MACRI IM FREIEN FALL

Tägliches Rätselraten Wie viel ist der Dollar wert? (Schild vor einem Kiosk in Buenos aires am 20. August) // Foto: lavaca.org

„Was auch immer passiert, wer auch immer die Wahl gewinnt, die Herausforderung besteht darin, das Boot am 10. Dezember ins Dock zu bringen, nicht vorher oder nachher.“ Der Satz stammt von Argentiniens neuem Finanzminister Hernán Lacunza und die Frage ist, ob das Boot bis dahin nicht schon untergegangen ist. Erst seit dem 17. August ist Lacunza im Amt und sein Job hat es in sich: Er soll den neunten staatlichen Offenbarungseid in der Landesgeschichte seit der Unabhängigkeit 1816 abwenden. Ob dies gelingt, liegt in den Händen der Gläubiger*innen. Stimmen sie der von Lacunza Ende August vorgeschlagenen Stundung und Schuldenstreckung nicht zu, ist Argentinien pleite, wiewohl es mangels staatlichem Insolvenzrecht nicht pleite gehen kann und somit in die nächste unregulierte Staats- und Wirtschaftskrise abgleiten würde. Die Krise zur Jahreswende 2001/2002 ist vielen noch in Erinnerung, als mehr als die Hälfte der argentinischen Bevölkerung in die Armut abrutschte und auf den Straßen der politischen Klasse die Parole „Qué se vayan todos“ (Sie sollen alle abhauen) ertönte. Binnen weniger Monate gaben sich damals fünf Präsidenten und Interimspräsidenten die Klinke des Präsidentenpalastes Casa Rosada in die Hand. Erst ab der Regierungsübernahme von Néstor Kirchner im Frühjahr 2003 beruhigte sich die Lage wieder.
Die aktuelle Krise verschärfte sich Ende August, weil es Finanzminister Lacunza nicht gelang, auslaufende Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit neu zu finanzieren und er deswegen längere Laufzeiten ins Spiel brachte. Das hoch verschuldete Land will sich damit finanziell Luft verschaffen. Es geht um Staatsanleihen bei privaten Investor*innen sowie um Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Höhe von insgesamt rund 100 Milliarden US-Dollar.

Bei der Krise 2001/2002 rutschte mehr als die Hälfte der Bevölkerung in die Armut ab


Der IWF lässt seinen Liebling, Argentiniens Präsidenten Mauricio Macri, jedoch nicht fallen. „Wir verstehen, dass die Regierung diesen Schritt gemacht hat, um für Liquidität zu sorgen und die Reserven zu schützen. Wir stehen in diesen herausfordernden Zeiten an der Seite von Argentinien“, kommentierte IWF-Sprecher Gerry Rice. Das Verständnis hat einen handfesten Grund: Der IWF hatte Argentinien 2018 einen Bereitschaftskredit in Rekordhöhe von 57 Milliarden Dollar gewährt, als die Landeswährung Peso stark an Wert verlor. Der Kurs war seinerzeit von etwa 20 Peso für einen Dollar auf mehr als 40 Peso gefallen. Die Regierung Macri setzte unter dem damaligen Finanzminister Nicolás Dujovne große Teile des IWF-Kredits für Stützungskäufe des Peso ein, konnte damit die Abwertung aber nur verlangsamen. Nach der klaren Niederlage von Macri bei den unverbindlichen Vorwahlen am 11. August, die aber ein wichtiger Stimmungsbarometer für die Präsidentschaftswahlen sind, geriet der Peso abermals unter Druck und wertete von 45 bis in der Spitze auf 60 Peso für den Dollar ab. Wie desaströs die wirtschaftliche Lage ist, illustrieren Inflationsrate und Zinssatz der Zentralbank. Die Geldentwertung liegt bei über 50 Prozent und Banken, die sich bei der Zentralbank frisches Geld beschaffen wollen, müssen dafür mehr als 70 Prozent Zinsen berappen.
Argentiniens Krise kommt mit Ansage. Wie schon die Schergen der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 wollte der neoliberale Präsident Macri nach Amtsantritt im Dezember 2015 mittels Deregulierung und Auslandsverschuldung Wachstum generieren – erfolglos. Die Freigabe des Wechselkurses, die Aufhebung der Agrarexportbesteuerung, beziehungsweise die Senkung dieser beim Soja-Export, die Abschaffung der Steuern auf den Bergbau: Die von Macri versprochene Flut an Neuinvestitionen blieb aus. Und zu allem Überfluss hielt sich Macri nicht einmal an die Vorgabe der Defizitreduzierung, die mit der Deregulierung und der Privatisierung den Dreiklang der neoliberalen Entwicklungsblaupause des sogenannten Konsens von Washington bildet.

Alberto Fernández strahlender Sieger der Vorwahlen // Foto: Santiago Sito via flickr.com CC BY-NC-ND 2.0

Stattdessen schlug das sogenannte Zwillingsdefizit ins Kontor: 2018 überstiegen Argentiniens Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit jeweils 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In der darauf folgenden Wirtschafts- und Finanzkrise stieg die Staatsverschuldung steil auf fast 90 Prozent des BIP an. Das sind 334 Milliarden US-Dollar. Drei Viertel der Ausstände sind in ausländischen Währungen denominiert, rund 100 Milliarden US-Dollar hat allein die Regierung Macri an neuen Auslandsschulden aufgenommen. Die Zinsen und Tilgungsraten müssen dafür über Überschüsse im Außenhandel erwirtschaftet werden. Gelingt das wie derzeit nicht, muss das Loch durch neue Kredite gestopft werden, womit wieder der Verschuldungsgrad steigt. Ein Ausdruck davon ist der Wertverfall des Pesos. Er brach im Sommer 2018 infolge der sich beschleunigenden Kapitalflucht ein, und die Inflation schoss in die Höhe. Es war Macris Geschäftsfreund Donald Trump, der den IWF zum Eingreifen aufforderte und bei IWF-Chefin Christine Lagarde auf aktive Unterstützung traf. Von den 57 Milliarden Dollar sind schon 80 Prozent ausbezahlt worden.
Dennoch gehen Argentiniens Regierung die Devisen aus. Deswegen hat die Regierung Macri am 1. September, einem Sonntag, ein Dekret veröffentlicht, wonach große Exporteure künftig eine Erlaubnis der Notenbank für den Kauf von Fremdwährungen und zur Überweisung von Devisen ins Ausland einholen müssen. Für Privatpersonen, die die US-Währung erwerben wollen, gilt künftig eine monatliche Obergrenze von 10.000 Dollar (rund 9.100 Euro). Damit hat Macri einen drastischen Kurswechsel vollzogen. 2015 hatte er versprochen, die „von der Vorgängerregierung bevorzugten Kontrollen aufzugeben.“ Jetzt heißt es in dem Dekret, die Maßnahmen seien nötig, um „den Devisenhandel intensiver zu regulieren und das normale Funktionieren der Wirtschaft zu stärken“.

Rette seine Einlagen, wer kann, lautet mal wieder das Motto


Kurz vor dem Dekret hatten alle drei großen Ratingagenturen die Bonitätsnote Argentiniens auf ein Niveau gesenkt, das nur noch knapp über Zahlungsausfall, also der schlechtesten Einschätzung liegt. Vor dem Wochenende stufte die US-amerikanische Kreditratingagentur Standard&Poor’s das Land auf „selektiven Zahlungsausfall“ zurück. Auch Moody’s und Fitch senkten ihre Bewertungen auf ein vergleichbares Niveau.
Das Dekret ist der zweite Kurswechsel seit den verlorenen Vorwahlen am 11. August. Da hatten die Wähler*innen Präsident Macri durch ihr Votum mit fast 16 Prozentpunkten Vorsprung für das oppositionelle Mitte-links-Bündnis von Alberto Fernández und Cristina Kirchner klargemacht, wie wenig sie von den Ergebnissen seiner Wirtschaftspolitik halten: Unternehmen gehen reihenweise Konkurs, es gibt Massenentlassungen, der Peso hat im Vergleich zum Dollar in nur einem Jahr die Hälfte an Wert verloren, und ein Drittel der Argentinier*innen lebt unter der Armutsgrenze.
Nur wenige Tage nach der Vorwahlschlappe verkündete Macri eine Reihe finanzieller Maßnahmen, die er Präsidentin Kirchner immer vorgeworfen hatte. Er versprach unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns, setzte die Mehrwertsteuer für Lebensmittel aus, kündigte günstigere Kredite für kleine Unternehmen an und setzte die Kraftstoffpreise für 90 Tage fest.
Macris Maßnahmen kommen für eine Wiederwahl am 27. Oktober oder einen Erfolg bei einer möglichen Stichwahl mit ziemlicher Sicherheit zu spät. Zumal sie nicht verfangen. Am Montag nach der Verkündung der Kapitalverkehrskontrollen standen in der Hauptstadt Buenos Aires viele Menschen vor den Banken an, um ihre Einlagen abzuheben. Rette seine Einlagen, wer kann, lautet mal wieder das Motto in Argentinien. Allein seit dem 11. August haben die Argentinier*innen Dollaranlagen in Höhe von rund vier Milliarden Dollar von den Banken abgezogen. Auf 75 Milliarden Dollar wird die Kapitalflucht unter Macri beziffert.
Der Oppositionskandidat Alberto Fernández gilt nun als klarer Favorit, um Macri ab dem 10. Dezember im Präsidentenamt zu beerben. Hinterlassen wird Macri ihm auch die Rückzahlung des IWF-Kredits. Die erste Tranche wird erst 2020 fällig. Nicht weniger als 34 Milliarden Dollar muss das Land dann zurückzahlen. Fernández hat mehrfach erklärt, dass die Schulden neu verhandelt werden müssen. Denn sonst werden erneut die Armen und die Mittelschicht die Zeche zahlen. Dass sie darauf nicht untätig warten, zeichnet sich ab. Am 4. September gingen Zehntausende Argentinier*innen in der Hauptstadt Buenos Aires auf die Straße. Die Demonstrant*innen forderten höhere Mindestlöhne sowie Lebensmittelhilfen für Arme. Und einige davon sind gekommen, um zu bleiben. Sie haben auf der Prachtstraße 9 de Julio im Stadtzentrum vor dem Ministerium für soziale Angelegenheiten ihre Zelte aufgestellt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie fordern mehr Sozialprogramme und niedrigere Preise für Grundnahrungsmittel. Sie wollen bleiben bis ihre Forderungen erfüllt werden – von welcher Regierung auch immer.

 

DER SCHULDENDIENST HAT PRIORITÄT

Omar Everleny Pérez Villanueva
ist ehemaliger Leiter des Studienzentrums der kubanischen Wirtschaft (Centro de Estudios de la Economía Cubana – CEEC) an Havannas Universität und arbeitet derzeit als freier Analyst. Der 1960 geborene Wirtschaftswissenschaftler plädiert für zügigere Reformen und sieht derzeit erste Ansätze dafür unter dem neuen Präsidenten Miguel Díaz-Canal.

Foto: Knut Henkel


Kuba macht derzeit eine Versorgungskrise durch. Nachdem im Dezember Mehl und Brot knapp wurden, fehlt es inselweit an Speiseöl und an Devisen, um die nötigen Importe zu tätigen.
Ja, und das hat die Regierung bereits Ende 2018 bei der letzten Sitzung des Parlaments angekündigt. Die Importe müssen reduziert werden, weil nicht ausreichend Devisen zur Verfügung stehen. Hintergrund ist, dass die Exporte in den letzten Jahren eingebrochen sind, sowohl beim Zucker als auch bei anderen Produkten. Dieses einkalkulierte Geld fehlt heute, und deshalb ist Kuba weder in der Lage, seine Auslandsschulden zu bedienen, noch das Importniveau aufrechtzuerhalten. Das hat die Regierung entsprechend angekündigt, und Priorität hat die Bedienung dieser Schulden.
Das ist nachvollziehbar, denn sowohl der Pariser Club als auch Russland sind der Regierung in Havanna weit entgegengekommen, haben einen Großteil der Schulden erlassen, diese umgeschuldet und klare Zahlungsziele für die Restschulden vereinbart. Die will Kuba bedienen, um auf dem internationalen Finanzmarkt nicht erneut zum Aussätzigen zu werden und nur noch Zugang zu teuren Risikokrediten zu haben. Die Bedienung der Auslandsschulden hat seitdem Priorität, auch wenn es schwerfällt.

Die Einnahmen im Tourismus steigen nicht ausreichend?
Nein, denn die Touristenzahlen steigen zwar, aber die Einnahmen stagnieren. Der wesentliche Grund dafür ist, dass die Zahl der Kreuzfahrttouristen zugenommen hat. Die bringen aber wenig Geld in die Kassen, denn sie essen in der Regel an Bord und übernachten auch dort. Folgerichtig bringen sie kaum Geld.
Hinzu kommt, dass die Zuckerrohrernte 2018 erneut eingebrochen ist und nur noch 1,1 Millionen Tonnen Zucker produziert wurden – in etwa das Doppelte war geplant. Ein weiterer Faktor ist, dass im vergangenen Jahr der Vertrag mit Brasilien, wo rund 8000 kubanische Ärzte im Einsatz waren, gekündigt wurde. Das hat zu Einbußen von 300 bis 400 Millionen US-Dollar in der Staatskasse geführt, die nicht kompensiert werden konnten. Zudem wirkt sich die politische und ökonomische Krise in Venezuela negativ aus, denn es kommt weniger Erdöl nach Kuba als früher. Derzeit sind es etwa 50.000 Barrel täglich, früher war es das Doppelte. Das große Problem in der Regierung ist, dass weniger Devisen in der Kasse sind.

 

Fast leere Regale Die Versorgungskrise macht sich bemerkbar (Foto: Knut Henkel)

 

Raúl Castro hat vor ein paar Tagen angekündigt, dass die finanzielle Situation schwierig ist und gleichzeitig bekräftigt, dass die sich abzeichnende Krise nicht vergleichbar wäre mit jener zu Beginn der 1990er Jahre. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, denn die Strukturen der kubanischen Wirtschaft haben sich deutlich verändert. Ein Teil der Bevölkerung verfügt heute über ganz andere finanzielle Möglichkeiten als früher.

Für die Regierung hat der Schuldendienst Priorität gegenüber der Versorgung der eigenen Bevölkerung?
Ja, gerade weil die Gläubiger auf bis zu 90 Prozent der Altschulden wie im Falle Russlands verzichtet haben; allerdings pochen sie auf verbindliche Zahlungen für die Restschulden.

Die USA verschärfen die Sanktionen. Anfang April hat die US-Regierung mehreren Schifffahrtsgesellschaften Sanktionen angekündigt, deren Tanker Rohöl aus Venezuela nach Kuba transportieren. Droht eine Energiekrise auf der Insel?
Das ist eine Entscheidung, die sich in den nächsten Monaten negativ auswirken kann. Bisher ist aber die Versorgung mit Benzin in Kuba stabil und auch bei der Stromversorgung läuft alles normal. Das kann sich aber ändern. Allerdings gibt es auch Optionen für Dreiecksgeschäfte, so dass Russland in die Bresche springen könnte, um die Versorgung Kubas aufrechtzuerhalten. Ich hoffe, dass der Schlag der USA nicht so gravierend werden wird. Zudem gibt es die Option aus Algerien oder Angola Erdöl zu beziehen. Aber natürlich ist die Entscheidung aus dem State Department eine neue Herausforderung für Kuba.

1990 hat die ökonomische Krise die ganze Bevölkerung hart getroffen – ist das 2019 anders?
Oh ja, die kubanische Gesellschaft ist heute deutlich stärker ausdifferenziert. Besitzer eines paladar (kubanisches Restaurant) oder einer Bar werden von der Krise nicht so heftig getroffen wie ein Mitarbeiter in einer staatlichen Fabrik – da gibt es immense Unterschiede. Die Zahl der Menschen, die direkt vom Staat und seinen Arbeitsplätzen abhängt, ist deutlich geringer als früher.

Für den Privatsektor könnte sich die Krise negativ bemerkbar machen, wenn es an Produkten fehlt, die für ein Restaurant, für eine Bar oder für den Klempner an der Ecke notwendig sind, oder?
Ja, das ist richtig. Engpässe bei der Lebensmittelversorgung wirken sich auch auf das Angebot in den Restaurants aus, aber die sind es gewohnt zu improvisieren.

Die USA haben den Artikel III des Helms-Burton-Gesetzes in Kraft gesetzt. Damit haben US-Bürger seit 2. Mai die Möglichkeit, gegen ausländische Unternehmen auf Entschädigung zu klagen, die Eigentum nutzen, das nach der Revolution 1959 in Kuba enteignet wurde. Wer mit solchem Eigentum gehandelt hat, soll kein US-Visum mehr bekommen. Wie beurteilen Sie das?
Das ist eine politisch motivierte Maßnahme. Wie die sich in der Realität auswirken wird, muss man abwarten, denn die Kubaner, aber auch ihre Partner sind seit Jahren auf die Implementierung dieses Artikels vorbereitet. Warum? Weil das Helms Burton Gesetz seit 1996 existiert und es viel Zeit gab, sich mit dem Artikel III zu beschäftigten. Zudem denke ich, dass die Umsetzung mit einer Klagewelle einhergeht, die erst einmal lange Jahre keine direkte Auswirkung haben wird.
Zudem gehe ich davon aus, dass große Hotelgruppen wie Melía oder Iberostar aus Spanien sich sehr genau überlegt haben, ob sie ein Hotel übernehmen oder dort bauen, wo es us-amerikanische Ansprüche gibt. Das Gros der Neubauten im Tourismussektor wurde auf Grundstücken errichtet, die aus der Perspektive des Gesetzes „unbelastet“ sind. Natürlich werden die Anwälte in den USA nun aktiv werden, aber ich denke nicht, dass es schnell gravierende Auswirkungen geben wird. Zudem werden sich die Europäer zu wehren wissen und die spanische Regierung wird ihre Tourismusunternehmen nicht hängen lassen.

Aber wird sich durch den Artikel III nicht das Investitionsklima in Kuba eintrüben?
Das ist wahrscheinlich, denn alle Unternehmen werden genau kalkulieren, ob sich der Aufwand lohnt, wenn es derart viele Dinge zu bedenken gibt, wenn man in Kuba investieren will. Insofern ist der Artikel III eine zusätzliche Hürde, aber das gilt zum Beispiel nicht für neue Investitionsstandorte wie Mariel, wo Kubas Freihandelszone mit speziellen Bedingungen lockt.

Wie entwickelt sich Mariel? Es sind doch gerade mal 17 Unternehmen, die dort bisher produzieren.
Ja, aber man kommt voran, die Freihandelszone wird wichtiger.

Welche Initiativen erwarten Sie angesichts der Versorgungsprobleme von der kubanischen Regierung?
Die Regierung hat angekündigt, dass sie reagieren wird. Großmärkte sollen nun wirklich für die Privaten eröffnet werden, Gesetze, die kleine und mittlere Unternehmen fördern sollen, sollen nun endlich kommen. Die ökonomische Situation zwingt dazu, und Präsident Miguel Díaz-Canel hat sich in den vergangenen Monaten flexibel gezeigt und angekündigt, dass er das Reformtempo erhöhen wird. Warten wir es ab.

Schon der frühere Präsident Raúl Castro äußerte, dass die anstehende Währungsreform „nicht länger hinausgeschoben“ werden könne. Wird Díaz-Canel das doppelte Währungssystem antasten.
Nein, das ist zu komplex, denn es existieren mehrere Wechselkurse im Land. Aber Aussagen, dass keine Unterschiede mehr gemacht werden zwischen staatlichen und privaten Unternehmen, sind neu und interessant.

Wichtig wäre es, die Agrarwirtschaft zu reanimieren. Wo liegen die Hürden?
Ich denke, dass das staatliche Ankaufsystem „Acopio“ ein Bremsklotz ist, aber die Bauern müssen auch in die Lage versetzt werden Agrartechnik kaufen zu können: Gerät, Werkzeug, Saatgut – all das fehlt. Die neuen Traktoren, die man im Land sieht, gehören den staatlichen Unternehmen. Doch die privaten sind es, die 95 Prozent der Zwiebeln, des Knoblauchs im Land produzieren – ihnen muss man endlich helfen. Großmärkte für Agrarinputs fehlen, und darüber haben wir schon vor neun Jahren diskutiert.

 

DER FLUCH DER TEUFLISCHEN SCHEIßE

Venezuelas Wirtschaft kämpft mit des „Teufels Scheiße“. So bezeichnete der einstige venezolanische Erdölminister und Mitbegründer der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) Juan Pablo Pérez Alfonzo einst das Erdöl, um die Schwierigkeiten wirtschaftlicher Gestaltung angesichts der übermächtigen Dominanz des schwarzen Goldes zu beschreiben. Eine Herausforderung, die schlicht darin besteht, „Öl zu säen“, wie es der venezolanische Schriftsteller Arturo Uslar Pietri bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts plastisch auf den Punkt brachte: mittels Öleinnahmen die Gesellschaft zu entwickeln und die Wirtschaft zu diversifizieren. Die erste Konzession zur Ausbeutung der Ölquellen Venezuelas war schon im Jahre 1866 erteilt worden, der Ölboom setzte ab den 1930er Jahren ein und veranlasste Uslar Pietri zu seiner weitsichtigen Aussage. Alle Ansätze in Venezuelas Geschichte, seine ökonomische Abhängigkeit vom Öl durch eine Diversifizierung der Wirtschaft abzubauen, scheiterten seitdem unterm Strich.

Mit des „Teufels Scheiße“ haben und hatten sich alle venezolanischen Regierungen herumzuschlagen, auch die derzeit amtierende Regierung von Nicolás Maduro und die seines Vorgängers Hugo Chávez, der von 1999 bis zu seinem Tod 2013 als Präsident amtierte. Chávez propagierte den sogenannten Sozialismus des 21. Jahrhunderts und das Schmiermittel dafür war das Erdöl: Chávez’ großes Verdienst war es, das staatliche Erdölunternehmen PDVSA, das sich zu einem „privaten“ Staat im Staate entwickelt hatte, wieder unter staatlichen Zugriff zu bekommen. PDVSA wurde zusätzlich zu einer Art Sozialministerium. Aus dem Haushalt der Ölfirma werden Sozialprogramme wie die misiones finanziert – die von Bildung (misión Robinson und misión Ribas) über Gesundheit (misión barrio adentro) bis hin zur Versorgung mit subventionierten Lebensmitteln (misión mercal) reichen. Damit trieb Chávez den Umbau der staatlichen Strukturen voran und vermochte, bedeutende soziale Fortschritte in der Armutsbekämpfung und dem Zugang zu Gesundheit, Bildung und Lebensmitteln für alle zu erreichen. Im Jahr 2011 flossen fast 40 Milliarden US-Dollar in Sozialprogramme und Sonderfonds des Präsidenten. Laut dem Nationalen Statistikinstitut in Venezuela (INE) ist der Anteil extrem armer Haushalte (1,25 US-Dollar pro Kopf pro Tag) von 1998 bis 2009 von 21 Prozent auf sechs Prozent massiv gesunken. Der Anteil der relativ armen Haushalte (unter 50 Prozent des Durchschnitts-einkommens) sank im selben Zeitraum von 49 auf 24 Prozent.

Als Hugo Chávez im zweiten Halbjahr 1998 seine erste Wahl gewann, dümpelte der Ölpreis im Zuge der Asienkrise bei rund zehn US-Dollar pro Barrel (ein Barrel sind 159 Liter). Kein Wunder, dass Chávez schon zu Beginn seiner Amtszeit 1999 verkündete, dass er neben der Neuordnung der Ölgesellschaft PDVSA auch Landwirtschaft, Industrie und Tourismus neu ausrichten werde, um dem Auf und Ab des Ölpreises mit all seinen Konsequenzen für die venezolanische Konjunktur weniger ausgeliefert zu sein. Die Diversifizierung der Wirtschaft unter Chávez gelang nur ansatzweise und brachte unterm Strich nur dürftige Ergebnisse.

Das grundlegende Problem Venezuelas ist die sogenannte Holländische Krankheit.

Das grundlegende Problem Venezuelas ist die sogenannte Holländische Krankheit. In den Niederlanden wurde in den 1960er Jahren nach dem überraschenden Fund reichhaltiger Erdgasvorkommen zum ersten Mal festgestellt, dass sich Rohstoffreichtum in einen Fluch verwandeln kann. Der Zufluss von reichlich US-Dollar aus dem Rohstoffexport führt zu einer Aufwertung der eigenen Währung. Der angenehme Aspekt daran ist, dass sich die Importkapazität des Landes erhöht, sprich sich das Land mehr Güterimporte leisten kann. Der schwerwiegende Nachteil besteht darin, dass einheimische Produzent*innen nahezu unweigerlich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, sowohl gegenüber Importeur*innen als auch auf dem Weltmarkt, sofern es sich um Unternehmen handelt, die etwas anderes als Rohstoffe exportieren. Denn der unangenehme Aspekt der Aufwertung der venezolanischen Währung besteht darin, dass sich venezolanische Güter im Vergleich zu Importgütern verteuern. Der Verlust an Arbeitsplätzen in den nicht rohstoffnahen Sektoren ist fast unumgänglich. Die ganze Volkswirtschaft bekommt so mehr und mehr Schlagseite in Richtung des dominanten Rohstoffsektors, in Venezuela des petrochemischen Bereichs.

In Venezuela hat die Holländische Krankheit unter anderem die einheimische Landwirtschaft befallen. Das Land ist seit Jahrzehnten auf beträchtliche Nahrungsmittelimporte angewiesen, obwohl es potenziell an geeigneten Agrarflächen nicht fehlt. So ist Venezuela das einzige südamerikanische Land mit einer negativen Agrarbilanz. Dabei war die Regierung Chávez nicht untätig. Schon im Jahr 2001 wurde mit einem Landgesetz der Weg für eine Agrarreform geebnet. Das Nationale Landinstitut INTI verteilte in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt 2,3 Millionen Hektar brachliegendes Staatsland an Kooperativen, danach wurden noch über 100.000 landlose Familien mit enteignetem ungenutzten Privatland ausgestattet. All dies hat zwar die nationale Produktion bei Agrargütern nach oben getrieben, doch noch kräftiger wuchsen die Kaufkraft und dementsprechend der Konsum der ärmeren Bevölkerungsschichten. Venezuela muss rund 70 Prozent seiner Lebensmittel einführen.

Die Regierung Maduro hat 2016 einen Plan zum Ausbau der Landwirtschaft vorgestellt. Der „Agrarplan Zamora Bicentenario 2013-2019“ sieht zahlreiche Maßnahmen zur Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion vor. Besonderes Augenmerk gilt der städtischen Landwirtschaft und dem Einbezug lokaler Gemeinschaften sowie der Streitkräfte des Landes in die Produktion. Ob und wann der Plan greift, lässt sich noch nicht absehen.
Auch im Jahr 2017 machen Ölexporte mehr als 90 Prozent der Exporterlöse des Mitglieds der Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) aus, die Öl- und Gasindustrie ist für etwa ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich und trägt rund die Hälfte zu den Staatseinnahmen bei. Ohne die Öleinnahmen läuft so gut wie nichts.

Der rapide Ölpreisverfall und der Rückgang der Fördermenge wegen unterlassener Investitionen haben die Importkapazität massiv gesenkt.

Der rapide Ölpreisverfall seit 2014 und der Rückgang der Fördermenge wegen unterlassener milliardenteurer Investitionen haben die Importkapazität massiv gesenkt. Die Folge ist eine sich vertiefende Versorgungskrise, für die die Regierung Maduro bisher keine Lösung zu finden vermochte.
Der Holländischen Krankheit und der Überbewertung des Bolívar könnte theoretisch durch eine gezielte Strategie der Unterbewertung des Bolívar seitens der venezolanischen Zentralbank begegnet werden. Dafür müssten die Devisenzuflüsse in ihrer Wirkung auf die heimische Geldmenge und Währung so weit wie möglich sterilisiert werden, indem sie in einen Zukunftsfonds fließen und dort langfristig angelegt werden. Ein solches Modell praktiziert Norwegen mit beachtlichem Erfolg. Im dortigen Ölfonds werden seit dem Jahr 1990 die enormen Erträge aus dem Ölexport angelegt. Dies geschieht ausschließlich auf ausländischen Märkten, um einem Überhitzen der inländischen Wirtschaft und einer Aufwertung der Norwegischen Krone entgegenzuwirken.
Angesichts der enormen sozialen Schuld, die in Venezuela über die vergangenen Jahrzehnte akkumuliert wurde, ist ein solches Modell in Venezuela wohl schwer politisch durchsetzbar.

Die Öldollar gleichzeitig aufzuschatzen und auszugeben, geht logischerweise nicht. Entwicklungsökonomisch wäre Venezuela immer gut beraten, zumindest einen Teil der Öleinnahmen langfristig anzulegen, um auf lange Sicht einen nachhaltigen Umbau der Wirtschaft mit einer Stärkung des Binnensektors zu erreichen. Dazu bedarf es neben der Unterbewertungsstrategie einer selektiven Protektion, bei der die Zollsätze mit dem Verarbeitungsgrad ansteigen. Damit könnte Venezuela das erreichen, was bisher verfehlt wurde: eine breitere Produktpalette der heimischen Wirtschaft und eine konkurrenzfähige Binnenmarktentwicklung.

Diese grundlegenden Weichen in Zeiten der aktuellen Versorgungs- und Liquiditätskrise zu stellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Nach vier Jahren Rezession und angesichts einer galoppierenden Inflation von über 1.000 Prozent sind viele soziale Fortschritte der Vergangenheit hinfällig geworden. Noch 2013 würdigten die Vereinten Nationen die Erfolge des Landes im Kampf gegen Hunger und Unterernährung. Davon ist wenig geblieben. Nicht wenige teilen die Sicht von Menschenrechtsaktivist Rafael Uzcátegui: „Heute sind in Venezuela wieder genauso viele Menschen arm wie im Jahr 2000.“
Als Chávez 1999 an die Regierung kam, lagen Venezuelas Auslandsschulden bei etwa 30 Milliarden Dollar. Heute betragen sie ein Vielfaches. Der Staat sowie der Staatskonzern PDVSA haben insgesamt Anleihen im Wert von 110 Milliarden Dollar aufgelegt. Zusammen mit den Zinszahlungen und Krediten summieren sich die Gesamtforderungen gegen Caracas auf bis zu 170 Milliarden Dollar. Rund zehn Milliarden Dollar an Schuldendienst muss die Regierung Maduro im Jahresverlauf 2017 aufbringen.

Wie klamm Venezuelas Staatskasse ist, dafür liefert der Deal mit Goldman Sachs Hinweise. Über Mittelsmänner kaufte Goldman Ende Mai von der venezolanischen Zentralbank Anleihen des staatseigenen Ölkonzerns PDVSA im Nennwert von 2,8 Milliarden Dollar für knapp ein Drittel des Ausgangswerts. Dabei soll die Bank laut dem Wall Street Journal (WSJ) nicht einmal den normalen Marktpreis gezahlt, sondern einen speziellen Abschlag ausgehandelt haben. Laut WSJ zahlte Goldman lediglich 31 Cent für die Papiere, die an den Börsen noch bei deutlich über 40 Cent notierten, was einem Discount von mehr als 30 Prozent entspricht. Nur für den Discountpreis von 31 Cent pro Dollar Nennwert war Goldman Sachs bereit, 865 Millionen Dollar Cash in die venezolanische Staatskasse zu spülen.

Maduro helfen kurzfristig nur steigende Ölpreise: Ende des Jahres werden erneut Anleiherückzahlungen in Höhe von 3,6 Milliarden fällig. Allein Hauptgläubiger China hat Venezuela bereits 60 Milliarden Dollar geliehen, die mit künftigen Öllieferungen abgesichert sind. Neues Kapital kommt derzeit nur noch aus Russland. Im April hat der Staatskonzern Rosneft PDVSA für künftige Erdöllieferungen 1 Milliarde Dollar überwiesen. 2016 kaufte sich Rosneft zudem für 1,5 Milliarden Dollar bei der PDVSA-Tochter Citgo ein, an der das Unternehmen 49,5 Prozent hält. Seit 1990 kontrolliert Venezuelas staatlicher Ölkonzern PDVSA in den USA drei Raffinerien, Pipelines und ein vor allem an der Ostküste gelegenes riesiges Tankstellennetz von Citgo, einer US-Tocher von PDVSA. Diese Gemengelage senkt die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Regierung Sanktionen gegen den Ölsektor verhängt. Aber selbst wenn diese ausbleiben, gilt: Dümpelt der Ölpreis weiter um 50 US-Dollar, droht die Zahlungsunfähigkeit. Es wäre die erste in der Geschichte Venezuelas.

DAS GRIECHENLAND DER USA?

Die Beziehungen zwischen Puerto Rico und den USA sind in vielerlei Hinsicht skurril. Nach der spanischen Besetzung kamen 1898 die US-Amerikaner*innen und blieben. Seitdem ist der kleine Inselstaat zwar Teil der Vereinigten Staaten von Amerika, aber kein US-Bundesstaat. Wer zum Beispiel in Puerto Rico lebt und geboren ist, wird zwar vom US-amerikanischen Präsidenten regiert, darf ihn aber nicht wählen. Trotzdem mussten die Inselbewohner*innen zu Wehrpflichtzeiten als Teil der US-Army das Land verteidigen, das sie nicht wirklich als vollwertigen Teil der Nation sieht. Die Puerto-Ricaner*innen sind US-Bürger*innen; die großen politischen Entscheidungen werden in Washington getroffen. Im dortigen Repräsentantenhaus ist der Freistaat auch durch eine Abgeordnete vertreten – sie darf nur nicht mit abstimmen. Es gelten viele solch skurrile Ausnahmen für Puerto Rico.

Im Juni 2015 erklärte der damalige Gouverneur Padilla, dass das Land seine Schulden nicht mehr begleichen könne. Einen Monat später kam es dann auch tatsächlich zum Zahlungsausfall. Puerto Rico ist seitdem bankrott. Eigentlich gilt es als Steuerparadies für US-amerikanische Konzerne und Superreiche. Der Staat hat wiederum ein dickes Minus in der Bilanz. Jahrelang konnte er sich über günstige Anleihen mit Geld versorgen. Doch mit einer schon länger schwächelnden Wirtschaft und steigenden Zinsen wurde die Schuldenlast zu schwer. Rund 73 Milliarden Dollar an Schulden kann das Land nicht mehr fristgerecht bedienen. Damit rangiert Puerto Rico auf der Liste der größten Staatspleiten hinter Griechenland und Argentinien auf Platz drei.

Das sogenannte „Promesa“-Gesetz ermöglicht eine geordnete Insolvenz des Landes.

Dabei kann laut Gesetz ein US-Staat eigentlich gar nicht Pleite gehen. Nach den Ankündigungen Padillas herrschte Unsicherheit über den Umgang mit der Insolvenz, die keine sein durfte. Der US-Kongress reagierte nach bekanntem Schema: Er beschloss eine Ausnahme für Puerto Rico. Das sogenannte „Promesa“-Gesetz ermöglicht eine geordnete Insolvenz des Landes – verbunden mit den Auflagen einer harten Austeritätspolitik und einem Spardiktat. Puerto Rico sei das Griechenland der USA, kursierte es hinterher durch die internationale Presse. Der Gouverneur der Karibikinsel, Ricardo Rosselló Nevares, ist hingegen überzeugt, mit der ihm auferlegten Sparpolitik das Land wieder zu Wirtschaftswachstum führen zu können.

Die unmittelbaren Folgen zeigten sich schnell. Nach dem Beginn des Insolvenzverfahrens im Mai 2017 beschloss die Lokalregierung umfassende Kürzungen im öffentlichen Sektor, in dem rund ein Viertel der Beschäftigten der Karibikinsel arbeiten. Zudem mussten 184 öffentliche Schulen schließen, geplant sind weitere Kürzungen im gesamten Bildungssektor.

Und so ist es kein Wunder, dass die Protestwelle seit Anfang Mai neben den Gewerkschaften vor allem von Hochschulbeschäftigten und Studierenden getragen wird. Diese und die Opposition riefen am 1. Mai zu einem Generalstreik auf, sogar der Flughafen von San Juan wurde blockiert. Die Polizei reagierte mit Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen, um gegen die vielen Demonstrationen und Aktionen vorzugehen. Verschiedene Medien berichteten von fünf bis zwölf festgenommenen Demonstrierenden. Weitere Gruppen werden von der Schuldenkrise des Landes betroffen sein. Zusätzlich zur Staatsverschuldung stehen allein 49 Milliarden Dollar an ungedeckten Pensionsansprüchen aus.

Unzufrieden sind derweil auch die Gläubiger*innen. Nachdem sie zunächst einen Schuldenschnitt von 50 Prozent abgelehnt hatten und sich durch die US-amerikanische Gesetzgebung sicher wähnten, bangen sie nun um ihre gesamten Ansprüche. Weitere hochverschuldete Staaten der USA könnten nun dem Beispiel Puerto Ricos folgen.
Wesentlichere Probleme hat die Bevölkerung des spanischsprachigen Inselstaats. Die Arbeitslosenquote ist mit 11,5 Prozent doppelt so hoch wie im sonstigen US-Durchschnitt. Die Hälfte der 3,4 Millionen Einwohner*innen lebt in Armut. Viele gut ausgebildete junge Menschen machen sich daher auf den Weg in einen der 50 US-Bundesstaaten. Sie gehen ohne zurück zu kommen; seit Jahren schrumpft die Bevölkerung.

Unter denen, die geblieben sind, wird der alte Ruf nach Unabhängigkeit immer lauter. Zwar hatte in einem Referendum 2012 eine Mehrheit für die Beantragung des Status als US-Staat und damit für die Gleichstellung innerhalb der Vereinigten Staaten gestimmt. Doch ein Erfolg des Vorhabens ist nun unwahrscheinlich geworden. Zum einen hatte US-Präsident Trump bei den Präsidentschaftsvorwahlen gerade einmal 13 Prozent der Stimmen geholt und blieb weit hinter seinem Kontrahenten Marco Rubio zurück. Bei den parteiinternen Vorwahlen darf Puerto Ricos Bevölkerung teilnehmen. Zum anderen ist die US-Regierung auch durch ihr Spardiktat deutlich unbeliebter geworden. Gleichzeitig ist der Einfluss von Washington durch das „Promesa“-Gesetz enorm gestiegen. Die regierende Partei der Neuen Progressiven Kraft (PNP), die ohnehin für die Implementierung von Puerto Rico als vollwertiger US-Staat wirbt, hat dem nichts entgegenzusetzen.

Es mag zur aktuellen Situation passen, dass am 17. Mai Oscar López Rivera, militanter Freiheitskämpfer der 1970er- und 80er-Jahre, nach jahrelanger US-Haft freigelassen wurde und nach Puerto Rico zurückkehren konnte.

LENÍN AUF CORREAS SPUR

Die Ecuadorianer*innen hatten am 2. April die Qual der Wahl: Sie sollten sich zwischen dem Bankier Guillermo Lasso, Chef der Banco de Guayaquil, und dem ehemaligen Vizepräsidenten Lenín Moreno entscheiden. Letzterer – selbst Rollstuhlfahrer – wurde vor allem bekannt durch sein Programm zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Am Wahlabend verkündete die Wahlbehörde den knappen Sieg von Moreno mit etwas über 51 Prozent der Stimmen. Lasso hingegen sprach von Wahlbetrug und forderte eine komplette Neuauszählung. Dem kam die ecuadorianische Wahlkommission in Teilen nach. Aber auch die Neuauszählung von etwa 1,3 Millionen – knapp zehn Prozent der Stimmen – bestätigte den knappen Sieg von Lenín Moreno. Die Wahlbetrugsvorwürfe der Opposition seien unbegründet, so die Behörde. Lasso boykottierte die Neuauszählung und will das Ergebnis weiter nicht anerkennen. Stichhaltige Beweise für den Wahlbetrug blieb er bisher schuldig.

Mit Morenos Sieg geht in Ecuador zumindest nominell das progressive politische Projekt weiter.

Mit Morenos Sieg geht in Ecuador zumindest nominell das progressive politische Projekt weiter, das 2006 mit Rafael Correa seinen Anfang nahm – anders als in Argentinien, Brasilien oder Paraguay, wo inzwischen wieder Kräfte aus dem entgegengesetzten politischen Lager am Ruder sind.

Der 2. April setzte einem außerordentlich schmutzigen Wahlkampf ein Ende, in dem Diffamierungen und Gerüchte in den digitalen Netzwerken das soziale Klima weiter polarisierten und die Regierungspartei Alianza País unbeanstandet auch den Staatsapparat für Wahlkampfzwecke nutzte, obwohl das gesetzlich untersagt ist. Beide Kandidaten ergingen sich in Wahlversprechen, die angesichts leerer Staatskassen unerfüllbar sein dürften, wie beispielsweise einer Erhöhung der monatlichen Finanzhilfe für die Ärmsten von umgerechnet 50 auf rund 150 Dollar. Teilweise nahmen sich die Kandidat*innen im Wahlkampf wie im Basar aus, in dem sich die Händler*innen gegenseitig überbieten, ohne dass ein Bezug zur Realität dabei ins Gewicht fiele.

Wenn Lenín Moreno am 24. Mai das Präsidentenamt antritt, wird dennoch niemand wissen, wer die Staatsgeschäfte effektiv lenkt. Der scheidende Rafael Correa hat sich widersprüchlich geäußert – mal geht er ins Ausland nach Belgien, mal plant er ein baldiges Comeback, eventuell sogar durch vorgezogene Neuwahlen. Die Möglichkeit einer unbegrenzten Wiederwahl ist bereits in der Verfassung verankert, sie war aufgrund massiver Proteste im Jahr 2015 nur für diese eine Wahl ausgesetzt worden. Schwere Korruptionsskandale um die staatliche Ölfirma Petroecuador und die brasilianische Baufirma Odebrecht warten auf ihre Aufklärung – die mit allen möglichen Tricks sorgsam bis nach den Wahlen verschleppt wurde. Insbesondere der gewählte und auch noch amtierende Vizepräsident Jorge Glas, der für die inkriminierten Projekte politisch verantwortlich ist, könnte dabei in Mitleidenschaft gezogen werden. Glas gilt als der Vertrauensmann von Correa in der neuen Regierung, während sich Moreno durch eine betont versöhnliche Rhetorik von seinem Vorgänger abzugrenzen versucht, dessen Stil von Intoleranz, Verbalattacken und gerichtlichen Klagen gegen Dissident*innen aller Art geprägt ist.
Auch wenn Morenos Friedensbotschaft in dem extrem polarisierten und krisengeschüttelten Land gut ankommt, ist sie durch wenig konkrete politische Programmatik untermauert und erweckt eher den Eindruck einer neuen Tünche über dem alten Gebäude aus Extraktivismus, Zentralisierung der Macht in der Exekutive und Repression gegen Andersdenkende.

Für die unabhängige, oppositionelle Linke war die Stichwahl am 2. April eine zwischen Pest und Cholera.

Für die unabhängige, oppositionelle Linke, deren Bündnis im ersten Wahlgang mit dem sozialdemokratischen Ex-Bürgermeister von Quito und pensionierten General Paco Moncayo lediglich 6,7 Prozent erhalten hatte, war die Stichwahl am 2. April eine zwischen Pest und Cholera. Viele Stimmen aus diesem Lager riefen letztendlich zur Wahl des neoliberalen Lasso auf. Nach zehn Jahren systematischen Angriffen auf jegliche Form autonomer sozialer Organisierung setzen sie ihre Priorität auf ein unbedingtes Ende der Herrschaft des Correismus mit seinen verkrusteten, alle staatlichen Institutionen umspannenden Strukturen. Lasso hatte es vor diesem Hintergrund leicht, sich als Kandidat der Rückkehr zur Demokratie darzustellen. Angesichts der militanten Ablehnung von Abtreibungen seitens Rafael Correas wirkte sogar er, dessen Mitgliedschaft im Opus Dei bekannt ist, in Sachen Selbstbestimmung über den eigenen Körper liberal: „Ich habe nicht vor, mich als moralischer Führer des Landes aufzuspielen“, sagte er wiederholt. Auch im Hinblick auf die Umweltpolitik machte er erstaunliche Wahlversprechen – zum Beispiel, das Öl im Yasuní-Nationalpark im Boden zu lassen oder bei Bergbauprojekten das Ergebnis der Vorab-Befragung der Lokalbevölkerung als bindend zu betrachten. So entscheidend diese Dinge auch wären für eine nachhaltige Politik in dem mega-biodiversen Tropenland, so naiv wäre es gewesen, diese Versprechen angesichts der leeren Staatskassen und des auch regional verankerten politischen Hintergrunds von Lasso für bare Münze zu nehmen.

Die Wahl am 2. April war eine zwischen einer neoliberalen, marktkonformen Rechten und einer etatistischen, autoritären Pseudo-Linken. Von dem großen Transformationsprojekt, das der Wahlsieg von Rafael Correa im Jahr 2006 symbolisierte, ist heute nicht mehr viel zu spüren. Lenín Moreno verfügt aufgrund des knappen und umstrittenen Wahlergebnisses nicht nur über eine geringe Legitimität, er tritt auch ansonsten ein problematisches Erbe an: Ein Land, das sich auf Jahrzehnte verschuldet und obendrein überteuerte Kredite mit Zinssätzen von teils über zehn Prozent aufgenommen hat. Die natürliche Vielfalt des Landes und die Optionen künftiger Generationen hat die Regierung Correa aufgrund eines kurzfristigen politischen Kalküls längst verpfändet. Eins der produktivsten, zuvor staatlichen Ölfelder verscherbelte sie vor kurzem gegen schnelles Geld an Schlumberger, das weltweit größte Unternehmen für Erdölexplorations- und Ölfeldservice mit Sitz auf der niederländischen Karibikinsel Curaçao. Zudem wurden zwei Häfen konzessioniert – ganz im Gegensatz zur Politik der frühen Jahre, die den Anteil der Staatseinnahmen aus dem Ölgeschäft erweitert hatte. Außerdem wurde ein beträchtlicher Teil der an sich schon eher bescheidenen verbleibenden Ölreserven im Voraus an China verkauft. Die damit gedeckten Darlehen sind längst investiert. Auch die erwarteten Lizenzgebühren aus dem beginnenden Bergbau flossen bereits im Voraus in Schulneubauten und andere Projekte. Da bleibt in Zukunft kaum finanzieller Spielraum für staatliche Politik.

ARGENTINIENS OBERSCHICHT JUBELT

Im Wahlkampf hatte Mauricio Macri eine Revolution der Freude versprochen, falls er Präsident werden würde. Seit 15 Monaten ist er Argentiniens Präsident. Ist die Revolution der Freude in Sicht?
Mitnichten. Die ist nicht zu sehen. Und das hat Gründe. Man muss sich nur die Entwicklung in dieser Zeit anschauen: Mehr als 100.000 Menschen haben ihren Job verloren, alle sozialen Indikatoren haben sich verschlechtert, das Lohnniveau sank um neun Prozent, bei einer Inflation von 40 Prozent 2016. Gemäß der Päpstlichen Katholischen Universität Argentiniens (UCA) hat die Zahl der Armen seit Macris Amtsübernahme im Dezember 2015 um 1,5 Millionen Menschen zugenommen. Die UCA beobachtet seit Jahrzehnten die Armutsentwicklung und hat deswegen sehr aussagekräftige Daten. Die Regierung Macri hat eine Flut ausländischer Investitionen versprochen, die nicht gekommen ist. Klar ist: Der Kern dessen, was die neue Regierung verkörpert, ist die Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Das ist der Unterschied zu den Regierungen der Kirchners (Néstor 2003-2007, Cristina 2007-2015, Anm. d. Red.), die bei allen Problemen, die sie zum Beispiel mit Korruption hatten, für das Gegenteil standen: eine bessere Verteilung des Reichtums in Richtung der ärmsten Sektoren. Das wird auch durch die Daten der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) bestätigt: Zum ersten Mal wurde durch die progressiven Linksregierungen in Lateinamerika die Ungleichheit der Einkommensverteilung, die Schere zwischen arm und reich verringert, auch wenn es nicht gelungen ist, die Strukturen der Ungleichheit an sich zu brechen, immerhin das Niveau hat sich während der Ära der Linksregierungen in weiten Teilen Südamerikas verringert. (u. a. Brasilien, Uruguay, Bolivien, Ecuador, Venezuela im Zeitraum von 2005 bis 2015, Anm. d. Red.) Das gilt auch für Argentinien. Bei allen Problemen hat es die Sozialpolitik der Kirchners geschafft, bei den Indikatoren der Armut Verbesserungen zu erzielen, auch wenn die Sozialpolitik nicht alle armen Sektoren erreicht hat.

 

Die Oberschicht dürfte über den Kurs der Macri-Regierung jedoch jubilieren, oder?
Ja. Im Fall der aktuellen Regierung, die im Volksmund als Regierung der CEOs (Vorstandsvorsitzende, Unternehmensbosse, Anm. d. Red.) bezeichnet wird, gilt es festzustellen, dass es die Rechte in Argentinien erstmals geschafft hat, mit Wahlen an die Regierung zu kommen, also ohne Militärputsch wie in der Vergangenheit, was positiv ist. Aber das Paradigma dieser Regierung ist eindeutig die Verteilung des Reichtums in Richtung der wohlhabendsten Sektoren. Das lässt sich an ein paar Maßnahmen der Regierung nach Amtsübernahme zeigen: die Freigabe des Wechselkurses Peso zum Dollar mit der massiven Abwertung des Peso um 50 Prozent als Folge, die Aufhebung der Agrarexportbesteuerung beziehungsweise der Senkung beim Soja, die Abschaffung der Steuern auf den Bergbau. Das bedeutet eine Umverteilung von etwa 60 Milliarden Peso (4 Milliarden Dollar) zugunsten der Oberschicht. Deshalb: Wahrscheinlich wird die Freude bei der ökonomischen Elite und der Oberschicht durchaus beträchtlich gegeben sein, bei der Mittelschicht und der Unterschicht hält sie sich sicher in Grenzen.

 

Dementsprechend dürften die Proteste der Mittel- und Unterschicht gegen die Regierung Macri anhalten?
Ja. Das was aus der zwölfjährigen Ära des Kirchnerismo auf alle Fälle geblieben ist, ist das Nutzen des öffentlichen Raums durch die Bevölkerung. Das hat zwar schon vor der Kirchner-Ära mit den Massenprotesten rund um die Krise 2001/2002 begonnen, wurde aber seitdem beibehalten und zur Selbstverständlichkeit. Das ist wohl auch eine Erklärung dafür, dass sich die Regierung Macri bisher nicht getraut hat, noch regressivere Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik zu ergreifen. Es ist interessant, dass die Regierung trotz ihres deutlich neoliberalen Profils bisher die Ausgaben für Soziales insgesamt nicht gesenkt hat und die Sozialprogramme aufrechterhält. Das ist ein deutlicher Unterschied zur neoliberalen Regierung von Carlos Menem von 1989 bis 1999. Die Macri-Regierung ist neoliberal mit sozialen Akzenten, weil die durch die politische Notwendigkeit des Machterhalts gefordert sind.

 

Macri hat in Argentinien eine Strukturanpassung der Wirtschaft auf den Weg gebracht. Mir haben auch linke Ökonomen vor den Wahlen erzählt, dass eine Strukturanpassung – wer auch immer auf Cristina Kirchner de Fernández folgen würde –, unumgänglich sei, nur eben so sozial wie möglich. Wie sehen Sie das?
Nun, ich bin kein Ökonom. Aber diese Meinung ist in der Tat sehr weit verbreitet. Argentinien braucht Reformen, Argentinien braucht eine Art Strukturanpassung. Das legen die Indikatoren einfach nahe. Die Handelsbilanz ist negativ, die Ausgaben für Subventionen sind sehr hoch und die Regierung Kirchner vermochte es nicht, sie zielgerichteter auf die Ärmsten zu lenken und bei weniger Bedürftigen und Reichen zu senken. Die Gasflaschen kosten beispielsweise fünf Mal soviel wie das Gas aus der Leitung und die Gasflaschen kaufen die Armen. Aber was klar ist: Die Strukturanpassung von Macri verläuft ohne jegliche soziale Sensibilität und sie schützt auf die eine und andere Art die Interessen der wirtschaftlichen Elite. Ein Beispiel dafür ist der tarifazo (die massive Erhöhung der Strom-, Gas- und Wassertarife um bis zu 700 Prozent allein beim Gas, Anm. d. Red.) aus dem vergangenen Jahr. Der Oberste Gerichtshof hat die Erhöhung dann auf maximal 400 Prozent festgesetzt, um die durch den tarifazo ausgelöste soziale Krise zu mildern. Manche Haushalte hatten statt 200 Peso auf einen Schlag 5000 Peso für Strom, Gas und Wasser aufzubringen. Aber es ist richtig, dass es ein Problem mit der Subventionspraxis gab, seit 2003 wurden die Preise wegen der vorangegangenen Krise quasi eingefroren und damit der öffentliche Haushalt belastet. Das Problem nun ist aber, dass die weitgehende Abschaffung der Exportsteuern und die Abschaffung der Besteuerung auf den Bergbau ein neues Haushaltsloch reißt und zudem mit diesen Einnahmen vormals auch soziale Programme und Subventionen finanziert wurden. Statt nun graduell nachzujustieren und die wohlhabendsten Sektoren mit Steuern zu belasten und die Bedürftigsten zu entlasten werden nun alle Verbraucher ob arm oder reich gleichermaßen mit Preiserhöhungen belegt, eben ohne soziale Sensibilität.

 

Vermögen die unsozialen Preiserhöhungen für öffentliche Güter wenigstens die Steuerausfälle zu kompensieren?
Nein. Das kommt als weiteres Problem der Strukturanpassung hinzu. Zwar ist das Niveau der Sozialausgaben bisher unter Macri gleichgeblieben, aber mit dem großen Unterschied, dass die Sozialausgaben nicht mehr über Steuern gegenfinanziert werden, sondern durch die Neuaufnahme von Schulden. Argentinien kehrt gerade zu einem Zyklus der Auslandsverschuldung zurück. Allein 2016 wurden mehr Auslandsschulden aufgenommen als in den zwölf Jahren des Kirchnerismo. Die argentinische Bevölkerung hat allerdings sehr klar, worin ein solcher Schuldenzyklus früher oder später münden wird: in die Zahlungsunfähigkeit, in eine tiefe soziale Krise wie schon mehrfach in der argentinischen Geschichte und zuletzt 2001/2002. Aus diesen Erfahrungen heraus hat sich die Regierung von Cristina Kirchner de Fernández in der UNO-Generalversammlung für ein staatliches Insolvenzrecht eingesetzt und dafür auch große und mehrheitliche Zustimmung erhalten, allerdings nicht von einflussreichen Staaten wie den USA oder Deutschland. Damit sollte auch eine Rechtsprechung geschaffen werden, die dem Geschäftsmodell von Geierfonds Einhalt gebietet, die zum Schrottwert Staatsanleihen aufkaufen, um dann auf den vollen Nominalwert zu klagen, wie auch im Falle Argentiniens geschehen.

 

Die Kirchner-Regierungen haben sich geweigert, den Forderungen der Geierfonds Rechnung zu tragen, die Regierung Macri hat den Geierfonds 12 Milliarden Dollar gezahlt, mit dem Argument, dass damit die Rückkehr auf die internationalen Finanzmärkte freigemacht werden würde und Argentinien danach mit einer Flut von Auslandsinvestitionen rechnen könne. Ist dieses Kalkül bisher aufgegangen?
In Bezug auf die Auslandsinvestitionen nicht im Ansatz. Die von Macri angekündigte Investitionsflut ist schlicht ausgeblieben. Aufgegangen ist das Kalkül, dass wenn Argentinien die Geierfonds auszahlt, der Weg zur Neuverschuldung an den internationalen Finanzmärkten wieder offen steht. An der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung hat das aber nichts geändert. Viele kleine und mittelständische Unternehmen haben dicht gemacht, die formellen Arbeitsverhältnisse nehmen ab, die informellen Arbeitsverhältnisse nehmen zu. Bis jetzt ist überhaupt kein klarer Plan der Regierung Macri für die Wirtschaft zu erkennen. Es geht der Witz um: Im dritten Halbjahr wird alles besser… Das globale wirtschaftliche Umfeld ist aber sicher auch nicht hilfreich: Brasilien, einer der wichtigster Handelspartner Argentiniens, steckt tief in der Krise, die Rohstoffpreise für Argentiniens Exportgüter sind in den vergangenen Jahren tendenziell gefallen und last but not least hat der Amtsantritt von Donald Trump in den USA das Szenario nicht einfacher gemacht. Trump steht für Protektionismus zu Lasten der Handelspartner. Den Import von Zitronen aus Argentinien hat Trump schon ausgesetzt. Nach heutigem Stand lässt sich kein klarer Weg für Argentiniens wirtschaftliche Entwicklung erkennen, aber die Vorzeichen sind düster.

 

Newsletter abonnieren