kleinbauern und -bäuerinnen ein Dorn im Auge sein dürfte. „Der nationale Entwicklungsplan zeigt, dass der Landverteilung, der Gesundheit, der Bildung in ländlichen Regionen, der Stromversorgung und weiterer nötigen Infrastruktur für die Verbesserung unserer Produktivität die Finanzierung entzogen wird“ schreibt Andrés Gil, Präsident von ANZORC, einer nationalen Vereinigung von Organisationen von Kleinbäuer*innen, in der Zeitung El Espectador.
Für den Landwirtschaftsminister Andrés Valencia sind Kritik und Proteste nicht gerechtfertigt. Im Interview mit dem Online Portal Agronegocios behauptet er, dass die Regierung eng mit Bauern und Bäuerinnen zusammenarbeite, um die Situation im ländlichen Raum zu verbessern. Doch dem widersprechen zivilgesellschaftliche Netzwerke wie ANZORC, die Cumbre Agraria (alternativer Agrargipfel) oder selbst die Minga (gemeinschaftliche indigene Protestorganisation), welche noch darauf warten, dass die Regierung sich an Verhandlungen beteiligt oder bereits ausgehandelte Abkommen aus dem vergangenen Jahr erfüllt. „Es ist inkohärent, dass sich die Regierung über die Proteste auf den Landstraßen wundert, wenn sie weiterhin die Wege für den Dialog versperrt“, erklärt ANZORCs Präsident Gil. Es kommt hinzu, dass es keinen klaren Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsplan und der Implementierung des Friedensabkommens mit der FARC gibt. Statt die historische Chance anzunehmen, die der Friedensvertrag bietet, um die landwirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, habe sich die Regierung Duque für den Weg der Polarisierung und Marginalisierung des ländlichen Kolumbiens entschieden, so Gil.
Ein weiteres Anliegen der Protestaktionen in der Hauptstadt war die gravierende Situation für Menschenrechtsaktivist*innen in Kolumbien. Dafür wurde ein humanitärer Zufluchtsort in Bogotá eingerichtet, wo zweitausend Menschenrechtsaktivist*innen die Gefahren sichtbar machen wollen, denen sie in ihrer Arbeit ausgesetzt sind. Letztes Jahr wurden 160 Menschenrechtsaktivist*innen getötet, ein Mord jeden zweiten Tag.

 


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MACHTWECHSEL OHNE RICHTUNGSWECHSEL

Wahlkämpfer der PRD im indigenen Autonomiegebiet Guna Yala (Foto: Alexis Alvarado)

Die Opposition gewinnt immer. Diese Faustregel der panamaischen Politik hat sich ein weiteres Mal bestätigt. Nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen (bis Redaktionsschluss) hat Laurentino ‘Nito’ Cortizo von der Revolutionären Demokratischen Partei (PRD) die Präsidentschaftswahl am 5. April mit 33,5 Prozent gewonnen. Der zweitplatzierte Rómulo Roux vom Demokratischen Wandel (CD) kam auf 31 Prozent. Eine Stichwahl gibt es in Panama nicht. Bei der gleichzeitigen Parlamentswahl gewann das Wahlbündnis der PRD 30 von 71 Sitzen, Cortizo wird also auf die Zusammenarbeit mit anderen Parteien angewiesen sein.

Seit Ende der Militärdiktatur (1968 – 1989) hat es keine Partei geschafft, mehr als eine Legislaturperiode am Stück zu regieren. Nach den Regierungen Ricardo Martinellis (CD) von 2009 bis 2014 und, seitdem, Juan Carlos Varelas von der Panameñista-Partei (PPA) war daher von vielen erwartet worden, dass nun die PRD als dritte große politische Kraft wieder an der Reihe ist. Nach zehn Jahren fern der Macht ist es nun so gekommen.

„Es gibt einen Mangel an Repräsentation, zu viel Konsens und keine ideologische Vielfalt”

Trotzdem ist diese Wahl besonders, was damit zu tun hat, dass seit der letzten Wahl gleich mehrere Skandale das Land erschütterten. Es begann 2016 mit den Panama Papers, die Panamas Rolle als Dienstleister für Steuer- und Geldwäschedelikte weltweite Aufmerksamkeit bescherte. Dann ging es weiter: Im Rahmen des Odebrecht-Skandals kam heraus, dass die brasilianische Baufirma auch in Panama insgesamt rund 60 Millionen Dollar Schmiergelder gezahlt hatte, sie war zuletzt prominent am Ausbau des Flughafens sowie der U-Bahn von Panama-Stadt beteiligt. Expräsident Martinelli sitzt wegen Korruption und illegaler Bespitzelung politischer Gegner*innen während seiner Amtszeit in Haft. Parlamentsabgeordnete hatten reihenweise und in großem Umfang Familienangehörige mit Arbeitsverträgen versorgt oder Steuergelder gezielt verschenkt. Dazu kommen langfristige Missstände: Viele Mitglieder*innen der öffentlichen Verwaltung gelten als botellas, „Flaschen”, die ohne Qualifikation aufgrund politischer Gefälligkeiten an ihr Amt gekommen sind. Das oberste Gericht wird als abhängig wahrgenommen, da die Präsident*innen abwechselnd vier oder fünf der neun Richter*innen am obersten Gerichtshof vorschlagen. Das alles hat das Vertrauen der Bevölkerung in alle drei Gewalten des Staates erschüttert: Laut der Umfrage „Latinobarómetro“ denken 83% der Bevölkerung, dass das Land von einigen Gruppen zu ihrem eigenen Vorteil regiert wird. Entsprechend groß ist die Wut auf die politische Klasse.

Da die Verfassung eine Wiederwahl von Präsident*innen nicht erlaubt, richtete sich diese Wut vor allem auf die gleichzeitig zu wählenden Parlamentsabgeordneten. Artikuliert wurde sie durch die Kampagne #NoalaReeleccion und ihrer Forderung, nicht integre Abgeordnete abzuwählen.

In Panama bezeichnet sich heute kaum jemand als links


Ausnahmslos alle sieben Präsidentschaftskandidat*innen – darunter nur eine Frau – sprachen sich angesichts des Unmuts für Änderungen der Verfassung aus, um die Missstände in Zukunft zu verhindern. Dies wollen sie entweder über eine verfassunggebende Versammlung oder – wie Nito Cortizo – über alternative Wege wie Parlamentsbeschlüsse erreichen.

Als weitere Folge spielten parteipolitisch unabhängige Kandidat*innen erstmals eine wichtige Rolle. Gleich drei stellten sich zur Wahl. Der erfolgreichste von ihnen, Ricardo Lombana, bekam immerhin 19,2 Prozent der Stimmen. Er sprach mit einer auf den sozialen Medien aufgebauten Kampagne vor allem die urbane Jugend an und verstand es, aus der Wut Kapital zu schlagen. Möglicherweise gereichte ihm das Fehlen einer Parteimaschinerie zum Nachteil. Von allen Kandidaten hatte er am wenigsten politische Erfahrung und arbeitete kein Wahlprogramm aus, erst spät veröffentlichte er eine Auflistung von Wahlversprechen.

Nito Cortizo dagegen war parallel zu einer Tätigkeit als Unternehmer 10 Jahre lang Abgeordneter für die zentristische Partei Solidarität und wechselte erst 2004 zur PRD. Dank guter Kontakte wurde er dort unter Präsident Martin Torrijos sofort Landwirtschaftsminister. Bereits nach zwei Jahren trat er in dieser Funktion zurück, als er das für Torrijos wichtige Freihandelsabkommen mit den USA mitverhandelte und diese ihre landwirtschaftlichen Exporte nicht den gesetzlichen sanitären Kontrollen unterwerfen wollten. Er erklärte seine Kandidatur bereits vor drei Jahren. Nachdem die PRD in den letzten Jahren zerstritten war, gelang es Cortizo, die Partei wieder zu einen. Trotzdem lud er das Partei-Establishment nicht zu seiner Abschlusskundgebung ein.

Der Zweitplatzierte Rómulo Roux, ehemaliger Außenminister von Ricardo Martinelli, wurde mit dem Erbe seines Mentors in Verbindung gebracht – Wirtschaftswachstum, aber auch Korruption. Seine Partei CD hat nach wie vor den Ruf einer auf Martinelli zugeschnittenen Ein-Personen-Veranstaltung. Kandidat der Regierungspartei PPA war José Blandón, der Bürgermeister der Hauptstadt, in Panama der wichtigste politische Amtsträger nach dem Präsidenten. Er bekam nur 10,5 Prozent der Stimmen, obwohl er versucht hatte, dem Malus der Regierungspartei durch Abgrenzung vom scheidenden Präsidenten Varela zu entgehen. Dieser bemühte sich zwar glaubwürdig im Kampf gegen die Korruption, kümmerte sich aber in den Augen der Bevölkerung nicht genug um die Wirtschaft, die in seiner Amtszeit nicht mehr so stark wuchs wie zuvor. Das brachte ihm den Spottnamen Tortugón (Schildkröte) ein.

Die Kandidat*innen sprachen bei den Fernsehdebatten über verschiedene Punkte wie etwa die mangelhafte Qualität der Schulbildung, die grassierende Medikamentenknappheit, den drohenden Kollaps des Rentensystems oder die Frustration des Agrarsektors über die Konkurrenz durch umfangreiche Lebensmittelimporte. Trotzdem spielten substantielle Kontroversen im kurzen, gemäß neuer Regeln auf zwei Monate beschränkten Wahlkampf eine eher geringe Rolle.

Fehlende inhaltliche Unterscheidbarkeit der Parteien ist charakteristisch für die panamaische Politik. In der Theorie ist die PRD gemäßigt links, die Panameñista-Partei rechts-nationalistisch und der CD irgendwo dazwischen. In der Praxis haben jedoch alle drei Parteien stets die gleiche neoliberale, rechte Politik gemacht – die Privatisierung der meisten Staatsunternehmen in den 1990er Jahren hat etwa die PRD verantwortet.

„Die panamaische Demokratie ist schwach und in der Krise”, sagt dazu der Soziologe und Universitätsdozent Alonso Ramos, „es gibt einen Mangel an Repräsentation, zu viel Konsens und keine ideologische Vielfalt. Auf den Diskurs vom regelmäßigen Machtwechsel wurde nach dem Ende der Diktatur zwar viel Wert gelegt, wirkliche Wechsel gibt es aber nicht. Wichtige, aber heikle Themen wurden im Wahlkampf nicht diskutiert, weil das bedeutet hätte, das neoliberale Modell in Frage zu stellen. Zu diesen Themen gehören die Skandale, letztlich der Zustand unserer Demokratie, außerdem der Klimawandel, dem gegenüber Panama sehr verwundbar ist. Und schließlich die Ungleichheit.”
Panamas Wirtschaft ist in den letzten fünf Jahren im Mittel um 5,6 Prozent gewachsen und hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika. Während alle Politiker*innen geloben, die Armut bekämpfen zu wollen, sagen die meisten nichts dazu, dass in Panama die reichsten 10 Prozent mehr als 30-mal so viel Einkommen haben wie die ärmsten 10 Prozent. Nur in einem Dutzend Länder weltweit ist die Ungleichheit noch größer. Könnte das nicht ein Ansatzpunkt für linke Bewegungen und Parteien sein?

„Es wird der Anschein erweckt, alles verändern zu wollen, nur damit sich am Ende nichts ändert.”

Nach der Umfrage „Barométro de las Americas“ bezeichnen sich 29,5 Prozent der Bevölkerung Panamas als politisch links. Es gibt aber lediglich eine linke Partei, die aus der Bauarbeitergewerkschaft Suntracs heraus entstandene Breite Front für die Demokratie (FAD). Ihr Eintreten für einen Sozialstaat und ein progressiveres Steuersystem scheint eine für das neoliberale Panama geradezu radikale Vorstellung zu sein. Denn bereits zum zweiten Mal in Folge droht der 2014 erstmals angetretenen FAD aufgrund des geringen Stimmenanteils die Auflösung (vorgeschrieben bei weniger als 2 Prozent). Zur jetzigen Wahl formierte sich die FAD neu, für ihren Kandidaten Saúl Méndez (siehe LN 415) stimmten aber lediglich 0,7 Prozent der Wähler*innen. Warum hat es die Linke so schwer in Panama?

„Es liegt an der 150-jährigen kolonialen Präsenz der USA in Panama nach dem Bau der Eisenbahn 1850”, versucht sich Alonso Ramos an einer Erklärung. „Das hat einen großen, bestimmenden Einfluss auf die politische Kultur gehabt. Dieses Trauma prägt unsere Gesellschaft bis heute darin, was wir sind und was wir nicht sind. Seit den 1930er Jahren sind alle, die linke Ideen vertreten haben, von der Oligarchie verfolgt worden. Deswegen bezeichnet sich in Panama auch heute noch kaum jemand als links, nicht einmal die FAD.”

Das hat auch Auswirkungen im gesellschaftlichen Bereich: Themen wie Abtreibung oder LGBTIQ*-Rechte kamen im Wahlkampf so gut wie nicht zur Sprache. Als Ricardo Lombana sich hierzu einmal vorsichtig-moderater Weise äußerte, schlug ihm sofort breite Kritik entgegen. Die Wertevorstellungen von katholischer Kirche und Evangelikalen wurden nicht in Frage gestellt. Nito Cortizo und die meisten anderen Kandidat*innen machten frühzeitig klar, dass sie diese teilen.

Liegt die Hoffnung also in neuen politischen Bewegungen? Claudia Cordero, Kommunikations- und Kulturwissenschaftlerin, ist ernüchtert: „Leider gibt es solche Bewegungen im Moment nicht. Viele junge Leute liken im Moment zwar die Kampagne #NoalaReeleccion in den sozialen Medien oder haben deren Aufkleber am Auto und glauben dann, dass sie an einer sozialen Bewegung teilnehmen. Treibende Kraft hinter dieser Kampagne ist aber die Organisation Movin. Sie bemüht sich, den Anschein einer Bürgerbewegung gegen Korruption zu erwecken, tatsächlich stecken dahinter vor allem 15 bis 20 einflussreiche Persönlichkeiten um den Milliardär Stanley Motta. Sie wollen die Abwahl von Abgeordneten herbeiführen, um den Protest zu kanalisieren und das herrschende Modell zu bewahren. Es wird der Anschein erweckt, alles verändern zu wollen, nur damit sich am Ende nichts ändert.”
Die Krise der Demokratie könnte für den neuen Präsidenten einige Herausforderungen bergen. Bei der letzten Fernsehdebatte sagte er: „In diesem Land muss der Präsident sagen, wo es lang geht. So Gott will, wird ab dem 1. Juli also Nito Cortizo in diesem Land das Sagen haben. Ist das klar?”

Einige Wähler*innen mögen das für eine legitime Einstellung in Krisenzeiten gehalten haben. Lässt diese wohl als Drohung gegen korrupte Abgeordnete gedachte, autoritäre Ansage Schlimmes erahnen? Die Panamaer*innen werden es bald erfahren. In fünf Jahren wird dann klar sein, ob die Faustregel der panamaischen Politik ihre Gültigkeit behält und sich wieder alles ändert, damit alles so bleibt, wie es ist.


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