Vergeben kann nur das Volk

Mit einem nervtötenden Schrei gibt ein Hahn das Zei­chen, daß die Nacht zu Ende ist. Oben am Hang antwortet ein Hund mit wüstem Gebell, dann fallen weitere Tiere in das Spek­takel ein. In der Dunkelheit nur schemenhaft zu erken­nen, regen sich vor den Hütten aus Brettern oder Well­blech die er­sten men­schlichen Gestalten. Mit Ma­cheten und Hacken auf den Schultern machen sich ein paar Bauern auf den Weg zu ihren oft weitab gelege­nen Maisfeldern. Frauen klatschen den aus Mais, Wasser und Salz zusam­men­ge­kne­teten Teig auf flache Steine und for­men die Masse zu hand­tellergroßen, run­den Fladen, den Tortillas. Für die meisten Leute in Guar­jila, einem Dorf in der sal­vadorianischen Provinz Cha­latenango, be­ginnt der Arbeitstag schon vor dem Mor­gengrauen.
Auch für die sechs Mit­arbeiter von Ra­dio Sumpul, die sich um halb fünf vor dem kleinen Ge­bäude am Ortsrand ver­sammelt haben. Ein kaum achtjähriger Junge schleppt einen Eimer mit Dieselöl heran und gießt den dickflüssigen Kraft­stoff in den Einfüll­stutzen des Motors, der in einem Bretterverschlag hinter der Hauswand un­tergebracht ist. Minuten später rumpelt das Ag­gregat, zwei an schlecht isolier­ten Drähten von der Decke bau­melnde Glühbir­nen beginnen zu flackern und tauchen den Innen­raum in ein trübes Licht.
Wilfredo Zepeda, Chefredak­teur und Leiter des vor einem knappen Jahr ge­gründeten Ra­dios, nimmt an einem wak­keligen Holztisch Platz, gießt Kaf­fee in schmutzige Plastikbe­cher und eröffnet die Redakti­onskonferenz. In einer knap­pen halben Stunde, um fünf Uhr, be­ginnt die Morgensendung. Zen­trales Thema die­ses Ta­ges sind die Schwierigkeiten bei der Land­übertragung an ehemalige Regie­rungssoldaten und Gueril­leros der Befrei­ungsfront FMLN. Die beiden Re­porterinnen haben Inter­views mit Betrof­fenen und einem Vertreter der UN-Beob­achtertruppe ONUSAL, der am Vortag Guarjila besucht hat, vor­bereitet und stel­len ihre Bei­träge vor. Juan, der Techniker, schaltet für einen Sound-Check das Mischpult und die Verstär­ker­anlage ein. Radio Sum­pul ging vor zehn Monaten zum er­sten Mal auf Sen­dung. Vier Stun­den täg­lich bestrahlt die auf einem Berg in der Nähe mon­tierte An­tenne weite Teile der nördlichen Pro­vinz Chala­tenango und einige Nach­barbezirke. Die niederländi­sche Nichtregie­rungs­organi­sa­tion World-Com hat die Technik in­stalliert, ein schwedi­sches Hilfs­werk führt seit dem Herbst ein Ausbil­dungs­programm für die Journali­sten und Jour­nalis­tin­nen durch.
“Unsere Leute hatten über­haupt keine Ahnung, wie Radio gemacht wird”, sagt Wilfredo Zepeda. Alle MitarbeiterInnen stam­men aus Dörfern in Chala­tenango. Einige verbrachten die Bürgerkriegsjahre mit ih­ren Fa­milien im Exil in Honduras, an­dere gingen in die Berge, um sich der Guerilla anzuschließen. Eine Schule ha­ben sie, wenn überhaupt, nur für ein oder zwei Jahre besu­chen können. Das Schulge­bäude von Guarjila wur­de 1982 bei einem Angriff der Regie­rungs­armee zerbombt, die beiden Lehrer flohen in die Haupt­stadt. Ausgebil­dete Jour­nalisten aus San Salvador oder dem Ausland zu verpflich­ten, kam für Radio Sumpul von An­fang an nicht in Frage. “Die hät­ten wir gar nicht bezah­len kön­nen,” so Zepeda. “Und das hätte auch unse­rem Konzept wi­der­sprochen, ein Radio für die Bevölke­rung zu machen.” In Guarjila gibt es we­der Zei­tungen noch Fernsehen, aber in je­der Hütte steht ein batteriebetriebe­nes Radio­gerät. In der einmal pro Woche ta­genden Junta Directiva, einer Art Auf­sichtsrat von Radio Sumpul, haben die Landarbeiter­gewerkschaft, eine Frauen­gruppe und an­dere Basisor­ganisationen Sitz und Stimme.
Unterbrochen von schwung­vollen Ran­cheros läuft im Radio das Inter­view mit einem Vertre­ter des Gemeinderates von Guarjila. Etwas holperig infor­miert Caesar Ibarra über die Verzögerungen bei der Land­übertragung. Seit Anlaufen der Agrarreform vor drei Jahren dür­fen Großgrundbesitzer nur noch 245 Hektar Wirt­schaftsland be­sitzen und müssen alles, was darüber liegt, günstig an Nicht­ver­wandte verkaufen. Das meiste Land kauft der Staat auf und ge­währt ehemali­gen Gueril­leros, entlassenen Regierungssol­daten und Kleinbauern, die wäh­rend des Krieges in den Kon­fliktzonen verlassenes Land an sich genommen hatten, günstige Kredite. Bis zum April dieses Jahres soll der Prozeß der Land­übergabe abgeschlos­sen sein – so steht es in dem im Januar 1992 unterzeichneten Friedensab­kom­men.
Schwierigkeiten bei der Landverteilung
Doch die Wirklichkeit in Chalatenango und den an­deren früheren Konfliktregio­nen sieht an­ders aus. Bis heute haben noch nicht einmal 40 Pro­zent der fast 50.000 regi­strierten Antragstelle­rInnen Land er­halten, die mei­sten weniger als die ver­sprochenen 2,5 Hektar. Viele Bauern ha­ben sich nicht recht­zeitig bei den Behör­den gemel­det, andere wurden nicht als Be­günstigte anerkannt. In Guarjila und den umliegen­den Gemein­den, die im Krieg von der FMLN kon­trolliert wurden, ist die Si­tuation noch krasser.
Hier hatten sich die meisten ehemaligen Großgrund­besitzer nach Aus­bruch des bewaffneten Konflik­tes ins Ausland ab­gesetzt und sind deshalb oft nicht mehr aus­findig zu ma­chen. Ohne ihre rechts­gültige Unterschrift, so ar­gumentiert die Regierung, kann das Land aber nicht verkauft werden. Eine ge­meinsame Kommission der Gemeinde­räte aus Chala­tenango hat jetzt die ONUSAL aufgefordert, bei der Regierung auf eine Beschleuni­gung der Landübertra­gung zu drän­gen. “Wenn wir weiter hin­gehalten werden, gibt es massi­ven Krach,” warnt Caesar Ibarra.
Politische Absicht wäh­nen die Leute von Guarjila auch hinter der Tatsache, daß die im Krieg zerstörte Infrastruktur in ih­rer Re­gion noch nicht wieder in­takt ist. Trinkwasser, Strom und Telefonan­schlüsse hat die Regie­rung allen Gemein­den in ihrem von der Europäischen Union mit­finanzierten Nationalen Wieder­auf­bauprogramm ver­sprochen. In Guarjila zapfen die Menschen das Wasser weiter­hin aus selbst­gebohrten Brunnen. Und es gibt auch noch keine elektrische En­ergie, obwohl eine Leitung nur wenige hundert Meter ent­fernt am Ort vorbei­führt. Bei ei­ner Versammlung im Januar forder­ten aufge­brachte EinwohnerIn­nen, der Regie­rung eine letzte Frist für die Installie­rung der Kabel zu setzen. Ande­renfalls werde man die Strom­masten in die Luft spren­gen.
Trotz der verbreiteten Unzu­friedenheit in den ländlichen Re­gionen hat sich die politische Situation in El Salvador in den ver­gangenen drei Jahren spür­bar ent­spannt. Rubén Za­mora, der bei den Prä­sidentschaftswahlen im ver­gangenen März für eine Mitte-Links-Koalition ins Ren­nen ging, dabei aber dem Kandi­daten der rechtsgerichteten Partei ARENA unterlag, hält den Frie­densprozeß für unumkehr­bar. “Die Gefahr, daß der Krieg wie­der aus­bricht, existiert praktisch nicht,” sagt der 52jährige Rechts­anwalt, den wir in seinem Büro am Boulevard de los He­roes im Zentrum San Salvadors treffen. “Die Ent­militarisierung hat große Fortschritte ge­macht.”
In den vergangenen drei Jah­ren wurde die Regie­rungsarmee von über 60.000 auf 32.000 Mann reduziert. Die alten Sicherheits­organe, während des be­waff­neten Konfliktes für zahlrei­che Men­schenrechts­ver­letzungen verantwort­lich, sind auf­ge­löst worden. Eine neue Polizei­einheit, die unter zi­vilem Kom­mando steht, ist inzwischen im gan­zen Land prä­sent.
Konsens mit der Opposition in Grundfragen
Auch “Elemente einer neuen Streitkul­tur” hat Za­mora ausge­macht. “Der alte Stil, als die Re­gierung be­fohlen hat und die Be­völkerung gehorchen mußte, exi­stiert so nicht mehr.” In we­sentlichen Fragen müsse die Re­gierung den Kon­sens mit der Opposi­tion suchen, insbesondere mit der FMLN, der zweit­stärksten Fraktion im Parla­ment.
Präsident Armando Calderón Sol sieht El Sal­vador ebenfalls “auf dem Weg in eine bessere Zu­kunft.” Die Abkommen seien zu neunzig Prozent erfüllt, er­klärt er bei einer Kundgebung zum dritten Jah­restag des Friedensvertrages. Die Re­gierung werde alles tun, die noch offenen Punkte so rasch wie möglich umzusetzen. Die ver­sammelten Minister und Bot­schafter nicken beifällig und wenden sich dann den von emsi­gen Kellnern auf sil­bernen Ta­bletts gereichten Häppchen und Getränken zu.
Frieden heißt auch soziale Gerechtigkeit
Kritik an der gegenwärtigen Entwick­lung kommt vor allem von der Kirche. “Für die Ärm­sten ist der Frieden noch lange nicht erreicht”, sagt der Interims-Erzbischof von San Salvador, Rosa Cha­vez, in der Sonntags­messe in der großen Kathedrale. Frieden bedeute mehr als das Schweigen der Waffen. “Frieden heißt auch: Mehr soziale Ge­rechtigkeit, mehr und besser be­zahlte Arbeit, mehr Woh­nungen.”
Zur selben Zeit predigt Jon Cortina in San José Las Flores, einem Nachbardorf von Guarjila. Nur weil er sich damals nicht in der Hauptstadt aufhielt, entging der Jesuiten-Pater im November 1989 dem von ranghohen Mili­tärs befohlenen Mas­saker an sei­nen Kollegen auf dem Gelände der UCA, der Zentralamerikani­schen Universität. Cortina pran­gert das von der Regierung erlas­sene Amnestiege­setz an, durch das auch die schwersten Men­schen­rechtsverletzungen der Bürger­kriegsjahre ungesühnt blei­ben. Die Mas­saker und Morde könne nur das Volk ver­geben, nicht aber die Politiker.
Der Gottesdienst in San José Las Flores muß an diesem Tag im Freien stattfinden. Die Kir­che, die in den Kriegszeiten Be­schuß und Bomben standgehal­ten hatte, ist vor ein paar Wo­chen eingestürzt. Cortinas Worte erreichen nicht nur die Men­schen auf dem Dorfplatz. Radio Sum­pul über­trägt die Messe direkt.

Instrumentelle Demokratisierung

In seinem Eingangsaufsatz zeichnet Jochen Hippler die Be­deutung von Demo­kratie für die Identitätsbildung der westli­chen Länder nach. Waren während des Kalten Krieges Antikommu­nismus und Demokratie die zen­tralen Elemente der Selbstdefi­nition und der Abgrenzung zum sozialistischen “Reich des Bö­sen” (Reagan) sei die Bedeutung des Demo­kratiebegriffs für die positive Identitäts­stiftung des Westens heute “möglicherweise sogar noch wichtiger”. Indem “westlich und demokratisch zu Synonymen” erkoren werden, werde ei­nerseits die westliche Form von Demo­kratie als einzig wirkliche und damit uni­versell gültige postuliert und damit ande­rerseits zugleich die Recht­fertigung für ihre Verbreitung in der ganzen Welt gelie­fert.
Was bei rechten Ideologen in den USA, wie Samuel Hunting­ton, einen ab­grenzenden Kampf des zivilisierten We­stens gegen den Rest der Welt zur Folge hat, wird bei Anthony Lake, einem außen­politischen Vordenker der Car­ter-Admini­stration, zu einem “de­mo­kratischen Kreuzzug”, mit dem die ganze Welt be­glückt werden soll. Um welche Form von Demokratie es sich handelt, wird schon aus der, in der US-Administration gängi­gen For­mulierung von den “market de­mocracies” deutlich. Die Ge­wichtung ist klar, wie Jochen Hippler schreibt: “Märkte und Demokratie sind nicht gleich­gewich­tig, sondern Demo­kratie ist die nachge­ordnete Ka­tegorie, die durch wirtschaftli­che Refor­men erst ermöglicht wird. De­mokratie ist die wünschbare Folge von Kapitalismus.”
Die zwei wichtigsten Strate­gien zur Durchsetzung des west­lichen Modells im Süden sind seit den achtziger Jahren Auf­standsbekämpfung und Struk­tur­anpas­sung. Ergebnis ist zumeist eine formale Demo­krati­sierung, die allerdings an den herrschen­den Verhältnissen nichts oder nur wenig verändert. Claude Aké nennt dies in seiner Analyse der Entwicklung in Afrika die “De­mokratisierung der Macht­losigkeit”. Die Demo­kratisierung werde ihres emanzi­patorischen Gehalts beraubt und “legitimiert die Machtlosigkeit der Menschen in Afrika, so daß es ihnen viel­leicht noch schlechter als vorher geht, als ihre Machtlosigkeit we­nigstens noch als ein Problem gesehen wurde. Heute ist sie verschlei­ert.”
Mit der Universali­sierung geht für Aké auch die weitere “Trivialisierung der De­mokratie” einher, so wie auf glo­baler Ebene die Herr­schaftsverhältnisse auch inner­halb der einzelnen Staaten kon­serviert werden: “Demokratie ist so weit trivialisiert wor­den, daß sie für die Eliten nicht mehr ge­fährlich ist, die stolz auf ihre demokrati­sche Überzeugung sein können, ohne daß viel von ihnen gefordert würde. Demo­kratie wird so in einer wesentlich entleer­ten Form universalisiert, die für die neuen politischen Re­alitäten im Westen außer als Ideologie kaum relevant ist.” Auch der Übergang von Militär­diktaturen oder Ein­partei­en­regimen zu pluralisti­schen Wahl­demokratien ermög­licht in den meisten Fällen le­diglich bisher unterlegenen oder ausgeschlos­senen Fraktionen der politi­schen und wirtschaftlichen Eliten, an die Regierung zu kommen – die Mehrheit der Be­völkerung bleibt jedoch weiter­hin von der Macht ausgeschlos­sen.
Wie sehr die Demokratisie­rung im Süden der wirtschaftli­chen Rationalität untergeordnet ist, verdeutlicht Liisa Laakso, die ihre Analyse auf den beiden gängigen Interpretationen des Demokra­tie-Konzepts aufbaut. In der ersten Kon­zeption “kön­nen Gleichheit, Partizipation oder die institutionelle Gestal­tung von Entscheidungen nur in einer wirklich selbstbestimmten sozialen Praxis einen Wert ha­ben. Diese Interpretation reflek­tiert den substantiellen Inhalt von Demo­kratie, der ohne Moral un­vorstellbar und radikal in sei­ner Möglichkeit ständiger Neu­definition von Politik ist.”
Dieser sub­stantiellen Kon­zeption stehe eine zweite Inter­pretation entge­gen, in der “die Be­deutung von Demokratie auf eine be­stimmte institutionelle Gestaltung von Entscheidungs­strukturen” redu­ziert sei. Ihr “hervorstechendstes Merkmal (ist) nicht mehr die Emanzipa­tion, sondern Funktio­nalität und Effektivität.” Deut­lich domi­niert heute der instru­mentelle Ansatz, der es ermög­licht, von den ei­gentlichen Pro­blemen der サDrit­ten WeltDen Ideologiecharakter dieses Demo­kratiekonzepts zeigt auch Susan George in ihrem Aufsatz über das Weltbank-Kon­zept des good governance. Die Verwen­dung des im englischen Sprach­gebrauch seltenen governance ermögliche es der Weltbank, di­rekter als bisher auf die Poli­tik der Länder サDritten WeltDamit weitet die Weltbank ih­ren Ein­fluß von der ökonomi­schen auf die politi­sche Sphäre aus, ob­wohl sie sich aufgrund ih­rer eige­nen Charta nicht einmi­schen darf, “wenn es um die Wahl einer bestimmten Regie­rungsform geht. Die Welt­bank ist of­fiziell eine unpolitische eine rein wirt_schaftliche Instanz. Die Verwen_dung des Begriffs go_vernance ist der Versuch ihre tatsächli_chen Ziele in dieser Hin_sicht zu umschrei_ben.” Nach Su­san Ge­orge ermögli­che dies in erster Linie, die Schuld für das Schei­tern der bis­herigen (Weltbank-) Entwick­lungs­kon­zepte den Re­gierungen des Südens aufzubür­den. Dabei sei aber “die Welt­bank selbst für viele Probleme in der dritten Welt verantwortlich. Ihr bisheri­ges Entwicklungskon­zept schafft und ver­schärft gera­dezu die Ar­mut und vergrößert die Kluft. Die Politik der Welt­bank hat in den vergangenen 40 Jahren ei­nerseits Eli­ten geschaf­fen, die in das Weltsystem in­tegriert sind, andererseits viele Menschen auf der Strecke gelas­sen. Jetzt braucht die Weltbank die Armen viel dringender, als die Armen sie brauchen. Den Armen würde es ohne die Welt­bank weitaus bes­ser gehen, aber ohne sie würde die Bank eine wichtige Rechtfertigung ihrer Exi­stenz verlieren. Governance ist das pas­sende Mittel, um den näch­sten Fehlschlag der Welt­bank und ihrer EntwicklungIn zwölf Beiträgen wird in der “Demokratisierung der Machtlo­sigkeit” versucht, die politische Herrschaft des Nordens über den Süden zu analysieren. Insgesamt lohnt sich die Lektüre, auch wenn die Qualität der Aufsätze sehr unter­schiedlich ist. Einige Beiträge bieten nichts Neues und hätten besser nicht Ein­gang in das Buch gefunden. Dazu gehört beispielsweise einer der beiden Aufsätze, die sich explizit mit Lateinamerika be­schäftigen: Xa­bier Gorostiagas Hindernisse und Chancen für Demokra­tie in Mittelamerika” verharrt weitge­hend in nichtssagenden Allge­meinplätzen und hätte so auch schon vor einigen Jahren ge­schrieben sein können. Interes­santer ist da schon Niala Maha­rajs Aufsatz Pathologie und Macht

Die “Demokratisierung der Machtlo­sigkeit” und eine gleich­zeitig erschienene Aufsatz­sammlung über 50 Jahre IWF und Weltbank bilden den Auftakt zu einer deutsprachigen Buch­reihe des Amsterda­mer Trans­national InstituteDritten Welt den USA und Europa, dessen Di_rektor Jochen Hippler seit einiger Zeit ist. Hoffentlich wird die Arbeit des TNI in Zu_kunft damit auch im deutsch_sprachigen Raum besser bekannt.

Jochen Hippler (Hg.): Demokrati­sierung der Macht­losigkeit. Politi­sche Herrschaft in der Dritten Welt, Konkret Li­teratur Verlag, Hamburg 1994, 240 Seiten, DM 32,-
John Cavanagh/Marcos Ar­ru­da/­Daphne Wysham (Hg.): Kein Grund zum Feiern. 50 Jahre Welt­bank und IWF. Kritik und Alternati­ven, Kon­kret Literatur Verlag, Ham­burg 1994, 176 Sei­ten, DM 28,-

Brasilien – Diagnose einer Krise

Natürlich ist es nicht einfach, auf 150 Seiten die komplexe Si­tuation des ewigen “Schwel­len­landes” Brasilien zu analysieren. Das Buch bietet eine Reihe von wichtigen Informatio­nen, Stati­stiken und Daten. Wöhlcke spricht viele Faktoren an, in der Beschreibung der so­zialen Si­tuation und der politi­schen Kul­tur des Landes ist ihm weitge­hend zuzustimmen. Leider ent­wickelt sich Wöhlcke, der in der Vergangenheit viel besseres zu Brasilien produziert hat, zu ei­nem Prediger seiner eigenen Überzeugungen. Diese werten den Gehalt der “Diagnose” radi­kal ab. Ohne auf alle Einzelhei­ten des Buches einzugehen, will ich drei Punkte herausgreifen, in denen Wöhlcke mehr als frag­würdige Auffassungen vorträgt.
Wöhlcke – der Rufer in der Wüste?
1. Wöhlcke sieht in der de­mographischen Entwicklung Brasiliens einen Schlüssel für das Verständnis der Entwick­lungsprobleme des Landes – und sich als Rufer in der Wüste. “Die Problematik des Bevölkerungs­wachstums wird in Brasilien nicht angemessen wahrgenom­men. In der öffentlichen Diskus­sion spielt sie praktisch keine Rolle, teils wird sie ignoriert, teils tabuisiert.”(S. 47) Tabubre­cher Wöhlcke weiß hingegen von der relativen Überbevölke­rung in Brasilien zu berichten: “Die Bevölkerung ist zu groß im Verhältnis zur sozio-ökonomi­schen Leistungsfähigkeit der Ge­sellschaft, das heißt, die Art der Raum- und Ressourcennutzung verhindert eine befriedigende Versorgung der gesamten Be­völkerung”. (S.47/49) Dies treffe eben auf Brasilien zu. Warum ist aber daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß nicht die sozio-ökonomische Leistungsfähigkeit wachsen sondern die Bevölke­rung sich vermindern solle? Wöhlcke setzt weitgehend dar­auf, daß der common sense seine Ausführungen schon für richtig halten werde. Sein Hauptargu­ment lautet: Die arbeitsfähige Bevölkerung wird in elf Jahren um 2,3 Millionen zunehmen, “Es erscheint völlig ausgeschlossen, daß der Arbeitsmarkt diesen Zu­wachs aufnehmen kann.” (S.49) Nun, Brasilien hat trotz Bevölke­rungswachstum zur Zeit eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten seiner Geschichte. Wöhlcke re­duziert die schwierige Entwick­lung des Arbeitsmarktes auf einen Faktor. Warum erwähnt er in diesem Zusammenhang nicht, daß nach offiziellen Schätzungen mindestens zehn Prozent aller 10- bis 17-Jährigen in den Ar­beitsmarkt integriert sind? Allein die Einhaltung aller arbeitsrecht­lichen Regelungen und die Ver­wirklichung der Schulpflicht würde schon Platz machen für den größten Teil der zukünftig in den Arbeitsmarkt Eintretenden. Aber Wöhlcke will ja nicht diffe­renzieren, sondern die “sich ab­zeichnende demographische Katastrophe” an die Wand ma­len. In diesem Kapitel sinken seine Aussagen auf das Niveau eines Propagandawerkes. Fast müßig zu erwähnen, daß Wöhl­cke die Massensterilisationen verschweigt. Erörtert wird auch nicht, wie drastisch der Rück­gang der Geburtenrate ist. Nach jüngsten Zahlen gebärt jede Frau im Durchschnitt 2,4 Kinder, nahe also der einfachen Reprodukti­onsrate. Ein Teil des von Wöhl­cke angeführten Bevölkerungs­wachstums hat gar nichts mit der Geburtenrate zu tun, sondern mit dem Anwachsen der Lebenser­wartung. Das heißt, in den näch­sten Jahren werden sich die so­zialen Probleme in Brasilien ver­schieben, es wird eine deutliche Entlastung im Bildungswesen geben, dafür eine Krise der Al­tersversorgung. Ach, es ist schon ein Kreuz, immer wieder gegen die demagogische Konstruktion der Bevölkerungsexplosion aus­gerechnet in Brasilien anzuar­gumentieren!
Die heutigen Probleme sind “hausgemacht”
2. Wöhlcke, früher selbst ein Verfechter der Depen­denztheorie, argumentiert heftig dafür, daß die heutigen Probleme im wesentlichen hausgemacht sind, also nicht auf externe Fak­toren wie Verschuldung oder in­ternationales Wirtschaftssystem zurückzuführen seien. In vielen Punkten hat Wöhlcke recht, aber hier wie im ganzen Buch ist eher die verkürzende Mischung aus Wahrheiten und Unterlassungen ärgerlich. So fehlt in diesem Zu­sammenhang gänzlich eine Analyse der multinationalen Konzerne, die in Brasilien zen­trale Wirtschaftsbereiche, bei­spielsweise die Autoindustrie, monopolisieren. Die Betonung der inneren Faktoren wiederholt sich in dem Abschnitt über Um­weltpolitik. Bei der Aufzählung der Umweltprobleme erwähnt Wöhlcke nie die internationale Verwicklung. So ist das kata­strophale Besiedlungsprogramm in Amazonien, POLONOR­OESTE, mit Weltbankgeldern fi­nanziert worden, wie auch zahl­reiche Staudammprojekte. An­statt hier die Verschränkung von nationalen und internationalen Kapital- (oder von mir aus auch Entwicklungs-) strategien zu analysieren, verfällt Wöhlcke schließlich auch noch auf die Mär, daß die Kleinbauern und -bäuerinnen die Hauptverursacher für die Abholzungen im Regen­wald seien.
Einziger Beleg für diese kühne Behauptung, die den Er­gebnissen der brasilianischen Forschung widerspricht, ist “eine Tischvorlage des Geographen G. Mertins” (Anmerkung 128). Mit kruden Halbwahrheiten auf völ­lig unzureichender Daten- und Literaturbasis wird so an einem Bild gestrickt: “Umwelt­zerstörung wird nicht durch die Weltwirt­schaft…erzwungen, sondern sie ist das Resultat einer Mischung von Nonchalance, Unwissenheit, Korruption, de­struktiver Menta­lität, unzurei­chender Umweltpo­litik und ad­ministrativer Über­forderung.” (S.98) Das Strick­muster ist im­mer dasselbe: Die Karikatur ei­ner Analyse (“durch Weltwirt­schaft erzwungen”) wird zurecht zurückgewiesen, um sich dann dem fröhlichen Bad in den (zumeist traurigen) Phänomenen zu widmen. Hier erscheint das Buch selbst als eine Mischung von Nonchalance und Unwis­senheit.
3. Das Kapitel über Zivilge­sellschaft und Entwicklung ist mehr als schwach. Wer meint, nun hier irgendetwas von den sozialen Bewegungen Brasiliens zu erfahren, wird enttäuscht. Statt von dieser für das gesell­schaftliche Leben so fundamen­talen Entwicklung der Basisbe­wegungen, der Rekonstruktion authentischer Gewerkschaften, zu erfahren, müssen die LeserIn­nen das zum Ende des Buches immer ärgerliche werdende La­mentieren ertragen: “Man beob­achtet weiterhin einen verbreite­ten Verlust bzw. einen modi­schen Verfall der Ästhetik und einen Verfall der guten Sitten.” Ja, die drohten spätestens auf dieser Seite 102 auch dem Re­zensenten abhandenzukommen. Wie die sozialen Bewegungen fehlen auch Lula und die Arbei­terpartei (PT) völlig bei der Analyse des politischen Systems. Ah nein, nicht ganz, auf S.108 können plötzlich “radikale Kräfte” – eben die PT – eine Sammlung der politischen Kräfte in der Mitte stören.
Die List mit der falschen Karte
Das Buch ist schlecht. Daß man’s noch schlechter machen kann zeigt, so vermute ich, das Lektorat. Es fügt dem Buch eine Karte bei, in der die längst nicht mehr existierenden Territorien Amapá, Rondonia und Roraima fröhliche Urstände feiern, dafür aber der 1989 eingerichtete Bun­desstaat Tocantins fehlt. Die Quelle verweist auf das Jahr 1991! Oder war es eine List? Sollte die Qualität der Karte ein Hinweis auf die Qualität des Bu­ches sein?

Manfred Wöhlcke, Brasilien Diagnose einer Krise, Becksche Reihe, München 1994

“Brudervölker” im Krieg

Die auf den ersten Blick scheinbar so einleuchtende Erklärung für den Krieg, der seit Ende Januar in der Sierra del Condor an der Grenze zwischen beiden Ländern stattfand und mit der Unterzeich­nung einer Friedenserklärung in der brasi­lianischen Hauptstadt Brasilia zunächst ein Ende gefunden zu haben schien, läßt Fragen offen. Viele Indizien weisen dar­auf hin, daß diesmal die ecuatorianische Regierung größeres Interesse an einem bewaffneten Konflikt hatte, als ihr Gegen­über in Lima. Interessen, die weniger mit den umkämpften, abgelegenen, bewalde­ten Bergen, aber viel mehr mit innenpoli­tischen Schwierigkeiten, persönlichen Ambitionen und diplomatischem Kalkül zu tun haben.
Die Kommentare sind sich einig: Dieser Krieg war sinnlos. Seit 1992 war der pe­ruanische Präsident Alberto Fujimori dreimal in der ecuatorianischen Haupt­stadt Quito, um die Freundschaft zwischen den “Brudervölkern” zu beschwören, und die Bevölkerung Quitos jubelte ihm zu. Auch sind beide Länder Mitglieder des Andenpakts und wollen zum beiderseiti­gen Vorteil ihre wirtschaftlichen Bezie­hungen ausbauen. Sollte nun ein Grenz­konflikt das Verhältnis zwischen beiden Ländern vereisen, der seit Jahrzehnten bekannt ist, in dem aber abgesehen von gelegentlichen Scharmützeln längst ein friedlicher Status Quo bestand? Über Jahrzehnte hinweg beharrten beide Seiten auf ihren Auffassungen über den Grenz­verlauf. Aber im Moment stellt sich vor allem die Frage, warum es trotz jahrelan­ger Normalität von Zeit zu Zeit immer wieder zu bewaffneten Auseinanderset­zungen kommt, welche innenpolitischen Gründe jeweils für oder gegen die Insze­nierung eines solchen Konflikts sprechen und wer sich von einem Krieg außenpoli­tischen Nutzen verspricht.
Der Auslöser: ein Fluß zuviel
Der Grenzkonflikt zwischen Peru und Ecuador ist nicht neu. Seit der Existenz beider Staaten sind große Gebiete des Amazonastieflandes und die Grenzregion um das heute peruanische Tumbes an der Pazifikküste zwischen beiden Ländern umstritten. Seit 1942 dreht sich der Streit um das sogenannte Protokoll von Rio de Janeiro. Nach dem letzten Krieg 1941/42 zwischen Peru und Ecuador führten die Friedensverhandlungen zur Unterzeich­nung des damals von beiden Seiten aner­kannten Protokolls, in dem der Grenzver­lauf festgelegt wurde. Brasilien, Argenti­nien, Chile und die USA fungieren seitdem als Garanten des Protokolls, durch das Ecuador den größten Teil seines ama­zonischen Tieflands sowie die Stadt Tum­bes verlor.
Schwierig war die Einigung im Fall des umstrittenen rund 80 Kilometer langen Grenzabschnitts zwischen den Flüssen Rio Santiago und Rio Zamora, einer von Wald bedeckten, weitgehend unerschlossenen Re­gion. Schließlich akzeptierten damals beide Seiten den Schiedsspruch des Bra­silianers Bras Dias de Aguiar, der damit die “natürliche Grenze”, die Wasser­scheide zwischen den beiden Flüssen, zur Staatsgrenze machte. Das Problem be­stand darin, daß es nur im nördlichen Teil des Grenzabschnitts eine echte Wasser­scheide zwischen den beiden Flüssen gibt. Im größeren Teil der umstrittenen Region liegt zwischen dem zweifelsfrei ecuato­rianischen Rio Zamora und dem eindeutig peruanischen Rio Santiago nicht nur eine Bergkette, sondern noch ein weiteres Flußtal: der Rio Cenepa. Ecuador be­trachtete das Protokoll deshalb in dieser Region als undurchführbar, während Peru darauf bestand, daß sich das Tal des Rio Cenepa schon lange vor dem Krieg von 1941/42 eindeutig unter peruanischer Kon­trolle befand und daher die Bergkette zwischen Rio Zamora und Rio Cenepa die Grenze bilde.
Der Status Quo: nicht aufeinander schießen
Für die peruanische Seite war seit dem Protokoll von Rio de Janeiro klar, daß mit Ecuador überhaupt kein Grenzkonflikt be­steht. Der Vertrag sei eindeutig, völker­rechtlich gültig und von den vier Staaten garantiert, so die peruanische Auffassung. Ecuador dagegen rückte schon bald von dem Protokoll ab. Der Vertrag sei unter Druck zustande gekommen und deshalb nichtig, so die ecuatorianische Position seit Jahrzehnten, die Grenzfrage mit Peru sei damit nicht nur in der Sierra del Con­dor, sondern im gesamten Verlauf der Grenze bis nach Kolumbien offen. Es ist kein Zufall, daß auf allen ecuatorianischen Landkarten zum einen an der Sierra del Condor der Vermerk “Zone, in der das Protokoll von Rio de Janeiro undurch­führbar ist” und darüber hinaus das ge­samte nördliche Amazonasgebiet des heu­tigen Peru einschließlich der wichtigsten Stadt Iquitos als ecuatorianisches Territo­rium eingezeichnet ist. Keine Kleinigkeit, geht es doch nicht um 5 Kilometer mehr oder weniger, sondern um eine Fläche von 200.000 Quadratkilometer Regenwald mit Ölvorkommen und Zugang zu den Ama­zonashäfen, von denen aus der Weg über den Fluß durch Brasilien zum Atlantik geht.
Ansprüche sind eine Seite, die realen Machtverhältnisse eine andere, und die militärischen Fakten sprachen immer für Peru. Es war für Ecuador undenkbar, das verlorene Territorium durch einen Krieg zurückzuerobern. Ganz abgesehen davon, daß die Garantenstaaten deutlich machten, daß sie das Protokoll von Rio als gültig und das riesige Regenwaldgebiet somit als peruanisch betrachteten.
In der Sierra del Condor gibt es seit Jahren sowohl ecuatorianische als auch peruanische Grenzposten und Patrouillen. Beide Seiten gehen davon aus, auf ei­genem Territorium zu sein, und beide be­trachten die jeweils gegnerischen Pa­trouillen als Eindringlinge. Die Frage war damit nicht, wer böswilligerweise die Grenze überschreitet, sondern ob man sich entweder aus dem Wege geht oder einen Konflikt inszeniert. Oder anders gesagt: Wer einen Konflikt braucht, kann ihn ha­ben, denn so gut wie ständig befindet sich irgendeine Patrouille der jeweils anderen Seite auf dem vermeintlich eigenem Ter­ritorium. Die “Grenzverletzungen” des Gegners müssen nur dramatisch in der Öf­fentlichkeit als “Bedrohung der nationalen Sicherheit” dargestellt werden, und schon ist der Konflikt da.
Peru: Fujimori kann den Konflikt nicht brauchen
Das Interesse am Konflikt, so die ver­breitete Meinung, hatte aus innenpoliti­schen Gründen diesmal der peruanische Präsident Fujimori. Wahlen stehen kurz bevor, und bekanntermaßen ist die Mobi­lisierung nationaler Gefühle ein probates Mittel, um Popularität zu erlangen. Aber ein Blick auf die innenpolitische Lage in Peru und Ecuador läßt dieses Bild nicht ganz so eindeutig erscheinen.
Fujimori führt die Umfragen vor der Präsidentschaftswahl mit großem Vor­sprung vor seinen Konkurrenten an. Sollte er wirklich glauben, einen Krieg mit Ecuador nötig zu haben, um noch einmal Stimmen zu mobilisieren? Im Gegenteil, ein Krieg muß für ihn eher kontraproduk­tiv sein. Neben der wirtschaftlichen Stabi­lisierung ist es der gerade wiedergewon­nene Frieden, auf dem seine Popularität beruht. Peru im Jahre 1995 ist ein von dreizehn Jahren internen Krieges zwi­schen Staat und Guerilla ausgelaugtes Land, das seit zwei Jahren, mit dem Sieg Fujimoris über die Guerillabewegung Sendero Luminoso, wieder Hoffnung schöpft, eine friedliche Normalität aufzu­bauen. Ob man Alberto Fujimori für den geeigneten Präsidenten dafür hält oder nicht, die peruanische Bevölkerung steht jedenfalls genau deswegen mehrheitlich hinter ihm. Es kann deshalb nicht ver­wundern, daß von nationaler Begeisterung in Peru wenig zu spüren war, der Krieg war extrem unpopulär. Die seit Jahren von Fujimori beschworene Eingliederung in die internationale Staatengemeinschaft – konkret: Kreditwürdigkeit und Attraktivi­tät für Investitionen aus dem Ausland – litt stark unter dem Grenzkonflikt mit Ecua­dor. Investitionen fließen nur spärlich in Krisenregionen und von Krieg belastete Volkswirtschaften. Fujimori arbeitet ziel­gerichtet an seinem Projekt eines kapitali­stisch-modernen, von einem starken Prä­sidenten namens Fujimori regierten Lan­des. In dieser Situation einen Krieg mit Ecuador zu provozieren, hieße, den Erfolg dieses Projektes zu riskieren – und das an­gesichts eines auch ohne Krieg fast siche­ren Wahlsiegs. Fujimori müßte von sei­nem Gespür für die öffentliche Meinung verlassen worden sein, das ihn in den fünf Jahren seiner Amtszeit ausgezeichnet hat. Himzu kommt, daß ein von Fujimori in­szenierter Konflikt ein Wahlgeschenk für seine härtesten Konkurrenten wäre. Ex-UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuéllar verkörpert durch seine politische Vergangenheit geradezu die Option di­plomatischer Konfliktlösung. Fujimori hätte einen peinlich taktischen Fehler be­gangen.
Ecuador: Ein Präsident in Schwie­rigkeiten
Anders dagegen die Situation in Ecua­dor. Präsident Sixto Durán Ballén war in den letzten Monaten alles andere als po­pulär. Wirtschaftliche Probleme und Kor­ruptionsskandale nagen am Image des achtzigjährigen Präsidenten, der im No­vember ’94 sogar schon Gerüchte über seinen Tod dementieren mußte (siehe LN 247). Er hatte im Gegensatz zu Fujimori eine Popularitätsspritze dringend nötig. So sah die öffentliche Darstellung des Kon­fliktes in Ecuador auch völlig anders aus als in Peru. Während die peruanische Re­gierung sich zunächst bemühte, den Grenzkrieg intern zu einem drittrangigen Thema zu machen, fuhr das offizielle Ecuador schwere Geschütze auf. Flam­mende Reden über die nationale Ehre und die Verteidigung der Souveränität schufen ein aufgeheiztes und aggressives Klima, das in keinem Verhältnis zu der in der pe­ruanischen Öffentlichkeit abwartenden Skepsis stand.
Über die innenpolitische Schwäche der gegenwärtigen Regierung hinaus liegt es durchaus im Interesse der ecuatoriani­schen Außenpolitik, das Thema “Grenze zu Peru” am Kochen zu halten. Daß die Gebiete bis hin zum Amazonasufer perua­nisch sind, weiß in Quito jeder realistisch denkende Politiker. Die Geschichte des Krieges von 1941/42 und das Protokoll von Rio sind nicht zurückzudrehen. Aber in der Sierra del Condor läßt sich mit dem Argument der Undurchführbarkeit des Protokolls noch etwas herausholen. Um wichtige wirtschaftliche Interessen dürfte es dort zwar kaum gehen, bewegen sich die Informationen über Rohstoffvorkom­men doch vor allem auf der Ebene von Gerüchten und Spekulationen. Aber der ecuatorianische Präsident, der dem Land ein verloren geglaubtes Territorium zu­rückholt, wird als Held in die Geschichte eingehen. Eine attraktive Perspektive für Präsidenten jeder Couleur. Je bemitlei­denswerter Ecuador in der Rolle des Op­fers erschien, um so größer konnte die Chance sein, bei einem unabhängigen Schlichter Zugeständnisse zu erreichen. Es paßt ins Bild, daß die ecuatorianische Diplomatie nach Ausbruch des Krieges mit bemerkenswerter Inkonsequenz aus­gerechnet bei den vier Garantenstaaten intensiv antichambrierte, obwohl Ecuador das Protokoll insgesamt als ungültig be­trachtet. Dazu kam die dramatische War­nung des ecuatorianischen Präsidenten, es drohe ein Militärputsch, sollte das Land den Krieg verlieren. So unglaubwürdig diese Warnung angesichts der sicheren internationalen Isolierung eines Militärre­gimes auch ist, der Wink war deutlich: Fällt der Ausgang des Konfliktes nicht po­sitiv für Ecuador aus, droht Fürchterliches.
Nur nicht das Gesicht verlieren
Die erste öffentliche Klage darüber, fremde Truppen seien über die Grenze ge­kommen, kam von Ecuador. Dies und die jeweiligen innenpolitischen Verhältnisse in Peru und Ecuador legen die Vermutung nahe, daß das Interesse am Konflikt dies­mal mehr auf ecuatorianischer Seite lag als in Peru. Aber daraus ist kein Mythos von den Intrigen des perfiden Ecuador ge­gen das friedliche Peru abzuleiten. Die letzten Scharmützel genau in diesem Ab­schnitt der Grenze fanden vor drei Jahren im Januar 1992 statt. Damals, in einer Zeit, als Sendero Luminoso in Lima täg­lich bombte, hatte Fujimori durchaus Grund, von innenpolitischen Problemen abzulenken. Das taktische Spiel wird zum gegebenen Zeitpunkt von beiden Seiten betrieben.
Die Eigendynamik der Eskalation eines bewaffneten Konflikts wirkte – auf beiden Seiten. Die peruanische Seite ließ nicht lange darauf warten, ihrerseits das Ein­dringen ecuatorianischer Truppen in pe­ruanisches Gebiet bekannt zu geben. Und schon drehte sich die Spirale gegenseitiger Schuldzuweisungen. Keine Seite wollte das Gesicht verlieren. Besonders pikant war die Lage für Alberto Fujimori. Er steckte in einem Dilemma: Einerseits wollte er aus wahltaktischen Überlegun­gen den Krieg schnellstens beenden. Gleichzeitig mußte er aufpassen, denn so unpopulär der Konflikt in Peru auch war, würden seine Wahlchancen doch darunter leiden, erschiene der Ausgang des Krieges in der Wahrnehmung der peruanischen Öffentlichkeit als peinliche Niederlage. Wie der vorerst bestehende Waffenstill­stand und die Bekundung von Friedensab­sichten jedoch langfristig in eine stabile Lösung verwandelt werden sollen, steht vorerst in den Sternen.

Patriotische Parolen als Allheilmittel?

“Es sei wohl nicht sein Jahr gewesen”, hieß es im Rückblick auf das Jahr 1994 in der Tageszeitung El Comercio über den ecuatorianischen Staatspräsidenten Sixto Durán Ballén. Dieser hatte im vergange­nen Jahr durch Korruptionsaffären in sei­ner unmittelbaren Nähe und durch seine Ohnmacht gegenüber dem Kongreß stark an Ansehen verloren und wegen der so­zialen Konsequenzen seiner Modernisie­rungspolitik die letzten Sympathien im Volk einbüßen müssen. Darüber hinaus brachten die spontanen Alleingänge seines Vizepräsidenten Alberto Dahik die Frage nach der eigentlichen Macht immer wie­der in die Schlagzeilen.
Seit 1992 fährt Ecuador unter Präsident Sixto Durán Ballén als eines der letzten lateinamerikanischen Länder den Kurs ei­ner harten Strukturanpassung, die im ver­gangenen Jahr die ersten Erfolge zeigte: Senkung der Inflation von 70 auf 20 Pro­zent, Stabilisierung des Wechselkurses und eine Rekordhöhe der Währungs­re­ser­ven. Sie wurden aber ange­sichts der Liste der nach langem Hin und Her letztendlich doch nicht privatisierten Betriebe wenig ge­wür­digt. Neben der für 1995 ange­setz­ten Privatisierung der EMETEL, dem Be­reich der Telekommu­nikation, sorgten be­son­ders die geplante Privatisierung des IESS, des Instituts für Sozialversicherung, und der staatlichen Ölgesellschaft Petro­e­cua­dor für einigen Zündstoff.
Der IESS zog von öffentlichen Ange­stellten ein Zwangsbeitrag ein und finan­zierte so gewisse soziale Bereiche wie Krankenhäuser, die auch für die unteren Schichten zugänglich wären. In diesem Sinne ist das IESS wohl die einzige Insti­tution in Ecuador, in der sozial umverteilt wird. Der Staat schuldet dem IESS mehr als 500 Millionen US-Dollar, was dieses Thema zu einem der heikelsten für den 1983 ins Leben gerufenen CONAM, den Nationalen Rat zur Modernisierung des Staates, macht. Die Bevölkerung fürchtet, die Schulden könnten bei der Privatisie­rung “verloren” gehen, und fühlt sich um ihre Beiträge betrogen, so daß es auch bei Erwähnung dieses Themas zu Demonstra­tionen und Ankündigungen von Streiks kam.
Streiks gegen Streikverbot
Streiks der Lehrer, der Gewerkschaften, im Gesundheitswesen, der Telekom, der Justiz – die Liste der im vergangenen Jahr durchgeführten Streiks nimmt kein Ende. Streiks in allen Bereichen sind in Ecuador ein probates Mittel, seinen Unmut kund­zutun, gibt es doch sonst kaum Instru­mente der Opposition. Im Januar letzten Jahres zum Beispiel verbarrikadierten ver­schiedene Indígena-Organisationen als Reaktion auf das zum Jahresbeginn verab­schiedete “Agrarentwicklungsgesetz” zehn Tage lang sämtliche Hauptverkehrskno­tenpunkte des Landes und legten den ge­samten Verkehr lahm. Die Regierung ver­tritt die Ansicht, die ständigen Streiks seien ein Hauptgrund der schleppend ver­laufenden Modernisierung.
Vorgesehen ist ein Gesetz zur Eindäm­mung von Streiks, die “einen Großteil der Bevölkerung betreffen”; ausgeführt durch das Militär. Die Bevölkerung sieht ihr letztes Instrument des Protestes auf der Abschußliste und ihr Recht auf Mei­nungsäußerung vom Militär bedroht. Die Reaktion hätte kaum deutlicher sein kön­nen: Mitte Januar kündigte sich in Quito eine ganze Welle von Streiks an.
Sixto scheitert im Kongreß
Die versprochenen Verfassungsände­rungen, zu denen Ende August eine sehr umstrittene Volksbefragung stattgefunden hatte, scheiterten am Widerstand des Kongresses. Am 10. Januar lief ein 100-Tage-Ultimatum ab, das Durán Ballén selbst gesetzt hatte. In dieser Zeit wollte er seine 113 Gesetzentwürfe im Kongreß verabschieden, die er aufgrund eines er­stellten Meinungsbildes vorgestellt hatte. Eine weitere Volksumfrage ist nun für den 21. Mai angesetzt. Doch die Begeiste­rung hält sich in Grenzen, “das würde nur noch mehr Zeit und Geld kosten, und man habe doch wahrhaftig besseres zu tun.”
Neben Fragen zu den Blöcken Elektri­zität, dem Energiesektor und der Tele­kommunikation soll es vor allem um die Neustrukturierung des IESS und die Ver­änderung bestehender Gewerkschafts­strukturen gehen.
Moralunterricht statt soziale Ver­besserungen
Parallel zur Ankündigung einer neuen Volksbefragung und damit einer neuen moralischen Niederlage des Präsidenten vor dem Kongreß, sorgte ein Gesetzent­wurf, der Religionsunterricht als Pflicht­fach in den Schulen vorsieht, für große Aufregung unter den SchülerInnen und StudentInnen und entfachte eine grund­sätzliche Diskussion über das Bildungssy­stem in Ecuador. Erziehungsministerin Rosalía Arteaga mußte wie auch ihr Amtsvorgänger ihre Sachen packen, nachdem sie das von der katholischen Kirche initiierte Gesetz öffentlich verur­teilt hatte. Das sogenannte “Ley religiosa” erwies sich insofern als hochbrisant, als es die seit langem schwelende Unzufrieden­heit mit bestehenden Bildungseinrichtun­gen mit einem Schlag explodieren ließ. Der Gesetzentwurf sieht zwei Pflichtstun­den “Religion und Moral” pro Woche an allen Schulen vor, mit speziell dazu aus­gebildeten “MorallehrerInnen”. Es wird geschätzt, daß zwischen 5000 und 6800 neue LehrerInnen ausgebildet und einge­stellt werden müßten, um diesem An­spruch zu genügen.
In Ecuador gibt es rund vierhundert re­ligiöse Gruppierungen neben dem Katho­lizismus, so daß der Gesetzentwurf auch scharfen Attacken wegen Diskriminierung und indirektem Rassismus ausgesetzt war.
Die kirchlichen Schulen und Universi­täten besitzen in der Regel eine ganze Menge Geld, dazu kommen Schenkungen und nicht zuletzt die hohen Gebühren ihrer SchülerInnen und StudentInnen. So lassen die Padres der Katholischen Universität in Quito ein schickes Hochhaus nach dem anderen zur Erweiterung bereits bestehender Fakultä­ten bauen, während an der staatlichen Universität die Gebäude verkommen und es an den nötigsten Lehrmitteln fehlt.
Höhere Preise für den öffentlichen Transport
Anfang Januar diesen Jahres wurden dann die Preise für die Benutzung von öf­fentlichen Verkehrsmitteln von 150 auf 200 Sucres (etwa 7 Pf) heraufgesetzt. Das mag auf den ersten Blick nicht besonders viel erscheinen, war aber die dritte Erhö­hung der Fahrpreise innerhalb von drei Jahren von ursprünglich 50 Sucres, also um insgesamt 300 Prozent. Die schritt­weise Erhöhung – jedesmal angekündigt als die letzte – wechselte sich mit der ge­staffelten Erhöhung der Benzinpreise ab, die allein im letzten Jahr um 75 Prozent anstiegen. Ebenfalls bereits die dritte “letzte” Steigerung. Beides wirkt sich un­mittelbar auf die allgemeinen Lebenshal­tungskosten aus.
Heftige StudentInnenunruhen und ein Toter
So kam es dann in der zweiten Januar­woche während einiger Demonstrationen zu heftigen Ausschreitungen zwischen StudentInnen und der Polizei. Am fünften Tag aufeinanderfolgender Straßen­schlach­ten wurden mehrere StudentInnen wie auch Polizisten schwer verletzt. Der 16jährige Juan Carlos Luna Carillo erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Nach einem Wochenende der scheinbaren Ruhe ging es in der darauffolgenden Wo­che umso erbitterter weiter. Juan Carlos wurde feierlich beerdigt. Seine Mutter fordert, die Verantwortlichen zur Rechen­schaft zu ziehen, und der Abgeordnete Iván Rodríguez des Movimiento Popular Democrático versprach eine genaue Un­tersuchung der Vorfälle, worauf innerhalb der Polizei das im vergangenen Jahr viel­fach praktizierte Spiel der gegenseitigen Schuldzuweisungen von vorne losging.
Die StudentInnen streikten in einigen Teilen des Landes gemeinsam mit den Gewerkschaften, Indígenas und andere Campesinos in seltener Eintracht, vereint durch den gemeinsamen Protest gegen die Privatisierungsprogramme und somit ge­gen die Regierung. Als dann auch noch die staatliche Ölgesellschaft Petroecuador einen Generalstreik für den 26. Januar an­kündigte, um gegen das Vorhaben des neuen Energieministers Galo Abril an­zugehen, auch die erst vor wenigen Jahren verstaatlichte Petroecuador für private In­vestoren zu öffnen, drohte Ecuador der totale Kollaps.
Hinzu kommen immer neue Schrek­kensmeldungen aus der Küstenprovinz Guayas über Cholera-Erkrankungen und erste Tote, man befürchtet eine Epidemie. Auch in den Provinzen Manabí und Esme­raldas werden Erkrankungen gemeldet. Als ob es nicht schon genug wäre, wurden die Dörfer Calderón und Carapungo nörd­lich von Quito – im Gebiet des heftig dis­kutierten neuen Flughafens – am 13. Ja­nuar von einem mittleren Erdbeben heim­gesucht.
Wenn 1994 kein gutes Jahr gewesen sein soll, so läßt sich 1995 um seine Kata­strophen jedenfalls nicht lange bitten.
Wirtschaftliche Rolle des Militärs
Die Modernisierungsansätze des Präsi­denten – insbesondere die Pläne zur Ver­staatlichung der Ölgesellschaft Petroecua­dor – beobachtet das Militär mit größtem Mißtrauen. Bei Ölförderungen in den an ausländische Investoren vergebenen Ab­schnitten im Oriente erhalten die Militärs rund 30 Prozent der Gewinne. Sie stellen einen beträchtlichen Teil der Wirtschaft, unter anderem sind eine Fluggesellschaft und eine Bank in ihrem Besitz, sowie die Schürfungsrechte in dem von ihnen kon­trollierten ecuatorianischen Oriente. Die starke militärische Präsenz im gesamten ecuatorianischen Amazonastiefland wird offiziell durch die ungeklärte Grenzsitua­tion zum Nachbarn Peru gerechtfertigt. Die Militärs haben außerdem das Mono­pol zur Veröffentlichung von Landkarten und sind so Urheber des Festhaltens am Amazonaszugang – nicht zuletzt deshalb haben ecuatorianische Schulkinder eine ganz andere Silhouette ihres Landes im Kopf als die, die der internationalen Re­alität entspricht.
Verlagerung der innenpolitischen Spannungen an die Grenze
Bereits am 7. Januar schwirrten Ge­rüchte von Zusammenstößen an der ecuatorianisch-peruanischen Grenze durch die Presse, die Verteidigungsminister José Gallardo dementierte. Die erfolgten Trup­penbewegungen seien reine Übungen. Eine Woche später folgten dann die ersten Darstellungen der Zwischenfälle, die offi­zielle Version berichtete von einer vier­köpfigen peruanischen Patrouille, die am 9. Januar in – unbestritten – ecuatoriani­schem Territorium, nämlich im oberen Verlauf des Río Cenépa nördlich von Cueva de los Tayos, überrascht wurde. Sie wurde gefangengenommen und gemäß den zwischen Ecuador und Peru bestehen­den Vereinbarungen am nächsten Tag zu ihrem Bataillon zurückgebracht. Am Mittwoch sei erneut eine Gruppe von diesmal 11 peruanischen Soldaten in ihr Territorium eingedrungen, so der Vertei­digungsminister José Gallardo, wobei es zu ersten Toten kam.
In der Tat geht es in diesem nunmehr fast 150 Jahre andauernden Konflikt schon lange nicht mehr darum, den bis auf gelegentliche Scharmützel ansonsten friedlichen Status Quo in Frage zu stellen. Viel eher, ob es politisch opportun ist, einen Zwischenfall als “Bedrohung der nationalen Sicherheit” hochzuspielen.
Wäre dieser Konflikt vom ecuatoriani­schen Präsidenten Sixto Durán Ballén di­rekt oder indirekt inszeniert worden, so hätte dieser gut daran getan, schon auf die ersten Gerüchte und den ersten Zwischen­fall hin die Sache zur obersten Priorität zu machen. Statt dessen hielt er sich bedeckt, erst am 26. Januar, nach dem Abschuß eines peruanischen Helikopters, wird der nationale Notstand erklärt.
Das Protokoll von Rio: ein ecuato­ri­anisches Trauma
Ob Zufall oder nicht, der 26. Januar war der 53. Jahrestag der Unterzeichnung des Protokolls von Rio de Janeiro, ein trau­matischer Augenblick für das ecuatoriani­sche Nationalbewußtsein. In Geschichts­büchern unter der Bezeichnung “Das ter­ritoriale Desaster” aufgeführt, ist es ein Thema, das bis heute Bitterkeit und Fru­stration auslöst. Der Vertrag sei unter Druck zustande gekommen und somit un­gültig. Man fühlt sich ungerecht behandelt nicht nur vom “Bruderstaat Peru”, der mit Salamitaktik immer noch ein weite­ren Scheibchen vom ecuatorianischen Ge­biet abgeschnitten hat, sondern auch von den vier Garantiestaaten und der Weltöf­fentlichkeit insgesamt, die das 1942 unter­zeichnete Protokoll als rechtskräftig aner­kennt. Ecuador, der “Zwerg” unter den Andenstaaten, fühlte sich schon immer als “Verteilmasse” zwischen den beiden großen Nachbarn Peru und Kolumbien. Diese hatten im vergangenen Jahrhundert mehrere geheime Zusatzprotokolle über eine mögliche Aufteilung Ecuadors unter­einander abgeschlossen, so zumindest die offizielle ecuatorianische Geschichts­schreibung.
Die von Ecuador veröffentlichten Landkarten zeigen die 1942 an Peru verlo­renen Gebiete bis an den Amazonas. Der im Protokoll von Rio de Janeiro festge­legte Grenzverlauf ist zwar eindeutig markiert, bis auf die 80 km, um die es in den derzeitigen Auseinandersetzungen geht. Die eingezeichnete internationale Grenze verläuft aber jenseits des umstrit­tenen Gebiets. Besonders erbost ist man in Ecuador, daß Peru den in Artikel VI des Protokolls garantierten Zugang zum Amazonas die konkrete Ausführung ver­wehrt. “Ecuador ist, war und wird ein Amazonas-Staat sein”, heißt es auf vielen Schulheften direkt unter der ambivalent interpretierbaren Karte. Aus der Entdek­kung des Amazonas 1542 durch Kapitän Francisco de Orellana leitet die ecuato­rianische Geschichtsschreibung einen zu­sätzlichen Anspruch auf den Amazonas­zugang ab: “Den Titel des ersten Entdek­kers des Amazonas konnte Ecuador bis heute niemand streitig machen.”
Ecuador distanzierte sich 1960 von dem Vertrag, seither bestand ein mehr oder weniger friedlicher Status Quo. Daß die­ses Thema jedoch nichts an seiner Aktua­lität verloren hat, war bereits vor Aus­bruch des Krieges mit Peru deutlich. Der 1988-92 amtierende sozialdemokratische Präsident Rodrígo Borja setzte den Grenzkonflikt wieder ganz oben auf die Tagesordnung. Man wolle endlich eine dauerhafte und friedliche Lösung, signali­sierte er nach Lima. Fujimori kam dreimal nach Quito, um dieses heikle Thema an­zugehen. Aber der geplante Gegenbesuch Durán Balléns in Lima löste eine so kon­troverse Diskussion im Kongreß und in der Öffentlichkeit aus, daß der Besuch zweimal verschoben wurde und schließ­lich ganz vom Tisch war. Besonders sei­tens des Militärs und allen voran bei Ver­teidigungsminister José Gallardo herrschte die Meinung vor, Sixto würde durch einen Gegenbesuch in Lima bereits klein beigeben.
Rückendeckung für Durán Ballén
In dem Konflikt mit Peru war für Ecua­dors Präsidenten nicht vorauszusehen, daß er die Bevölkerung, die in allen Teilen des Landes zum Streik gegen ihn rüstete, und den Kongreß, der ihn mit Ablaufen des Ultimatums zur Ver­fassungsänderung gerade erneut auflaufen lassen hatte, auf seiner Seite haben würde. Und: Sixto ist alles andere als ein Drauf­gänger. Das von der Opposition gezeich­nete Bild eines gutmütigen Greises, der nicht mit­be­kommt, was um ihn herum vorgeht, hat sich schon mehrmals bestä­tigt. Sixto hat im übrigen seine erneute Kandidatur für die 1996 anstehenden Wahlen bereits dementiert, über eine Wiederwahl macht sich der 80jährige keinerlei Illusionen. Bei diesem so bri­santen Thema des Grenz­konflikts in der Öffentlichkeit als Ver­lierer zu erscheinen, sei es auch nur durch zu schnelles Einlen­ken, wäre politischer Selbstmord gewesen. Den Zu­spruch an­de­rer Staaten zu bekom­men scheint genauso un­wahrscheinlich wie dem bis an die Zähne bewaffneten Peru auch nur einen Quadratmeter Land zu entreißen. Außer­dem hätte es wahrhaf­tig bessere Zeit­punkte gegeben, den bis vor kurzer Zeit von einem internen Krieg aus­gelaugten Nach­barn anzugreifen.
Viel eher erschien Sixto Durán Ballén bemüht, den Konflikt mit dem Nachbarn so schnell wie möglich beizule­gen, ohne jedoch das Gesicht zu verlieren.
Das Militär in neuem Glanz
Anders hingegen das Militär, das seine Position behauptet und seine Daseinsbe­rechtigung erneuert hat. Das Feindbild Peru erstrahlte in neuem Glanz. Ecuador sah sich eindeutig in der Rolle des un­schuldigen Opfers innenpolitischer Span­nungen in Peru, nämlich der anstehenden Wahlen und Fujimoris eigenen “Grenz­strei­tigkeiten” mit Ex-Frau Susana. Fah­nen wurden geschwenkt, Bilder von Mäd­chen in knappen Röckchen, die den Soldaten an der Front zujubelten. Gegen­stimmen hatten in diesem Aufschrei des Patriotismus keine Chance. Eine kurzfri­stig angesetzte zusätzliche Kriegssteuer wurde sofort verabschiedet und so der im Haushaltsentwurf angesetzte Etat für das Militär entscheidend aufgebessert.
Mit der am 17. Februar in der brasilia­nischen Hauptstadt Brasilia unterzeichne­ten beiderseitigen Friedenserklärung schie­nen die konkreten Auseinanderset­zungen vorerst ein Ende zu haben. Jedoch bereits nach wenigen Tagen flammten die Feindseligkeiten und gegenseitigen Be­schuldigungen wieder auf, nachdem der Generalstab die vom ecuatorianischen Unterhändler unterzeichnete Waffenstill­standserklärung kurzerhand ablehnte. Die vier Vermittlerstaaten Argentinien, Brasi­lien, Chile und die USA, unter deren Mit­wirkung auch das 1942 unterzeichnete Protokoll zustande kam, stoppten vorerst die geplante Beobachtertruppe, die die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone in dem fraglichen Grenzabschnitt erwir­ken sollte. Die Organisation Amerikani­scher Staaten OAS erwägt inzwischen wirtschaftliche Sanktionen gegen die kriegsführenden Parteien, die Situation er­zeugt zunehmend Nervosität unter den anderen Staaten des Kontinents.

Schöne Frauen und sterbende Helden

Zwei Dinge sind im mexikanischen Film of­fenbar unverzichtbar: Eine wunderschöne Frau und ei­n/e ster­bende/r Pro­tagonistIn am Schluß. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls nach dem Genuß von fünf der insge­samt sieben cineastischen Werke aus dem mit­telamerikanischen Land auf, die im Rahmen des diesjährigen Berli­ner Film­festivals gezeigt wurden. Von beidem können es auch mal mehrere sein, aber ganz ohne geht es offenbar nicht. Re­alitätsnah erscheint das häu­fig, aber nicht immer auftauchende Motiv “Fluchtpunkt USA”. Das Sym­bol für den Traum vom besseren Le­ben. Und Sex­szenen finden, wenn sie in mexikanischen Filmen vor­kommen, fast immer auf (Schreib-)Tischen oder Stühlen statt, die sich bisweilen auch eher ma­gisch denn realistisch durch den Raum bewegen.
Verwunderliche Gasse
Um mit dem mexikanischen Wett­bewerbsfilm anzufangen, hier waren gleich alle genannten Elemente anzu­treffen. Ob gerade “El Callejón de los Milagros” (Die Gasse der Wunder) deshalb für den Wettstreit um den ‘Gol­denen Bären’ auserkoren wurde, weil darin eine ausgesprochen attrak­tive Darstellerin zum Einsatz kommt oder eine besonders tragische Haupt­person am Ende aus dem Leben schei­det, läßt sich nicht hin­reichend klären. Es han­delt sich jedenfalls um die auf Mexiko übertragene Verfilmung des gleich­namigen Romans des ägyp­tischen Literaturnobel­preisträgers Nagib Mahfuz, der Ende vergangenen Jah­res in seinem Heimatland nur knapp einen Anschlag fundamentalistischer Grup­pen überlebte. Wäh­rend das Original in den 40er Jahren in Kairo spielt, hat Regisseur Jorge Fons die Geschichte über das Schicksal der “einfachen” Leute” auf das moderne Mexiko über­tra­gen. Dabei ließen sich gewisse Un­gereimtheiten nicht vermeiden. Der Film besteht aus vier Teilen, wobei die ersten drei an ein und demselben Sonn­tagnachmittag in der ‘Gasse der Wunder’ in Me­xikos Altstadt ihren Aus­gang nehmen. Sie be­ginnen immer mit der derselben Szene eines Do­minospiels von vier recht wunder­lichen Gestalten und schildern die Ereignisse aus der Sicht der drei Hauptfiguren, wobei je­weils neue Aspekte hin­zugefügt werden.
Im Mittelpunkt der er­sten Episode steht Ru­tilio, der Besitzer der Bar in der ‘Wundergasse’, in der nicht nur re­gelmäßig Domino gespielt wird, son­dern wo sich auch die Nachbarschaft trifft. Unmittelbar nach seinem 30. Hochzeitstag entdeckt er ebenso plötz­lich wie unvermittelt ho­mosexuelle Gefühle, die er überraschend offen zu le­ben beginnt. Eine fami­liäre Katastro­phe bahnt sich an, der aufmüpfige Sohn wird verstoßen und landet schließlich im Wunderland USA. Auch wenn das Bemühen von Regisseur Fons löblich ist, sich dem im mexika­nischen Kino stiefmütterlich behan­delten Thema der Homosexualität ernsthaft zu nähern, wirkt dieser Ver­such doch sehr bemüht und in einer machistischen lateinamerikanischen Gesellschaft un­glaubwür­dig.
Der zweite Teil des Films dreht sich um Alma, jene im mexikanischen Film unvermeidliche Schönheit, die von der populären Se­riendarstellerin Salma Hayek gespielt wird. Sie ist hin- und hergerissen zwischen drei Män­ner­(stereotype)n: Da gibt es den ju­gendlichen Lieb­haber, den Friseur Abel, einen alternden lüsternen Laden­besitzer, auf den eigentlich ihre Mutter ein Auge geworfen hatte, und einen Zuhälter im schicken roten Sport­coupé, der Reichtum und ein anderes Leben verspricht. Abel zieht mit sei­nem ver­stoßenen Freund in die USA, um mit viel Geld zu­rückzukommen, der ältere Herr erliegt rechtzeitig vor der geplanten Hochzeit dem plötzli­chen Herztod und Alma landet nach an­fänglichem Zögern im Edelpuff. Die dritte Epi­sode schildert das Leben aus der Sicht der Haus­besitzerin Susanita, einer ältlichen Jung­fer, die sich regel­mäßig die Kar­ten legen läßt und in un­verkennbarer Torschluß­pa­nik den unheilbar klep­tomanischen Ange­stell­ten aus Rutilios Bar ehelicht.
Der vierte und letzte Aufzug führt die Schick­sale der Hauptfiguren schließlich zusammen. Abel und der Sohn Rutilios kehren aus den USA zurück – allerdings ohne den erhofften Reichtum – und das Schicksal nimmt un­weigerlich seinen Lauf. Der fast zweistündige Streifen lebt dabei von der Sympathie für die einzelnen Figu­ren, und das mit unverkennbarem sozialem Anspruch. Es ist auch ein Film über die trostlosen Aussichten der heranwachsenden Generation im NAFTA-Land Mexiko, ge­mischt mit der nötigen Dosis Romantik und ver­klärter Illusion. Das Potpourri von so unter­schiedlichen Schicksalen liefert dabei viel eher den Stoff, aus dem üb­licherweise Telenovelas gestrickt wer­den. Aus­gedehnt auf 25-30 halb­stün­dige Folgen hätte die “Gasse der Wunder” Mil­lionen Fernsehzuschauer in Lateinamerika in ihren Bann ziehen können, an­statt das Berlinale-Pub­likum mit recht trivialer Romantik zu trak­tieren. Dann hätte sich auch die Hauptdarstellerin Hayek die von mäßi­gem Erfolg gekrönten Versuche er­sparen können, zum Genre des Spiel­films zu wech­seln.
Los vuelcos del corazón
Dem komplexen Thema von Dog­matismus, Parteidis­ziplin und Gewissen widmet sich der Film des Dreh­buch­autors und Regisseurs Mitl Valdez aus dem Jahre 1993. Im Unterschied zu den meisten anderen me­xikanischen Filmen spielt die Geschichte in der Vergangenheit, mitten im Zweiten Weltkrieg irgendwo in Mexiko. Auf der Grundlage der Erzählung “Resurrección sin vida” (Auferstehung ohne Leben) von José Revueltas be­schreibt Valdez das Leben des Ro­manautors José An­telmo Cruz. Als po­li­tischer Aktivist verübte dieser Atten­tate auf US-amerikanische Waffen­transporte durch mexika­nisches Terri­torium, bis die Parteileitung nach dem Überfall des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion derartige Aktionen auf­grund der neu entstandenen Allianz zwischen Rußland und den USA um­gehend untersagt. José verliebt sich in die unvermeidliche attraktive Frau des Films und wird mit dem Wunsch kon­frontiert, aus der Parteiarbeit auszu­stei­gen. Da verlangt die Füh­rung eine Aktion, die nicht nur seine uneinge­schränkte Loyalität er­fordert, sondern den Ro­manautor in unüberwind­liche Gewissenskonflikte stößt.
Der einzige Ausweg liegt in der all­zeitig prä­senten und nie vollen Te­quila-Flasche. José findet bei der frustrierten Prostituierten Raquel Un­terschlupf und schreibt sich, sofern es der Al­koholspiegel ermöglicht, seine Probleme mit der Partei und ihren dog­matischen Vorstellungen von der hochgradig ge­schädigten Leber. Ein Selbstmordversuch wird von Raquel vereitelt, doch das Schicksal nimmt in Form ihres früherem Zuhälters, dem Drogenhändler Nerei­das, seinen un­auf­halt­samen Lauf.
Insgesamt ein gut ge­meinter, redli­cher und se­henswerter Film über ein wichtiges Thema, der allerdings einige Fragen offen läßt und um schwer nachvollziehbare Kon­struktionen of­fenbar nicht herumkommt. Die Ver­bindung zwischen dem aus dem Ge­fängnis aus­gebrochenen Drogenhändler und Zuhälter und der Hauptfigur José entsteht gänzlich un­vermittelt und wirkt künstlich. Eine Ne­benhandlung, die aus allzu sichtbaren dra­ma­turgi­schen Gründen in das Dreh­buch ein­gearbeitet wurde. Unglücklich er­scheint die deutsche Übersetzung des Film­ti­tels. Zwar ist ‘Herz­flimmern’ eine denk­bare Todesursache im alkoholi­sierten Zustand, aber José stirbt of­fensichtlich nicht daran, sondern an einer Kugel im Bauch. Und das nicht mit dem Leben vereinbare ‘Kammerflim­mern’ ist ja ohnehin nicht gemeint, so daß entweder ‘Überschläge des Herzens’ oder aber auch ‘Herz­stiche’ zutreffender wäre, sofern auf der wörtlichen Übertragung des Titels bestanden wird.
Hasta morir
Bei diesem Film von Fernando Sa­riña, der ebenso wie die folgenden auf der Suche nach hie­sigen Verleihern auf dem Film-Markt gezeigt wurden, ent­hält bereits der Titel unübersehbare Hinweise auf das typisch mexikanische Ende. Zwei Kindheits­freunde, die ir­gendwann ihre Blutsbrüderschaft besiegelt hatten, treffen sich wieder, nachdem der ältere in Tijuana an der US-Grenze die Grundzüge des krimi­nellen Handels und Überlebens gelernt hatte. Mit kleinen Über­fällen wollen sie Geld zusammenbekommen, um ih­ren großen Coup, die Entführung eines Ge­schäftsmanns in Tijuana, ausführen zu können. Mit dem Lösegeld wollen sie sich in Los Angeles ein schönes Leben machen. Durch einen Affekt des Jüngeren wird bei einem Überfall auf einen Su­permarkt ein Wachmann er­schossen, er muß aus der Stadt flie­hen und zieht nach Tijuana. Dort er­fährt er Dinge, die ihn an der Zuver­lässigkeit sei­nes älteren Bluts­bruders zweifeln lassen. Dieser er­liegt wäh­renddessen bei dem Versuch, sich als sein Intimfreund auszuge­ben und so an ein Erbe heranzukommen, dem Charme von dessen Cousine, des un­vermeidlichen wunderschönen Ge­schöpfs. Die Gefühle zu ihr ver­mögen es nicht nur, den als Unterlage beim Sex benutzten Stuhl gar wun­derlich durch die Wohnung zu bewegen, son­dern läu­tern ihn derart, daß er seine kriminellen Pläne begräbt. In den Au­gen seines Freundes ist das der letzte Beweis dafür, daß er verraten wurde. Das Ende ist nicht schwer zu erraten, wenn auch durch einige dramaturgi­sche Tricks recht spannend ge­staltet. Ein mäßig un­terhaltsamer Film, ir­gendwo im Niemandsland zwischen spanischem Pun­donor-Roman, Action-Story und Geschichte über die Gene­ration X.
Dos crímenes
Zwei Verbrechen kündigt der Titel dieses Streifens von Regisseur Roberto Sneider an, der Verfilmung des gleich­namigen Romans von Jorge Ibarguen Goita. Deren vier sind jedoch im Ver­lauf der 107 Minuten zu beobachten. Zwei davon zeichnen sich allerdings dadurch aus, daß die Hauptfigur Marcos fälsch­licherweise als Täter ver­dächtigt wird. Nach einem Überfall auf die staatliche Behörde, in der er ar­beitet und ohne es zu wissen an der Aktion teilnimmt, kann er in letzter Sekunde fliehen, getrennt von seiner Ehe­frau. Die bei ihnen zu Hause ver­sammelten Freunde werden verhaftet und in den Massenmedien als Terrori­sten vorge­führt. Marcos flieht zu ei­nem wohlhabenden Onkel aufs Land, der von drei seiner Cousins in kaum kaschierter erbschlei­cherischer De­votheit um­garnt wird. Alle sehen in Marcos einen Konkurrenten, so daß er zunächst von allen geschnitten wird. Nur der halbseitig ge­lähmte Onkel sel­ber fin­det Gefallen an seinem neu auf­getauchten Neffen und gibt ihm trotz aller Skepsis Geld für ein fingiertes Minenprojekt. Derweil verliebt sich Marcos in eine ebenfalls im Hause le­bende Nichte, eine wunderbar geheim­nisvolle und kindliche Schönheit. Vor­übergehend landet er bei deren Mutter – ausnahmsweise nicht auf dem Tisch, sondern im Bett. Vollends zwischen den Stühlen sitzt er, als seine Ehefrau unverhofft auftaucht. Trotz der Kom­plikationen wohl der Traum eines je­den Machos! Plötzlich stirbt der rei­che Onkel, die Arsen­vergiftung ist nicht zu ka­schieren. Wieder wird Marcos des Mordes be­zichtigt. Es folgt ein heillo­ses Durcheinander, das in einem großen Fa­mi­lienpicknick seinen Hö­he­punkt findet. Denn hier gibt es noch einmal Mord­versuche und den tra­gi­schen Tod einer Haupt­darstellerin. Insgesamt ein phasen­weise witzig in­szenierter Film mit reich­lich Situationsko­mik, schönen Bildern, ei­nem Schuß Realsatire und Gesell­schaftskri­tik, also gute, wenn auch nicht be­son­ders anspruchsvolle Unterhaltung.
Jonás y la ballena rosada
Eher ärgerlich weil verworren und unklar ist der Streifen ‘Jonas und der rosa Wal’ von Juan Carlos Valdivia, dem fraglos der Preis für das sexi­stischste Filmplakat zugestanden hätte, sofern es ihn gäbe. Die Ge­schichte spielt in Boli­vien Mitte der 80er Jahre. Im Mittelpunkt steht, wie sollte es an­ders sein, eine ausgesprochen at­traktive junge Frau, deren wohlgeformten Körper der/ die ZuschauerIn nicht nur auf dem Werbeplakat, son­dern auch in vielen Szenen bewundern darf. Sie ist die Schwägerin von Jonás und verliebt sich in ihn, als er sich in einem skurril ausgestatteten Kellerraum im Haus der Verwandtschaft seiner Ehefrau ein Fotolabor einrichtet. Dort werden nicht nur unschuldige Fo­tos von der Schönen ver­größert und zu einem Ab­bild in Originalgröße montiert, sondern der einzige Stuhl muß das eine oder andere Mal für Sex­szenen herhalten. Und plötz­lich kippt zunächst der Stuhl und dann das Gan­ze, völlig unmotiviert tritt die Drogenmafia auf den Plan. Was in Bolivien zwar nicht so unge­wöhn­lich, aus dem Drehbuch jedoch nicht nachvoll­ziehbar ist. Der Zu­schauerin oder dem Zu­schauer bleibt zudem völ­lig unver­ständlich, warum sich die Schwägerin mit dem Sohn des örtlichen Drogenbosses li­iert, ihr Vater nach anfänglichem Sträuben ge­mein­same Sache mit ihm macht und Jo­nás ziemlich blöd aus der Wäsche guckt. Bei diesen chaotischen und unmoti­vierten Ver­strickungen bleibt nur die Lösung à la me­xicaine: Diesmal macht’s eine Über­dosis Kokain.

“El callejón de los milagros”
Mexiko 1994, 140 Min, Regie: Jorge Fons
“Los vuelcos del corazón”
Mexiko 1993, 130 Min, Regie: Mitl Valdez
“Hasta morir”
Mexiko 1994, 100 Min., Regie: Fernando Sariñara
“Dos crímines”
Mexiko 1994, 107 Min, Regie: Roberto Sneider
“Jonás y la ballena rosada”
Mexiko 1994, 94 Min, Regie: Juan Carlos Valdivia

Die Suche nach den verschwundenen Kindern

Die Flugzeuge kamen kurz nach Son­nenaufgang. Zum Auftakt der später als “Mai-Massaker” in die blutige Geschichte des salvadorianischen Bürgerkrieges ein­gegangenen Militäroperation bombar­dierten Maschinen der Luftwaffe am Morgen des 28. Mai 1982 mehrere Dörfer im Norden der Provinz Chalatenango. Dut­zende BewohnerInnen starben schon bei diesen ersten Angriffen. Die übrigen – Campesinos und ihre Frauen, Alte, Kinder – packten schnell ein paar Habseligkeiten und verließen ihre brennenden Hütten.
Obwohl sie in Chalatenango eine ihrer Hochburgen hatte, war die Rebellenbewe­gung FMLN damals militärisch zu schwach, um die Bevölkerung wirksam zu schützen. Mehr als tausend Soldaten der Vierten Infanteriebrigade sowie der Elite-Bataillone “Atlacatl” und “Ramón Bel­loso” setzten den fliehenden Menschen über den Sumpul-Fluß nach und kesselten sie zwei Tage später auf einem Hügel nahe der Ortschaft Santa Anita ein. Sämt­liche Männer wurden ohne weitere Um­stände erschossen, die Frauen und Kinder in einem Bachbett zusam­mengetrieben. Über Funk forderten Offiziere einen Hub­schrauber an.
Unter den Eingeschlossenen befanden sich auch die damals 19jährige María Magdalena Ramos und ihr sechs Monate alter Sohn Héctor Aníbal. Die Frau erin­nert sich, wie die Soldaten begannen, die schreienden Kinder aus den Armen der Mütter zu reißen und in den wartenden Helikopter zu verfrachten. “Wir wurden mit Gewehrkolben gestoßen und geschla­gen. Mir drehte ein Uniformierter den Arm so fest auf den Rücken, daß er brach, und stieß mich mit einem Fußtritt zu Bo­den.”
Kinder für die Regierung
Trotzdem rappelte sich María Magda­lena Ramos noch einmal auf und rannte zum Hubschrauber, in dem Hector Aníbal und “mindestens fünf­zig” andere Mädchen und Jungen übereinander gestapelt lagen. “Eure Kinder werden zukünftig der Regie­rung gehören”, hatte ein Soldat gebrüllt und sie an­schließend mit dem Gewehr auf den Kopf geschlagen. Die Frau verlor das Bewußtsein. Als sie am nächsten Morgen aus ihrer Ohnmacht erwachte, waren die Truppen abgezogen. “Um mich he­rum”, sagt sie, “lagen hunderte von To­ten.” Mit den wenigen Überlebenden des Massakers floh María Magdalena Ramos nach Honduras, wo sie die nächsten Jahre eingesperrt in einem Flüchtlingslager ver­brachte. Erst 1988 kehrte sie nach El Sal­vador zurück.
Die Suche nach den verschwunden Kindern verlief zunächst ergebnis­los. Die Behörden hätten ihr und anderen Müttern jede Auskunft ver­weigert, Offiziere sie mehrfach aus den Kasernen gejagt, be­richtet Frau Ramos. Das zuständige Be­zirksgericht in Chalatenango-Stadt drohte mit einer Klage wegen Verleumdung. Erst die allmähliche poli­tische Öffnung in El Salvador seit Abschluß des Friedensab­kommens im Januar 1992 ermöglichte ge­nauere Nachforschungen.
“Den ersten Hinweis, daß Héctor Aní­bal Ramos und einige andere der während des ‘Mai-Massakers’ geraubten Kinder in salva­dorianischen SOS-Kinderdörfern le­ben, erhielten wir vom Roten Kreuz”, er­zählt der Jesuiten-Pater Jon Cortina. Ge­meinsam mit ande­ren Geistlichen und ei­nigen RechtsanwältInnen hat Cortina im vergangenen September die Organisation “Asociación Pro-Busqueda de los Niños Desaparecidos” gegründet, die den Eltern bei den Recherchen und Behördengängen behilflich ist. Mitarbeite­rinnen des Roten Kreuzes hätten sich er­innert, wie ihnen Militärs im Sommer 1982 mehrere Dut­zend Kinder übergaben. Sie seien von ih­ren Eltern verlassen und von den Soldaten in Guerilla-Lagern auf­gefunden wor­den, habe der kommandie­rende Offizier damals mitge­teilt. Das Rote Kreuz brachte die Jungen und Mädchen in den SOS-Kinder­dörfern in El Salvador unter.
Leiterin der vier salvadorianischen SOS-Horte ist María de García, die haupt­beruflich als Chefsekretärin in der Deut­schen Botschaft ar­beitet. Eine Bitte der Gruppe um Jon Cortina, den in einem SOS-Heim in der Stadt Santa Tecla unter dem Namen “Juan Carlos” lebenden mut­maßlichen Sohn von María Magdalena Ramos besuchen zu dürfen, lehnte die Leiterin der Kinderdörfer zunächst ab. “So weit wir wissen, wurde Juán Carlos im Alter von ungefähr einem Jahr zu uns ge­bracht”, teilte de García in einem Fax mit, um dann die Behauptungen des Militärs zu wiederholen: “Er befand sich damals in Begleitung von anderen Kindern, die alle in einem Guerilla-Lager von ihren Eltern verlassen worden waren.”
Mütter identifizieren ihre
Töchter und Söhne
Anfang Oktober veröffentlichte die “Asociación Pro-Búsqueda de los Niños Desaparecidos” in der größten Tageszei­tung des Landes, der “Prensa Gráfica”, eine Anzeige, in der nach dem Verbleib von achtzig namentlich genannten Kin­dern gefragt wurde, die das Militär allein in Chalatenango entführt hatte. Andere Medien wie der ehemalige FMLN-Unter­grundsender “Radio Farabundo Martí” griffen das Thema auf, und das SOS-Kin­derdorf stimmte daraufhin einer Gegen­überstellung der “Jugendlichen ungeklär­ter Herkunft” mit ihren wahrscheinlichen Eltern zu. Das von der UN-Beobachter­mission in El Salvador (ONUSAL) und Mitgliedern der sogenannten “Wahrheits-Kommission” – ein Zusammenschluß un­abhängiger Persönlichkeiten zur Untersu­chung von Kriegsverbrechen und Men­schenrechtsverletzungen während der achtziger Jahre – vermittelte Treffen fand drei Wochen später in der Gemeinde Guarjila in Chalatenango statt. Mehrere Mütter identifizierten dabei ihre Söhne und Töchter. Auch María Magdalena Ra­mos war sich ganz si­cher, in “Juan Carlos” ihr eigenes Kind wiedererkannt zu haben. Doch die Kinderdorf-Leitung glaubte der Mutter nicht. “Das war für mich fast ge­nauso schmerzhaft wie der Moment, als die Soldaten mir das Baby wegnahmen”, sagt Frau Ramos.
Durch Blut- und Genanalysen haben US-amerikanische Wissenschaftler jetzt die Identität des angeblichen Waisenkin­des fest­stellen können. Nach den Worten von Dr. Eric Stover, dem Leiter der in Bo­ston ansäs­sigen Organisation “Ärzte für Menschenrechte” (Physicians for Human Rights), besteht an dem Verwandt­schaftsverhältnis zwischen “Juan Carlos” und María Magdalena Ramos “überhaupt kein Zweifel”. Das kom­plizierte Verfah­ren, bei dem zen­trale Bausteine des Erbin­formationsträgers Desoxyribonukleinsäure (DNS) aus wei­ßen Blutkörperchen der untersuchten Per­sonen extrahiert und mit­einander vergli­chen werden, sei “zu 99,81 Prozent” si­cher und werde weltweit von Gerichten als Beweismittel anerkannt. Die Wissen­schaftler hatten die der Mutter und dem Sohn kurz vor Weihnachten ent­nommenen Blutproben in die USA ge­schickt. In ei­nem Laboratorium in Chi­cago wurden sie von dem Erbforscher Dr. Charles Strom ausgewer­tet.
Kinderhandel im Auftrag
der Regierung?
Doch längst nicht alle der im Krieg ge­waltsam entführten Kinder – Jon Cortina schätzt die Zahl insgesamt auf “weit über 200” – befin­den sich noch im Land. Der Pater will von “zahlreichen Fällen” wis­sen, in denen die Jugendlichen bei Adop­tiveltern in Europa wohnen. Allein in Frankreich seien es mehr als fünfzig. Ein Mitglied der “Asociación Pro-Busqueda de los Ninos” habe Ende vergangenen mehrere betroffene Jugendliche in der Nähe von Paris besucht. “Ihnen geht es gut, ihre Adoptiveltern lieben sie, aber sie haben ein Anrecht dar­auf, zu erfahren, wer ihre richtigen Eltern sind.” Andere im Kleinkindalter geraubte Mädchen und Jungen leben nach Cortinas Informationen in England und Italien.
Ungeklärt ist derzeit noch, ob das Mi­litär die Kinder seinerzeit auf eigene Rechnung entführte und später zu verkau­fen versuchte oder im Auftrag der Regie­rung handelte. Die Rechtsanwältin Mirna Perla Anaya will jedenfalls “nicht aus­schließen”, daß sich die salvadorianische Militärführung und Regierungsbehörden damals “bewußt und gezielt am Kinder­handel beteiligt und dabei viel Geld ver­dient haben.” Beweisen läßt sich das bis­lang allerdings nicht. Doch scheint zu­mindest si­cher, daß die zuständigen Mini­sterien für Inneres und Äußeres bei den damaligen Adoptionsverfahren Unterlagen manipuliert haben müs­sen. Einer Adop­tion, zumal durch ausländische Paare, ha­ben auch nach salvadorianischem Gesetz die leiblichen Eltern zuzustimmen. Eine solche Zustimmung hat es jedoch in kei­nem der betreffenden Fälle ge­geben. Des­halb, so Mirna Perla Anaya, “wurden die notwendigen Bescheinigungen entweder gefälscht, oder aber die Regierung hat wahrheitswidrig behauptet, daß die Väter und Mütter gar nicht mehr leben.”
Das vom ehemaligen Präsidenten Al­fredo Cristiani und der rechtsextremen Regierungspartei ARENA kurz nach Frie­densschluß durchgedrückte Amnestiege­setz, das vor allem Offiziere der Regie­rungsarmee und der Polizeieinheiten vor einer Strafverfolgung wegen Menschen­rechtsverletzungen schützt, gilt nicht für die Beteiligung an Entfüh­rungen. Frau Anaya ist deshalb zuver­sichtlich, daß der Kindesraub “irgendwann nicht nur aufge­klärt, son­dern auch straf­rechtlich geahndet wird.”
Um weitere Fälle dokumentieren zu können, erwartet die Rechtsanwältin von den SOS-Kinderdörfern in El Salvador mehr Entgegenkommen. Doch dazu be­steht wenig Bereitschaft. “Juan Carlos” wurde bis auf weiteres nur ein weiteres Treffen mit seiner “angeblichen” Mutter erlaubt. Man fühle sich, erklärte María de García, in dieser Angelegenheit von Me­dien und Men­schenrechtsgruppen “gewaltig unter Druck ge­setzt.” Dabei seien die SOS-Kinderdör­fer “eine unpoli­tische Einrichtung, die nur das Wohl der uns anvertrau­ten Kinder im Auge hat.”
Dabei wird von den betroffenen Müt­tern und Vätern gar nicht angezwei­felt, daß ihre Kinder in der Einrichtung den Umständen entsprechend gut ver­sorgt worden sind. “Man soll uns nur die Kon­taktaufnahme mit unseren Söhnen und Töchtern erlauben”, bittet María Magda­lena Ramos. “Ich verlange ja auch nicht, daß Héctor Aníbal für immer zu mir zu­rückkehrt. Ich möchte ihn nur ab und zu besuchen dürfen, vielleicht einmal im Monat. Wenn er das überhaupt will.”

Mexiko nach dem Kollaps

Das “Wirtschaftswunder” Mexikos schien die neoliberale Doktrin des Inter­na­tio­nalen Währungsfonds (IWF) und Welt­bank endlich einmal in der Praxis zu be­stä­tigen. Privatisierungen, Subventions- und Sozialabbau wurden seit Jahren mit ei­ner Konsolidierung der Wirtschaft und traum­haften Wachstumsraten belohnt. Die seit 65 Jahren regierende Staatspartei PRI ga­rantierte die Durchsetzung dieser neuen Po­litik. Der Bevölkerung wurde verspro­chen, daß die Oberschicht reicher würde, um die Massenarmut effektiver be­kämp­fen zu können. Wo der Regierung den­noch die Folgschaft versagt blieb, ver­hiel­fen ihr Wahlbetrug und Repression zur Le­gitimation, zuletzt in Chiapas.
Boom auf Pump
Wie wenig ausgereift die in den acht­zi­ger Jahren durch die Strukturanpas­sungs­programme des Internationalen Wäh­rungs­fonds (IWF) eingeleitete Wachs­tums­politik war, zeigt jetzt die Krise. Sie er­innert an einen zweiten Auf­guß von al­ten Fehlern. Denn der “Boom” lebte auf Pump. Die Modernisierung der Wirtschaft wurde durch Auslandskredite und eine maßlose Überbewertung des Pesos fi­nan­ziert. Was die Binnenindustrie ruinierte, war dem NAFTA-Partner im Norden ge­ra­de recht: Die mexikanischen Ex­port­pro­duk­te waren überteuert und we­nig kon­kur­renz­fähig, Importe aus den USA dagegen künst­lich verbilligt und ab­setzbar. Die re­sul­tierenden Importüber­schüsse Mexikos lie­ßen das Leistungsbi­lanzdefizit be­droh­lich anschwellen und konnten nur durch Kredite bezahlt werden. Kreditgeber war der Exporteur USA selbst, zu lukrativen Zin­sen selbst­verständlich: Mexiko muß al­lein in die­sem Jahr kurzfristige Schulden in Höhe von 28 Milliarden bedienen, zu Zins­sätzen um 40 Prozent.
Der IWF und die Weltbank wollten die wachsenden Probleme ihres “Mu­ster­lan­des” nicht registrieren. So platzte die Il­lu­sion vom neoliberalen Ent­wicklungsweg über Nacht wie eine Sei­fenblase: Nach­dem die Stützung des über­bewerteten Pesos die Devisenreserven Mexikos zum Jahres­ende ganz zu ver­schlingen drohte, zog die Regierung die Notbremse und gab am 20. Dezember den Wechselkurs frei. Der Peso stürzte in den Keller und wurde in einem Tag um 40 Prozent abgewertet, um in Folge weiter an Wert zu verlieren. Die AuslandsanlegerInnen von mexi­ka­ni­schen Wertpapieren verloren auf einen Schlag 10 Milliarden. US-Dollar, und der darauf fol­gende Rückzug von Investitionen ma­chte den 10. Januar 1995 zum “schwarzen Diens­tag” des Kontinents: Die Börsen von Mexiko bis Buenos Aires verzeichneten extreme Kurseinbrüche. Mexiko stand vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Gewitter­wol­ken über den internationalen Finanz­märk­ten verhießen Sturm. Erst als Präsi­dent Clinton am nächsten Tag sein Schatz­amt anwies, alles zu unternehmen, um “diese kurzfristige Finanzkrise” bei­zu­le­gen, war das weitere Vorgehen sowie die ent­sprechende Sprachregelung geklärt. Schnelle Stützungskredite des IWF und der Bank für internationalen Zah­lungs­aus­gleich (BIZ) von 18 Milliar­den US-Dollar ver­hinderten den Zusam­menbruch des mexi­kanischen Wirtschafts­systems. Das Ge­spenst der Krise wurde kurzerhand ein­ge­kauft und als Normalität gehandelt. Ein am 21. Februar verab­schiedetes Hilfspaket der USA in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar soll Mexiko nun endgültig aus der Fi­nanzkrise helfen. Bislang jedoch ohne Erfolg. Der Peso verlor am nächsten Tag flugs wieder an Wert. Ein Dollar kostete 6,2 Pesos, satte 35 Centavos mehr als am Vortag.
Neuauflage gescheiterter Konzepte
An Mexikos Rückkehr in die Wirklich­keit ist nicht überraschend, daß, sondern wie sie stattfand. Schon einmal mußte das Land seine Zahlungsunfähigkeit und da­mit das Scheitern einer entwicklungspoli­ti­schen Strategie verkünden: Nachdem das Kon­zept der Importsubstituierenden Indu­stri­alisierung (ISI), das auf eine Abkopp­lung vom Weltmarkt und eine Binnenin­du­strialisierung setzte, zu Beginn der sieb­ziger Jahre in die Stagnation mündete, orien­tierten sich die neuen als “cepalismo” be­kannten Konzepte an einer Grundbe­dürf­nisbefriedigung und keynesianischen Lenkungsmechanismen. Um die Stagna­tion zu überwinden, wurde der Aufbau ein­heimischen Gewerbes und sozialer Sek­toren gefördert. Im bescheidenen Maße konnten die krassen Einkommens­un­terschiede auf dem Kontinent verringert werden. Dabei wurde bei den Umstruktu­rierungen ebenfalls auf eine Finanzierung durch Auslandskredite und die Überwer­tung der Landeswährungen gesetzt. Als aber die Schuldenlast die Länder zu er­drücken begann und 1982 eine mit der jetz­tigen vergleichbare Finanzkrise auslö­ste, war dies gleichzeitig eine Krise der Strategie: Bedürfnis- und nachfrageorien­tierte Entwicklungstheorien galten als von der Realität widerlegt.
Für die Überwindung der Krise wurde die Abkehr von den eigenen Entwick­lungsideen verlangt: Vorbereitet durch die berüchtigten Struktur­an­passungs­maßnah­men des IWF mußte sich Lateinamerika dem Weltmarkt öffnen. Die Neu­orien­tier­ung endete in den achtziger Jahren mit ei­ner sozialen Polari­sierung und einer existenziellen Ver­schlechterung der Le­bens­verhältnisse. Nach Angaben einer Stu­die der staatlichen Hilfsorganisation Pro­nasol (Programma nacional de soli­dari­dad) lebte 1990 “die Hälfte der Mexi­kanerInnen (42 Millionen) in Armut und 18 Millionen litten unter den Bedingungen extremer Armut”. Über den Beitritt zur NAFTA versuchte das Schwellenland Mexi­ko, sich an den rei­chen Norden an­zu­kop­peln. Die erfolgrei­che Modernisierung der Exportsektoren, ein kontinuierliches Wirt­schaftswachstum sowie die gelungene Be­kämpfung der In­flation und ein aus­geglichener Staatshaus­halt übermalten das Aus­einanderklaffen der Ein­kommens­sche­re und verhießen als letzte Hoffnung, daß die wirtschaftliche Stabilität letztendlich auch den Massen zugute kommen wird. Erst im August wurde die mexikanische Re­gierung durch Wahlen bestätigt, als sie der Bevölkerung “wachsenden Wohlstand je­des einzelnen und seiner Familie” versprach.
Katerstimmung
Seitdem diese Hoffnung verpuffte, zeichnet eine nüchterne Bestandsauf­nah­me ein düsteres Bild von der Hoch­burg neo­liberaler Entwicklung: Die Be­völ­ker­ung ist verarmt, die einheimische Bin­nen­in­dustrie chronisch geschwächt, das Wirt­schafts­wachstum wird in diesem Jahr gegen Null tendieren, die Verschul­dung ist massiv gestiegen und von einer makro­öko­nomischen Stabilität redet nie­mand mehr.
Doch was vor zwölf Jahren zum Para­digmen- und Systemwechsel führte, ist heu­te nur ein “Sommergewitter”. Statt um­zudenken, ist eine neuerliche Struktur­an­passung angesagt: Mexiko mußte für die Milliardenhilfe mit einem beschleu­nig­ten Privatisierungsprogramm bürgen, das rasch auf die strategisch wichtigen Staats­monopole der Eisenbahnen/Häfen und der Telekommunikation ausgeweitet wird. International wird die Krise herun­ter­gespielt. Die Erfolge der auf den Welt­markt ausgerichteten wirtschaftlichen An­pas­sung Mexikos sollen nicht infrage ge­stellt werden. Die erworbene Konkurrenz­fähig­keit auf dem Weltmarkt ist jetzt durch die Peso-Abwertung noch größer ge­worden, denn sie degradiert Mexiko noch stärker zum Billiglohnland.
Krisengewinnler
NutznießerInnen dieser Abwertung sit­zen auch vor unserer Haustür: Während Deutsche und Dresdner Bank noch über die Höhe ihrer Kredithilfen an Mexiko ver­handelten, äußerten sich deutsche Un­ter­nehmen in der FAZ “sehr gelassen, und se­hen auch die möglichen Chancen der Ab­wertung”. Und das Handelsblatt ver­weist darauf, daß “industrienahe Krei­se…ihren lokalen Zulieferern Härte zeigen wol­len” und abwertungsbedingte Preis­erhöhungen ablehnen. Nicht nur die mexi­kanische Arbeiterschaft muß um die Kauf­kraft ihrer Löhne fürchten: Auch auf den ein­heimischen Mittelstand sollen die teureren Dollar-Importe abgewälzt wer­den.
Somit stehen die VerliererInnen der Krise schon fest. Der neoliberale Traum, den Kuchen solange wachsen zu lassen, bis für jeden mehr als Krümel übrigblei­ben, wird jetzt zum Alptraum.
Die hochschnellende Teuerungsrate über­springt Existenzgrenzen: Dort, wo es um das blanke Überleben geht, können die erwarteten vier Prozent weniger Konsum tödlich sein. Und von einem Staat, der sich verpflichtet hat, seine Ausgaben in diesem Jahr um ein Viertel zu reduzieren, ist wenig Hilfe zu erwarten.
Die Arbeiterschaft, die schon vorher deutlich niedrigere Reallöhne als 1980 er­hielt, muß jetzt weitere Einbußen hinneh­men. Von den Milliardenkrediten, die zwecks Umschuldung gleich bei den Gläu­bigern bleiben, wird sie nur wenig spüren.
Auch das einheimische Kleingewerbe und der Mittelstand geraten unter massi­ven Druck. Die aus dem Ausland heran­rol­lende Kostenwelle können nicht alle ver­kraften. Viele der kleinen und mittel­stän­dischen Betriebe, die 80 Prozent der ländlichen Arbeitskraft Mexikos beschäf­ti­gen, stehen vor dem Aus. Eine Kre­dit­auf­nahme bei realen Zinssätzen von rund 24 Prozent lassen jede Investition zum exis­tenziellen Wagnis werden. Ohne In­ve­stitionen droht jedoch der Verlust an Kon­kur­renzfähigkeit. Die Gefahr der Zah­lungsunfähigkeit steigt in beiden Fäl­len, ob zu hohe Ausgaben oder zu geringe Einnahmen: Beide erhöhen das Konkurs­riskiko – der Ruin droht.
Der “pacto social”, die mexikanische Va­riante von Sozialpartnerschaft, ist jetzt vor seine größte Belastungsprobe gestellt. Denn Mexiko nähert sich einer sozialen Ka­tastrophe und /oder einer politischen Explosion.

Ein Feldzug auf Wall Streets Geheiß?

Die Chase Bank gibt sich nicht der Illu­sion hin, daß die ZapatistInnen die allei­nige Ursache für den Peso-Crash vom De­zember sind. Der Zusammenbruch der mexikanischen Wirtschaft wurde durch die Überbewertung des Pesos verursacht, und dies hatte es US-InvestorInnen – wie z.B. der Chase Bank selbst – ermöglicht, mexikanische Schatzbriefe totzuspekulie­ren und dann in sichere US-Dollars anzu­legen.
Ein Jahr NAFTA – Wall Street ist verschnupft
Die gesamte US-Finanz und das Lager der PolitstrategInnen befürchten jetzt, daß eine von dem Neuling Ernesto Zedillo ge­führte mexikanische Regierung – anders als der alte Vertraute Washingtons, Ex-Präsident Carlos Salinas – ins Wanken ge­raten wird, im Konflikt mit den Zapatistas Zeit gewinnen will und versuchen wird, die Unzufriedenen im Lande zu besänfti­gen. Aber jede Art von Beschwichti­gungspolitik gegenüber einer schäumen­den Öffentlichkeit wird den InvestorInnen sicherlich nicht gefallen. Die ökonomi­sche Sicherheit, die ihnen gewährt wurde, war ein Eckpfeiler der NAFTA-Vereinba­rungen.
Für die Regierung besteht die Notwen­digkeit, mit Subcommandante Marcos und seinen GenossInnen Schluß zu machen. Die Chase Bank drückt dies so aus: “Während unserer Meinung nach Chiapas keine fundamentale Bedrohung der politi­schen Stabilität in Mexiko darstellt, wird es als eben solche von einer Vielzahl von InvestorInnen wahrgenommen”.
Die Option einer Lösung des Chiapas-Konfliktes am Verhandlungstisch wird von der Chase Bank heruntergespielt: “Es ist schwer vorstellbar, daß die gegenwär­tigen Umstände eine friedliche Lösung zulassen würden”. Zedillo wird nicht in der Lage sein, das Vertrauen der Zapa­tistInnen und ihrer AnhängerInnen zu er­langen, da “die Währungskrise alle ver­fügbaren Ressourcen für ökonomische und soziale Reformen begrenzt”. Mit an­deren Worten: Die ausländischen Investo­rInnen haben ein Vorrecht auf die schwin­denden Reserven der mexikanischen Staatskasse; für die Anti-Armut Pro­gramme, die Zedillo für Chiapas verspro­chen hatte, bleibt dann nichts mehr übrig.
Riordan Roett – ein Mann sieht Krieg
Autor des Memos, das aus der Markter­schließungsabteilung der Chase Bank stammt, ist ihr Berater Riordan Roett. Als ehemaliger Leiter der Lateinamerika-Stu­dien an der John Hopkins School of Ad­vanced International Studies, ist er beur­laubt. Roett soll besonders verbittert über die Vorfälle südlich des Rio Grande ge­wesen sein: hatte er doch leitenden Be­amten der Chase Bank versichert, daß auf Zedillo – seinem langjährigen Ge­sprächs­part­ner – Verlaß sei, wenn es um die In­teressen der ausländischen Inve­storInnen gehe. Beruhigt hatte die Chase Bank dar­aufhin ihre Investitionen in Me­xiko er­höht. Als ein riesiges Handelsdefi­zit Ze­dillo zwang, den Peso abzuwerten, er­wischte es die Chase eiskalt.
Eine harte Gangart der mexikanischen Regierung fordert Roett auch bei anderen Schwierigkeiten, die dieser Regierung ins Haus stehen. Bei den in fünf Bundesstaa­ten für dieses Jahr vorgese­henen Wahlen hat die in Mexiko regie­rende PRI nur dü­stere Aussichten. Roett schlägt vor, die PRI solle sich Wahler­folge auf anderem Wege sichern. “Die Regierung Zedillo muß sorgfältig prüfen, ob sie von der Op­position fair an den Ur­nen erzielte Wahl­siege zuläßt oder nicht.” Weiter schreibt er: “Korrekt erzielte Wahlerfolge der Op­position nicht anzuer­kennen, wäre ein ernsthafter Rückschlag in Zedillos Strate­gie der Wahlrechtsre­form. Ein Verlust der PRI-Kontrolle würde aber das Risiko ei­ner Spaltung der Partei in sich bergen.”
Roett hat in Washington an allen Lobby-Fäden gezogen, um Unterstützung für seine Politik der “verbrannten Erde” in Mexiko zu erhalten. Er forderte den Kon­greß auf, Clintons 40 Milliarden Spritze aus Geldern der Chase Bank und anderen InvestorInnen schnellstens zu bewilligen. Clinton selbst griff angesichts einer siche­ren Niederlage im Kongreß zur Präsidial­macht und drückte sein Paket ge­gen den Willen des Kongresses durch.
Roett’s Strategie ist die des Lobbyisten: Er versorgte Bob Dole, den einflußreichen Sprecher der Republikaner im Senat mit ausgewählten Informationen, sprach vor dem Richtlinienausschuß des Senats und er beriet Beamte des Außenministeriums. Am 11. Januar 1995 sprach er vor mehre­ren hundert Führungskräften aus Politik und Wirtschaft auf einem vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) organisierten Seminar.
Ein Seminar wird zum Fanfarenstoß
Bei dieser Gelegenheit soll Roett am Rande der Hysterie gewesen sein. Kunden würden ihn permanent fragen – so Roett -, warum die mexikanische Regierung die ZapatistInnen nicht unter Kontrolle be­kommt. Roett meinte, aus der Sicht der InvestorInnen sei es wichtig, das Thema Chiapas so schnell wie möglich abzuha­ken. Er räumte dabei ein, sein Aufruf zum Krieg, sollte Zedillo sich danach richten, könne negative internationale Auswirkun­gen haben. Aber bei kühnen Taten fielen immer politische Kosten an.
Die Ausführungen von Roett fanden geneigte ZuhörerInnen. Die Kolumnistin Georgie Anne Geyer schrieb wenige Tage später in einem Artikel: “Niemand auf diesem Seminar hat die mexikanische Si­tuation besser erklärt als Roett.” Die an­wesenden Fachleute und Finanzmanager­Innen – so die Kolumnistin – schienen sich einig, daß die ZapatistInnen zwar nicht für eine breite Revolte in ganz Mexiko stün­den, sie aber der entscheidende Indikator, der Lack­mustest für die Stabilität in Mexiko seien.
Dalal Baer, der Moderator der Veran­staltung, dankte Roett für seine Ausfüh­rungen und beklagte das “mexikanische Dilemma” zutiefst. Die mexikanische Re­gierung stehe unter dem Druck, daß politi­sche System öffnen zu müssen. Die Fi­nanzmärkte reagierten auf eine solche Zu­nahme der Demokratie nicht unbedingt positiv, da diese oft auch eine Zunahme an Instabilität nach sich ziehe, so Baer.
Auf dem Seminar forderte David Mal­pass, Direktor eines großen Finanzunter­nehmens, von Zedillo im Austausch für die von der US-Regierung organisierte Milliardenhilfe, eine Beruhigung der aus­ländischen InvestorInnen durch eine “gigantische Wiederherstellung des Ver­trauens”. So schlugen Malpass und andere zum Beispiel weitere Privatisierungen vor, AusländerInnen sollten auch zu 100 Pro­zent Banken besitzen dürfen. Die Öffnung der mexikanischen Ölindustrie war ein weiterer Vorschlag.
Zedillo und die Mehrheit der PRI lehn­ten die “finale” Lösung des Riordan Roett zu diesem Zeitpunkt offiziell noch ab. Ein Beamter des mexikanischen Innenministe­riums, der auch am Seminar teilnahm, be­zeichnete den Kriegsaufruf Roetts als “nicht statthaft”.
Aber mexikanischen Finanzlobbyisten dürfte es bei Roett’s Analyse wahrschein­lich warm ums Herz geworden sein. Denn am 18.Dezember des vergangenen Jahres hatten sich schon mexikanische Ge­schäftsleute mit Zedillo getroffen, um von der neuen Regierung eine Offensive in Chiapas zu fordern.

Originaltitel: “Major U.S. Bank Urges Zapatista Wipe-Out: ‘A Litmus Test for Mexico’s Stability’, in:”Counterpunch”, Vol. 2. Nr. 3 vom 1. Februar 1995.

Memo der Chase Manhattan’s Emerging Markets Group

Zusammenfassung:
Die größte Bedrohung für die politische Stabilität Mexikos ist unseres Erachtens nach die augenblickliche Finanzkrise. So- lange die Regierung von Staatspräsident Ernesto Zedillo nicht geeignete Maßnah­men ergreift, den Peso zu stabilisieren und eine unkon­trollierte Inflation zu vermei­den, wird es fast unmöglich sein, sich Themen wie Chiapas oder der Justiz- und Wahlreform zu widmen. Eine Verlänge­rung der Krise mit ihren ne­gativen Aus­wirkungen auf den allgemeinen Lebens­standard wird vielmehr Arbeitskämpfe und soziale Unzufriedenheit provozieren.
Die Regierung Zedillo
Als Zedillo am 1. Dezember 1994 das Amt des mexikanischen Präsidenten an­trat, schien dies ein neues Kapitel auf dem Weg zur Modernisierung der mexikani­schen Poli­tik einzuläuten… Der neue Prä­sident forderte eine Reform des Justiz- und Wahlrecht und eine friedliche Lösung des ein Jahr alten Aufstandes im südlichen Bundesstaat Chiapas. Er betonte, wie wichtig die Transparenz von Regierungs­geschäften und die Erziehung und Ausbil­dung der mexikanischen Bevölkerung sei. Zedillos Kabinett, das sich aus den­selben Kreisen zusammensetzt wie das seines Vorgängers Salinas de Gortari, vermittelte den Eindruck von Kompetenz und Enga­gement… ( Chronologie der Peso-Krise) … Nur wenn die Regierung erfolgreich den Peso stabilisiert, ein sprunghaftes Anstei­gen der In­flation verhindert und das Vertrauen der Investoren zurückgewinnt, wird es unserer Mei­nung nach für Zedillo möglich sein, sich der Agenda von Re­formen zu widmen, die er am 1. Dezem­ber aufgestellt hatte. Es gibt drei Felder auf denen die augenblickliche Wäh­rungskrise die politische Stabilität in Mexiko untergraben kann. Das erste ist Chiapas, das zweite sind die kommenden Wahlen in den Bundesstaaten und das dritte die Gewerk­schaften, ihr Verhältnis zur Regierung und zur PRI.
1. Chiapas
Der Aufstand im südlichen Bundesstaat Chiapas ist jetzt ein Jahr alt und offen­sichtlich ist man noch immer keiner Lö­sung näher gekommen … Zwar neigt Ze­dillo zu einer fried­lichen Lösung des Patts in Chiapas auf dem diplomatischen Weg, aber es ist schwer vor­stellbar, daß die au­genblicklichen Umstände eine friedliche Lösung zulassen. Mehr noch: je mehr die Währungskrise die Regierung in ihren Vorhaben sozio-ökonomischer Refor­men beschränkt, desto schwieriger wird es für sie werden, breite Unterstützung für ihre Vorhaben in Chiapas zu gewinnen. Noch wichtiger: Marcos und seine Anhänger könnten beschließen, die Regierung mit einem Anstieg lokal begrenzter, gewalttä­tiger Aktionen in Verlegenheit zu bringen und die Regierung zu zwingen, den zapa­tistischen Forderungen nachzugeben, die eine politische Niederlage, die sie völlig bloßstellen würde mit, sich brächte.
Die Alternative ist eine militärische Offensive zur Niederschlagung des Auf­stands. Das hätte einen internationalen Auf­schrei zur Folge: Protest gegen den Einsatz von Gewalt und die Unter­drückung indígener Rechte. Wäh­rend un­serer Meinung nach Chiapas keine funda­men­tale Bedrohung der politischen Sta­bi­li­tät in Mexiko darstellt, wird es als eben so­lche von einer Vielzahl von Inve­storen wahr­genommen.
Die Regierung wird die Zapatisten aus­schal­ten (eliminate) müssen, um zu de­mon­strie­ren, wie wirksam ihre Kon­trolle über nationales Territorium und na­tionale Sicherheit ist.
2. Wahlen in den Bundesstaaten
Präsident Zedillo bekannte sich in sei­ner Ansprache zur Amtseinführung noch einmal zur Öffnung des parlamentarischen Systems auch für Oppositionsparteien. Das war in den vergangenen Jahren eines der Hauptthemen zwischen der PRI-domi­nierten Regierung ei­nerseits und der PAN und der PRD andererseits. Der konserva­tive Flügel der PRI bezog gegen eine po­litische Liberalisierung Position, während der Flügel um Zedillo die Öff­nung als un­vermeidlich und auch gerechtfertigt be­trachtete. Die augenblickliche Wäh­rungskrise wirft die Frage auf, ob Zedillo und die Reformer die Stärke haben wer­den, die Ergebnisse der Wahlen von 1995 zu respektieren. Die Konservativen wer­den behaupten, die Krise rechtfertige eine Fortsetzung der Einparteienherrschaft, selbst wenn dies nur durch Wahlbetrug möglich sei. Die Opposition, die ohnehin die Wahlsiege der PRI gene­rell anzwei­felt, … wird ermutigt werden, dies weiter zu tun. Zedillo wird vor einer schwierigen Situation stehen: Er muß die Konservati­ven seiner eigenen Partei neutralisie­ren und gleichzeitig sein Bekenntnis auf­rechterhalten, die Opposition auch gewin­nen zu lassen, wenn sie das legitim getan hat…
Die Regierung Zedillo muß sorgfältig prüfen, ob sie von der Opposition fair an den Urnen erzielte Wahlsiege zuläßt oder nicht.
Korrekt erzielte Wahlerfolge der Oppo­sition nicht anzuerkennen, wäre zwar ein ernst­hafter Rückschlag in Zedillos Strate­gie der Wahlrechtsreform. Ein Verlust der PRI-Kon­trolle würde aber das Risiko ei­ner Spaltung der Partei in sich bergen.
Wir glauben, daß die Fähigkeit der Re­gierung Zedillo, die inhärenten Konflikte in der Agenda der Wahlen von 1995 zu lösen, letztendlich entscheidend sein wird. Nämlich, ob es der Regierung gelingt, ihr Versprechen zu halten, die mexikanische Politik zu liberali­sieren.
3. Die Arbeiterbewegung
Die Arbeiterbewegung war über Jahr­zehnte das Rückgrat der PRI. Die Bereit­schaft der Arbeiterführung sich nach der PRI zu richten, war ein fundamentaler Be­standteil der Stabilität in Mexiko seit den 30er Jahren. Die augenblickliche Wäh­rungskrise droht diese Unterstützung we­gen den negativen Auswirkungen auf Le­bensstandard und Löhne zu unterlaufen. Der Wertverfall des Peso macht sich für den durchschnittlichen mexikani­schen Arbeiter schon beim Erwerb der Güter für den alltäglichen Bedarf heftig bemerkbar …Die starken, strukturellen Ver­knüpfungen zwischen Regierung und Ge­werk­schaften haben sich in den letzten Jahren abgeschwächt. Die Regierung hat zwar noch Einfluß, aber keine völlige Kon­trolle mehr. Wenn sich die Krise fort­setzen sollte, wären zwei Op­tionen für die Regierung denkbar: 1. sie weist die Forde­rung der Arbeiter nach mehr Lohn zurück – mit der Möglichkeit von Demonstratio­nen oder 2. sie gibt den Forderungen der Arbeiter nach und verschärft damit die ökonomische Krisensituation.
Schlußfolgerungen
Die mexikanische Währungskrise hat das Bekenntnis der Regierung Zedillos zu einer neuen Welle von Reformen überschattet – Reformen, die politische Verhandlungen zur Lösung der Chiapas-Krise und die Garantie fairer Wahlen auf Bundesstaats- und Ge­meindeebene ein­schlossen. Offen bleibt, ob die mexikani­sche Arbeiterklasse eine länger anhaltende Periode von Lohnverlust und sinkendem Lebensstandard akzeptieren wird. Diese sozialen und politischen Fragen, die für den Präsidenten eine hohe Priorität haben, werden unvermeidlich zurückgestellt wer­den, solange bis die ökonomische Situa­tion ge­klärt ist. Solange die Regierung Zedillos unfähig ist, den Peso zu stabili­sieren und Infla­tion zu vermeiden, läuft sie Gefahr mit sozialen und politischen Unruhen konfrontiert zu werden.

…und wieder herrscht Krieg

4./5. Februar 1995:
Treffen von ca. 2500 VertreterInnen linksgerichteter Bewegungen zum “Dritten Nationalen Demokratischen Kon­vent” in Querétaro/ Mittelmexiko. Es wur­de der Beschluß gefaßt, die Or­ganisa­ti­onsstrukturen der PRD zu nutzen, um durch deren Parteibasis eine “Nationale Be­freiungsbe­wegung” zu bilden, die einer po­litischen Opposi­tionsbewegung gleich­kommt, aber nicht den Status einer Partei hat. Die Forderungen nach einer Über­gangsregierung und der Abschaffung der PRI als Staatspartei wurden nochmals be­kräftigt.
8. Februar:
Razzien der Polizei in Mexiko-Stadt und Veracruz. Dabei wurden zwei Waf­fenarsenale entdeckt, die laut offiziellen Angaben Granatwaffen, Maschinen­gewehre, Handgranaten und Sprengstoff beinhalteten, laut inoffiziellen nur fünfzehn Waffen verschie­denen Kalibers und zwei Pistolen.
Verhaftungen mehrerer vermeintlicher Guerilla-FührerInnen, darunter Subcom­mandante Elisa, welche das Geheimnis des Subkommandante Marcos und anderer FührerInnen preisgegeben hätte. Elisa er­klärte später, sie sei unter Drohungen ge­zwungen worden, ein vorgefertigtes Ge­ständnis zu unter­schreiben.
9. Februar:
Fernsehansprache Zedil­los, in der die Polizei angewiesen wurde, fünf führende Personen der EZLN festzunehmen, unter ihnen Marcos, dessen Name Rafael Seba­stian Guillén Vicente sein soll.
Beginnende Offensive des Militärs ge­gen die Za­patisten; in einem Kom­munique wiederholen die Zapatisten ihr Dialogan­gebot.
10. Februar:
Etwa 2500 Soldaten der mexikanischen Armee mar­schieren in die von Za­patisten kontrollierten Gebiete ein, unterstützt durch hunderte Mili­tärfahrzeuge und Luft­einheiten. Ungefähr zwölf Orte wer­den durch Pan­zereinheiten besetzt.
Die Zapatisten zogen sich erstmal in unzu­gängliches Gebiet zurück, hunderte von Indígenas flohen aus Angst vor den Regierungstruppen.
11. Februar:
Massendemonstrationen in Mexiko-Stadt. An der größten, auf dem Zócalo, nahmen über 100 000 Per­sonen teil. Unter der Pa­role: “Wir sind alle Mar­cos”, for­derten sie ein sofortiges Ende des Krie­ges, die Freilassung aller bisherigen Gefange­nen und eine friedliche Lösung des chia­panekischen Konfliktes.
Bisherige Opfer seien offiziell ein ge­töteter ranghoher Soldat und ein Offizier des Regie­rungsheeres.
12. Februar:
Nach Angaben der EZLN wurden zwei Dörfer, Mo­relia und Las Guarrachas von vier Kampfhub­schrau­bern bombardiert. Die mexikanischen Behörden bestritten dies, gaben aber trotzdem durch das In­nenministerium bekannt, daß alle wichti­gen Po­sitionen in Chiapas wie­dererobert seien. Mili­tärsprecher sprachen von schweren Gefechten und einigen Toten auf beiden Seiten.
Währenddessen fanden Gouverneurs- und Kommu­nalwahlen im Bundesstaat Jalisco statt, bei denen die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) die meisten Stimmen verbuchen konnte.
13. Februar:
Subcommandante Marcos meldet sich zurück und bestreitet die Enttarnung sei­ner Person durch die Regierung. Er be­hauptet, nicht Rafael Sebastian Guillén Vicente zu sein.
Inzwischen sind Tausende von Indí­genas auf der Flucht: Nationale Men­schenrechtskommissionen klagen schwere Verstöße gegen die Menschenrechte von seiten der Militärs an, es ist von Folterun­gen, Vergewaltigungen und Erschießun­gen die Rede.
Die guatemaltekische Armee verstärkt ihre Truppen auf 8000 Soldaten an der Grenze zu Chiapas, um Flüchtlingen die Ein­reise zu versperren.
14. Februar:
Der chiapanekische Gou­verneur Eduardo Robledo tritt zurück, formal bat er den Kongress um zeitweilige “Freistel­lung”. Zur selben Zeit verkündet Präsident Zedillo vor Vertretern von Indí­gena-Organisationen, daß es keine weite­ren Offensiven gegen die za­patistischen Gebiete mehr geben würde, sondern das Militär nur noch mit Pa­trouillen gegen Gewalt­taten eingesetzt würde.
16. Februar:
Amnesty international veröffentlicht eine Er­klärung, in der der me­xikanischen Armee schwere Vorwürfe wegen Men­schen­rechtsverletzungen gemacht werden. Mehrere dutzend Menschen seien will­kür­lich verhaftet und ge­foltert worden, ei­nige wären vermißt.
19. Februar:
Die dritte Großkundge­bung in einer Woche findet diesmal vor dem National­palast in Mexiko-Stadt statt. Wieder neh­men mehr als 100 000 Menschen daran teil. Verhandlungslösungen und der Rück­zug der Bun­desarmee werden gefordert.
Während der vergangenen Tage befin­den sich immer mehr Menschen aus chia­panekischen Dörfern auf der Flucht (siehe aus­führlichen Artikel in dieser Ausgabe), die zu­rückgelassenen Dörfer gleichen Geisterorten.
Die Zapatisten fordern ebenfalls den Rückzug der Bundesarmee, als Grund­vor­aussetzung für den Dialog.

Exodus in der Selva Lacandona

Die BewohnerInnen von Morelia, ei­nem Dorf unmittelbar hinter der letzten Militärsperre, wurden von einem Angriff im Morgengrauen überrascht. Alle 1300 BewohnerInnen und dort arbeitende Ärzte und LehrerInnen flohen vor den vorrük­kenden Panzern. Ohne ausreichende Klei­dung und nicht genügenden Nahrungs­mitteln versuchten sie Schutz vor den Bomben und MP-Salven in den Bergen zu suchen.
Die Erinnerungen an den Überfall der Bundesarmee am 7. Januar 1994 sind noch präsent. Damals sind EinwohnerIn­nen gefoltert und verschleppt worden, ein Dorfmitglied ist seitdem verschwunden.
Um das nackte Leben zu retten verstek­ken sich inzwischen über 6000 Menschen in den Wäldern. Ohne Kleidung und Dek­ken, der Kälte ausgeliefert, ohne Nah­rungsmittel, durch Unterernährung ge­schwächt und durch verschmutztes Was­ser erkrankt, harren sie aus, eingeschüch­tert durch Tiefflüge der Luftwaffe. Ihre Dörfer wurden von den Armeen geplün­dert, die Schule und Bibliothek in Morelia abgebrannt. In Lazare Cardenas, einem anderen Dorf aus dem die Menschen flo­hen, blieben drei Menschen zurück, die drei Tage von der Armee gefesselt und ohne Nahrung verhört wurden.
Unter den Flüchtlingen grassieren Durchfallerkrankungen, Tuberkulose, Fie­ber und Cholera. Medizinische Versor­gung gibt es nicht.
In der Nähe von Guadalupe Tepeyac sind ebenfalls nur noch verwaiste, von der Armee besetzte Orte zu finden. Das Dorf ist am 9. Februar von 2300 Fall­schirm­jägern überfallen worden. Die Dörfer sind von der Armee zu Festungen ausgebaut worden. In Morelia sind Inzwi­schen 800 Sol­daten mit Panzern vor Ort.
Die Flüchtlinge rufen in einem Appell zu sofortigen internationalen Hilfsmaßnah­men auf. Die Offensive geht weiter. Allen Versprechungen zum trotz rückt die Ar­mee, vor allem mit Panzereinheiten, weiter vor. Die EZLN soll in Kämpfe ver­wickelt werden. Bisher hat sie ihre Trup­pen allerdings angewiesen, diese zu ver­mei­den und sich zurückzuziehen.
Insgesamt liegen 2700 Haftbefehle ge­gen vermeintliche Zapatisten vor.

“Wir schaffen eine neue Realität”

In dieser Zone, in der die Zapatistische Befrei­ungsarmee EZLN militärisch nicht präsent ist, haben Campesino-Organisa­tionen ver­schiedenster politischer Rich­tungen zahlreiche Län­dereien von Groß­grundbesitzern besetzt, um dem histori­schen Ruf der landlosen Bauern nach Grund und Boden Gel­tung zu verschaffen. Eine dieser Organisatio­nen ist die “Unión de Campesinos y Po­pular Francisco Villa”, die in 14 Gemein­den der Region Fraylesca aktiv ist. Trotz mehrerer be­waffneter Räumungsversuche durch von Großgrundbesitzern aufgestellte Söldner­truppen sogenannte Guardias Blancas befinden sich weiterhin 9 Fincas unter Kontrolle der Villisten. Als erstem interna­tionalen Jour­nalisten wurde mir am 1. Februar 1995 ein Besuch der seit dem 4. August letzten Jah­res besetzten Finca Liquidambar gestattet.
“Wir sind keine Guerilla, sondern eine Campesino-Organisation, die einen unbe­waffneten Kampf für ein menschenwürdi­ges Leben auf eigenem Land führt”, er­klärte Eduardo, Füh­rungsmitglied der UCPFV auf unserem Rundgang auf der Finca. “Vielleicht werden wir ökonomisch nicht besser leben, aber in Würde. Sie nannten uns dreckige Indianer. Mit diesen Beleidi­gungen ist jetzt Schluß.” Unser er­ster Weg führt uns in das Verwaltungsge­bäude, wo ich auf Relikte bekannter und vermeintlich vergangener Zeiten treffe: Eine Wehrmachtsurkunde an der Wand, eine Bismarckbüste auf dem Schrank. Im Bücherregal entdecke ich neben “Die Schlacht von Stalingrad” und Berichten über das “Schicksal der 6. Armee” auch ein Werk des US-amerikanischen Ethno­logen Oscar Lewis ” Zeugnisse von armen Mexika­nern”. An der Zahlstelle, wo sich die KaffeepflanzerInnen ihren kargen Lohn ab­holten, prangt ein Aufkleber, der zy­nischer kaum sein kann: “Dinero en ma­nos del pobre”, übersetzt: “Geld in Hän­den der Armen – armes Geld.”
Billardtisch und Hausbar
Auf einer Anhöhe, mit Blick über die mindestens 2.000 Hektar umfas­sende Kaf­feeplantage, steht das Haus der Ex-Besit­zerInnen. Die Villa “der Rei­chen”, wie die deut­schen Finqueros hier genannt werden, ist von einem Blumengarten umgeben. Hier residierte das Ehepaar Margarita Schimpf und Laurenz Hulders mit ihrem Sohn, bis sie am 4. August letzten Jahres ange­sichts der rebellierenden Cam­pe­sinos/as fluchtartig Liquidambar ver­ließen. “Wenn die Rei­chen in ihr Haus wol­len, können sie kommen und mit uns le­ben. Aber sie wer­den nicht mehr Land er­halten als wir alle.” Eduardo begleitet mich ins Innere des leerstehenden Ge­bäudes, dessen luxuriöse Ausstattung den Villistas am Tag der Be­setzung die Sprache verschlug: Billard-Salon, Bo­dybuilding-Center, Hausbar, Weinkel­ler. “Die Getränke, vor allem Cham­pagner und französische Weine, wur­den nach der Besetzung ausgetrunken. Aber jetzt ist auf unserer Finca Alko­holverbot” erklärt Eduardo, “da das Geld der Familien für wichtigere Dinge ausge­geben werden soll.” Vorbei an zwei Swimming-Pools verlassen wir den Herr­schaftssitz und betreten die Sied­lung der Finca. Während in den weni­gen Steinhäu­sern die Verwalter lebten, waren die Kaf­fee­pflückerInnen, in der Ern­tezeit etwa 2000 Per­sonen, in Baracken untergebracht. “Hühnerställe” wurden diese etwa 120 Quadratmeter großen Holzbauten genannt, in denen ca. 100 Menschen monatelang “wohnten”. Bis vor einem halben Jahr wa­ren hier die Zustände Wirklichkeit, die B. Traven in seinem Buch “Die Rebellion der Ge­henkten” beschreibt. Neben der klei­nen Kapelle, im Zentrum der Siedlung, befand sich die “Tienda de Raya”. In diesem La­den konnten die Campesinos ihre Fichas, statt Geld für die gelei­stete Arbeit ausge­gebene Wertmarken, gegen Kleidung, Werkzeuge und billi­gen Fusel eintau­schen. Für den Ar­beitstag, der von 5 bis 20 Uhr dauerte, erhielten die Kaffeear­beiterInnen Marken im Gegenwert von 8 Pesos, die Frauen unter ihnen weniger. Das portionierte Es­sen – Tor­tillas, Bohnen und Kaffee – wurde vom Lohn abgezogen. Medizini­sche Versor­gung gab es in Liquidambar für die Peones nicht. Allerdings konnten die­jenigen, die in der Nähe über eine kleine Parzelle Land verfügten, Kredite für den Kauf der Medikamente bei den Finca-Be­sitzerInnen aufnehmen. Als Gegen­leistung mußten den Deutschen die Be­sitztitel über­lassen werden. Durch diese Methode haben sich über die Hälfte der BewohnerInnen des in der Nähe von Li­quidambar gelegenen Ortes Nueva Pale­stina verschuldet. Was mit den Menschen passierte, die über keine “Reserven” ver­fügten, läßt ein im Wald der Finca ange­legter Friedhof vermuten. Holzkreuze ohne Namen und ohne Daten symbolisie­ren das Ende der Leidenswege zerschun­dener TagelöhnerInnen. Eduardo erklärt: “Hier sind diejenigen begraben, die ohne Fami­lien gekommen waren, zum Großteil Guatemalteken, Nicaraguaner und Salva­dorianer. Diesen illegalen Wanderarbei­tern wurden bei Arbeits­beginn von den Verwaltern die Papiere abgenommen, um Auflehnungen, vor allem gegen Betrug bei den Lohnzah­lungen, vorzubeugen.” Falls es doch zu Protesten gegen die Verhält­nisse kam, oftmals am arbeitsfreien Sonn­tag, wenn die Campesinos ihr Leid im Suff er­tränkten, wurden sie von Auf­pas­sern in das Gefängnis der Finca ge­worfen. Die folgende Geldstrafe wurde vom Lohn abgezogen. Diese Zustände sind jetzt vorbei.
Arbeit unter Selbstverwaltung
Es ist Abend geworden, die Kaffee­pflückerInnen bringen die Bohnen von den Feldern. Zum ersten Mal in ihrem Le­ben arbeiten die Menschen in Li­quidambar unter Selbstverwaltung. Die Ernte ist gut und der Kaffeepreis ge­stiegen. Während der Tageslohn vor der Besetzung bei 8 Pesos lag, werden jetzt zwischen 60 und 100 Pesos (ca. 12 bis 20 US-Dollar) ausgezahlt, je nach gepflück­ter Menge Kaffee. Da die Produktionsan­lage nicht wie in vielen anderen Fincas von den Ex-Be­sitzerInnen sabotiert wurde, läuft der Wasch- und Troc­knungs­vor­gang relativ reibungslos. Auch beim Ver­kauf des zum größten Teil organischen Kaffees gibt es keine Probleme – nicht mehr. Die Boykottversuche der Groß­grund­be­sitzer sind in dieser Region ge­schei­tert, da sich die Kaffee-Aufkäufer das lukrative Ge­schäft nicht entgehen las­sen wollen. Al­lerdings werden die Vil­listas in Liquidam­bar höchstens die Hälfte des reifen Kaf­fees ernten kön­nen. Das liegt vor allem daran, daß es die UCPFV ablehnt, fremde Leute einzustellen. Eduardo: “In den von uns besetzten Fincas sind die Arbeits- und Le­bens­formen unterschiedlich. Hier in Li­qui­dam­bar wird alles kollektiv ver­waltet und be­arbeitet. Alle Menschen, die hier arbeiten, sind Mitglieder der Kooperative. Wir be­zahlen uns, Män­nern und Frauen, die glei­chen Löhne, das Essen ist für alle um­sonst, und die Häuser – die Baracken wer­den nicht bewohnt – stehen den Fami­lien zur Verfügung.”
Nach eigenen Angaben sind über 1000 Familien in der UCPFV organi­siert, über­wiegend in der Region Fraylesca. Die UCPFV existiert seit über vier Jahren, ist je­doch erst bei den Besetzungen von Li­quidambar am 4. August und Prusia am 7. September letzten Jahres öffentlich unter diesem Namen aufgetreten. Eduardo: “Un­se­re ersten Aktionen waren die Beset­zungen der Fincas Salvador Urbina und Agua Piedra Blanca am 16. Februar 1991. In den folgenden drei Jahren, wir nennen sie Etappe des Widerstandes und der Rei­fung, mußten wir lernen, mit für uns neuen Situationen fertigzuwerden. Räu­mungen, Festnahmen, Morde an unseren Mitgliedern durch Guardias Blancas, Wie­derbesetzungen wechsel­ten einander ab. In dieser Region ist die Repression ge­gen sich organisie­rende Campesinos/as durch die traditio­nell enge Verflechtung von Groß­grundbesitzerInnen, Poli­tikerIn­nen der seit über 60 Jahren regierenden PRI und dem Polizeiapparat besonders aus­geprägt. So wurden am 5. September Roberto H. Pa­niagua, ein für die Interessen der Campesinos/as ein-ge­tre­tener Politiker der PRD, und am 30. Oktober 1994 ein Mit­glied der UCPFV von Pistoleros der Fin­queros ermordet. Eduardo: “Wir schaffen eine neue Realität, ge­gen die Unterdrük­kung durch Guardias Blancas und Polizei. Dabei können wir nur auf unsere eigene Stärke, die un­bewaffnete Organisierung, ver­trauen.” Die blutigen Erfahrungen, die die Vil­listas machen mußten, erschweren die von ihnen angestrebten Legalisierun­gen der besetzten Fincas. Das Mißtrauen gegenüber den staatlichen Stellen sitzt tief. Ein nicht genauer definiertes An­gebot des Gouverneurs, ihnen im Tausch gegen Liquidambar 1500 Hektar Land in einem anderen Land­kreis zur Verfügung zu stel­len, lehnte die UCPFV ab. Eduardo: “Wir wissen nicht, wo diese 1500 Hektar sein sol­len. Dieses zu akzeptieren hieße, das Land den dortigen Campesinos wegzu­nehmen. Wir wollen keine andere Finca, sondern das Land, das seit Generationen von uns bearbeitet wird.”
Die Mütze bleibt drüber
Die Zukunft der von der UCPFV be­setzten Finca ist ungewiß. Der Bruch des mit der EZLN ausgehan­delten Waffen­stillstandes durch die mexikanische Regie­rung läßt auch ein gewaltsames Vorgehen gegen die rund 700 in Chiapas enteigneten Ländereien befürchten. Verschiedene Groß­grund­besitzervereinigungen haben die Exi­stenz einer 700 Mann starken Ar­mee von Guardias Blancas bestätigt. Jorge Constantino Kanter, Präsident der re­gionalen Landbesitzerunion, wurde am 30. Januar auf einer Pressekonferenz deutlich: “Wenn in 30 Tagen die be­setzten Fincas nicht geräumt sind, werden wir selber die Initiative ergrei­fen. Unsere Ak­tionen werden sich speziell gegen Führer von Campesino-Organisationen richten.” In der Region Freylesca operiert nach Presseangaben das Todesschwadron “Fren­te Tiburcio Fernandez”, benannt nach dem An­führer der Konterrevolution in dieser Region während der 20er Jahre. An­gesichts dieser Bedrohungen ist es ver­ständlich, daß die Villistas weder ihre Namen nennen, noch sich ohne Gesichts­schutz fotografieren lassen.

Jenseits von Chiapas…?

Während diesseits und jenseits des “gran charco” mit einer gewissen Eupho­rie über die Möglichkeit der Bildung eines me­xikoweiten zapatistisch-cardenistischen Bünd­nisses namens Mo­vimiento de Libe­ra­ción Nacional (MLN) angeregt debat­tiert wurde, beraten UnterhändlerInnen zwi­schen Weißem Haus, Wall Street und Los Pinos (dem Amtssitz des Präsidenten Zedillo) ebenfalls zeitgleich die letzten Be­dingungen und Details. Dabei ging es nicht nur um den milliardenschweren transnationalen Dollarkredit für Mexiko, sondern auch um den Frontalangriff auf das EZLN und die mit ihm “sym­pa­thi­sie­ren­de” Zivilgesell­schaft.
Im Nachhinein gesehen liegt die Be­deu­tung des Hamburger Treffens dennoch da­rin, zum einen ein Resümee der politi­schen und wirtschaftlichen Situation Me­xi­kos zu ziehen, ein Jahr nach dem “Wie­der­eintritt der Gesichtslosen, der ewig Toten in die Geschichte”, dem öf­fent­lichen Erscheinen des EZLN. Und zum an­de­ren bot das Wochenende die Gele­gen­heit, das eigene Enga­gement und die ei­ge­ne Solidarität mit einer neuartigen, zumin­dest ungewöhnlichen und vielfach mittels “Marcos-Folklore” schon wieder refunktionalisierten Bewegung zu reflek­tieren. Dem Europa-Vertreter der CND, Alejandro de la Paz, gelang es im Verlauf des Treffens, die beiden Diskussions­stränge – das schlichte Bedürfnis zu be­greifen, “qué chingaos está pasando en México”, und den Wunsch nach einer ei­ge­nen Standortbe­stimmung gegenüber dem “Phä­nomen EZLN” – aufeinander zu be­ziehen. Denn wie Alejandro aus eigener Erfahrung zeigte, steht die von den zen­tral­amerikanischen Guerri­lla­bewegungen der siebziger und achtziger Jahre stark ge­prägte bundesdeut­sche Soliszene ähnlich wie die mexikanische Zivilgesellschaft zu­nächst perplex vor einer bewaffneten Cam­pe­sino-Bewegung, die weder Avant­garde-Ansprüche hat noch bereit ist, einen heroi­schen Stellvertreterkrieg für ganz Mexiko zu führen. Stattdes­sen zwingt sie die vielfältigsten Bewegungen, Organisa­tionen, Parteien und Grüppchen dazu, ihre Einzelforderungen, Alternativen und Uto­pien in ein gemeinsames, aber plurales “neues Projekt der Nation” einzubringen.
Wie soll die Unterstützung einer Bewe­gung aussehen, die versucht, sich jeglicher Form von Globalisierung zu entziehen? Was heißt “internationale Solidarität” im Kontext von Regional­autonomie, von An­erkennung kommunaler Souveränität? Auf dem Hamburger Treffen gab es nur zag­hafte Andeutungen möglicher Antworten: Auf die Globalisierung und Transnationa­lisierung von Machtstrukturen soll mit dem Aufbau eines transnationalen Austau­sches vergangener und gegenwärtig prak­tizierter Erfah­rungen, mit Strategien des Widerstands, der “Demokratisierung von unten”, des Er-Lebens von Autonomie reagiert werden. Jenseits des Scheiterns oder Erfolgs der CND beginnt Alejandro zufolge ein derartiger, spannungsreicher und auch wider­sprüchlicher Austausch im Rahmen der verschiedensten lokalen, re­gionalen und mexikoweiten Treffen. Der Austausch von Mit­gliederInnen der Frau­enbewegung, der Slum- und Stadtteili­nitiativen, der LehrerInnen- und Student­Innenbewegungen so­wie nicht zuletzt der Campesino- und Indígena-Organisationen ist nun eingeleitet worden. Das Engage­ment bundesdeutscher Gruppen sollte sei­ner Ansicht nach diese Art der Zu­sam­men­ar­beit aufgreifen durch unter­schied­lichste Lernformen der Stif­tung von Partner­schaften zwischen Gemeinden, Schu­len, Orga­nisationen etc. sowie durch das wechselseitige Schaffen von Gegenöf­fentlichkeiten bereichern. Dies würde es den verschie­denen sozialen Bewegungen ge­statten, mittels Blick über den sprich­wörtlichen Tellerrand die eigene Isolation zu überwinden und ihren spezifischen Kampf in einen allgemeineren Kontext zu stellen.
Ein konkretes Ergebnis des Hamburger Mexiko-Treffens ist der Aufbau eines di­rekten Kontakts zwischen den bundes­deut­schen Gruppen und der CND sowie der oppositionellen, von Amado Aven­daño koordinierten chiapanekischen “Über­gangs­regierung im Widerstand”. Über dieses neue Netz sollen unterschied­liche Aktionen in verschiedenen Städten or­ganisiert werden, bei denen vor allem eine engere Zusam­menarbeit mit den hier (noch existierenden) sozialen Bewegun­gen gesucht wird. Begünstigt wird diese Zusammenarbeit durch die Heterogenität der in Hamburg anwesenden Gruppen: Zu routinierten “Profis” der internationalisti­schen Szene und Gruppen, die aus kir­chenbewegten oder akademischen Kon­tex­ten stammen und oft zu eher theo­re­tischem Debattieren neigen, treten eher stadt­teilbezogene und aus der ei­genen konkreten Lebenswelt heraus enga­gierte Gruppen. Für diese sind Kon­zep­te wie Autonomie nicht bloßer Diskus­sions­stoff, sondern vielmehr Alltags­praxis. Ob sich aus einem derart hete­rogenen Spek­trum von Gruppen neue und ef­fek­tive Ak­tions­formen ent­wickeln las­sen, muß jetzt der Kampf gegen die von den Gläubi­gerbanken “transnatio­nali­sier­te” militä­rische Repression der mexika­ni­schen Demo­kratiebewegung zeigen.

Hart an der Grenze

Wieder einmal sorgt der Londoner Ver­lag Latin America Bureau dafür, daß ein ver­nachlässigtes Thema, gründlich und in­teressant geschrieben, einem breiten Pub­likum zugänglich gemacht wird. Die Rede ist von der US-mexikanischen Grenz­re­gi­on im allgemeinen und den vielen Mexi­kanerInnen, die dort leben, im besonderen. Augusta Dwyer durchstreift in “On the Line” eine Region, die sie pro­saisch mit “verloren zwischen zwei Natio­nen” be­schreibt.
Matamoros, Reynosa, Eagle Pass, Ciu­dad Juárez, Nogales, Douglas, Ciudad Acu­na, Tijuana – klangvolle Namen, aber die Realität in diesen rasant wachsenden Städten in der Grenzregion ist hart. Der phänomenale Aufstieg der Maquiladora­indu­strie hat sie genauso geprägt wie die daraus entstandenen negativen Folgeer­schei­nungen in der Umwelt: Flüsse voll mit Schwermetallen, miserable Luft und ver­giftete Böden. In dieser Region war Dwyer unterwegs, auf der Suche nach Schick­salen hinter den eingezäunten Ma­quiladorafabriken, nach Schicksalen hinter den dünnen Wellblechen der Armensied­lung­en, wo die Hoffnung immer die Him­melsrichtung Nord hat. Und es ist ihr ge­lungen. Dwyers Buch überzeugt immer dann, wenn sie das ausgiebig macht, was sie kann: journalistisch gut aufbereitet einzelne menschliche Schicksale als Folie für die Zwänge und Nöte zu benutzen, denen mehr oder weniger alle Me­xi­ka­ner­In­nen in dieser Region ausge­setzt sind. Et­wa, wenn sie die Geschichte der schwan­ge­ren Petra erzählt, die wegen der auf­ge­bla­senen Unnachgiebigkeit des Schicht­lei­ters einer Maquiladorafabrik ihr Kind ver­liert. In diesem Sinn ist ihr Buch pathe­tisch und mitunter auch ein wenig mis­sio­na­risch. Es versucht Verständnis für die Si­tuation der MexikanerInnen zu wecken und ist auch eine Reaktion auf die an­ti­me­xi­kanischen Polemiken in den USA im Zu­sammenhang mit den NAFTA-Ver­hand­lungen. Und es proklamiert die inter­na­tionale Gemeinschaft. Immer dann, wenn Dwyer die Mühsal bei der gewerk­schaft­lichen Organisierung der mexikani­schen ArbeiterInnen beschreibt, spritzt die Tinte auch nach Norden. Ihre Hoffnung ist der Zusammenschluß über die Grenze hin­weg. “Eine Grenze, vollgepackt mit Wi­der­sprüchen, geografisch und kulturell ent­fernt von ihren jeweiligen Macht­zen­tren, trotzt einfachen Versuchen von Cha­rak­terzuweisungen. Feucht und sub­tro­pisch am einen Ende, wüstentroc­ken und ge­birgig auf der anderen schnei­det sie eine Linie quer durch zwei ver­schiedene Wel­ten. Die eine ist das Zu­hause. Die andere ist die ‘andere Seite’. Doch nach einer eingehenderen Untersu­chung beginnen die Un­terschiede zu ver­schwim­men, es ent­fal­tet sich das Bild ei­ner Region, die auf ihre Art einzigartig ist, sie ist weder USA noch Mex­iko”, schreibt Dwyer über diese Re­gion. Aber auch wenn die Grenze in den Köpfen nicht mehr da sein mag (was be­zwei­felt werden muß), so gibt es die Mauer am Rio Grande un­bestritten immer noch. Diesen Aspekt hat Dwyer nicht außer Acht gelassen. Ihr Ka­pitel über die US-amerikanische Grenz­polizei, die Bor­der Patrol ist einer der Höhe­punkte ihres Bu­ches.
Nur ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Im Eifer der Recherche ist Dwyer mitun­ter der Sinn für das Ganze flöten gegan­gen. Anfangs beeindruckt die vorgelegte Da­tenmasse, aber mit voranschreitender Sei­tenzahl droht mensch in der Flut der ein­drucksvoll vielen Zahlen den Überblick zu verlieren, was nicht weiter schlimm wäre, hätte ihn die Autorin nicht auch selbst ein wenig verloren. In bester Stim­mung reiht sie ein Zahlenpaket ans näch­ste. Jede Episode wird, noch bevor sie zu En­de ist, abstrahiert, indem Dwyer sie mit eifrig zusammengestelltem Zahlenmaterial füttert; so lange, bis der Inhalt bricht. Das Ga­nze, so abgedroschen muß auch mal re­zen­siert werden, ist halt immer noch mehr als die Summe seiner Teile – auch wenn die Teile für sich doch alle wieder etwas Ganzes sind. Deshalb der LN-Serviervor­schlag: Häppchenweise!
Martin Ziegele
Augusta Dwyer: On the Line. Life on the US-Mexi­can Border, London 1994, zu beziehen (wie übri­gens alle Bücher des Latin America Bureau) über die Latein­amerika Nachrichten. Gneisenaustraße 2a. 10961 Berlin. 29,80 DM.

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