Frieden, aber wie?

Nach seinem Amtsantritt im Juni 1994 hatte Samper Carlos Holmes Trujillo, der den Friedensprozeß in Mittelamerika aus eigener Anschauung kennt, zum obersten Friedensberater ernannt. Aber nach der Krise um die Gelder der Mafia im Wahlkampf für Samper fiel die Friedensinitiative der Regierung in sich zusammen. Die Armeeführung weigerte sich, ein großes Gebiet im Südosten des Landes zu räumen, was die FARC als Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen genannt hatte. Der Präsident gab klein bei und verlangte wenig später nach einer militärischen Lösung. Das Amt des Friedensberaters blieb lange Zeit unbesetzt, aber das Büro mit seinen Mitarbeitern funktionierte weiter. Holmes Trujillo ist seit einigen Monaten Innenminister.
Im Juni hatte Präsident Samper nach der Übergabe der 70 von den FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) festgehaltenen Militärs angekündigt, daß innerhalb von 100 Tagen die Möglichkeiten für eine neue Friedensinitiative geprüft werden. Er schlug drei Themen vor, über die möglichst bald eine Einigung erfolgen soll: Entführungen (nach der kolumbianischen Presse gab es 1996 1.439 Fälle), Sprengungen von Ölpipelines (Schaden in den letzten sieben Jahren: 2 Mrd. US-Dollar) und Kinder als Kriegsteilnehmer.

Friedensprozeß und Vorwahlkampf

Im Oktober finden in Kolumbien Kommunalwahlen statt. Von den 1994 gewählten sind bisher 20 Bürgermeister und 226 Gemeinderäte ermordet worden. Die schon von früher bekannte Zunahme politischer Gewalt in der Vorwahlzeit zeigt sich auch dieses Mal wieder. Nach Regierungsangaben sind in rund 400 (nach anderen Quellen: 600) der über eintausend Gemeinden Guerillagruppen und in 450 Gemeinden Paramilitärs aktiv.
Zwischen 16.000 und 18.000 Frauen und Männer sollen in der Guerilla kämpfen. Der Krieg hat sich nach dem Analytiker Alfredo Rangel qualitativ verändert – von einem “klassichen” Guerillakrieg zu einem Bewegungs- und Positionskrieg. Die Rebellen treten zunehmend in größeren Verbänden auf. Gleichzeitig versuchen paramilitärische Gruppen mit etwa 5.000 Angehörigen, ihren Einfluß im Land auszudehnen, hinzu kommen Tausende Mitglieder legaler “Sicherheitskooperativen”, der sogenannte CONVIVIR (Asociaciones Comunitarias de Vigilancia Rural). Das Kriegsgeschehen und politischer Druck der verschiedenen Gewaltakteure haben die Zahl der intern Vertriebenen auf etwa eine Million anschwellen lassen.
Die These Alfredo Rangels, nur durch ein deutliches politisch-militärisches Auftreten könne die Guerilla zu Verhandlungen gezwungen werden, wird heftig diskutiert. Eduardo Pizarro von der Nationaluniversität widerspricht jedoch energisch. Rangel vernachlässige den internationalen Kontext wie den Fall der Mauer 1989 und die Friedensprozesse in Zentralamerika. Er vergesse, daß die Guerillagruppen durch ihre Aktivitäten ihre Feinde multiplizierten und dies zu einer Eskalation des Konfliktes auf einem immer höheren Niveau führe. Für den früheren Außenminister Ramírez Ocampo existiert in Kolumbien zwischen den beiden Seiten kein militärisches, wohl aber ein strategisches Gleichgewicht: Keine Seite könne die andere besiegen.
Im Juli legte die Regierung dem Kongreß einen Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Nationalen Friedensrates vor. Dem Rat sollen rund 40 Mitglieder angehören, die eine breite Palette von staatlichen Stellen und gesellschaftlichen Kräften abdekken. Er soll u. a. die Regierung beraten, die Bevölkerung motivieren, Eigeninitiativen zu starten und jährlich dem Kongreß über den Friedensprozeß berichten. Als Hauptmotiv für die Einrichtung wird angeführt, der Friedensdialog müsse einer permanenten staatlichen Stelle anvertraut werden, die diese Arbeit unabhängig von den wechselnden Regierungen wahrnehmen soll. Gleichwohl soll das Gremium unter dem Vorsitz des Präsidenten tagen, und wichtige Vertreter der Regierung wie die Ministerien für Inneres, Verteidigung und Justiz wären vertreten.
Es wird nicht recht deutlich, wie dieser offenkundige Widerspruch – Beziehung zu Regierung und Staat – gelöst werden soll.
Die Skepsis gegenüber den Erfolgschancen der neuen Initiative ist groß, denn sie kommt am Ende der Amtszeit Sampers, in der die Regierung traditionell geschwächt ist. Das Ausmaß politischer Gewaltanwendung ist auch weiterhin hoch. Die Guerillagruppen arbeiten daran, ihren Einfluß über Teile des Landes zu konsolidieren. Es ist unklar, warum sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einen Friedensprozeß eintreten sollten.
Auch hat besonders die FARC deutlich gemacht, daß sie der Regierung Samper aufgrund der Drogengelder während des Wahlkampfes jegliche Legitimation abspreche. Ein FARC-Sprecher lehnte bereits die Initiative eines zivilgesellschaftlichen Friedensnetzes ab, eine Volksabstimmung für den Frieden im Oktober abzuhalten. Die Guerilla verlangt bei den Gemeindewahlen eine Stimmenthaltung. Eine größere Anzahl von Kandidaten wurde bereits entführt, einige von ihnen wieder freigelassen, andere ermordet.
Nur wenige Gründe sprechen für Erfolgschancen der Initiative. Mit der Zwangspensionierung des Oberkommandierenden der Streitkräfte, General Bedoya, wurde ein prominenter Gegner von Verhandlungen aus einer Spitzenposition entfernt. Sein Nachfolger, General Bonett, gilt als flexibler.
Zweitens wird das Bewußtsein in Politik und Zivilgesellschaft (wieder einmal!) stärker, daß eine militärische Lösung nicht möglich ist und nach einem Verhandlungsfrieden gesucht werden muß.
Drittens scheint die US-Regierung keine verhandlungsfeindliche Position einzunehmen. Ihr scheint der Drogenkrieg mehr am Herzen zu liegen als die Gegnerschaft zu linken Guerilleros. So hat sie die Militärhilfe für Anti-Drogeneinsätze in Höhe von 70 Mio. Dollar wieder aufgenommen. Die Regierung mußte sich verpflichten, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Überwachung der Einhaltung dieses Versprechens durch die US-Regierung akzeptieren. Eine Suspendierung der Hilfe bei Nichteinhaltung ist möglich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Diskussion über eine mögliche Auslieferung kolumbianischer Drogenhändler, die in der Verfassung von 1991 verboten wurde. Sie wird jetzt im Kongreß neu behandelt. Die Auslieferung war in der Amtszeit Barcos Ende der achtziger Jahre der entscheidende Faktor für terroristische Aktionen des Medelliner Kartells gegen Regierung und Bevölkerung.
Schließlich spielen bei der Initiative parteipolitische Interessen eine Rolle. Einer der Favoriten für die Präsidentschaftswahl 1998 ist die rechte Hand Sampers: der liberale Ex-Innenminister Horacio Serpa. Der Beginn von Verhandlungen würde seine Wahlchancen ohne Zweifel deutlich erhöhen.
Kolumbianische Regierungen interessieren sich seit einiger Zeit für die Erfahrungen in Zentralamerika, gelten doch die dortigen Friedensschlüsse bei allen aktuellen Problemen immer noch als stabil. Mit dem neuen UN-Büro zur Beobachtung der Menschenrechtslage existiert zum ersten Mal eine Vertretung des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (Genf) in der westlichen Hemisphäre. Unter Leitung der spanischen Botschafterin Mazarrasa arbeiten fünf Experten an der Berichterstattung zur Lage in Kolumbien. Mehrfach hat sich das Büro kritisch in der Öffentlichkeit geäußert, etwa aus Anlaß des Mordes an den beiden Mitarbeitern des jesuitischen Forschungsinstitutes CINEP, Elsa Alvarado und Mario Calderón, im Mai und über die Rolle der CONVIVIR-Gruppen, vor allem in Antioquia. Der dortige Gouverneur Alvaro Uribe hat im August in Genf gegenüber den Vereinten Nationen die Existenz dieser Gruppen gerechtfertigt; Kritiker sehen in ihnen eine legale Form des Paramilitarismus.

Eine Rolle für die Vereinten Nationen?

Im August schlug eine Gruppe von Intellektuellen um Eduardo Pizarro eine Vermittlungsrolle der Vereinten Nationen vor; ein Blauhelmeinsatz wurde hingegen abgelehnt. Bisher ist ein solcher Vorschlag am Widerstand des Establishments gescheitert. Angesichts der Verschlechterung der Lage ist eine solche Lösung für die Zukunft nicht mehr auszuschließen – zumindest dann nicht, wenn der neue Friedensrat kurzfristig keine Erfolge aufweist. Falls eine solche Initiative von den UN beschlossen würde, würde die politische Abteilung in New York die Vermittler bestimmen. In der Vergangenheit haben bereits Costa Rica, Mexiko und Venezuela den Dialog zwischen der Guerilla und der Regierung gefördert.

Kidnapping für die Revolution

Von den offiziell erfaßten 981 Entführungen im Jahr 1996 gingen etwa 40 Prozent auf das Konto von FARC, ELN und EPL (siehe Kasten). Für die restlichen Fälle sind “ge­wöhnliche” Kri­mi­nelle ver­antwortlich. 264 Entfüh­rungen en­de­ten mit der Be­frei­ung der Gei­seln durch die Poli­zei, 362 – oft nach der Zah­lung eines hohen Lö­segeldes – mit der Freilassung durch die Ent­füh­rer. 52 Gei­seln wurden er­mor­det, 18 gelang die Flucht und 285 be­fanden sich zum Jah­resende im­mer noch in Ge­fan­gen­schaft. Die Mehr­heit der Ent­führten stamm­te aus der Mit­telschicht; der Aus­län­derInnenanteil un­ter ihnen be­trug “nur” 5 Pro­zent, was aber im­merhin noch einer Zahl von 42 Entführten ent­spricht.
Die tatsächliche Ziffer der Entführungsfälle dürfte, Schät­zun­gen von Men­schenrechtsor­ga­ni­sationen zu­folge, mehr als dop­pelt so hoch lie­gen. Viele Fami­lienange­hö­ri­ge erstatten kei­ne Anzeige, um die Ver­handlungen mit den Entführern nicht zu gefähr­den. Die ange­führ­ten Daten beziehen sich da­mit nur auf die Fälle, von denen das Büro des Anti-Ent­führungs-Zars Alberto Villamizar weiß. Villamizars Frau war eine der Geiseln, die 1991 im Auftrag von Pablo Escobar verschleppt worden waren – jener Fall, den Gabriel García Márquez zum Gegenstand seines letzten Romans “Nachricht von einer Entführung” gemacht hat.

Auge um Auge

So absurd es klingt: Für die Entführten ist es von Vorteil, in die Hände der Guerilla und nicht von “normalen” Banden zu fal­len, da sie das Geschäft profes­sioneller be­treibt. Sie be­han­delt ihre Gei­seln besser, läßt sich für die Verhandlungen Zeit und geht in der Regel arbeitsteilig vor: Eine Gruppe ent­führt, eine an­dere verhandelt mit den Angehö­rigen. Die Tarife für die Freilas­sung der Geiseln schwanken zwischen 100.000 und fünf Mil­lionen US-Dollar. Bereits jede zehnte Ent­führung der Gue­rilla soll von “Kommissionären” be­treut werden, die sich ihre Dienste fürstlich entlohnen las­sen. Exemplarisch hierfür dürfte der Fall der drei entführten Inge­nieure der dä­nischen Firma F.L. Schmidt sein, die nach der Ver­mittlung von Wer­ner Mauss frei­gelassen wurden (vgl. LN 272 und Kasten).
Trotz der Errichtung eines ei­genen Anti-Entführungspro­gramms hat die kolumbianische Re­gierung das Pro­blem der Ent­führungen durch die Guerilla nicht in den Griff bekommen können. Daher greift die Logik des “Auge um Auge, Zahn um Zahn” um sich: Paramilitärische Gruppen sind dazu übergegan­gen, ihrerseits enge Verwandte füh­render Guerilleros zu kid­nappen.

Reisen in die Entführung

Die Hoffnung, die ELN werde nach allem, was über die Ver­bindungen zu Mauss und Kanz­ler­amts­mi­ni­ster Bernd Schmid­bauer be­kannt geworden war (vgl. LN 271), keine Deutschen mehr kidnappen, stellte sich rasch als vergeblich heraus. Am 27. Dezember 1996 befand sich der Lehrer Günther Lehmann, der in Quito eine deutsch-ecua­do­ri­anische Be­rufsschule leitet, mit seiner Familie und Freunden auf dem Weg an die kolumbiani­sche Karibikküste. In Curumaní (Cesar) fand der geplante Urlaub ein jähes Ende: Lehmann, scheinbar für einen US-Ameri­kaner gehalten, wurde ins nahe­gelegene Perijá-Ge­birge ver­schleppt. Wo­chen­lang mußte seine Familie auf ein erstes Le­benszeichen war­ten. Inzwischen steht fest, daß sich der Lehrer in der Gewalt der ELN-Einheit “Camilo Torres” befindet. Doch konkrete For­derungen für eine Freilassung Leh­manns gibt es nach wie vor nicht.
Anfang März kam es im Darién-Urwald unweit der Grenze zu Panama zu einem Ge­fecht zwischen Armee und einer FARC-Einheit. Dabei starben vier Guerilleros und zwei Touri­sten, der Österreicher Johann Kehrer und der Deutsche Ale­xander Scheurer. Ihre beiden Reisegefährten Manfred Kehrer und Marian Muzinic konnten fliehen und sagten aus, die Gruppe habe 15 Millionen US-Dollar für ihre Freilassung ver­langen wollen. Als die Spe­zialeinheit der kolumbianischen Armee auft
auchte, so ihre Ver­mutung, habe der Guerillaführer Saúl noch die Ermordung ihrer Freunde an­ge­ordnet, ehe er selbst im Kampf fiel. Die vier Ökourlauber waren von Panama aus über die Grenze in die Pro­vinz Chocó eingereist, hatten sich aber noch nicht bei den ko­lumbianischen Behörden gemel­det, als sie am 7. Februar in die Hände der Gue­ril­leros fielen.

Jagd auf die Guerilla-SympathisantInnen

Alfonso Cano, der zweite Mann der FARC, bestritt vor ei­nigen Monaten in einem Inter­view der Zeitschrift Alternativa, daß Entführungen offizielle Po­litik der FARC seien. Doch aus Geldmangel befolgten nicht alle Guerilleros das Ent­füh­rungs­ver­bot. Außerdem kid­napp­ten auch Deserteure und Kriminelle im Na­men der FARC: “Wir wollen den Leuten bewußt machen, daß es so nicht geht.”
Sicherlich agie­ren viele Gue­rilla­einheiten weitgehend auto­nom, jedoch hat keiner der Re­bellenführer jemals die Ent­füh­rungspraxis der letzten Jahre grundsätzlich verurteilt. Sowohl die FARC wie auch die ELN sind in erster Linie militärische Or­ganisationen, die im jetzigen Krieg mit dem ko­lum­bianischen Staat Stellungsvorteile heraus­holen wol­len, bevor es – viel­leicht unter einem neuen Präsi­denten – ein­mal zu Frie­densver­handlungen mit der Regierung kommt. Dabei scheint der Zweck alle Mittel zu heiligen. Beson­ders fatal an dieser Situation ist, daß sich eine demokratische Linke im Kriegs­zustand kaum ent­wickeln kann – pa­ramilitäri­sche Einheiten ermorden in ih­rem “schmu­tzi­gen Krieg” nicht nur Gue­rilleros, sondern vor al­lem deren vermeintliche Sym­pathisantInnen in der Zivil­bevöl­kerung.

Guerillero in Kolumbien: Zwischen Beru­fung und Beruf

Mit ihrer rund sechzigjährigen Geschichte gilt die kolumbiani­sche Guerilla als die älteste der Welt. Bereits in den dreißiger Jahren gründeten kommunisti­sche Rebellen in Viotá eine “unabhängige Republik”, die von der damaligen Regierung als “Ver­brechervereinigung” be­kämpft wurde. Der Ermordung des liberalen Partei­führers Gaitán im Jahre 1948 folgte ein Jahrzehnt des Bürgerkrieges (La Violencia) zwischen Liberalen und Konser­vativen mit über 300.000 Toten. Fortan waren Liberale und Linke starker Ver­folgung ausgesetzt, der sie sich mit einer Flucht in die Berge zu entziehen versuchten. Dort bildeten sich die er­sten “bäuer­lichen Selbstverteidi­gungs­grup­pen” zum Schutz ge­gen die Mörderkommandos der Konse­r­vativen.
Im Gefolge der kubanischen Revolution entstanden 1964 die ortho­dox kommuni­stisch orien­tierten “Revolu­tionären Streit­kräfte Kolum­biens” (FARC). Die heute an die zehntausend bewaffnete Kämp­fer­Innen zäh­len­den FARC sind die wichtigste und mächtig­ste Guerilla­gruppe. Ihr 67jähriger Grün­der Manuel Maru­landa Vélez alias Tirofijo (Scharf­schütze) ge­hört zu den großen Mythen der kolumbiani­schen Guerilla.
1965 gründeten Studenten und Ordensbrüder das castristische “Heer zur nationalen Befreiung” (ELN), in dessen Reihen später der berühmte Priester Camilo Torres kämpfte und fiel. Die ELN bekämpfte von Beginn an ne­ben der Armee auch die aus­ländi­schen Erdölgesell­schaften, die sie des Raubes an den nationalen Res­sourcen be­zich­tigt. Seit den achtziger Jahren spezia­lisierte sich die ELN auf die Sprengung von Ölpipelines – eine Strategie, mit der sie häufig Um­welt­katastro­phen auslöst.
Das “Volksheer zur Befrei­ung” (EPL), eine 1966 gegrün­dete, maoistisch orientierte Re­bellenbewegung, stellte sich sowohl ideologisch als auch mi­litärisch gegen die FARC. Ihre wichtigsten Führer sitzen heute in kolumbianischen Gefängnis­sen. Erbittert bekämpft die EPL jene abtrünnigen Mitglieder, die sich in der Gruppe Esperanza, paz y libertad (Hoffnung, Frie­den und Freiheit) zusammenge­schlossen und ein Friedensab­kommen mit der Regierung un­terzeichnet haben.
In den siebziger Jahren schließlich gründeten Jaime Ba­teman und Iván Ospina, einstige Mitglieder der FARC, die nicht­marxistische “Bewegung des 19. April” (M-19). Durch spektaku­läre “Robin-Hood-Aktionen” wie etwa den Diebstahl eines Schwertes Simón Bolívars er­regte M-19 in der Folgezeit Auf­sehen und gewann große Sym­pathien in der Bevölkerung. Nach einem Friedensschluß mit der Regierung erzielte die Grup­pierung Anfang der neunziger Jahre zunächst überraschende Erfolge. Die in sie gesetzten Hoffnungen konnte sie jedoch nicht erfüllen und verlor so rasch wieder an Bedeutung.
Ein weiteres parteipolitisches Projekt der kolumbianischen Linken fiel dem “schmutzigen” Krieg der Armee und der para­militärischen Truppen zum Opfer: Seit ihrer Entstehung 1985 hat die der kom­mu­ni­sti­schen Partei PCC nahestehende Unión Patriótica (UP) über 3.000 ermordete Akti­vistInnen zu verzeichnen.
Heute stellt sich angesichts der immer stärkeren Verwick­lung der Guerilla in Drogenhan­del und Entführungen unweiger­lich die Frage: Was ist von ihren Idealen noch üb­rig? Auch aus eigenen Reihen wird zunehmend Kritik wie die des ehemaligen FARC-Führers Au­gusto Zavala Molina laut: “Durch die Allianz zwischen der Guerilla und dem Drogenhandel sind die revolu­tionären Ziele verlorenge­gangen.” Dieser zu beklagende Werteverlust geht indes keineswegs mit einem Macht- oder Sympathieverlust einher. Im Gegenteil: Die ko­lumbianische Guerilla verzeichnet unver­ändert eine territoriale Expansion mit zunehmendem Einfluß in der Bevölkerung. War sie 1985 in 173 der 1.059 Ge­meinden Kolumbiens präsent, so besetzte sie im Jahre 1996 be­reits 569 Gemeinden. Zudem sympathi­sieren schätzungsweise 40.000 Personen mit der Guerilla, ohne unmittelbar einer ihrer Grup­pierungen anzugehören. Auf lo­kaler Ebene üben die Rebellen also reale Macht aus. Nur muß wohl stark bezweifelt werden, ob tatsächlich noch der politische Wille zu einer revolutionären Um­wälzung der Gesamtgesell­schaft besteht. Denn Guerillero zu sein scheint mehr und mehr zu einer Frage des Berufs und eben nicht der Berufung zu wer­den.

Keine Verhandlungen in Sicht

Sie kamen abends um halb acht. Mit Granatwerfern, Panzerfäusten und MG-Salven nahmen Ende August 500 Guerilleros der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) das Militärlager Las Delicias im kolumbianischen Amazonasbecken unter Dauerbeschuß. Bilanz: 27 Tote, 16 Verletzte und 60 Kriegsgefangene.
“Das war der schwerste Einzelschlag gegen Regierungstruppen in diesem Jahrhundert”, meint Antonio Navarro Wolff, gewählter Bürgermeister der Provinzhauptstadt Pasto. Der hagere Politiker weiß, wovon er spricht: In den achtziger Jahren war er führendes Mitglied der Guerilla-Organisation M-19 (Bewegung 19. April), die schließlich mit der Regierung Frieden schloß und als Partei zunächst überraschende Wahlerfolge verbuchen konnte. Mittlerweile ist die M-19 zu einer sozialdemokratischen Splittergruppe mit einer einzigen Vertreterin im Kongreß geschrumpft – allzuschnell hatte sie sich durch Ministerposten und andere Verlockungen von der früheren Liberalen Partei einbinden lassen. So zerstob der Traum von einer dritten Kraft als starker Opposition zu Liberalen und Konservativen, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Regierungsmacht im Andenstaat aufteilen.
Auch ein anderes ziviles Experiment kann als gescheitert betrachtet werden: Als sich die FARC 1984 zu einem mehrjährigen Waffenstillstand entschlossen, entstand – als politisches Pendant und unter enger Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei – die UP (Patriotische Union), die seither über 3.000 tote AktivstInnen zu beklagen hat. In einem bis heute andauernden “schmutzigen Krieg” waren es vor allem paramilitärische Trupps, die unter Duldung oder Mithilfe der Armee die linken Politiker aufs Korn nahmen. Erst vor wenigen Monaten mußte sich die UP-Vorsitzende Aída Abella ins europäische Exil begeben, nachdem sie auf der Bogotaner Stadtautobahn knapp einem Mordanschlag entgangen war.

Guerilla im Aufwind

“Diesen Fehler werden wir nicht wiederholen”, so Alfonso Cano, zweiter Mann der FARC. Stattdessen propagiert er eine “Bolivarianische Bewegung”, die die militärischen Aktionen der Guerilla politisch flankieren soll, allerdings im Untergrund. “Wir bleiben diesmal in der Führung, als Garantie”, versichert der bärtige Chefstratege, der nach wie vor eine Machtübernahme unter sozialistischem Vorzeichen anstrebt.
Wie sich die FARC die politische Arbeit vorstellen, zeigten zuletzt wochenlange Märsche von mehreren zehntausend KokapflanzerInnen in den Amazonas-Provinzen Putumayo, Caquetá und Guaviare. Dort wollte die Regierung, gedrängt von den Vereinigten Staaten, den Kokainhandel an seiner schwächsten Stelle treffen und die Besprühung der Kokafelder mit Pflanzengift ausweiten. Die Kleinbauern und -bäuerinnen, die plötzlich ihre jahrelang tolerierte Existenzgrundlage bedroht sahen, mußten nicht lange zu den Protestmärschen überredet werden. In Florencia, der Hauptstadt Caquetás, kam es zu Straßenschlachten und Verwüstungen, an anderen Stellen wurden die campesinos brutal von der Armee gestoppt. Um die Lage zu entschärfen, einigte man sich schließlich auf eine staatlich bezahlte, manuelle Ausrottung der Kokapflanzen. In der Praxis heißt dies: Der status quo ist vorläufig gesichert, der konkurrenzlos attraktive Anbau des grünen Kokainrohstoffs geht weiter, und die Guerilla – dort wie in anderen Landesteilen unangefochtene Ordnungsmacht – hat etliche SympathisantInnen hinzugewonnen.
Bereits Mitte letzten Jahres hatte Präsident Ernesto Samper unter dem Druck der Militärs sein Vorhaben aufgegeben, Friedensverhandlungen mit FARC und ELN (Heer zur Nationalen Befreiung) aufzunehmen. Doch auch die Gesprächsbereitschaft der insgesamt etwa 15.000 Aufständischen, die sich nicht zuletzt durch Entführungen, Erpressungen und Besteuerung des Drogengeschäfts finanzieren, ist nicht allzu groß. Die jetzige Regierung sei korrupt, schwach, illegitim und kaum in der Lage, etwaige Abkommen durchzusetzen, ließ ELN-Chef Manuel Pérez, ein ehemaliger Priester, kürzlich wissen.
ELN und FARC setzen auf militärischen Druck, um mittelfristig ihre Verhandlungsposition zu stärken. Immer wieder werden in abgelegenen Dörfern Polizeistationen und Sparkassen überfallen; durchschnittlich zweimal am Tag finden Gefechte mit der Armee statt. Wie schon seit zehn Jahren setzt das ELN seine Anschläge auf Erdölpipelines fort, um eine nationalistische Rohstoffpolitik einzufordern. Im September war buchstäblich das halbe Land lahmgelegt – die Guerilla hatte Fahrverbote auf vielen Straßen verhängt und setzte diese konsequent durch: So verbrannte sie reihenweise Lastwagen und Busse, die das Verbot ignorierten, und blokkierte zehn Tage lang den Zugang zur Bananenregion Urabá nördlich von Medellín, bis sie von der Armee nach heftigen Gefechten zurückgedrängt wurde. Die Botschaften der USA und anderer Industriestaaten wiesen ihre BürgerInnen an, Bogotá nicht zu verlassen; das Nachrichtenmagazin Semana fürchtete gar eine Belagerung der Hauptstadt durch die Rebellen. Auch hinter den bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen, die anläßlich der Erhöhung der Stromtarife im Bogotaner Vorort Facatativá ausbrachen, vermuteten viele Politiker und Militärs die Mitwirkung der Guerilla.

Dialog nicht in Sicht

Im Gegenzug kündigte die ziemlich ratlos wirkende Regierung Samper die Mobilmachung von Reservisten und eine Kriegsanleihe bei den Unternehmen an. Antonio Navarro, Bürgermeister von Pasto, sieht in der massiven Ausweitung der Kampfaktionen auf das ganze Land eine neue Qualität: “Die Angriffs- und Verhandlungsformen ‘salvadorisieren’ sich”. In der Tat versuchen die FARC, die Übergabe der 60 Kriegsgefangenen von Las Delicias zu einer internationalen Aufwertung als Kriegspartei mit politischem Charakter zu nutzen. Für die Regierung ist diese Vorstellung ein rotes Tuch. Sie spricht immer noch von “Entführten” und hat bereits einige US-Kongreßabgeordnete dazu gebracht, ihre Sprachregelung von den FARC als kriminellem “drittem Kartell” zu übernehmen.
Daß eine der beiden Seiten den Krieg für sich entscheiden könnte, glaubt niemand. Doch Guerilla wie Armee – jeweils ohne ernsthaftes Gegengewicht auf ziviler Seite – setzen darauf, sich bis zu Verhandlungen strategische Vorteile erkämpfen zu können. Deshalb blicken viele KolumbianerInnen neidisch nach Guatemala, wo gerade ein ebenso jahrzehntelanger blutiger Krieg erfolgreich beendet zu werden scheint – mit internationaler Hilfestellung.

Im Zickzackkurs an den Verhandlungstisch?

Trotz vollmundiger Bekundungen, gegen die Menschenrechtsverletzungen vorzuge­hen und einen Friedensprozeß einzuleiten, ist die Politik der liberalen Regierung Samper, seit August dieses Jahres im Amt, von einer nicht zu überhörenden Doppel­züngigkeit geprägt. Ende September setzte sie im kolumbianischen Senat ein Gesetz durch, demzufolge Zwangsverschleppun­gen durch Soldaten zwar verboten sind, aber als Dienstvergehen weiterhin unter die Militärgerichtsbarkeit fallen. Dies be­deutet faktisch, daß die Streitkräfte nach wie vor für die gerichtliche Verfolgung ih­rer eigenen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind; der Bock darf weiter­hin den Gärtner spielen.
Gleichzeitig ließ die Regierung in den Militärgarnisionen Büros für Menschen­rechte einrichten. In der Armee wurde ein Schriftstück verteilt, das die Soldaten dar­über informierte, daß sie sich weigern dür­fen, Befehle zu verfolgen, die die Men­schenrechte verletzen. Präsident Samper traf sich zu Gesprächen mit den nationalen Menschenrechtsorganisationen. Amnesty international wurde eingeladen, ein stän­diges Büro in Kolumbien zu eröffnen. Eine Kampagne von amnesty internatio­nal, die alarmierenden Berichte anderer internationaler Menschenrechtsorganisa­tionen und der Besuch von UNO-Sonder­berichterstattern Anfang Oktober in Ko­lumbien verstärkten den äußeren Druck auf die Regierung Samper. In der interna­tionalen Öffentlichkeit wächst das Be­wußtsein darüber, daß in Kolumbien nur auf dem Papier demokratische Verhält­nisse herrschen. Allein seit 1986 fielen schätzungsweise 20.000 Personen dem “schmutzigen Krieg” zwischen Streitkräf­ten, Paramilitärs und Guerilla zum Opfer, bei weitem mehr als in Chile während 17 Jahren Militärdiktatur.
Am 9. und 10. Februar veranstalten die kolumbianische Kampagne “Menschenrechte – Sofort” und europäi­sche Nichtregierungsorganisationen in Brüssel eine internationale Konferenz. Eingeladen sind auch Mitglieder der ko­lumbianischen Regierung, die sich in An­wesenheit von VertreterInnen der UNO und des Europaparlamentes zur Men­schenrechtssituation in Kolumbien äußern sollen. “Diese Regierung will auf keinen Fall – und das ist ein Faktor, der sehr hilfreich sein kann – der Verletzung der Menschenrechte bezichtigt werden”, so Dr. Jaime Prieto Méndez, Koordinator von “Menschenrechte – sofort” gegenüber den Lateinamerika Nachrichten.
“Menschenrechte – Sofort!”
Bei seinem Amtsantritt Anfang Oktober hatte der liberale Präsident Samper ange­kündigt, er wolle den schmutzigen Krieg beenden und sei auch grundsätzlich zu Verhandlungen mit der Guerilla bereit. Damit setzte er sich von der Position sei­nes liberalen Parteifreundes und Amtsvor­gängers Gaviria ab, der nach dem Schei­tern der letzten Friedensverhandlungen 1992 einen kompromißlosen “integralen Krieg” gegen die Aufständischen geführt hatte. Die drei in der “Coordinadora Gue­rillera Simón Bolívar” zusammenge­schlossenen Organisationen FARC, ELN und EPL, die sich im August mitten in ih­rer militärischen Offensive “Abschied für Gaviria” befanden, bekundeten ebenfalls ihre Verhandlungsbereitschaft. Die Regie­rung Samper lehnte ein direktes Dia­logangebot der FARC jedoch mit dem Ar­gument ab, die Guerilla müsse klare Be­weise für ihren Friedenswillen liefern.
Seitdem sind die Auseinandersetzungen auf beiden Seiten von der Koexistenz von verbalen Friedensbekundungen und der unverminderten Fortführung der bewaff­neten Auseinandersetzungen geprägt.
Der von Samper ernannte staatliche “Hochkommissar für den Frieden” Carlos Holmes kam Anfang November zu dem Ergebnis, das Klima sei mittlerweile für Verhandlungen geeignet, man müsse al­lerdings langsam und schrittweise vorge­hen. Immerhin scheint mittlerweile nicht nur die Regierung, sondern auch das Mi­litär widerwillig akzeptiert zu haben, daß die Gespräche auch ohne einen einseitigen Waffenstillstand der Guerilla beginnen. Jaime Prieto Méndez hofft, daß der gesell­schaftliche Druck nicht nur die Kriegs­parteien wieder an einen Tisch zwingt, sondern daß auch über die komplexen Ur­sachen des Konfliktes diskutiert wird: “Bisher haben Regierung und Guerilla immer allein verhandelt. Heute wollen sich viele Sektoren der Gesellschaft, wie zum Beispiel die Kirche, die Gewerk­schaften, die politischen Parteien, die Menschenrechtsgruppen, Intellektuelle, am Friedensprozeß beteiligen.” Ein Zeit­plan für den Beginn von Gesprächen steht allerdings nach wie vor nicht fest.

Sicherheitskräfte außer Kontrolle

Daß auch die neue Verfassung von 1991,in der einige wichtige Punkte zur Einhaltung der Menschenrechte festgelegt sind,keine großen Veränderungen bewirkte,beweist die unverminderte Anzahl von Menschenrechtsverletzungen. Viele Opfer werden im Zuge von “sozialen Säuberungen” getötet, die meist von Todesschwadronen ausgeführt werden und sich gegen “sozial unerwünschte” Personen wie Homosexuelle, Prostituierte oder Straßenkinder richten.
Es gibt zahlreiche Indizien dafür, daß sich die Todesschwadronen überwiegend aus”Sicherheitskräften” zusammensetzen,wobei ungewiß ist, ob bei den “sozialen Säuberungen” ebenso auf Befehl gehandelt wird, wie es im Kampf gegen dieGuerilla der Fall ist. Allerdings ist bekannt, daß die Todesschwadronen Unterstützung von Großgrundbesitzern und Geschäftsleuten erhalten.
Aber nicht nur Menschen, die nicht in das soziale Wunschbild einiger Personen passen, sind in Kolumbien ernsthaft gefährdet. Auch MenschenrechtsaktivistInnensind massiven Drohungen ausgesetzt. Den
Menschenrechtsorganisationen werden Kontakte zu den Guerillas nachgesagt, weshalb bereits viele Mitglieder solcher Organisationen von Militärs oder paramilitärischen Gruppierungen ermordet wurden oder spurlos “verschwanden”.

Wer Kritik übt, ist ein Terrorist

Im Kampf gegen Drogenmafia und Aufständische haben Polizei und Militär eine weite Spanne an Handlungsmöglichkeiten. Anti-Terrorismus-Gesetze, die verschärfte Strafbestimmungen beinhalten, garantieren eine große Freiheit im Umgang mit “TerroristInnen”. Der Begriff “Terrorist” kann sehr willkürlich gedeutet werden,
und häufig fallen Personen, die lediglich Kritik an der Regierung üben, in diese Kategorie. Außerdem werden Angehörige von Gewerkschaften oder BewohnerInnen kleiner Dörfer beschuldigt, die Guerilla zu unterstützen, weshalb auch sie vor Verhaftung, Folter und dem “Verschwinden- lassen” nicht geschützt sind. Für brutale Mißhandlungen sind auch die “Mobilen Brigaden” bekannt, Sondereinheiten der Armee zur Aufstandsbekämpfung.
Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen, liefern sich Armee und Polizei Gefechte mit angeblichen Guerilleros. Dabei getötete ZivilistInnen werden meist als “im Kampf gefallene Guerilleros” bezeichnet, oder es wird behauptet, sie seien während des Schußwechsels zwischen die Fronten geraten. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Massaker an ZivilistInnen nachträglich der Guerilla, wie beispielsweise der FARC, oder der Drogenmafia, zugeschrieben wurden.
Die Armee bedient sich brutaler Foltermethoden, um von Kleinbauern, die sie der Mithilfe bei der Guerilla verdächtigt, Informationen über Aktivitäten der Aufständischen zu erhalten. Jene Bauern, die keine Informationen geben können, werden kurzerhand dazu verpflichtet, der Armee als Träger oder Wegweiser zu dienen. Wer sich weigert, muß damit rechnen, er- mordet, gefoltert oder verschleppt zu werden.
Obwohl es bei den meisten politisch motivierten Verbrechen viele Indizien, häufig sogar klare Beweise für die Schuld von Polizei oder Militär gibt, bleiben ausreichende Nachforschungen nach den Tätern meist aus. Auch wenn die Namen der Verantwortlichen bekannt sind, kommt es in den wenigsten Fällen zu Urteilen, was dann mit der “mangelnden Beweislage” begründet wird. Eine der wenigen Aus- nahmen ist der Fall des Oberstleutnant Luis Felipe Becerra Bohórquez, der 1993 aus dem Dienst der Armee entlassen wurde, nachdem ihm die Verantwortung für ein Massaker nachgewiesen wurde, bei dem ZivilistInnen ums Leben gekommen waren. Im Zuge von Aufstandsbekämpfungsmaßnahrnen hatten Truppen des Bataillons Palacé, dessen Kommandeur Becerra war, im Oktober 1993 das Dorf Alto de la Loma umstellt. Bei einer Razzia im Haus der Familie Ladino wurden mehre Personen geschlagen, junge Frauen vergewaltigt und daraufhin sieben Familienmitglieder erschossen. Auch die Nachbarn der Ladinos verloren bei diesem Übergriff fünf Familienmitglieder.
Doch dies war nicht das erste Mal, daß Becerra an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt war. Bereits zuvor war er in einige Massaker verwickelt gewesen, hatte aber nie Konsequenzen ziehen müssen -im Gegenteil: Nachdem er 1991 vom Gericht für ein anderes Massaker zur Rechenschaft gezogen werden sollte, wurde der Haftbefehl gegen ihn nicht vollstreckt. 1992 wurde Becerra, nachdem das Verfahren auf die Militärjustiz übergegangen war, sogar zum Leiter der Abteilung für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Armee ernannt. Im April 1993 kam der Generalstaatsanwalt zu dem Schluß, daß die Beweise für einen Antrag auf Dienstentlassung nicht genügten. Erst als Becerra im Oktober 1993 erneut ein Blutbad angerichtet hatte, wurde er dafür zur Rechenschaft gezogen, jedoch lediglich vom Dienst suspendiert.

Regierung gesteht Menschenrechtsprobleme ein

1992 wurden vom Generalstaatsanwalt neue Zahlen über Menschenrechtsverletzungen veröffentlicht. Ihm lagen 2618 Beschwerden sowie Berichte über 3099 Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor. Der größte Teil dieser Beschwerden richtete sich gegen die Nationalpolizei, aber auch der Armee wurden einige Mißhandlungen angelastet, überwiegend die besonders schweren Delikte, wie Massaker und “Verschwindenlassen”.
Präsident Gavina und andere führende Politiker leugnen zwar nicht die von den “Sicherheitskräften” begangenen Menschenrechtsverletzungen und erkennen das Problem der Straflosigkeit durchaus an. Doch zeigen sie keine ernsthaften Bemühungen, Grundlagen für eine bessere Kontrolle der “Sicherheitskräfte” und Möglichkeiten zur härteren Ahndung von Menschenrechtsverletzungen zu schaffen. Sie begründen dies mit Mängeln im Justizwesen, wie zum Beispiel fehlenden Finanzmitteln oder unzureichenden Ausbildungsmöglichkeiten. Der Generalstaatsanwalt nennt allerdings noch einige andere Gründe dafür, warum Nachforschungen auf diesem Gebiet nur sehr schleppend vorangehen. Ein Grund sei, daß viele Vergehen in ländlichen Gegenden begangen werden, wo sich die Sicherung von Beweismitteln recht schwer gestaltet. Darüber hinaus stellen auch die armeeinternen Strukturen ein Problem dar. Befehle ohne rechtliche Grundlage werden nicht schriftlich festgehalten, werden aber wegen des Befehlsgehorsams und aufgrund von Beförderungschancen ausgeführt. Der Korpsgeist, der innerhalb der Streitkräfte herrscht, verhindert eine Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden. Zudem wird bei Ermittlungen im Normalfall den Unschuldsbeteuerungen der Beschuldigten Glauben geschenkt, im Gegensatz zu den Aussagen der Zeuginnen, die nicht nur als nicht glaubhaft an- gesehen werden. Im Gegenteil: Aussage- willigen drohen massive Repressalien. Auch die Ermittlungsbeamten werden häufig eingeschüchtert. Einige wurden sogar ermordet.
Von seiten der Militärbefehlshaber wird versucht, Verfahren zu verzögern oder gar vollständig einstellen zu lassen, indem sie keine Namen von Angehörigen der Streitkräfte weitergeben, versuchen, Beweismaterial zu manipulieren, beziehungsweise zu vernichten oder Haftbefehle nicht vollstrecken. Häufig werden auch Armeeoffiziere, gegen die ein Verfahren anhängig ist, befördert oder in andere Gegenden versetzt, damit sie in einen anderen Gerichtszuständigkeitsbereich kommen. Wenn es allerdings doch einmal zu einem Verfahren kommt, meldet die Militärjustiz sofort ihre Zuständigkeit an. Damit ist ein Freispruch der Angeklagten so gut wie gewiß, es sei denn, ein Fall erlangt so viel Publizität, daß ein angemessenes Urteil aufgrund des öffentlichen Drucks nicht ausbleiben darf. Die Möglichkeit des Militärgerichts, Verfahren gegen Mitglieder der “Sicherheitskräfte” selber zu übernehmen, blieb 1991 trotz Änderung der Verfassung weiterhin bestehen.
In seltenen Fällen werden Verurteilungen ausgesprochen, die sich dann allerdings meist gegen rangniedrigere Mitglieder der Sicherheitskräfte richten, da es sehr schwierig ist, die für die Befehle verantwortlichen Vorgesetzten ausfindig zu machen, auch wenn eindeutig belastende Aussagen von Untergebenen vorliegen. Beispielsweise wurden 1992 gegen 191 Angehörige der Streitkräfte und gegen 512 Beamte der Nationalpolizei Disziplinarverfahren eingeleitet. 403 davon zogen Schuldsprüche und Sanktionen nach sich (in 373 Fällen gegen die Nationalpolizei und 31 gegen die Streitkräfte). Es gab aber nur wenige Dienstentlassungen. Meist handelte es sich um geringe Geldstrafen oder zeitlich befristete Dienstsuspendierungen.

Militärjustiz deckt Täter

Objektive Ermittlungen und Urteilssprüche werden vom Militärgericht selten gewährleistet, was nur mit politischen Beweggründen zu erklären ist, da oft genug Urteile gegen Soldaten ausgesprochen werden, wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Aufstandsbekämpfung stehen.
Auf formaler Ebene wurden in den letzten Jahren durchaus Maßnahmen getroffen, um die Einhaltung von Menschenrechten zu gewährleisten. So wurde zum Beispiel 1990 das Amt des örtlichen Bürgerbeauftragten geschaffen, der die Aufgabe hat, Berichte über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und gegebenenfalls erste Ermittlungen durchzuführen. Polizei und Militär sind dazu verpflichtet, ihm alle in den letzten 24 Stunden erfolgten Festnahmen mitzuteilen, sowie ihm Zugang zu allen Einrichtungen zu gewähren, damit er sich über Aufenthaltsort und Zustand von Gefangenen in- formieren kann. Doch in vielen Fällen wird die Arbeit des örtlichen Bürgerbeauftragten durch die mangelnde Kooperationsbereitschaft stark eingeschränkt. Außerdem ist auch er Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt.
Durch die Gemeinderäte kann die Arbeit des Bürgerbeauftragten politisch beeinflußt werden, da diese sein Budget festlegen.
Mit Inkrafttreten der Verfassung von 1991 ist auch das Amt des Volksanwalts entstanden, der Teil der Generaistaatsanwaltschaft ist und eine gewisse Überwachungsfunktion über die Einhaltung der
Menschenrechte hat. Er führt keine Ermittlungen durch, dient aber als Anlauf- stelle und Berater für Opfer von Mißhandlungen und deren Angehörige, die die Möglichkeit haben. den Staat auf Schadensersatz zu verklagen. Der Staatsrat hat bereits vielen solchen Klagen stattgegeben, auch in Fällen, in denen die Verantwortlichen freigesprochen oder ihre Verfahren eingestellt worden waren.
Als weitere Maßnahme entstanden in Städten, in denen eine große Zahl von Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, auf Initiative von Generalstaatsanwalt und I Volksanwalt Menschenrechtsbüros. Das erste wurde 1991 in Medellín eingerichtet und nahm bereits in den ersten 16 Monaten 3563 Beschwerden entgegen. In 3554 Fällen, die meisten davon willkürliche Festnahmen oder Mißhandlungen, wurde es tätig.
Außer einigen praktischen Maßnahmen zur Eindämmung der politischen Gewalt, wurden 1991 einige formale Aspekte in der Verfassung eingeführt, die – würden sie eingehalten – eine erhebliche Reduzierung von Menschenrechtsverletzungen herbeiführen könnten.
Die drei verschiedenen Stufen der Notstandsgesetzgebung können vom Präsidenten nicht mehr ohne Zustimmung aller Minister und auf unbegrenzte Zeit ausgerufen werden. Bei der dritten Stufe, dem Notstand, werden die Menschenrechte, Grundrechte und die Grundsätze des humanitären Völkerrechts außer Kraft gesetzt. Außerdem wurden, die Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Gewissensfreiheit, das Verbot der Folter sowie Vorkehrungen gegen willkürliche Verhaftungen und Mindeststandards für einen fairen Prozeß in die Verfassung aufgenommen.
Weitere wichtige Punkte wie das Verbot der Incomunicado-Haft, die Habeas-Corpus-Rechte und die Unabhängigkeit der Justiz wurden nicht mit in die Verfassung aufgenommen.
Die blutige Geschichte Kolumbiens der letzten Jahrzehnte hat gezeigt. daß viele Gesetze wirkungslos sind. Auch die juristischen Fortschritte im Menschenrechtsbereich, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, scheinen bisher eher Ali- bicharakter zu haben. Nach wie vor wer-den MenschenrechtsaktivistInnen, wie etwa Mitglieder der kirchlichen Kommission “Justicia y Paz”, bei ihrer Arbeit schikaniert, bedroht und oft von Regierungsseite der Zusammenarbeit mit der Guerilla bezichtigt.
So beurteilt Javier Giraido auch die gesetzlichen Änderungen skeptisch: “Wenn auch neue Institutionen zum Schutz der Menschenrechte geschaffen wurden, so hat uns die tägliche Praxis gezeigt, daß keine von ihnen mit wirksamen Machtbefugnissen ausgestattet wurde, um die Rechte tatsächlich zu schützen. Eher könnte man sagen, daß die Verwielfachung der Institutionen die Anklageprozesse und die Suche um Schutz verlängert, erschwert und durcheinander bringt. Alle diese neuen Institutionen fühlen sich ermächtigt, einander die Anklagen durch schriftliche Anordnungen zuzuweisen, wobei keine sich dazu im Stande sieht, die Probleme wirksam anzugehen.”

Alternativer Nobelpreis für kolum­bianische Bauernorganisation

Neben der “Naam”-Bewegung von Burkina Faso und der israelischen Rechtsan­wältin Felicia Langer erhielt die Asociación de Trabajadores Campesinos del Carare (Landarbeiterbund von Carare, ATCC) von der schwedischen Stiftung “Right Livelihood” den Alternativen Nobelpreis 1990 verliehen. Die ATCC wurde 1987 im ländlichen Raum des Gemeindebezirks von Cimitarra im Herzen des Magdalena Medio und damit der konfliktreichsten Region des Landes von Campesinos gegründet. Diese waren seit Ende der sechziger, massiv jedoch seit Anfang der achtziger Jahre unter den Druck verschiedener Guerillaorganisatio­nen einerseits und des Militär und ihrer paramilitärischen Gruppen andererseits gekommen. Neben Menschenleben verlor die an landwirtschaftlichen Anbauflä­chen und Bodenschätzen reiche Region die Chance für eine soziale und wirt­schaftliche Entwicklung. So wurden allein im Ortsbereich von La India (heute 470 Familien) von 1975 bis 1989 “ungefähr” (nach ATCC-Angaben) 500 Menschen ermordet. Und im Weiler La Corcovada wurden seit 1982 35 Campesinos erschossen, 10 Häuser verbrannt, die Schule zerstört: die Flucht der Überleben­den und das Aussterben des Fleckens waren die Folge.
Die ATCC versuchte das Unmögliche und es schien ihr zu gelingen. Mit der For­derung “Für das Recht auf Leben, Frieden und Arbeit” wurden die Campesinos “mit erhobenen Händen” zuerst bei den Guerillakommandanten, dann bei den Militärs vorstellig, um ihren eigenen “Friedensplan” vorzustellen: Dialog statt Gewehrfeuer, Abzug aller bewaffneten Region, Entwicklung statt Zerstörung. Die ungewohnte Strategie der ATCC, sich mit strikter Gewaltlosigkeit zwischen alle Stühle zu setzen, machte es möglich, daß zwischen 1987 und Februar 1990, dem Höhepunkt des Schmutzigen Krieges in Kolumbien, in der Gegend von Carare nur fünf politische Morde verübt wurden. In einem Regionalentwick­lungsplan rechnete die ATCC der Regierung die Vorteile vor: “Wenn die Gesamtkosten des Plans 2,823 Milliarden Pesos (ca. 1 Mio. DM) betragen, die über sechs Jahre 3.000 Familien begünstigen, gibt der Staat jährlich 157.000 Pesos pro Familie aus (…). Die Bewaffnung und Unterhaltung eines Soldaten kostet den Staat jährlich eine Million (…). In anderen Worten, der Frieden ist billiger und weitaus produktiver als der Krieg.”
Die bäuerliche Selbstorganisation jedoch schien der Rechten schon zu gefährlich. Das Mißtrauen der Rechten konnte auch durch die Abgrenzung vom bewaffne­ten Kampf nicht beseitigt werden. Iván Duque, Sprecher der rechtsextremen MORENA-Partei und Sprachrohr der paramilitärischen Gruppen, bezichtigte die ATCC, der kommunistischen Guerillagruppe FARC anzugehören. Am 26. Februar 1990, wurden drei Führer der ATCC, sowie die Journalistin Silvia Duzán, die in diesem Moment über deren Arbeit einen Film für die englische BBC drehte, von einer paramilitärischen Gruppe in Cimitarra ermordet. Doch die ATCC blieb bei ihrem Kurs, neue Aktivisten haben die Toten ersetzt. Für ihren Kampf für Frieden und Selbstbestimmung ohne Waffen haben sie den “Right Livelihood”-Preis verdient. Anzumerken bleibt, daß Iván Duque inzwischen auf der Liste der regierenden Liberalen Partei in den Senat gewählt wurde und mit der Regierung Verhandlungen für eine Amnestie der paramilitärischen Gruppen aufgenommen hat.

Barcos Nachfolger: Nicht ganz neu, nicht ganz liberal…

Der am 27. Mai dieses Jahres zum Präsidenten Kolumbiens gewählte César Gaviria ist politisch kein unbeschriebenes Blatt. Der 42‑jährige, aus Pereira stammende Angehörige der Liberalen Partei betätigte sich während der Amtszeit Virgilio Barcos nicht unumstritten als Kabinetts­minister. In schwierigen innenpolitischen Situationen fungierte Gaviria in Abwesenheit Barcos auf dessen Entscheidung als höchster Vertreter der kolumbianischen Exekutive. Während des Generalstreiks Ende 1988 und der Zeit der Entführung des konservativen Präsidentschaftskandidaten Alvaro Gómez durch die M19‑Guerilla zeichnete er sich in dieser Funktion vor allen Dingen durch seine extreme Abneigung gegen den Dialog mit der Guerilla, der linken Opposition und der Drogenmafia aus; eine Hal­tung, die zu einer Polarisierung und Zuspitzung der Lage in den Konflikt­zonen des Landes, wie etwa Urabá, führte. Zu Beginn des Jahres hatte er die Regierungsämter niedergelegt, um sich seiner Wahlkampagne zu widmen. Allgemeine Beachtung fand sein öffentlicher Wechsel zur inner­parteilichen Fraktion der “Neuen Liberalen” unter Führung von Luis Carlos Galán, nachdem er lange Zeit der traditionellen Parteilinie treu geblieben war. Die “Neuen Liberalen” treten vor allem gegen die institu­tionaliserte Vetternwirtschaft innerhalb der Liberalen Partei auf und fordern eine Verlagerung der zentralen parteilichen Entscheidungs­kompetenzen von der parlamentarischen Ebene auf die Partei selbst. Präsidentschaftskandidat der “Neuen Liberalen” war allerdings bereits der Hoffnungsträger Luis Carlos Galán. Im August 1989 wurde Galán jedoch in der Nähe Bogotás während einer Wahlveranstaltung ermordet. Der Sohn Galáns überreichte Gaviria während des Begräbnisses seines Vaters die Fahne der “Neuen Liberalen” und machte ihn so pathetisch zum neuen Bannerträger der Bewegung.
Als Besonderheit und Ausdruck der tradi­tionellen Personalunion der libe­ralen Partei­funktionäre mit der Regierung standen parallel zur Parlaments- und Kommunal­wahl am 11. März dieses Jahres auch die vier Bewerber um die Präsidentschaftskandida­tur der Liberalen zur öffent­lichen Disposi­tion: Alberto Santofimio als Vertreter der liberalen “Dinosaurier”; Ernesto Samper, Senator und eminent wichtige Figur inner­halb der Liberalen Partei, der bei einem Attentat, das dem Vertreter der Unión Patriótica, José Antequera das Leben kostete, schwer verletzt wurde; Hernando Duran Dussan, Chefideologe der Liberalen Partei und Vertreter der offiziellen Linie, seiner
dubiosen politischen Verbindungen wegen stark umstritten; sowie César Gaviria. Gaviria konnte sich mittels einer massiven Kampagne gegen seinen ernsthaftesten Konkurrenten Samper durchsetzen, der wegen des Mordanschlags im Nachteil war.
Allgemeine Konsternierung provozierte anschließend die Entscheidung Gavirias, den unterlegenen Konkurrenten Duran Dussan zu seinem Wahlkampfmanager zu ernennen, eine Aufgabe, die Duran mit Sicherheit einen wichtigen Posten in der künftigen Regierung garantiert. Duran werden intensive Kontakte zu paramilitärischen Kräften nachgesagt. Mit der Begründung, die FARC-Guerrilla hielte sich auch die Unión Patriótica als legalen Ableger, tritt Duran vehement für die Anerkennung des lega­len Arms der Paramilitärs, der “Morena”-Partei, ein; für die Zukunft gibt dies zu schlimmsten Befürchtungen Anlaß.
Aber vielleicht ging die Rechnung der Liberalen im Endeffekt auf: Gaviria als Garant für die gradlinige Fortführung der Politik von Präsident Barco und eine prekäre Annäherung an die kolumbianischen Militärs und Paramilitärs via Duran Dussan, während Galán durch seine ideologischen Differenzen mit den “Patrones” der Partei einen Störfaktor darstellte und sein Tod zwar beklagt, aber nicht bedauert wurde. Panik und Orientie­rungslosigkeit herrschen weiter unter den Kolumbianern, und Gaviria hat sie die Hoffnung auf eine demokratische Alternative bis 1994 begraben lassen. Er wird eine Politik der Annäherung an die Wünsche der USA betreiben und die Linie der alten Männer der Liberalen Partei umsetzen, eine Fortführung der Regierung Barcos unter anderem Namen.

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