Trotz aller Hürden ein Erfolg

Von Gewalt und Plünderungen heimgesucht Mayangna auf dem Rio Lakus (Foto: Joe Townsend via Flickr (CC BY-NC-ND 2.0 Deed))

Der Grüne Klimafonds (GCF) geht auf die UN-Klimaschutzkonferenz COP16 im Jahr 2010 zurück. Er ist der Finanzierungsmechanismus des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen, der eingerichtet wurde, um die Bemühungen der Entwicklungsländer zur Bewältigung des Klimawandels zu unterstützen.

Für Nicaragua hatte die Zentralamerikanische Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE) den Finanzierungsvorschlag für das Umweltschutzprojekt Bio-Clima beim GCF eingereicht und wurde von diesem im November 2020 genehmigt. Das Projekt sieht integrierte Klimaschutzmaßnahmen zur Verringerung der Entwaldung und Stärkung der Anpassungsfähigkeit in den Biosphärenreservaten Bosawás und Río San Juan vor. Am 12. August 2021 unterzeichneten BCIE und GCF eine entsprechende Finanzierungsvereinbarung über 116,6 Millionen US-Dollar, wovon die BCIE ihrerseits 44,2 Millionen über ihr Armutbekämpfungsprogramm beisteuern sollte.

Am 7. März 2024 kündigte der GCF die endgültige Annullierung des Bio-Clima-Projekts an. Grund dafür seien eine Reihe von Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen die Vertragsvereinbarungen. Zudem hatte es in den indigenen Territorien Bosawás und Indio Maíz, die als Projektgebiete ausgewiesen waren, immer wieder Gewalt durch Siedler gegeben.

Dem vorausgegangen war, dass im Juni 2021 Mitglieder betroffener indigener und afro-deszendenter Gemeinschaften Beschwerde beim unab­hängigen Rechtsbehelfsmechanismus (IRM) des Fonds eingereicht hatten. Die Begründung der Beschwerde stützte sich im Wesentlichen auf drei Punkte: Erstens das Fehlen einer angemessenen Konsultation der betroffenen Gemeinden; zweitens die Wahrscheinlichkeit verstärkter Umweltzerstörung und die Zunahme von Angriffen bewaffneter nicht-indigener Siedler; drittens die wahrscheinliche Nichteinhaltung beziehungsweise Unfähigkeit der akkreditierten und durchführenden Institutionen, die GCF-Richtlinien und -Verfahren sowie die vom GCF-Verwaltungsrat des Projekts auferlegten Bedingungen einzuhalten. Der IRM leitete daraufhin eine Untersuchung ein, deren Ergebnis dazu führte, das Bio-Clima-Projekt dauerhaft auszusetzen. Ausschlaggebend hierfür war die Anerkennung der von den Beschwerdeführer*innen vorgetragenen Argumente, dass davon auszugehen sei, dass Richtlinien und Verfahren zum Umweltschutz nicht eingehalten würden und der Schutz der in diesen Gebieten lebenden Bevölkerung nicht gewährleistet sei.

Aussetzung des Projekts ist Bestätigung für widerständige Gemeinden

Der ins Exil gezwungene nicaraguanische Umweltaktivist Amaru Ruiz, Leiter der renommierten Umweltschutzorganisation Fundación del Río, erklärte hierzu gegenüber der Nachrichtenplattform Confidencial, die Aussetzung des Projekts sei eine enorme Bestätigung für den Widerstand der indigenen und afro-deszendenten Gemeinschaften Nicaraguas. Dies gelte insbesondere für das Mayangna Sauni As-Gebiet, „das am stärksten Widerstand geleistet hat, in dessen Territorium eingedrungen wurde und wo sich die Massaker konzentriert haben”. Die Ablehnung des Projekts stehe im Zusammenhang damit, dass in den vergangenen zehn Jahren in Nicaragua mehr als 70 Miskitos y Mayangnas aufgrund der Invasion von bewaffneten Siedlern in Indigenengebiete ermordet wurden, ohne dass die Eindringlinge für ihre Taten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen würden.

Vizepräsidentin Murillo kommentierte die Ereignisse auf eigene Art: „Wir lehnen das Sekretariat des Grünen Klimafonds ab, das durch intransparente Prozesse und Verfahren und unethische Praktiken die Finanzierung des Bio-Clima-Projekts gestrichen hat, das für den Schutz und die Verteidigung der Biosphärenreservate (…) durch Reduzierung der Abholzung, Steigerung der Wiederaufforstung und die Schaffung von Anpassungsfähigkeit konzipiert wurde”. Zu den Umweltzerstörungen, Überfällen und Morden kein Wort. Für Amaru Ruiz dagegen ist klar, dass der GCF mit seiner Entscheidung der Tatsache Rechnung getragen hat, dass „die Ortega-Murillo-Diktatur nebst ihren Komplizen in der Karibik” in Nicaragua „diejenigen sind, die die meisten natürlichen Ressourcen geplündert haben und plündern (vor allem für Gewinne aus Holz, Gold, Viehzucht und Palmöl)”.

Der nächste Schlag kam mit der Berufung von Gisela Sánchez an die Spitze der BCIE. Diese erklärte am 7. März in einem Interview mit Redacción Regional, einem zentralamerikanischen Medienkonsortium, dass die Bank Nicaragua und El Salvador nur noch begrenzt neue Kredite gewähren könne, da beide Länder „die Grenzen der Kredite, die sie erhalten können, bereits überschritten haben”. Auch ihre Mitteilung, mit der Übernahme der Leitung des Finanzressorts werde sie den Kurs ihres Vorgängers Dante Mossi korrigieren, dürfte bei Ortega und Murillo für Unruhe sorgen. Mossi hatte sich den Ruf erworben, ein Bankier der Diktatoren und finanzieller Loyalist von Daniel Ortega, Nayib Bukele und dem honduranischen Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández, der inzwischen wegen Drogenhandels und Waffendelikten in den USA verurteilt wurde, zu sein. In einem zwei Tage später veröffentlichten „Erläuternden Kommuniqué” kündigte Sánchez an, ihr Darlehensportfolio in Zentralamerika zu diversifizieren „und damit allen Ländern der Region mehr Finanzierungsspielraum zu eröffnen”. Damit wolle sie zum Ausdruck bringen, dass sie allen Ländern besser dienen könne, wenn die BCIE ihre Beteiligung in jenen Ländern erhöhe, in denen das Portfolio mehr Wachstumspotenzial bietet. Im Klartext: mehr Gewinnchancen generiert. Ausgesprochen positiv über die Strategie von Sánchez äußerte sich der ehemalige BCIE-Direktor für Costa Rica, Eduardo Trejos, am 10. März in einem Interview in der Sendung Esta Semana auf dem Confidencial-Youtube-Kanal: „Es ist die richtige Entscheidung. Wir haben uns schon seit zweieinhalb Jahren damit beschäftigt, da sowohl El Salvador als auch Nicaragua ihre Grenzen erreicht hatten. Damals hatte man unter der Leitung von Mossi einige technische Tricks angewandt, damit sich die Darlehensbeschränkungen nicht direkt niederschlugen und man weiterhin Kredite vergeben konnte.”

Der Kurswechsel der BCIE ist also keineswegs der katastrophalen Menschenrechtslage in Nicaragua geschuldet, von daher kein Vorgang, über den sich Regimekritiker*innen freuen könnten. Wie wenig indigene Belange selbst bei internationalen Institutionen und offiziellen Akteur*innen bei der Kanalisierung von Geldern über beteiligte Regierungen tatsächlich zählen, zeigt sich an der Nachlässigkeit oder dem absichtlichen Versagen von Kontrollmechanismen am Beispiel des Bio-Clima-Projekts in Nicaragua besonders deutlich. Unter Missachtung der vertraglichen Vereinbarungen, den Schutz indigener Gemeinschaften sicherzustellen und den weiteren Raubbau an der Natur ihres Lebensraums zu verhindern, hat die Diktatur zugunsten eigener wirtschaftlicher Interessen in den indigenen Gebieten auf die Siedlergewalt nicht reagiert und stattdessen Miskito- und Mayangna-Waldhüter verhaften lassen. Erst im vergangenen Februar wurden vier indigene Mayangna zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, Anführer krimineller Banden zu sein, doch nach Angaben lokaler Autoritäten handelt es sich um anerkannte Waldhüter (entsprechend hiesigen Förstern) des Gebiets Mayangna Sauni As. Es vergeht praktisch kein Monat, ohne dass sich Übergriffe, Überfälle und Morde in den indigenen Dörfern ereignen.

Kein Monat ohne Übergriffe

Die BCIE, per Definition dafür verantwortlich, „sicherzustellen, dass die erste Stufe durch die dem Projekt am nächsten stehenden Akteure mit der nötigen Sorgfaltspflicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde”, hat sich dagegen um Vertuschung bemüht. Die Untersuchung des Grünen Klimafonds durch den IRM ergab, dass wichtige Informationen wie die Situation der systematischen Gewalt gegen die indigene Bevölkerung verschwiegen wurden. Bei mehreren Gelegenheiten erklärte die BCIE − damals unter der Leitung von Dante Mossi − „dass sie mit den Gebieten, in denen das Projekt durchgeführt wird, sehr vertraut ist”. Detaillierte Informationen über das Ausmaß und die Schwere der Gewalt blieb sie jedoch schuldig. Vielmehr zog sich sie darauf zurück, wegen fehlender Datenlage eine um­fassendere Analyse auf eine spätere Phase des Projekts verschieben zu wollen.

Aber auch die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) trifft der Vorwurf der Komplizenschaft, da sie den Finanzierungsvorschlag ausgearbeitet hat, den die BCIE anschließend beim Grünen Klimafonds einreichte. Das Sekretariat des Grünen Klimafonds wurde vom IRM dafür kritisiert, dass es die Unterlagen der BCIE nicht überprüft und vor der Genehmigung des Projekts keinen Kontakt zu den lokalen Gemeinden aufgenommen hatte.

Das Büro der Vereinten Nationen für Projektdienste (UNOPS) und das Welternährungsprogramm (WFP) sind beides Beobachterorganisationen, die an den Konsultationsverfahren mit den indigenen Gemeinschaften beteiligt waren. Sie räumten ein, dass es zwar massive Defizite bei der Durchführung gegeben habe, ihre Beamten, die an den Konsultationen teilnahmen, jedoch trotz dieser Beobachtungen den Prozess positiv bewerteten: „in gutem Glauben, transparent, einvernehmlich, umfassende Information wurde zur Verfügung gestellt”.

Der Ältestenrat der Indigenenregion Moskitia widersprach dieser Version und kritisierte, dass die Versammlungen zu kurz waren und keine Zeit für Debatten zuließen. Zudem habe es auch Drohungen gegen Stimmen gegeben, die sich gegen das Projekt aussprachen, die Rückübertragung ihres Landes forderten oder die Regierungsbehörden in Frage stellten.

Amaru Ruiz bewertet die Entscheidung, das Projekt zu streichen, trotz aller Hürden positiv, denn der Ausgang des Verfahrens stärke den Grünen Klimafonds. Die wichtigste Botschaft sei, dass indigene und lokale Gemeinschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft und unabhängige Akteur*innen wissen, dass sie Projekte anfechten können, die ihre Gebiete direkt betreffen.

Der Zeit voraus gewesen

Damals vor dem Ende, heute endlich vor der Volksabstimmung LN-Cover aus 2013 mit Titelspruch zur Yasuní-Itt-Initiative

Ein Viertel der Erdölreserven des Landes im Boden lassen, um CO2-Emissionen zu vermeiden und einen Nationalpark zu schützen – diesen Vorschlag machte im Jahr 2007 Ecuadors damaliger Präsident Rafael Correa. Statt Erdöl zu fördern, wollte er die besondere biologische Vielfalt des Yasuní-Nationalparks und die Heimat mehrerer indigener Gemeinschaften erhalten. Im Gegenzug sollten die Länder des globalen Nordens die Hälfte der prognostizierten Erdöleinnahmen auf ein Treuhandkonto einzahlen. Das Geld wollte Correa in soziale Entwicklung und eine nachhaltige Wirtschaft investieren.

Initiator dieser sogenannten Yasuní-ITT-Initiative war Correas Energieminister Alberto Acosta. Er leitete außerdem zeitweise die Ausarbeitung der 2008 verabschiedeten neuen Verfassung Ecuadors, die das Prinzip des „guten Lebens“ (auf Quechua Sumak kawsay) zum Staatsziel machte. Indigene Konzepte bekamen mit ihr Verfassungsrang und Yasuní-ITT sollte die abstrakten Prinzipien in konkrete Politik umsetzen.

Die Initiative war damals ihrer Zeit voraus. Sie machte die Einschränkung bzw. das Ende des fossilen Extraktivismus zur offiziellen Regierungspolitik eines Landes – Jahre bevor hierzulande Bewegungen wie Fridays for Future oder die Letzte Generation begannen, gegen den Klimawandel zu mobilisieren. Auch die heutigen Vorschläge der Debt for Climate Bewegung nahm Yasuní-ITT vorweg. Die Bewegung fordert, dass der globale Norden, der Jahrhunderte lang auf Kosten der Länder des globalen Südens wuchs, diesen die Schulden erlassen solle. So wäre der globale Süden auch nicht mehr darauf angewiesen, fossile Rohstoffreserven auszubeuten.

Yasuní-ITT war einzigartig und revolutionär, weil es mit dem für Klima- und Naturschutz nachteiligen Wachstumsdenken brach. Es war das „Richtige im Falschen“, wie die LN damals analysierten. Von Deutschland gab es jedoch „kein Geld fürs Nichtstun“, denn der damalige deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) zog Deutschlands schon erteilte Zusage zum Projekt mit dieser Aussage wieder zurück. 2013 verkündete Präsident Correa, dass die Initiative gescheitert war: Nur 335 Millionen Dollar waren zugesagt und lediglich 13,3 Millionen tatsächlich gezahlt worden. Deutschlands Beitrag hätte einen wesentlichen Unterschied gemacht. Die Mitverantwortung an der vertanen Chance ist peinlich, aus heutiger Sicht noch mehr als damals.

In anderen Ländern kamen linke Regierungen gar nicht erst so weit wie die Regierung Correas: Evo Morales in Bolivien und später Gabriel Boric in Chile hielten am Extraktivismus fest. Ob es bei Gustavo Petros Regierung in Kolumbien anders läuft, bleibt abzuwarten. Doch Skepsis ist angebracht, denn fossile Rohstoffe wie Öl, Lithium, Gas, Kupfer oder Kohle speisen die Staatshaushalte Lateinamerikas und darauf können auch linke Regierungen bisher nicht verzichten.

Dennoch hat die Initiative etwas bewegt. Correas Absage an Yasuní-ITT führte dazu, dass eine breite zivilgesellschaftliche Protestbewegung entstand: die Yasunidos. Obwohl die Regierung sie schikanierte und unterdrückte, sammelte die Organisation über 750.000 Unterschriften für ein Referendum über Yasuní-ITT. Die meisten Stimmen annullierte der politisch nicht unabhängige Wahlrat, doch Anfang Mai 2023 genehmigte das Verfassungsgericht Ecuadors die Volksabstimmung schließlich – nach zehn Jahren des Kampfes. Sie wird zeitgleich mit den von Präsident Lasso angesetzten Neuwahlen im August 2023 stattfinden. Das alles zeigt: Beharrlichkeit fördert zuweilen Gelingen.

Martin Schäfer ist seit 2018 Mitglied der LN-Redaktion und interessiert sich für die Kämpfe indigener Bewegungen
Ginette Haußmann ist seit 2023 Mitglied der LN-Redaktion und möchte Menschen durch Sprache begeistern

// IM SCHWARZWALD LIEBER NICHT

Habeck will beim Klimaschutz auf die Tube drücken. Damit Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erreicht, müsse das Land die Anstrengungen „in allen Bereichen“ verdreifachen. Das klingt ambitioniert, im Klartext heißt das aber vor allem: mehr Windkraft für mehr Teslas. 15 Millionen zusätzliche E-Autos sollen bis 2030 auf der Straße sein, dreißigmal mehr als bisher. Kein Wunder, dass das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von einem Anstieg des Strombedarfs um fast 30 Prozent ausgeht. Die Autoindustrie freut’s und die Grünen in Berlin-Mitte finden Habecks Pläne auch supi: Bald können die Kinder klimaneutral im Elektro-SUV von der Schule abgeholt werden. Also schnell noch ein paar Windräder bauen.

Lateinamerika spielt in diesen Debatten bisher keine Rolle. Dabei ist die Region für Habeck und Lindner von zentraler Bedeutung: Ohne das Lithium aus Bolivien, Chile und Argentinien lassen sich ihre Pläne wohl kaum realisieren. Die Gewinnung des begehrten Leichtmetalls für die E-Auto-Batterien zerstört im sogenannten Lithium-Dreieck schon jetzt die Umwelt und vernichtet die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung. „Sie sagen, Elektroautos seien die Lösung, die Rettung der Welt. Aber das sind sie nicht. Die Rettung ist das Gewissen jener Menschen, die dieses Gebiet so zu respektieren wissen, wie wir es tun. Wenn wir alle den nötigen Respekt für die Erde hätten, bräuchten wir nicht zu sagen, dass Elektroautos den Planeten retten werden“, sagte Jorge Álvarez Sandon aus der Gemeinde Coyo in der Atacama-Wüste bereits 2020 im Interview mit der Deutschen Welle. Davon will man hierzulande jedoch nichts hören. Bei aller Euphorie ums „Anpacken“ und den klimapolitischen „Aufbruch“ kommen die möglichen Folgen deutscher Klimapolitik bisher deutlich zu kurz – jedenfalls dann, wenn sie nicht direkt vor der eigenen Tür stattfinden. Das an den Schwarzwald angrenzende Rheintal, in dem das größte Lithium-Vorkommen Europas vermutet wird, bleibt vermutlich unangetastet.

Immerhin: Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich das Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Staaten, „unter anderem bei der Bewahrung der Biodiversität, der Bekämpfung der Klimakrise und nachhaltigen Wirtschaftsbeziehungen.“ Was das genau bedeutet, ist jedoch noch unklar. Heißt es, dass die Regierung das Lieferkettengesetz um Sorgfaltspflichten im Umweltbereich nachschärfen wird, damit die aufgrund des Lithiumabbaus gefährdete Wasserversorgung im Lithium-Dreieck gesichert wird? Bedeutet es, dass deutsche Unternehmen wie BASF und Bayer in Zukunft keine Pestizide mehr nach Lateinamerika exportieren können, die in der EU aufgrund ihrer umwelt- und gesundheitsschädlichen Wirkung längst verboten sind?

Die Klima- und Umweltpolitik der Ampelregierung wird auch nach ihren globalen Auswirkungen bewertet werden müssen. Ausschlaggebend für den Schutz von Klima und Biodiversität sind nicht (nur) die Anzahl der E-Autos auf deutschen Straßen oder das Einhalten nationaler Klimaziele. Will die neue Regierung wirklich etwas zum internationalen Klimaschutz beitragen, muss sie mögliche Zielkonflikte auch außerhalb der nationalen Grenzen berücksichtigen. Zur ganzen Wahrheit gehört auch, die Grenzen des grünen Wachstums anzuerkennen. Einen grünen Rohstoffkolonialismus, der die Kosten für Umwelt- und Klimaschutz lediglich auslagert und die eigentlichen Ziele damit ad absurdum führt, darf es nicht geben – nicht in Lateinamerika, und auch sonst nirgends.

IRRWEG EXTRAKTIVISMUS

Welche Positionen konntet ihr bei der Klimakonferenz einbringen?
An erster Stelle ist es sehr wichtig, dort als Vertreter der Zivilgesellschaft hinzufahren und zu hören, was unsere Regierung sagt. Was verlangt sie? Bekommt sie Geld und wenn ja, wofür? In unserer Geschichte hat unsere Regierung uns nie erlaubt, Teil ihrer Delegation zu sein. Die mexikanische Delegation hat die Tradition, fünf NGO-Abgesandte in ihre Delegation aufzunehmen. Da unsere Regierung das nicht macht, versuchen wir mit Kollegen aus anderen Staaten wie Deutschland, Niederlande, Belgien oder Parteien wie zum Beispiel den Grünen, zu sprechen. Sie informieren uns über die Verhandlungen. Außerdem arbeiten wir mit anderen NGOs zusammen, besonders Fraueninitiativen aus Lateinamerika oder der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen in Bonn (IFOAM).

Was war die offizielle nicaraguanische Position?
Die Delegation bestand nur aus zwei Männern, die Vertreter der Regierung Paul Oquist und Javier Gutiérrez. Die zwei haben wir nicht gesehen, im Plenum blieb der Platz für Nicaragua unbesetzt. Man war anscheinend die ganze Zeit mit dem Green Climate Fund (GCF) beschäftigt. Dieser ist sehr wichtig, da er die Gelder des Pariser Klimaabkommens für Klimaprojekte in den ärmeren Ländern verwaltet. Die Entscheidungen des GCF werden sehr intransparent getroffen, obwohl dort über die Verwendung mehrerer 100 Millionen US-Dollar entschieden wird. Zur Einordnung der Rolle unseres Landes: Nicaragua hatte das Pariser Klimaabkommen zunächst nicht unterschrieben und sich auf das Anklagen der großen Klimasünder USA und EU beschränkt. Dadurch bekam Nicaragua politische Aufmerksamkeit. Nach dem Umschwenken Nicaraguas und der Unterzeichnung des Abkommens 2017 wurde ihr Delegationsleiter Oquist dann zum Vize-Präsidenten des GCF gemacht.

Nutzt die nicaraguanische Regierung Klimagelder für andere politische Interessen?
Ich denke schon. In erster Linie will sie Werbung für die eigene Regierung machen und sich gegen die internationale Isolierung wehren. Nicaragua hat in den letzten Jahrzehnten viel Geld bekommen – von europäischen Staaten, von der UNESCO – aber mit der Umwelt geht es ständig bergab. Politiker sind straflos in Umweltskandale verwickelt: Das staatliche Unternehmen Alba Forestal fuhr 2017/2018 ununterbrochen wertvolles Holz aus den Naturschutzgebieten des Nordens ab, dem Besiedeln dieser Naturschutzgebiete in Nord- und Süd-Nicaragua wird kein Riegel vorgeschoben. Im Gegenteil, illegale Siedler werden beim Rauben von indigenem Land noch unterstützt, teilweise mit Waffengewalt.

Wird das Ergebnis der Klimakonferenz einen Einfluss auf den Umweltschutz in Nicaragua haben?
Kattowitz könnte einen negativen Einfluss auf Nicaragua haben, denn die Konferenz bedeutet Macht und Geld für die Regierung und nicht für die Zivilgesellschaft. Die Klimagelder werden an die Regierung überwiesen und kommen bei den Basisinitiativen, die tatsächlich für Umwelt und Klima arbeiten, nicht an. Diese werden sogar verfolgt oder verboten.

Welche Relevanz hat dabei insebsondere der Klimaschutz in der Region?
Natürlich trägt Nicaragua zur globalen Erwärmung ungeheuer wenig bei, aber das befreit uns nicht von der Pflicht, auch unser Verhalten entsprechend zu ändern. Vor allem aber geht es für die betroffenen, armen, äußerst verletzlichen Länder wie den mittelamerikanischen darum, die nicht mehr aufhaltbaren Folgen abzumildern. Ein Beispiel ist, die Bewaldung zu erhalten, die Landwirtschaft auf Agroforstwirtschaft umzustellen und vieles mehr. Stattdessen erlaubt die Regierung das Abholzen, die Verschwendung, die Vergiftung und das Versiegen der Gewässer. Auch in diesem ungeheuer wichtigen Bereich zur Erhaltung der Lebensgrundlagen ist das Regime unwillig und unfähig. Die neoliberalen Vorgängerregierungen konnten wir durch unsere Kritik stark unter Druck setzen. Die jetzige schießt.

Kannst du uns mehr über eure Arbeit als Umwelt-NGO in Nicaragua erzählen?
Wir sind schon lange als Umwelt-NGO in Nicaragua aktiv – schon seit mehr als 30 Jahren. Verschiedene NGOs haben sich nun zusammengetan, um zum Beispiel auf die Folgen des geplanten Kanalprojekts aufmerksam zu machen und auf den generellen Irrweg des Extraktivismus. Wir versuchen, die Bauernfamilien zu unterstützen, sie zu informieren und praktische landwirtschaftliche Widerstandsarbeit mit ihnen zu initiieren. Deswegen sind wir auch in Gefahr, da die Regierung unsere Arbeit als Anstiftung zum Aufruhr wertet.

Wie hat sich der politische Druck auf euch in den letzten Jahren verändert?
Die Bauern haben seit dem Gesetz zum Kanalbau mit Protesten angefangen, sich organisiert und mit uns zusammengearbeitet. Wir haben die gesamten wissenschaftlichen Informationen und Forschungsergebnisse, aus denen hervorgeht, warum vorherige Vorhaben für einen Kanal durch Nicaragua nicht umgesetzt wurden, gesammelt, analysiert und den Bauern gegeben. Die Bauerngruppen haben sich zu einem Dachverband zusammengeschlossen, 25 Vertreter von Kommunen bilden diesen Rat. Von ihnen sind heute sechs Anführer im Gefängnis, andere leben im Exil oder verstecken sich. Sie hatten protestiert und sind mit LKWs von ihren Dörfern bis Managua gezogen. Auf die Demonstrationen antwortete die Regierung mit Polizeigewalt. Der politische Druck hat sich 2018 in einen polizeilichen, militärischen bewaffneten Druck verändert und das bei der Außerkraftsetzung aller anwendbaren Gesetze und Vorschriften.

Was wäre eine Forderung an Deutschland und europäische Staaten, wie eure Arbeit unterstützt werden könnte?
Wir als NGOs kriegen zum Teil Geld von europäischen Regierungen durch Stiftungen. Dieses Geld bekommen bisher nur Organisationen, die den Status einer juristischen Person haben. Immer mehr nicaraguanische NGOs verlieren diesen Status durch aktuelle Maßnahmen der Regierung. Sie werden enteignet, von den Bankkonten über die Büroeinrichtung bis zu ihren Gebäuden. Aktivisten werden verfolgt, immer mehr müssen fliehen oder sich verstecken. Wie können wir als „nicht eingetragene Vereine“ weiterhin Geld und Unterstützung aus Europa bekommen? In Zukunft müssen die Verwalter der Gelder für NGOs natürliche Personen sein – gegenseitiges Vertrauen und neue Methoden des Transfers und der Abrechnung müssen her. Aus den Erfahrungen mit anderen Diktaturen – wie unter Pinochet, während der Apartheid oder DDR – und der Hilfe für die Widerstandsarbeit gibt es sicher einiges zu lernen. Für Nicaragua bräuchten wir Solidarität, dass Unterstützer in Deutschland, die deutsche Regierung und andere in Europa uns helfen. Denn wenn es so weitergeht, können wir nicht nur enteignet werden, sondern auch als „Terroristen“ im Gefängnis landen. Wir brauchen größtmögliche Aufmerksamkeit, direkte materielle Hilfe sowie politischen und ökonomischen Druck auf das Regime. Die zurückgewiesene „Einmischung in interne Angelegenheiten” ist nur ein Trick des Regimes, um die Solidarität aufzuhalten.

 

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