ZWISCHEN TRAUM UND TRAUMA

Der Psychiater, die Nonnen, ihr Vater: Alle haben für Margarita einiges an Zuschreibungen parat. Ein pathologischer Fall sei sie, eine neurotische Nymphomanin, neurologisch geschädigt, erkrankt an Anorexie, Bulimie, Soziopathie, Hysterie und Legasthenie. An Letzterem stört sie sich am meisten. „Falsch, ich habe überhaupt kein Problem mit dem Lesen oder dem Leseverständnis, ich bin auch keine zwanghafte Lügnerin, wie die Direktorin sagt, ich gebe der Wirklichkeit einfach einen Hauch Kunst. Wie langweilig wäre sie, wenn niemand sie phantastisch machte…“
Die Mexikanerin Lucero Alanís hat die Geschichte der Erzählerin laut Übersetzerin Christiane Quandt aus den Aussagen verschiedener Frauen geformt. Margarita ist tatsächlich sehr viel auf einmal und lebt in vielen Welten gleichzeitig. Sie ist Zwillingsschwester, die gewaltsam von ihrem Gegenpart getrennt wurde, Tochter eines übergriffigen Vaters und einer misshandelten Mutter, rebellische Klosterschülerin, missverstandene Patientin, außergewöhnliche Künstlerin und Traumwandlerin.

Die collagenhafte, in poetischer Prosa verfasste Ich-Erzählung findet auf verschiedenen zeitlichen und räumlichen Ebenen statt, die nicht klar voneinander zu trennen sind. Da ist die Psychiatrie, da ist die Klosterschule, in der Margarita alternative Versionen biblischer Szenen in den Sekretär der Oberin kerbt und wo mit ihr gar ein Exorzismus durchgeführt wird. Und da ist das Elternhaus, in dem ihre Zwillingsschwester wegen ihrer blonden Haare und der blauen Augen bevorzugt wird, so sehr, dass der Vater beschließt sich seine eigene Tochter zur Frau zu nehmen, während Margarita als Hausmädchen fungiert und nicht mit am Tisch essen darf, da ihr Anblick dem Vater schlechte Laune bereitet.

Diese Aneinanderreihung von Klischees über Rassismus, Sexismus und das Trauma sexueller Gewalt im engsten Familienkreise ist keineswegs plump. Im Gegenteil sind Margaritas Worte von grausamer Aktualität: „Pater Tarsicio hat mir nämlich immer gesagt, alles werde uns aus Liebe verziehen, wie die Liebe, die er angeblich für mich fühlt, wenn er mich in die Sakristei führt und ich weglaufe und es den Schwestern erzähle und sie sich empören und mir niemand glaubt und ich am Schluss diejenige bin, die ihn gereizt hat.“ Die Angewohnheit, Opfer sexueller Gewalt in Täterinnen zu verwandeln, ist noch immer eine ganz normale gesellschaftliche Praxis. Ganz im Sinne der kruden Logik des „Irgendwas wird sie schon gemacht haben“ wird Frauen die biblisch verankerte Rolle der rücksichtslosen Verführerin aufgezwungen.

Margarita setzt sich viel mit männlichen „Wahrheiten“ über Weiblichkeit auseinander. Wenn auch ihr Tonfall naiv scheint, sind es ihre Handlungen keineswegs. Sie nimmt die Rolle der Liebhaberin an, wenn sie sich mit dem Klostergärtner vergnügt und verfällt nie in Selbstmitleid, sondern rechnet stattdessen knallhart mit der Scheinheiligkeit derjenigen ab, die eigentlich für ihr Wohlbefinden verantwortlich sein sollten. Der beklemmenden Atmosphäre ihrer Käfige entflieht Margarita, indem sie sich eine bunte und zauberhafte Welt erträumt, in der weiße Kaninchen, grüne Hunde und ein Pegasus ihre Freunde sind. Sie spielt mit der Zeit, bewahrt ihre Jahre in einer Schublade auf, und mit der Sprache, versteckt die Betonung ihr verhasster Worte zwischen den Laken und schert sich nicht um Syntax. Die Übersetzung meistert diese sprachlichen Eigenheiten der Erzählerin im Übrigen souverän.

Auf den ersten Blick ist Margaritas Geschichte die eines gescheiterten weiblichen Widerstands, schließlich ist sie Gefangene in einer Psychiatrie, ihr Leben ist von Verlusten und Isolation geprägt. Doch die Traumausflüge in eine Welt der Selbstbestimmung und des Glücks sind ihre persönliche Form der Ermächtigung, die das Ausmaß und die Wucht des Traumas zumindest manchmal in Zaum hält.

FRIEDEN OHNE ENDE

Llanos de Yarí, eine Grassteppe am Fuße der Bergkette La Macarena, im Südwesten Kolumbiens. Am Tag der zehnten und letzten Konferenz der Bewaffneten Streitkräfte Kolumbiens (FARC) singen die Kämpfer*innen nebeneinander aufgereiht die Hymne der ältesten Guerilla-Organisation Lateinamerikas. Timoleón Jimenez, das Gesicht der FARC während der Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung, redet vor historischer Kulisse über die Chancen des kommenden Friedens – in jenem Gebiet des Landes, das lange als Hochburg der Guerilla galt. Zwei Wochen danach, am 2. Oktober 2016, wird das 297 Seiten lange Abkommen, das vier Jahre lang zwischen Regierung und Guerilla in Havanna verhandelt wurde, zur Abstimmung stehen. Trotz der politischen Spannung herrscht in La Macarena eine scheinbar gelassene Stimmung, die Guerillerxs plaudern, lachen, gucken in die Ferne oder von der kleinen Kamera weg, mit der Uli Stelzner seinen Dokumentarfilm Tage und Nächte zwischen Krieg und Frieden aufgenommen hat. In 75 Minuten widmet er sich behutsam der Zeit vor und nach dem Referendum über den kolumbianischen Friedensvertrag, der einen Jahrzehnte währenden bewaffneten Konflikt beenden soll.

Die nächsten Szenen zeigen, wie die in grüne Anzüge gekleideten Frauen und Männer der zur FARC gehörenden Frente Milicia Bolivariana Felipe Rincón ein großes Tier schlachten, wie sie kochen, wie sie fernsehen. Bilder des alltäglichen Lebens im Warten vor der Stunde Null, in der die Kolumbianer*innen an die Urne gehen sollen, um mit ihrer Stimme Präsident Juan Manuel Santos Friedensprojekt offiziell einzuleiten. Man hört den Regen, die Geräusche des Dschungels und die der Gewaltexzesse aus einem Film, den einige Guerillerxs in einem Zelt gucken.

„Wer den Krieg selbst erlebt hat, wird danach nicht mehr derselbe sein“, erzählt Luis David Celis, ein Fariano, Anhänger der FARC, der gern dichtet. „Die Lyrik und die Verse, die ich schreibe, sind aus der Alltäglichkeit des Lebens der Guerilleros geboren.[…]Sie waren ein Fluchtweg aus den Bomben, den Schießereien, den lauernden Gegnern“, erzählt Celis. Die Gedichte, die er im Off vorliest, sind berührende Worte, die sich von der Rhetorik des Krieges nicht lösen können, doch etwas von intimen Momenten eines überzeugten Kämpfers verraten, der zwischen Leiden und Liebe die Notwendigkeit des Aufstandes sieht. Celis Worte erlauben einen kurzen, doch tiefen Einblick in ein Leben der Überzeugungen und Gegensätzlichkeiten.

Einfach, sinnlich und ästhetisch sind die Bilder der Interviewten und der Landschaft. Mit Nahaufnahmen der Gesichter und Hände sowie der Offenheit der Gesprächspartner*innen schmilzt die Distanz zwischen Redner*innen und Zuschauer*innen. Nüchtern erzählen die Opfer von der Grausamkeit des Konflikts und ihrer Hoffnung auf Entschädigung, sollte das „Ja“ im Referendum gewinnen. Vor einem zerbombten Haus in Santa Ana, circa zwei Stunden von Medellín entfernt, erzählt Roberto Giraldo wie die kolumbianische Armee unter Bombenhagel in die Dörfer des Gebiets eindrang. Das Ergebnis: 35 Familien wurden zwangsvertrieben und das nahegelegene FARC-Lager wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Cúcuta, Arauca, zurück nach Antoquia – die Liste der Wohnorte des irrsinnig oft vertriebenen Gilberto Guerra ist lang. In Granada, wo der Bauer nun wohnt, starben zum Höhepunkt der Gewalt des Konflikts zwei bis drei Menschen täglich. 83 Prozent der Wähler*innen sprachen sich hier für das „Ja“ im Referendum aus. Das Ergebnis der Abstimmung kommt dann wie ein Schock: „Wir haben einen weiteren Kampf in diesem Krieg verloren“, klagt Guerrera wütend einen Tag nach der Volksabstimmung. Mit „wir“ meint er die Landbevölkerung, die der willkürlichen Gewalt der Armee und der Paramilitärs ausgesetzt war. „Wenn die FARC-Mitglieder ins Gefängnis müssen, warum denn nicht Uribe?“, fragt er empört. Auch der Expräsident Kolumbiens Alvaro Uribe Velez (2000-2008) habe Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten: „Mit der Belohnung von 600.000 Pesos pro getötetem Guerillero wurden die Soldaten zu Auftragskillern gemacht“.

Uli Stelzner hat einen Dokumentarfilm über die Menschen gedreht, die die Wunden des 53 Jahre währenden Konflikts am eigenen Leib tragen und über ihren nicht beachteten Appell, den Frieden mit der FARC zu unterstützen. Ihm gelingt die Rekonstruktion jenes Moments, als wahr wurde, was zunächst wie ein schlechter Witz klang und dann ein mulmiges Gefühl über die Widersprüche der kolumbianischen Gesellschaft hinterließ: der 2.Oktober 2016. Mit einer Wahlbeteiligung von 36 Prozent und einem Unterschied von 0,43 Prozent zwischen den Ergebnissen beider Lager, gewann die Ablehnung des Friedensprozesses und machte die Polarisierung und Gleichgültigkeit gegenüber Opfern und Land sichtbar, die Kolumbien bis jetzt nicht überwunden hat. Die Frage bleibt, warum nur die Umsetzung eines Friedensabkommens so beginnen musste, warum die Strategie des Angstschürens der politischen Opposition so viele Anhänger*innen in den Städten gewinnen konnte. Leider fehlt genau diese Erklärung in der ansonsten sehr informativen Dokumentation, die Beweggründe der Anderen, die am Tag des Referendums einen Sieg feierten und dem jetzigen Friedensprozess den Krieg erklärt haben.

Dafür überrascht Stelzner mit einem sehr persönlichen Gespräch mit Gloria Gaitán, Tochter des im Jahr 1948 ermordeten und parteilosen linken Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliecer Gaitán. Das Jahr seiner Ermordung ist als Anfang der Gewalt in Kolumbien in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Bevölkerung habe damals ihr Sprachrohr verloren, sagt Gaitáns Tochter fast 60 Jahre nach seinem Tod. „In Kolumbiens rassistischer Klassengesellschaft wird der Bauer verachtet und wurde gezwungen, sich zu bewaffnen“, klagt sie verbittert. Doch Gloria Gaitán glaubte auch nicht an den Erfolg des aktuellen Friedensvertrags. „Alle Friedensprozesse endeten mit der Ermordung der entwaffneten Guerilla-Führer, in allen gab es Verrat seitens der Oligarchie.“

Der historische Kinomoment, der Stelzner am Anfang des Filmes nach Kolumbien führt, war kein überwältigendes Ja. Es war der Moment der Aktivist*innen, Künstler*innen und wütenden jungen Leute, die auf der Straße Lösungen für das entstandene Vakuum nach dem Referendum forderten. Und der Moment von Präsident Santos, der den Friedensnobelpreis gewann. Nach dem „Nein“ im Referendum verhandelte die Regierung mit der rechten Opposition den Friedensvertrag erneut aus, den sie zuvor mit der FARC verhandelt hatte. 13 Seiten wurden hinzugefügt. Fast ein Jahr nach der Unterzeichnung des geänderten Abkommens am 24. November 2016 sind erst 18 Prozent der Vertragspunkte durch Senat und Verfassungsgericht ausgearbeitet. Die versprochene Agrarreform und Entschädigung der Opfer stehen noch aus. Zwar wurden am 11. Oktober per Verfassungsgericht weitere Änderungen des Friedensabkommens für die nächsten zwölf Jahre ausgeschlossen, die geschätzten 50 ermordeten Menschenrechtsaktivist*innen und die Massaker seitens der Armee gegenüber sieben Koka-Bäuer*innen in der Hafenstadt Tumaco zeigen jedoch, dass die Landbevölkerung immer noch der willkürlichen Gewalt der Paramilitärs und der Armee ausgesetzt ist.

DER KLÜGERE FRAGT NACH

Schon immer fühlte sich Jeremías irgendwie unverstanden. Eine Kostprobe: „Mama, stimmt es, dass die ganze Erde sich langsam erwärmt. Es könnten die Pole abschmelzen. Macht dir das nicht Angst?“ Antwort: „Ob ich Angst vor Wärme habe? Wir bringen die Klimaanlage schon wieder in Gang.“

Jeremías ist acht Jahre alt und hat eine ganze Reihe Fragen, mit denen er sein Umfeld irritiert. Damit kommt er erwartungsgemäß in der Schule nicht gut an. Die harmlose Frage, was er werden möchte, nimmt er ernst. Er findet einen Freund in einem 80 Jahre alten Besitzer eines Buchladens, der ihn auf eine erste Fährte lenkt: das Schach spielen. Als eine Hochbegabung bei Jeremías festgestellt wird, eröffnen sich für ihn neue Möglichkeiten. Von nun an probiert der sympathische kleine Klugscheißer alles mögliche aus, um herauszufinden, was er mit seiner Begabung im Leben anfangen möchte. Jeremías ist zwar so klug wie Einstein, nur wo die Reise mit ihm hingeht, weiß er natürlich nicht. Der herrlich ehrliche und erfrischend freche Jeremías, von Martín Castro wunderbar gespielt, zieht die Zuschauer*innen spielerisch auf seine Seite.

Was die Komödie so sehenswert macht, sind neben den gelungen Charakteren, die ohne albernen Schabernack auskommen, vor allem die realen Themen aus dem Leben einer mexikanischen Familie. So möchte die Mutter ihren Schulabschluss nachholen, doch der Vater gibt seine Erlaubnis nicht. Jeremías versucht sie zu trösten, indem er erklärt, 48 Prozent der Bevölkerung habe keine abgeschlossene Schulausbildung. Derart schafft es der Film innerhalb einer angenehmen Erzählstimmung in der echten Welt zu spielen. Wohl aus diesem Grund ist er in Mexiko 2015 so erfolgreich in den Kinos gelaufen.

Jeremías – Zwischen Glück und Genie bedient sich gekonnt an der humoristischen Theke. Dabei bleibt vielleicht kein Muskelkater durch Lachkrämpfe zurück, aber es entsteht der beste Eindruck für eine gelungene Komödie: nicht nur veralbert worden zu sein.

INNEHALTEN UND LATEINAMERIKA LESEN

Der „Akt des Lesens“, so heißt es im Editorial der zehnten Ausgabe des Berliner Literaturmagazins alba, sei ein „Akt des Innehaltens“. In diesem Sinne ist die neue alba nicht nur ein Plädoyer für das Anhalten, um zu lesen (und anders herum), sondern auch Aufruf dazu, dem lateinamerikanischen Kontinent fernab vom Tagesgeschehen gründliche literarische Aufmerksamkeit zu schenken.

Der regionale Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe liegt passend zum dualen Jahr auf Mexiko, allerdings finden sich ebenso Texte aus Peru, Bolivien, Venezuela, Brasilien und Nicaragua. Das Magazin ist dreisprachig, wobei alle Texte übersetzt wurden, so dass jeder einzelne auch in einer meist exklusiv für alba angefertigten deutschen Fassung zu lesen ist. Der Akt des Übersetzens hat allerdings im Heft nicht nur die Funktion, lateinamerikanische Texte einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Genau so geht es darum, die Übersetzungsarbeit als kulturelle Praxis zu würdigen. Wie bereits in vorherigen Ausgaben der alba wird in der Rubrik „Vermittler“ auch im aktuellen Heft das Schaffen eines Übersetzers gewürdigt, der maßgeblich dazu beigetragen hat, lateinamerikanische Literatur im deutschsprachigen Raum präsenter zu machen. Carl Heupel, der unter anderem Octavio Paz’ Klassiker Das Labyrinth der Einsamkeit übersetzt hat, wird von alba-Redakteur Douglas Valeriano Pompeu als zu Unrecht vergessene Schlüsselfigur in der deutschen Verlagslandschaft bezeichnet, der „eine Bresche ins deutsche Leserbewusstsein“ geschlagen habe.

Dieser Schwerpunkt auf Vermittlung zwischen Lateinamerika und Deutschland spiegelt sich auch in der ersten Rubrik des Hefts, Berlínstant wider, welche die Vielseitigkeit der lateinamerikanischen Literaturszene in Berlin darstellt. Die alba ist also nicht entlang von Kriterien wie Herkunft der Autor*innen oder Genres aufgebaut, sondern thematisch organisiert. So bringt die mexikanische Autorin Guadalupe Nettel im Interview mit Redakteurin und Übersetzerin Christiane Quandt auf den Punkt, was auch alba besonders auszeichnet: „Mir gefällt das Hybride, die Möglichkeit, alle Gattungen im Sinne dessen zu vermischen, was ich schreiben will.“ So finden wir in der alba verschiedenste Textformate, die sich abwechseln und überschneiden. Neben Kurzgeschichten, Lyrik und Romanauszügen gibt es Interviews, Essays, Autor*innenportäts, Romanrezensionen, eine Hommage an den kürzlich verstorbenen Luis Alberto Arellano und einen Auszug aus der Dankesrede Yuri Herreras, der 2016 in Berlin mit dem Anna Seghers-Preis ausgezeichnet wurde.

Zu den Highlights des Hefts zählen die beklemmende Kurzgeschichte „Despertar“ („Wach auf!“) der Mexikanerin Ana García Bergua, in der Traum und Wachsein nicht voneinander zu unterscheiden sind, das geradezu verstörende „Cosita“ („Süßes Ding“) von María del Carmen Pérez Cuadra aus Nicaragua und die Auszüge aus dem Gedichtband Borealis von Rocío Cerón, die in Mexiko für ihre sonore Lyrik und poetische Performances bekannt ist. Zahlreiche Illustrationen lateinamerikanischer Künstler*innen sorgen dafür, dass Text und Bild sich auf symbiotische Art und Weise ergänzen.

Die alba Texte und Grafiken sind keine zufällig zusammengewürfelten Schnipsel, sondern sorgfältig ausgewählte und angeordnete Puzzleteile, die ein Bild der aktuellen lateinamerikanischen Literaturlandschaft zeichnen, das Genregrenzen verschwimmen lässt, vielseitige Aspekte von Gewalt, Leben, Traum und Trauma thematisiert und Möglichkeiten aufzeigt, den lateinamerikanischen Kontinent tatsächlich zu lesen, um gesellschaftliche Verhältnisse besser verstehen zu können.

“VIELE ALTERNATIVEN ENTSTEHEN MITUNTER GANZ UNSPEKTAKULÄR”

Die Bilder des mit Giftschlamm verseuchten Rio Doce gingen um die Welt. Im November 2015 war der Damm eines Bergwerkdeponiebeckens im brasilianischen Bundesstatt Minas Gerais gebrochen, die Minenfirma Samarco musste sich dafür verantworten (siehe LN 504). In dem neu erschienenen Buch von Ulrich Brand und Markus Wissen ist Brasiliens größte Umweltkatastrophe ein anschauliches Beispiel für die zerstörerischen Bedingungen und Folgen unserer Produktionsweise. „Imperiale Lebensweise“ ist der Titel und zugleich der zentrale Begriff, der der kritischen Analyse der Autoren zugrunde liegt. So ist die sozial-ökologische Katastrophe vom Rio Doce exemplarisch für die verschleierten Kosten unserer Automobilität. Deutschlands Eisenerzimporte stammten 2014 zu 56 Prozent aus Brasilien. Und die deutsche Autoindustrie ist einer der größten industriellen Endverbraucher von metallischen Rohstoffen.

Mitte März berichteten zahlreiche Medien, dass im Jahr 2016 in Deutschland fast 906 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt wurden. Die Emissionen stiegen damit im Vergleich zum Vorjahr um etwa vier Millionen Tonnen laut dem Umweltbundesamt. Insbesondere der Verkehrssektor emittierte mehr: Die Emissionen liegen in dem Sektor inzwischen zwei Millionen Tonnen über dem Wert von 1990. Dabei möchte Deutschland im Jahr 2020 eigentlich 40 Prozent weniger Kohlendioxid freisetzen als 1990. Dass Industrie und Politik fundamental etwas ändern müssen, ist offensichtlich. Die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock fordert einen Masterplan für den Verkehrsbereich: Der Warenverkehr solle von den LKWs auf die Schienen verlagert werden und Elektro-Autos müssten gefördert werden. Reicht das?

Die negativen Konsequenzen der hegemonialen Lebensweise werden ausgelagert.

Angesichts der multiplen Krisen, die uns weltweit begegnen, finden in unserer Gesellschaft zwangsläufig Veränderungen statt. Im Mainstream gewinnt die Idee einer sozial-ökologischen Transformation an Glanz. Auf den Straßen sollen zum Beispiel, so ja auch Baerbock, Elektro-Autos rollen. Brand und Wissen demaskieren die diesem Transformationsbegriff zugrundeliegende Logik: Mensch und Natur würden weiterhin zerstört und ausgebeutet. Sie sagen, unsere Lebensweise war und ist imperial. Um das deutlich zu machen, legen die Autoren in einem Kapitel den Schwerpunkt auf die „imperiale Automobilität“. Es ist aufschlussreich, was der Geländewagen-Boom in Deutschland über ungleiche Klassen- und Geschlechterverhältnisse aussagt. Aber auch eine „ökologisch modernisierte“ Automobilität mit Elektro-Autos, die an unseren Mobilitätskonzepten nichts ändert, sondern weiter Neukäufe von Privatfahrzeugen fördert, statt viel mehr aufs Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, externalisiert soziale und ökologische Kosten. Solche marktförmigen und technologischen Lösungen stellen nämlich nicht die Frage nach gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen und der notwendigen Suffizienz.

Was steckt hinter dem Begriff „imperiale Lebensweise“? Brand und Wissen fragen sich, warum eine emanzipatorische Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse trotz der sich zuspitzenden Krisen und Konflikten so schwerfällt. Stattdessen zeigten rassistische und nationalistische Reaktionen auf Migration besonders drastisch, wie der Wohlstand des globalen Nordens, der auf Kosten anderer erreicht wurde, gegen die Teilhabeansprüche Anderer gewaltsam verteidigt wird. Diese Beständigkeit ausbeuterischer Verhältnisse versuchen die Autoren mit der imperialen Lebensweise zu erklären. Sie soll vor allem die normalerweise verschleierten Grundlagen unserer alltäglichen Handlungen sichtbar machen, das heißt, die externalisierten Kosten unser Produktions-, Distributions- und Konsumnormen. In dem Buch wird dabei vor allem die imperiale Lebensweise der Bevölkerung des globalen Nordens beleuchtet, aber auch die im globalen Süden.
Allerdings sollten Leser*innen aufgrund des Titels keine tiefgehende Auseinandersetzung mit der klassischen Imperialismustheorie erwarten. In der skizzierten Geschichte der imperialen Lebensweise wird der historische Imperialismus ab 1870 benannt. Auf die Theorie beziehen sich Brand und Wissen lediglich, wenn sie erklären, dass der Kapitalismus eines nicht-kapitalistischen Außens bedarf. „Imperial“ beschreibt bei den Autoren vor allem, dass die Grundlagen und negativen Konsequenzen der hegemonialen Lebensweise ausgelagert werden. Deren globaler und ökologischer Dimension wird im Buch besonders Rechnung getragen, die Analyse der aktuellen globalen Verallgemeinerung und Vertiefung der imperialen Lebensweise gelungen mit diversen Daten fundiert. Hierzu werden vor allem die globalen Mittelklassen betrachtet.

Zerstörung und Ausbeutung halten an: Unsere Lebensweise war und ist imperial.

Brand und Wissen zeigen, warum weder eine ausschließliche Fixierung auf strukturelle Ungleichheitsverhältnisse noch einseitige Konsumkritik für eine emanzipatorische Perspektive ausreichen. Zugleich öffnet der Fokus auf die alltäglichen Handlungen – vom Autofahren über das Essen in der Schulkantine bis zur Fürsorge für die Mitmenschen – auch den Blick für Alternativen, die mitunter ebenso ganz unspektakulär im Alltag entstehen. Die Perspektive auf sozialen Widerstand, die sich durch das Buch zieht, ist ein weiterer wertvoller Beitrag zur politischen Debatte.

Dieser Blick für die „kleinen“ Handlungen hat glücklicherweise nicht zur Folge, dass die Autoren die Strukturebene aus dem Blick verlieren. Sie erläutern, wie Transformationen dem Kapitalismus inhärent sind und warum die Logik der Transformation dafür entscheidend ist, ob Veränderungen emanzipatorisch sind. Verschiedene neue Mechanismen der Inwertsetzung und Externalisierung, zum Beispiel in Form der Bioökonomie, werden erklärt (siehe LN-Dossier Nr. 13). Somit wird klar, warum „grüne Ökonomie“ die existierenden Widersprüche herrschaftskonform bearbeitet und ein grün-kapitalistisches Projekt befeuert.
Gegenhegemonie gegen die imperiale Lebensweise bedeute, strukturelle und alltägliche Alternativen zu formulieren. Brand und Wissen appellieren, in den umkämpften gesellschaftlichen (Natur-)Verhältnissen den Konflikt zu suchen und der imperialen eine solidarische Lebensweise entgegenzusetzen. Wiederholt beziehen sie sich auf (gewerkschaftliche) Arbeitskämpfe im globalen Süden und globalen Norden, auf den Widerstand indigener Gruppen oder von Feminist*innen. Somit schließt das Buch auch mit einem Blick auf andere Logiken der sozial-ökologischen Reproduktion und Akteur*innen, die die soziale Frage stellen. Ob „Ende Gelände“ für den sofortigen Kohleausstieg, Suffizienz-Debatten auf Klimacamps oder geschlechtergerechte Reproduktionsarbeit durch die „Care-Revolution“ – das letzte Kapitel inspiriert, das Buch einzupacken und aktiv zu werden.

STIMMEN AUS LATEINAMERIKA

Der Sammelband will auf ein „Übersehen“ kulturtheoretischer Reflexionen aus Lateinamerika reagieren, welches sich aus dem tief verwurzelten Glauben an die Universalität westlicher Kulturwissenschaft ergeben hat. Die Herausgeberinnen Isabel Exner und Gudrun Rath binden in das Buch eine Fülle von teilweise erstmals auf Deutsch übersetzten Texten ein, die es zu einem Buch vieler Bücher machen. Reich an anregenden Thesen zu kulturellen Begriffen lateinamerikanischer Herkunft, wie mestizaje und Transkulturation, sowie westlicher Herkunft, wie Moderne und Globalisierung, rütteln die Texte an der Überzeugungskraft noch heute bestimmender historischer Narrative.

Motivation der Herausgeberinnen ist die vom Postkolonialismus formulierte Kritik an westlicher Kulturreflexion, die das Wissen über den Inhalt der „anderen“ Kultur nutzt, um eigene Theorien zu stützen. Anscheinend ohne es zu bemerken, reproduzieren westliche Diskurse die Herrschaft über die „andere Kultur“. Anders als die Geschichte der von Europa ausgehenden Modernisierung schreibt, wurden in Lateinamerika „viele Prozesse und Diskurse vorweggenommen und ‚erprobt‘, die sich in Europa erst später in Folge transatlantischer Transfers etablierten.“ Ángel Rama beschreibt in diesem Zusammenhang die Ideologisierung der Massen zur Zeit der Gegenreformation durch „gelehrte Einsatzkräfte“ von römischer Kirche und spanischer Krone. Diese fände ihre Entsprechung in Europa erst im 20. Jahrhundert, nämlich mit der Kulturindustrie der Massenmedien.

Postkoloniale Reflexionen zeigen, dass die gewohnten (akademischen) Interpretationen des „Anderen“ aus einer bestimmten Sprache über ihn resultieren. Der als mangelhaft charakterisierte „Andere“ ist aber erst als das Ergebnis einer Konstruktion des modernen westlichen Menschen und dessen kolonialer Geschichte entstanden. Sylvia Wynter führt das eindrücklich vor Augen, indem sie den Disput zwischen Fray Bartolomé de las Casas und Sepúlveda über den Anteil des Menschlichen in den Indigenen analysiert. Dabei wird letztlich nur über das Eigene im Anderen reflektiert und dieser zusätzlich als das Zu-Interpretierende degradiert – sozusagen als „Rohstoff“ für die eigene kulturelle Produktion.

Viele sensible Fragen werden aufgeworfen, welche mit jedem Mal aufmerksamer machen für die kolonialen Denktraditionen der europäischen Kulturinstanzen. Andererseits, und das ist die Stärke des Buchprojektes, ergreifen lateinamerikanische Stimmen das Wort, um die eigenen kulturellen Wirklichkeiten zu beschreiben. Das macht den eigentlichen Reiz der vielen Denkanstöße aus, die interessierten Leser*innen geboten werden, denn diese dürften den meisten bisher unbekannt sein. Die Auswahl des Bandes stellt einen wichtigen Teil der seit den 1970er Jahren geführten Debatten dar, welche das Verständnis von Kultur über die „Fixierung von Sprache und Literatur“ erweiterten und macht sie einem deutschsprachigen Publikum zugänglich. Die Herausgeberinnen verzichten auf den Wiederabdruck bereits auf deutsch erschienener Klassiker, wie von José Martí, Vasconcelos und Rodó, und „agitatorischer Werke“ der Revolutionen des 20. Jahrhunderts wie von Ernesto (Che) Guevara.
Die Gliederung der Texte erfolgt in einem Versuch der Ordnung untereinander verflochtener Inhalte, welche offen sind für eine Lektüre entgegen der gewählten Reihenfolge.

Den Beiträgen im ersten Kapitel „Kontakte“ liegt die Frage zugrunde, ob Kultur immer schon als Form des Kontaktes besteht, der auf ungleicher Machtverteilung beruht. Das Anthropophagisch[e] Manifest von Oswald de Andrade nutzt effektiv die abwertende Beschreibung des karibischen Kannibalen, indem er sie als Metapher radikal annimmt und das Einverleiben als positiven Emanzipationsakt umdeutet: „Doch es waren nicht Kreuzfahrer, die kamen. Es waren Flüchtlinge einer Zivilisation, die wir jetzt aufessen, denn wir sind stark und rachsüchtig wie der Jabuti (indigene Völker in Brasilien; Anm. d. Red.).“ Dabei bedient er sich einer Textform, die mehr einer Sammlung von Thesen ähnelt und lockert damit den überwiegend akademischen Ton der Sammlung auf. Das in sich aufnehmende, vereinigende Moment verschiedener Kulturen in lateinamerikanische betont auch Canclini durch den Begriff der Hybridisierung. Er argumentiert, dass postkoloniales Denken heute keinen großen Wert mehr zur Beschreibung lateinamerikanischer Kultur habe, an dessen Stelle eher der „Disput über den Sinn der Moderne“ getreten sei, „weshalb die Modernisierung, die gegenwärtige Globalisierung – und ganz allgemein jede Art hegemonialer Politik – nicht nur als Sieg der Starken über die Schwachen verstanden werden darf.“ Auch Ortiz’ Vorschlag, den Begriff Transkulturation zu nutzen, macht auf kulturelle Mischformen in der Entwicklung von Kultur aufmerksam und lehnt das vereinfachende Verständnis von einer (erzwungenen) Übernahme fremder Kultur ab.

Einer der beeindruckendsten Texte des Sammelbandes findet sich im zweiten Kapitel „Ent/Bindungen“. Roberto Schwarz geht in Deplazierte Ideen der Frage nach, wie gleichzeitig Ausbeutung, Versklavung und die Praxis der Gunst (favor) in Brasilien durch den Liberalismus legitimiert werden konnten, obwohl die adaptierte europäische Ideologie jene Herrschaftsformen eigentlich ablehnte. Es sei klar, „dass die Freiheit der Arbeit, die Gleichheit vor dem Gesetz und der Universalismus generell auch in Europa ideologischen Charakter hatten; aber dort stimmten sie mit dem Anschein überein und verbargen das Entscheidende – die Ausbeutung der Arbeit.“ Die „ideologische Komödie“ Brasiliens hingegen bestehe darin, dass deren „Prüfung durch Realität und Schlüssigkeit nicht entscheidend zu sein [schien], obwohl sie ständig als anerkannte Anforderung gegenwärtig war […]. Daher konnte man systematisch Abhängigkeit Unabhängigkeit nennen, launige Willkürlichkeit Zweckmäßigkeit, Ausnahmen Universalität, Verwandtschaft Dienst, Privilegien Gleichheit und so fort.“

Die dem Buch eigene Fülle an Reflexionen und Pamphleten umfasst im Kapitel „Bewegungen“ auch Gedanken zur Emanzipation des Kinos und der Literatur aus Debatten der 1970er bis 1990er Jahre, welche medientheoretische Problemstellungen in den Fokus rückten.

Das letzte der vier Kapitel, „Angriffe“, umfasst eine Reihe ausgesprochen beeindruckender Texte zu Fragen nach der Wirkung dominanter Begriffe und Praktiken auf kulturelle (Selbst-)Wahrnehmungen, sowie Möglichkeiten von Alternativen. Beispielsweise erörtert Segato die „Handschrift“ auf den Körpern getöteter Frauen in Ciudad Júarez und macht damit auf die kommunikative Ebene physischer Gewalt in Mexiko aufmerksam.

Die Herausgeberinnen schließen jedes Kapitel mit einem Zwischenfazit, das den Texten einen Kontext liefert und damit dem Verständnis helfen soll. Dabei richten sie sich in ihrer Wortwahl eher an ein akademisches Publikum.
Abschließend kann den Herausgeberinnen nur zugestimmt werden: Die in diesem Band versammelten Kulturtheorien liefern den Leser*innen mit Sicherheit Anstöße, um auf die Zusammenhänge von Gewalt und symbolischer Ordnung auch in Europa und anderen Regionen der Welt aufmerksam zu werden.

AUSGETRETENE WEGE

Eines gleich vorweg. Ich bin selbst gereist. Auch durch Südamerika, habe viel erlebt und Menschen davon berichtet. Wahrscheinlich tendieren Europäer*innen, die auf anderen Kontinenten unterwegs sind, dazu, ihresgleichen kritisch zu beäugen, sich seltsam zu finden. Das ging und geht mir so. Damit möchte ich meine Perspektive offen legen und es anders machen als Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma in ihrem bei National Geographic erschienenen Reisebericht.

Da sie bei der Konfrontation mit wesentlich anderen gesellschaftlichen Verhältnissen und teilweise großer materieller Armut nicht über die eigene (deutsche) Gesellschaft und die eigenen Privilegien nachdenken, bleibt ihr Buch vor allem langweilig.

Zwei Jahre lang trampen und wandern die beiden durch Südamerika und bringen so 56.000 km Strecke hinter sich. Sie haben jedes einzelne Land besucht und alle bekannten Touristenattraktionen abgeklappert. Ihre Übernachtungen organisieren sie über Couchsurfing. Viel erfährt der/die Leser*in allerdings nicht über die Menschen, die die Rucksackreisenden bei sich aufnehmen. Dafür gibt es ausufernde Beschreibungen der zahlreichen Wanderungen durch Dschungel oder auf schneebedeckte Berge.

Hin und wieder stören sich die Backpacker*innen an anderen Tourist*innen, die ihnen mit ihrer Multifunktionskleidung peinlich vorkommen. Dass dann aber nicht einmal in den bolivianischen Minen von Potosí ein Wort über den Kolonialismus und dessen Folgen verloren wird, ist enttäuschend. An wohl kaum einem Ort zeigt sich der Strang der europäischen Ausbeutung so eindrücklich. Zumindest den meisten.

Die koloniale Brille schimmert dann durch die Zeilen des Buches, wenn Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma einen Bullenkampf in den ecuadorianischen Anden beschreiben, wo von Selbstüberschätzung gezeichnete Besoffene ein albernes Spektakel veranstalten. Ähnliche Töne klingen an, als das Fahren von Kutschen in der kolonialen Stadt Cartagena als romantisch wahrgenommen oder Guyanas Hauptstadt Georgetown als einzige stinkende Kloake beschrieben wird, da die Guyaner*innen es nach dem Kolonialismus nicht fertig gebracht haben, das hervorragende Abwassersystem zu erhalten.

In Chile nehmen die Backpacker*innen eine tiefe Traurigkeit wahr, die das ganze Land durchzieht und in deren Anbetracht die chilenischen Frauen ungehalten zu ungesunden Lebensmitteln greifen und in Fettleibigkeit versinken.

Dieses Südamerika bleibt in diesem Buch das Land der Anderen. Und die sind korrupt, unpünktlich und halten sich nicht an Verkehrsregeln, können aber gut tanzen und sind in der Karibik total entspannt.

Unter dem Strich ist „Per Anhalter durch Südamerika“ nicht viel mehr als ein ausformulierter Reiseführer, da aber sicher einer der besseren. Alle, die glauben, dass man beim Trampen nicht mitgenommen und beim Couchsurfen ausgeraubt wird, kann dieses Buch vom Gegenteil überzeugen. Allerdings sind die Bilder, die die Autor*innen von Menschen und Gesellschaften zeichnen, stark und brennen sich schnell in das eigene Bild der Welt ein. Wer sich also etwas von einem Ort erzählen lässt, in dem er selber noch nicht war, der sollte sich gut überlegen, von wem.

 

ABENTEUER ÜBERSETZUNG

Mexiko, woher die Texte des Erzählbandes Potslom stammen, ist ein Land mit vielen parallelen Welten, ungleichzeitigen Zeitläufen und verschiedenen Zeiträumen. In vielen Geschichten tritt dies deutlich zutage. In der
Erzählung Der Reiter wird ein Raum eröffnet, in dem ein Geist nicht schläft, sondern als Schatten auf einem großen und stattlichen Pferd durch das Dorf reitet. In der Geschichte Achá Turí wird ein fremder Mann, von dem
gesagt wird, er sei ein Sklave von Hernán Cortés gewesen, gefangen genommen und dann zum König eines Dorfes gekrönt.

Nebensächlichkeiten bekommen in den Geschichten ein für westliche Leser*innen befremdliches Gewicht. So zum Beispiel in der Geschichte Erinnerungen an einen Gewissenlosen, eine persönliche Erinnerung an den Ausbruch des Vulkans Chichonal 1982. Den Aluminiumtopf, in dem der Großvater am Morgen des Vulkanausbruchs die Bohnen aufwärmte, hatte dieser bei einem fahrenden Händler auf dem Markt von Magdalena gekauft. Der Ausbruch des Vulkans, bei dem ein Steinhagel das Dach aus Pappe zerschlug, wird fast beiläufig beschrieben. In diesem Minimalismus, der Abwesenheit des Brutalen, wird die Apokalypse des Vulkanausbruchs betont. Diese Geschichten eröffnen Panoramen, in denen man die vom offenen Herdfeuer verrauchten Häuser fast riechen oder den schnarrenden Klang einer abgewetzten Gitarre hören kann.

In der Geschichte Die Blase im Mund des Indios werden die noch heute wirkenden kolonialen und rassistischen Strukturen der Unterdrückung deutlich und außerdem die Probleme der Übersetzung fassbar. Der Begriff „máasewal“ wird aus dem Maya ins Spanische und Deutsche als „Indio“ übersetzt. Im Englischen wird es als „Indian“ übersetzt. Der Begriff „máasewal“ bezeichnet aber auch einen sozialen Status, mit dem in Yucatán heute
„einfache Leute“, Bauern und Proletarier gemeint sind. Gleichzeitig hat er eine ethnische Bedeutung. Am Ende der Geschichte gibt der Großvater seinem Enkel den Rat, die brennende Blase in seinem Mund als Quelle seiner
Kraft zu verstehen und genau dann, wenn der Schmerz nicht mehr auszuhalten ist, den Kampf des Unterdrückten aufzunehmen und den Fremden zu verletzen.

Beim Lesen wird klar: Das Abenteuer der Übersetzung ist ein Zweifaches. Zum einen ist der Prozess der Übersetzung immer wieder ein Mysterium, in dem der Inhalt aus einer Sprache in eine andere Sprache hinüber gesetzt wird. Zum anderen kann sich durch das Lesen der Übersetzung ein Tor zu einer fremden Lebenswelt öffnen. Das bedeutet nicht, dass man beim Lesen dieser Geschichten die fremden Lebenswelten versteht. Nein, vielmehr bekommt man ein Gefühl für die Fremdheit und das eigene Unverständnis. Aber nur so kann ein Verstehen erarbeitet werden: Wenn man vom Unverständnis ausgeht und Schritt für Schritt auf einander
zugeht, ohne dabei die sozio-ökonomischen und kulturellen Unterschiede in einem „Wir sind doch alle Menschen“ zu negieren. Wenn man die ethnische Frage auf sozio-ökonomische Konflikte reduziert, verhindert das den Blick auf das Andere, das kulturell Fremde und man sieht im Spiegel nur sich selbst. Der Erzählband Potslom umfasst 12 Geschichten in neun verschiedenen indigenen Sprachen Mexikos: Purépecha, Mayo, Tepehuano del norte (Odami), Nahuatl, Mazateco, Triqui, Maya, Zoque und Tsotsil, die wiederum jeweils
ins Spanische, Deutsche und Englische übersetzt wurden. Dass aus dem Spanischen ins Deutsche und Englische übersetzt wurde, ist natürlich schade, da bei einer direkten Übersetzung der Inhalt weniger verändert werden würde. Eine direkte Übersetzung hätte den Kosten- und Zeitrahmen des Erzählbandes sicherlich gesprengt. Die Prosatexte in diesem Band sind mal Geschichten und Erzählungen, mal persönliche Berichte, ein anderes Mal Fabeln oder Legenden.

Potslom, die Erzählung, die dem Buch seinen Namen gegeben hat, unterscheidet sich von den anderen Geschichten, da sie einen Spannungsbogen und eine überraschende Wendung hat. Ein anderer Autor aus dem Buch bezeichnete in einem Gespräch mit dem Herausgeber diese Geschichte als verunreinigt. Der Autor von Potslom war zur Universität gegangen und hätte dort die westliche Logik von Geschichten gelernt. Für den Herausgeber, Lino Santacruz Moctezuma, stellt dieser Prozess jedoch vielmehr eine Bereicherung dar
und den Kontakt, den er mit der Veröffentlichung dieses Buches anstrebt: Die indigenen Welten in Mexiko sind der urbanen-mestizischen Mittelschicht weiterhin unbekannt. Das Buch will diese parallelen Welten zusammenbringen, Brücken bauen und einen Beitrag leisten zu der Frage: Wer sind wir Mexikaner*innen? Und was macht uns aus?

EIN FANTASTISCHER FILM

Foto: Berlinale

Sebastián Lelio hat ein Händchen für herausragende Hauptdarstellerinnen. 2013 gewann Paulina García in seinem Film Gloria für ihre Rolle als lebenslustige, kiffende Endfünfzigerin den Silbernen Bären für die beste Darstellung. Vier Jahre später kam Lelio – mittlerweile Wahlberliner – nun mit Una mujer fantástica (Eine fantastische Frau) zurück auf das Festival und ein gewisser Déjá-Vu-Effekt war unverkennbar: Auch diesmal brillierte mit Daniela Vega wieder eine herausragende Hauptdarstellerin in seinem Film. Und auch diesmal hat Lelio die Berlinale wieder mit Trophäen behängt verlassen. Una mujer fantástica gewann den Teddy Award für den besten queeren Film und wurde für das beste Drehbuch aller Filme im Wettbewerb ausgezeichnet. Beides völlig zu Recht, denn der Film erfüllt thematisch, dramaturgisch und künstlerisch höchste Ansprüche.

Daniela Vega spielt Marina Vidal, eine talentierte junge Salsa- und Opernsängerin in Santiago zu Beginn ihrer Karriere. Marina heißt laut ihrem Pass zwar noch Daniel, tatsächlich nennt sie aber außer der Polizei schon lange niemand mehr so. Seit einem Jahr ist sie glücklich mit dem deutlich älteren Orlando (Francisco Reyes) liiert. Eines Nachts fühlt der sich plötzlich unwohl und obwohl Marina alles in ihrer Macht stehende tut, stirbt Orlando kurze Zeit später im Krankenhaus. Doch zum Trauern bleibt Marina keine Zeit, denn ihre ganze Energie wird nun von der Familie des Verstorbenen beansprucht, die alles daran setzt, ihr die Dinge wegzunehmen, die sie an ihren Geliebten erinnern: Wohnung, Auto, Hund. Marina setzt dem zunächst wenig Widerstände entgegen, um Probleme zu vermeiden.

Aufgrund ihrer Identität als Transfrau und vermeintliche Familienzerstörerin sieht sie sich der kompletten Klaviatur der Diskriminierung ausgesetzt: Von schiefen Blicken über offene Beleidigungen bis hin zu entwürdigender Behandlung, Entführung und physischer Gewalt auf offener Straße ist alles dabei. Marina bleibt letzten Endes nur ein Ausweg: Sie muss mit all ihrer Kraft kämpfen, wenn sie erreichen will, was vielen anderen selbstverständlich zugestanden würde. Lelios Film nur auf die – speziell in Lateinamerika natürlich hochrelevante – Gender-Thematik zu reduzieren, würde der Vielschichtigkeit des Films nicht gerecht. Una mujer fantástica ist auch ein Film über das Trauern, das Loslassen von einem geliebten Menschen und die Notwendigkeit, gleichzeitig sein Leben weiterzuleben. Immer wieder steht der tote Orlando Marina noch vor Augen und immer wieder legt ihr dessen Familie Steine in den Weg, um zu verhindern, dass sie von ihm Abschied nehmen kann. Aus einem Gottesdienst für den Toten wird sie mit den Worten „Haben Sie denn keinen Respekt vor der Trauer anderer?“ abrupt hinausgeworfen – ungeachtet der Tatsache, dass es ihr Geliebter war, der gerade verstorben ist. Dennoch setzt Marina weiterhin alles daran, sich das „Menschenrecht, um einen Menschen trauern zu dürfen“, wie sie es im Film selbst ausdrückt, nicht nehmen zu lassen.

Dem Film tut gut, dass Marina nicht überall gegen Widerstände ankämpfen muss. Von etablierten Machtstrukturen wie Polizei, Kirche oder auch den Ärzten im Krankenhaus wird sie zwar mehrfach diskriminiert. Bei ihrer Familie und ihren Arbeitskolleg*innen findet sie dagegen vollen Rückhalt und Akzeptanz, was – neben der beeindruckenden Darstellung von Daniela Vega – Lelio dabei hilft, seine Figur nicht nur als klischeehaftes Opfer zu zeigen. Wunderschön sind außerdem die Momente, in denen die Geschichte sich von der filmischen Realität entfernt und Marina plötzlich auf der Straße nicht mehr vorankommt, weil sie gegen einen Sturm ankämpfen muss oder in einem Techno-Club zur Anführerin einer Revuetanzgruppe wird. Schließlich schafft es der Film auch noch, ein vernünftiges Ende zu finden – eine Qualität, die auf der diesjährigen Berlinale keine Selbstverständlichkeit war. Una mujer fantástica war ein Highlight des Festivals und einer der ernsthaftesten Bewerber um den goldenen Bären für den besten Film. Aber auch wenn den Preis letzten Endes ein anderer gewonnen hat, ändert das nichts daran: Una mujer fantástica  ist einfach „una película fantástica“ – ein fantastischer Film.

 

ENTSCHLEUNIGUNG IN GRÜN

Foto: Berlinale

Langsam, fast träge bewegt sich der Fluss. Unzählige Blätter spiegeln sich zitternd auf der Wasseroberfläche, die ebenso gut der Himmel sein könnte, würde darauf nicht das Boot gleiten, das die Kamera trägt. Als die schamanischen Gesänge, die die Fahrt untermalen, abebben, scheint es, als würden Zeit und Raum unwichtig in der ewiggrünen, nur durch das gelegentliche Plätschern eines Ruders unterbrochenen Stille. Währenddessen bereitet der Fischer, dem das Ruder gehört, in aller Bedächtigkeit seine Angel für den Fang vor.

Schon kurz nach Beginn des Films beschleicht den Zuschauer von „Rio Verde. El tiempo de los Yakurunas“ eine Ahnung, die sehr bald zur Gewissheit wird: Viele atemberaubende Szenen werden sich in den kommenden 70 Minuten nicht abspielen. Aber das ist auch gar nicht die Absicht der Dokumentation von Alvaro und Diego Sarmiento, die ihr filmisches Werk der Verteidigung indigener Lebensformen und deren Lebensraum gewidmet haben. In „Rio Verde. El tiempo de los Yakurunas“ nähern sie sich den Gemeinschaften der Quechua-Lamista im peruanischen Amazonasgebiet. Deren Mitglieder sind Überlebende, denn 90 Prozent der indigenen Bewohner*innen der Amazonasregion starben während des Kautschukbooms im 19. Jahrhundert. Die Sarmiento-Brüder zeigen die Lebensweise der Quechua-Lamista in einer radikalen Authentizität. Es gibt keinerlei Kommentare, keine Interviews, keinen Spannungsbogen. Die Protagonist*innen sind Menschen, die von Fischfang, Jagd oder Subsistenzwirtschaft leben. Wer hier konfrontative Zuspitzung, halsbrecherische Kamerafahrten oder gar exotische Riten erwartet, ist fehl am Platz. Stattdessen werden Maniokwurzeln geerntet und Raupen gesammelt, Tücher gewebt und selbstgedrehte Zigaretten geraucht. Als dramatische Höhepunkte können die Szenen gelten, in denen ein Schwein entläuft und ein Junge seinen Vater beim Fischfang übertrumpft. Die Gespräche beschränken sich auf Alltagskonversation. Und auch von den titelgebenden Yakurunas – sirenenhaften, mythologischen Wesen, die als Wassergeister auf dem Grund des Amazonas leben sollen – ist nicht im Entferntesten etwas zu hören und schon gar nicht zu sehen.

Und doch erreicht der Film genau dadurch, dass fast nichts passiert, sein Ziel, authentisch zu dokumentieren: Alles andere liefe dem Lebensrhythmus im Amazonasgebiet schließlich vollkommen entgegen. Was hier zählt sind Harmonie und ein Leben im Rhythmus der Natur. Der Filmfestival-Logik unvorhersehbarer Plot-Twists und spektakulärer cineastischen Effekte begegnet „Rio Verde. El tiempo de los Yakurunas“ mit einem fast schon meditativen Kontrapunkt, der dennoch nicht reiner Selbstzweck ist. Denn die oft sinnlose und unbefriedigende Hektik nicht nur der globalisierten Welt sondern auch einer atemlosen Aneinanderreihung hunderter filmisch erzählter Geschichten wird am besten durch die Dokumentation des Alltags einer davon völlig entkoppelten Gegenrealität gespiegelt. Es tut gut, diesen Film zu sehen, gerade weil er den Erwartungen an immer neue Sensationen und Erkenntnisse nicht gerecht wird. Stattdessen taucht das Publikum ein in eine Welt, in der Film- und Lebenszeit nur eine untergeordnete Rolle spielen. Eine Welt, die das Publikum auf diese Weise nicht mit dem Blick eines eventfixierten Ethno-Touristen, sondern als gleichberechtigtes Mitglied einer Gemeinschaft kennenlernen darf. Damit hat der Film durch seinen Verzicht auf jede Effekthascherei zweierlei geschaffen: Eine authentische und notwendige Dokumentation indigener Lebensweise im 21. Jahrhundert. Und einen Rückzugsraum für gestresste Berlinale-Touristen, die eine Auszeit vom hektischen und anstrengenden Gegenwartskino benötigen.

KOLONIALE TRISTESSE

Foto: Berlinale

Brasilien, 1821. Irgendwo im Hinterland des Bundesstaates Minas Gerais liegt eine einsame Farm, auf der neben ein paar mageren Rindern und Hühnern auch der Minenbesitzer Antonio mit seiner Familie und seinen Sklav*innen lebt. Gleich zu Beginn des Films ereignet sich aber eine Tragödie: Antonios Frau stirbt bei der Geburt ihres ersten Kindes. Von diesem Schock wird sich der fortan fast permanent entrückt wirkende Gutsherr im Laufe der Geschichte nie wieder erholen.

Auch wirtschaftlich waren die Zeiten für Antonio schon rosiger: Aus seiner Diamantenmine lässt sich nichts mehr herausholen und mit Landwirtschaft hat er keine Erfahrung. Deshalb versucht er mit Hilfe des befreiten Sklaven Jeremias, sein bislang unfruchtbares Land urbar zu machen. Dabei zeigt dieser zwar durchaus Geschick, verliert aber durch sein brutales und gnadenloses Auftreten die Kontrolle über die Sklaven, die zu rebellieren beginnen.

Währenddessen erkennt die Familie von Antonios Schwager, die ebenfalls auf der Farm wohnt, die Zeichen der Zeit und zieht zurück in die Stadt. Ihre frühreife 12jährige Tochter Beatriz lässt sich jedoch unglücklicherweise kurz vorher noch mit Antonio ein, was in eine Hochzeit mit dem Gutsbesitzer mündet. Fortan muss sie, selbst noch ein Kind, ohne Familie auf der einsamen Farm des apathischen Eigenbrötlers zurechtkommen. Der ist selbst oft abwesend oder betrunken und nimmt sich Sklavinnen mit ins Bett, wenn ihm seine um Jahrzehnte jüngere Frau nicht zu Willen ist. Auch Beatriz wendet sich deswegen mehr dem Personal auf der Farm als ihrem Ehemann zu, so dass der Film unausweichlich auf die Katastrophe zusteuert.

Foto: Berlinale

Regisseurin Daniela Thomas hat bereits in ihrer Arbeit für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio gezeigt, dass sie eine Meisterin des Visuellen ist. Und auch mit „Vazante“ beweist sie, dass sie ihr Handwerk beherrscht. Eindrucksvolle Aufnahmen der beeindruckenden Landschaft in Minas Gerais, sehr realistisch nachgebaute Kulissen und die klug gewählte Schwarz-Weiß-Optik schaffen eine Atmosphäre, die den Betrachter unmittelbar in die bedrückende Endzeitstimmung der letzten Jahre der Kolonialzeit eintauchen lässt. Das Drehbuch des Films weist hingegen deutliche Schwächen auf. Von Beginn an wird schnell klar, auf welchen Abgrund der Plot zusteuert und es geschieht zwei Stunden lang nichts, was daran Zweifel aufkommen lassen könnte. Als es dann endlich interessant werden könnte, ist der Film leider abrupt zu Ende. Da auch die Dialoge karg bleiben, wirkt „Vazante“ um mindestens eine halbe Stunde zu lang geraten. Zudem erscheinen die Charaktere trotz guter schauspielerischer Leistungen arg klischeehaft und einige Dinge bleiben bis zum Ende unerklärbar. Wieso würde eine Familie, die bei Sinnen ist, ihre geliebte 12-jährige Tochter klaglos in den Händen eines offensichtlich Wahnsinnigen auf einer Farm am Ende der Welt zurücklassen? Selbst in der konservativen kolonialen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts erscheint das nicht wahrscheinlich. Eine Empfehlung für den Film kann man also nur bedingt aussprechen: Wer schöne, beeindruckende Bilder sehen und ein Gefühl für die kolonialen Verhältnisse in Brasilien bekommen möchte, trifft mit „Vazante“ eine gute Wahl. Zuschauer*innen, die an einer dramaturgisch ausgereiften Geschichte interessiert sind, sollten sich dagegen vielleicht noch bis zum Start des Wettbewerbsbeitrags „Joaquim“, der in der gleichen Epoche spielt, gedulden.

DEM HORROR IN DIE AUGEN SEHEN

Foto: Berlinale

Eines sei vorweg gestellt: Wer „La libertad del diablo“ bis zum Ende sehen will, der muss hart gesotten sein. Fiktionale Darstellungen der Drogenmafia haben seit Jahren Hochkonjunktur, sind aber meist verpackt in einen unterhaltsamen Kinoabend mit Comic-Gemetzel im Stile eines Quentin Tarantino oder höchstens in kurzfristiges Befindlichkeits-Jojo á la Breaking Bad. Und man vergisst dabei schnell, dass diese Geschichten ihren Ursprung in der Realität haben. An Zahlen alleine lässt sie sich nur schwer ermessen. 20 000 Tote durch den Drogenkrieg alleine jedes Jahr in Mexiko sind zu viel, um das Ausmaß des Horrors verarbeiten zu können. Die beeindruckende Dokumentation „La libertad del diablo“ zeigt deswegen nur einen kleinen, aber genau deshalb so intensiven und schockierenden Ausschnitt davon – hart, grausam und gnadenlos. auch wenn man die Bilder dazu nur im Kopf des Betrachters ablaufen. Denn der Film besteht fast ausschnittlich aus Interviews, die aber so außergewöhnlich sind, dass man den Blick nicht eine Sekunde von der Leinwand wenden kann. Zu Wort kommen Beteiligte von allen Seiten des Drogenkrieges: Menschen, die entführt und gefoltert wurden. Mütter, die ihre Kinder verloren haben. Polizisten, die offen Selbstjustiz und Machtmissbrauch eingestehen. Und Auftragskiller, die ihre grausamen Morde in allen Einzelheiten nacherzählen. Das besondere: Die Identität aller Personen bleibt zwar natürlich verborgen, jedoch nur unter einer Strumpfmaske. Die Augen sind immer sichtbar, auch die Stimmen wurden von Regisseur Everardo González nicht verzerrt. Das macht die Interviews manchmal zutiefst erschütternd, manchmal unheimlich, manchmal geradezu abstoßend. Es macht Angst, wenn ein Auftragskiller voll Stolz und ohne Reue von seinem ersten kaltblütigen Mord erzählt, dem Adrenalin, das er spürte, den Glückwünschen seiner Gang. Es macht wütend, die Erzählung einer Mutter zu hören, die nach langer Suche bei einer Ausgrabung auf die Turnschuhe ihrer toten Kinder stieß und von der Polizei von deren Leichen weggedrängt wurde. Es widert an, wenn fast alle Mörder und Folterer – Polizisten wie Mafiakiller – ihre Verbrechen damit rechtfertigen, sie würden nur „Befehle von oben befolgen“. Und fast nicht zu ertragen ist es, wenn ein anderer Massenmörder berichtet, wie er einen Schuldner nicht zu Hause antraf und deshalb seine komplette Familie, inklusive seiner kleinen Kinder, erschoss. Gerne würde man wissen, wie Everardo González all diese Menschen dazu brachte, ihre Geschichte vor einer Kamera zu erzählen und auf seine präzisen, schonungslosen Fragen ihre Geheimnisse preiszugeben. Ein Mann spricht zum ersten Mal in seinem Leben über seine Entführung und Folter durch die Polizei. Ein Polizist erklärt offen, dass man Selbstjustiz verüben müsse und sich nicht an Gesetze halten könne, wenn man den Krieg gewinnen wolle. Und als schließlich die Frage auf die gerechte Bestrafung für das Morden kommt, erklären zwei Kinder, deren Mutter verschwand, dass sie ihre Entführer*innen genau so leiden sehen möchten, wie diese ihre Opfer leiden ließen. Dieser Film ist beängstigend und schockierend, weil er zeigt, wie tief sich die Spirale aus Gewalt, Wut und Vergeltung in den Alltag der Menschen, die mit dem Drogenkrieg leben müssen, eingefressen hat. Und er ist wichtig, weil er ins Bewusstsein ruft, dass dieser Krieg in Mexiko nicht nur in Spielfilmen und Serien existiert, sondern Tag für Tag die Realität von Millionen Menschen definiert.

RÄCHER VON DER TRAURIGEN GESTALT

Foto: Berlinale

Viel ist nicht los im Süden Brasiliens, an der Grenze zu Uruguay. Karges Grasland, ein paar Hügel, einige versprengte Rinderfarmen. Kein Wunder, dass die Jugend hier fast ausnahmslos wegzieht, um in der Stadt ihr Glück, also Arbeit und ein wenig Abwechslung zu finden. Nicht so Dione (brasilienerfahrenen Namenskenner*innen wird auffallen, dass es sich hier um den naturalisierten Cowboynamen „Johnny“ handelt), der aus der Stadt zurück aufs Land gezogen ist. Obwohl er jung ist. Doch der Militärdienst dort, wer will es ihm verdenken, hat ihn der Erfüllung seines Lebenstraums auch nicht besonders viel näher gebracht. In der Stadt, so meint Dione, gäbe es auch bloß Egoisten und man könne nicht machen was man wolle. Und so verdingt er sich mit Gelegenheitsjobs auf der Farm des alten Evaristo und bemüht sich nach Kräften, die Sojafarmer*innen der großen Agrarunternehmen zu vergrätzen. Die schwirren nämlich wie die Fliegen mit ihren Geländewagen zwischen den Feldern umher und versuchen, sich die letzten Fleckchen Land unter den Namen zu reißen, die noch nicht mit einen Firmensiegel markiert sind. Johnny will aber bleiben, und zwar als Rinderfarmer, der irgendwann sein eigenes Stück Land besitzt. Das große Geld ist ihm egal und bei der Aussichtslosigkeit des Unterfangens irgendwann auch Gewalt ein legitimes Mittel, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Wie gut trifft es sich da, dass er im Schuppen hinter einem verrosteten Computer noch eine alte Flinte (portugiesisch: „Rifle“) hervorzieht. Diese ist zwar genau wie er ein Anachronismus, aber sie erfüllt durchaus ihren Zweck, als er sich wie ein Rächer von der traurigen Gestalt auf seinen Feldzug begibt. Dieser richtet sich vor allem gegen die Autos der Großgrundbesitzer*innen, deren Reifen Dione mit Vorliebe beim Vorbeifahren durchlöchert. Nur beim Kampf gegen diese Windmühlen aus Blech kann es irgendwann aber natürlich nicht mehr bleiben.

Diese sehr reizvollen Ausgangsvoraussetzung, die sich der brasilianische Regisseur Davi Pretto für seinen ersten Spielfilm ausgedacht hat, tragen aber leider nicht die ganze, mit Laienschauspieler*innen aus der Region gedrehte Geschichte. Irgendwann werden Diones Motive unklarer, er weiß nicht mehr so recht, was und wohin er will und mit ihm auch der Film. So richtig nimmt man ihm den Desperado am Schluss nicht mehr ab, weil zu viele Szenen ohne erkennbaren Erzählfluss nebeneinanderstehen. Schade, so wirkt ein reizvoll konzipierter Plot zu einer hochaktuellen Thematik am Ende etwas unausgegoren und verhallt wie das Echo der Schüsse aus Diones „Rifle“ in der kargen Landschaft.

EIN FANTASTISCHER FILM

Foto: Berlinale

Sebastián Lelio hat ein Händchen für herausragende Hauptdarstellerinnen. 2013 gewann Paulina Garcia in seinem Film „Gloria“ für ihre Rolle als lebenslustige, kiffende Endfünfzigerin den Silbernen Bären für die beste Darstellung. Vier Jahre später (und mittlerweile Wahlberliner) ist Lelio nun mit „Una mujer fantástica“ zurück auf dem Festival und es könnte sein, dass er es diesmal mit noch mehr Trophäen behängt verlassen wird. Denn nicht nur hat er mit Daniela Vega wieder eine herausragende Hauptdarstellerin gefunden und alle Schauspieler*innen bis in die Nebenrollen exzellent besetzt. Auch sein Film erfüllt thematisch, dramaturgisch und künstlerisch diesmal alle Ansprüche, die man an einen Berlinale-Gewinner haben kann.

Vega spielt Marina Vidal, eine talentierte junge Salsa- und Opernsängerin in Santiago zu Beginn ihrer Karriere. Marina heißt laut ihrem Pass zwar noch Daniel, tatsächlich nennt sie aber seit Jahren schon niemand mehr so außer der Polizei. Seit einem Jahr ist sie glücklich mit dem deutlich älteren Orlando (Francisco Reyes) liiert. Eines Nachts fühlt sich Orlando plötzlich unwohl und obwohl Marina alles in ihrer Macht stehende tut, stirbt er kurze Zeit später im Krankenhaus. Doch zum Trauern bleibt Marina keine Zeit, denn ihre ganze Energie wird nun von der Familie des Verstorbenen beansprucht, die alles daran setzt, ihr die Dinge wegzunehmen, die sie an ihren Geliebten erinnern: Wohnung, Auto, Hund. Marina setzt dem zunächst wenig Widerstände entgegen, um Probleme zu vermeiden. Aufgrund ihrer Identität als Trans-Frau und vermeintliche Familienzerstörerin sieht sie sich von Seiten von Autoritäten und Orlandos Verwandten der kompletten Klaviatur der Diskriminierung ausgesetzt: von schiefen Blicken über offene Beleidigungen bis hin zu entwürdigender Behandlung, Entführung und physischer Gewalt auf offener Straße. Marina bleibt letzten Endes nur ein Ausweg: Sie muss mit all ihrer Kraft kämpfen, wenn sie erreichen will, was vielen anderen selbstverständlich zugestanden würde.

Lelios Film nur auf die – speziell in Lateinamerika natürlich hochrelevante – Gender-Thematik zu reduzieren, würde der Vielschichtigkeit des Films aber nicht gerecht. „Una mujer fantástica“ ist auch ein Film über das Trauern, das Loslassen von einem geliebten Menschen und die Notwendigkeit, gleichzeitig sein Leben weiterzuleben. Immer wieder steht der tote Orlando Marina noch vor Augen und immer wieder legt ihr dessen Familie Steine in den Weg, um zu verhindern, dass sie von ihm Abschied nehmen kann. Aus einem Gottesdienst für den Toten wird sie mit den Worten „Haben sie denn keinen Respekt vor der Trauer anderer?“ abrupt hinausgeworfen – ungeachtet der Tatsache, dass es ihr Geliebter war, der gerade verstorben ist. Dennoch setzt Marina weiterhin alles daran, sich das „Menschenrecht, um einen Menschen trauern zu dürfen“, wie sie es im Film selbst ausdrückt, nicht nehmen zu lassen.

Dem Film tut gut, dass Marina nicht überall gegen Widerstände ankämpfen muss. Von etablierten Machtstrukturen wie Polizei, Kirche oder auch den Ärzten im Krankenhaus wird sie zwar mehrfach diskriminiert. Bei ihrer Familie und ihren Arbeitskolleg*innen findet sie dagegen vollen Rückhalt und Akzeptanz, was– neben dem brillanten Spiel von Daniela Vega – Lelio dabei hilft, seine Figur nicht nur als klischeehaftes Opfer zu zeigen. Wunderschön sind außerdem die Momente, in denen Lelio sich von der filmischen Realität entfernt und Marina plötzlich auf der Straße nicht mehr vorankommt, weil sie gegen einen Sturm ankämpfen muss oder in einem Techno-Club zur Anführerin einer Revuetanzgruppe wird. Schließlich schafft es der Film auch noch, ein vernünftiges Ende zu finden – eine Qualität, die leider auf der diesjährigen Berlinale keine Selbstverständlichkeit ist. „Una mujer fantástica“ ist das erste echte Highlight des Festivals und hat die Messlatte für alle anderen Filme gelegt, die sich bis zu seinem Ende noch um den goldenen Bären bewerben werden. Aber auch wenn letzten Endes ein anderer gewinnen sollte wird das nicht daran ändern: „Una mujer fantástica“ ist einfach „una película fantástica“ – ein fantastischer Film.

DIE WIEDERAUFERSTEHUNG EINER LEGENDE


Foto: Berlinale

Gekleidet in einem langen, schwarz-rot gemusterten Poncho steht Chavela Vargas, ruhig und aufrecht, im Scheinwerferlicht einer kleinen Bühne. Neben ihr ein Gitarrist, der mit gehauchten Bewegungen langsam die Melodie eines Boleros erahnen lässt. Chavelas charaktervolle, in Rauch und Tequilla gereifte Stimme erklingt zunächst sanft und zart, fast zerbrechlich, wächst jedoch stetig an, wird scheinbar unaufhaltsam lauter, bis sie schließlich leidenschaftlich explodiert, in einem kaum auszuhaltenden Schmerz, wie der hemmungslose Schrei eines Betrunkenen im Vollrausch. In eigenwilligen Harmonien, singt Chavela gnadenlos nostalgisch über Liebe, Schmerz und Einsamkeit. Ein Leidensweg eingefangen von altem Videomaterial, Bildern und Interviews, womit Chaterine Gund und Daresha Kyi ein liebevolles, bewegendes und intimes Porträt gelungen ist, das für 90 Minuten Chavela wieder zum Leben erweckt.

Geboren ist Isabela Vargas Lizano 1919 in San Joaquín de las Flores, Costa Rica. Dort beginnt der Dokumentarfilm. Die Einsamkeit begleitete sie seit ihre Kindheit, berichtet Chavela hier selbst, in einem vor über 20 Jahren gedrehten und bis dato unveröffentlichten Interview. Wegen ihrer maskulinen Art und Kleidung wurde sie schon in jungen Jahren vom familiären Leben und von der Kirche ausgegrenzt. Nach der Trennung ihrer Eltern, lebte sie eine Weile bei einer Tante, bis sie mit vierzehn Jahren allein nach Mexiko Stadt zog.

Auch in Mexiko stieß Chavela Vargas wegen ihres Erscheinungsbildes auf Missfallen. Sie brach als stark rauchende, trinkende, mit Hose, Hemd und strenger Frisur auftretende Ranchera-Sängerin alle Tabus der männlich dominierten und streng katholischen Gesellschaft Mexikos der 1940er Jahre. Dennoch fand sie schnell Anschluss an die mexikanischen Kulturszene und machte Bekanntschaften, wie den mexikanischen Schriftsteller Juan Rulfo und schauspielerte sogar im Film La Soldadera vom Regisseur José Bolaños. Sie ging regelmäßig in die Cantina El Tenapa, feierte und musizierte mit José Alfredo Jiménez, einem der berühmteste Ranchera Sänger Mexikos, und lernte die Maler*innen Diego Rivera und Frida Kahlo kennen. José Alfredo Jiménez wurde zu einem engen Freund und Kollegen, dessen schmachtende Texte sie später selber sang. Leidenschaftliche Begierde und Liebeserklärungen an Frauen, diesmal von einer Frau. Mit Kahlo hatte Chavela eine kurze, liebevolle Liaison.

Chavela Vargas hatte viele Leben, viele Versionen ihres Selbst. Erinnert wird sie häufig als „die männlichste aller Rancheras Sängerinnen“, als offen lesbisch lebende Frau, die aber nie ihre Homosexualität aussprach, mit vielen Affären: Anfangs besonders gerne mit den, oft mäuschenhaften Ehefrauen von Politikern und berühmten Persönlichkeiten.

In den 60er Jahren war sie zu einer begehrten Sängerin in Cantinas und Bars geworden, blieb jedoch mit ihren ungewöhnlichen Interpretationen der mexikanischen und lateinamerikanischen Folklore eine Randfigur, die mit ihrer provozierenden Art, aber vor allem mit Tequila, sich den weiteren Karriereweg versperrte.

Mit etwa 50 Jahren verschwand Chavela Vargas aus der Öffentlichkeit. Lebte von der Wohltätigkeit ihrer Freunde und gab sich vollends dem Alkohol hin, bis sie die junge Anwältin Alicia Pérez Duarte traf. Pérez Duarte klärte nicht nur Chavelas Rechte an ihren Liedern -denn von dem Erlös aus dem Verkauf ihrer Platten hatte Chavela all die Jahre kaum etwas gesehen-, sie eroberte auch Chavelas Herz. Aus dieser, im Film sehr eindrucksvoll beschriebenen, ersten Begegnung entstand eine lange intensive Beziehung.

In ihrem Beitrag gewährt die Anwältin besonders bezeichnende und intime Einblicke in das Leben der Künstlerin. Die fortlaufend schlimmer werdenden Alkoholexzesse und ihre Brutalität, bis zu dem Moment der Kehrtwende – an die kaum noch jemand geglaubt hatte – und Chavelas musikalische Wiederauferstehung.

Denn nachdem ihre Beziehung im Tequila-Fluss ertrunken war, gelang Chavela „die Heilung“ der Trunksucht, wie sie darüber selber spricht. Mit der Hilfe von Bewunderer*innen, einer Reihe berühmter Musiker*innen und Regisseur*innen gelang ihr mit 70 Jahren das Comeback. 20 weitere Jahre triumphierte Chavela daraufhin wieder auf der Bühne und brachte es zu Weltruhm. Schließlich, im alter von 80 Jahren, sprach sie zum ersten Mal ihre Homosexualität öffentlich aus.

Mit ihren herzzerreißenden Interpretationen von Songs wie „La Llorona“, „La Macorina“, „Piensa en Mi“, ihrer tiefen rauen Stimme, wie ein Abbild ihrer persönlichen Geschichte, ist Chavela Vargas lebend zur Legende der lateinamerikanischen Musik und Heldin der Frauenbewegung Mexikos geworden. Eine Frau, die verliebt in Lieben und Singen war, dem Leben im Moment. Sie starb 2012 mit 93 Jahren in ihrer Wahlheimat Mexiko Stadt, als wahrhaft große Künstlerin.

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